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Bitteres Ende
Was lange ihre Heimstatt war,
wo sie gelebt in ganzen Horden,
wo sie gehaust seit Tag und Jahr,
das ist zur Falle jetzt geworden.Verhängnisvoll war just der Platz,
den sie erwählt für ihr Zuhause –
hat jemand erst mal einen Schatz,
zerstört ihn auch schon ein Banause.Allhier in Wennemanns Salon,
da hatten sie Quartier genommen,
doch Wennemann kennt kein Pardon,
ist ihnen auf die Spur gekommen.Mit einem Sauger sog er sie
heraus aus ihrem trauten Hort,
nur zwei entkamen, wer weiss wie,
und sie verkrochen sich vor Ort.Doch Wennemann voll List und Arg
hat alle Ritzen abgedichtet
und so den beiden einen Sarg
der ganz besondren Art errichtet.Dort schleppt sich nun mit letzter Kraft
verzweifelt, abgekämpft und leise,
auf dass der Tod Erlösung schafft,
der Ameisbock zu der Ameise.Den letzten ihres Volkes ist
ein Denk- und Mahnmal hier errichtet,
das Aberach voll Lust und List
den Nachgeborenen gedichtet.(20.07.2013) © E W Grundmann
Lüge
Die Lüge dringt
überall ein
und
überall durch,
sie ist so
geschmeidig
und klein
und hat ganz
kurze Beine.(21.03.2005) © E W Grundmann
Fettsucht
Er lebte
von der Hand in den
Mund und daran
starb er auch,
denn seine
Rechte wusste nicht, was
seine Linke tat(03.04.2005)© E W Grundmann
Augen
Die Rätselfrage, welche Augen
zum Sehen überhaupt nicht taugen,
sei leicht, sagst du, und glaubst, es sind
die Hühneraugen, welche blind.Ich muss dir aber widerstehen,
weil nämlich Hühner prächtig sehen –
und weisst du auch, womit sie’s tun?
Mit Hühneraugen sieht das Huhn!(20.12.2013 0100)© E W Grundmann
Greifswald
Als die Wissenschaft zur Erden
sprach, du sollst zur Kugel werden,
da war Greifswald einmal schneller,
und es blieb so flach wie’n Teller.Dieses schuld’ ich, sprach es eilig,
meinen Türmen, die mir heilig,
dass sie sich nicht seitwärts neigen
und verschiedne Himmel zeigen.Da stehn sie nun jahrein jahraus,
Maria, Jakob, Nikolaus,
wo die Erde ewig bleibe
eine schöne platte Scheibe.Und ich weise es dir gerne:
Nahst du dich der Stadt von ferne,
siehst du, niemand kann’s verhehlen,
alle drei in Parallelen.(05.04.2015 0245)© E W Grundmann
Erkenntnis
Will ich die Welt betrachten,
muss ich auch mich selbst beachten.Doch seh’ ich, was ich sehe,
stets aus meiner Augenhöhe.Demzufolge sehe ich
beinah alles, nur nicht mich,denn niemand ist es eigen,
selber sich zu übersteigen,um dort, wie soll ich’s nennen,
ausserhalb sich zu erkennen.Es bleibt nach diesem Gleichnis
in mir selbst die Welt Geheimnis.(08.09.2004) © E W Grundmann
Epithalamium
Das Wunder
bleibt ein
Geheimnis
du kannst es
erfahren
aber nicht
erklären
du kannst
es empfangen
und verschenken
aber nicht
erzwingen
hüten kannst du es
oder
zerstören
es weilt nur
wo Wahrheit ist
und Freiheit.Menschen zugedacht
nicht
von Menschen gemacht
ist Liebe.(für Karen und Christian 08.04.2000)© E W Grundmann
Klarwasser
Einst wandert ich durch dunkles kaltes Tal,
tief eingeschnitten und geheimnisschwer,
es war das sagenhafte Digital.Darinnen floss ganz schnell ein Fluss daher,
so schnell, dass er nicht war zu sehen, hören,
zu riechen oder fühlen, aber er,der Fluss, der Digi hiess, ich kann es schwören,
riss alles mit sich, was man wissen wollte,
um an dem Ufer jeden zu betören.Und wenn dann einer tat, was er nicht sollte,
klammheimlich ohne Angelschein zu fischen,
dann ging das leidlich, bis dass die Revolteder ehrenhaften Fischer ihn erwischen
und in die ferne Wüste schicken würde.
Genauso ist es auch geschehn inzwischen.Der Digifluss trägt eine schwere Bürde:
das klare Wissen für der Menschen Leben,
und er benötigt eine sichre Hürde,ihm gegen Unrat, Missbrauch Schutz zu geben,
damit an seinen Ufern Früchte wachsen.
Ihr Leute, danach, danach müsst ihr streben.(19.12.2013 0435) (Terzinen)© E W Grundmann
Virtuelles
Will Herr Wennemann spazieren gehen,
mag er nicht aus seinem Fenster sehen,
sondern fragt TV und Internet,
was es heute für ein Wetter hätt’.In den meisten Fällen bleibt er hängen,
weil ganz andre Themen ihn bedrängen
oder weil die Technik wieder zickt –
Abend wird’s, bis er sich durchgeklickt.Bestenfalles sieht er Leute wandern,
er versetzt sich dann in diese andern,
und so verwandelt sich ganz auf die Schnelle
sein Spaziergang in das Virtuelle.Manchmal wünscht er sich, dass an der Türe
Aberach, der Freund, stünd’ und entführe
ihn zu einem Rundgang um den Block,
dass er nicht nur in der Stube hock’.Da erfand der Fortschritt – welch ein Hohn –
das verflixte Bildertelefon.
Wennemann hat’s um so mehr beweint,
als der Freund nur noch am Schirm erscheint.(05.02.2013) © E W Grundmann
Teppich
Frau Grote erbte einen Teppich
und sprach zu sich, sie sagte nebbich,
wie hoch kann man das Stück bewerten?
Ich frage besser den Experten.Der Fachmann hat nach zehn Sekunden
neunhundert für genug befunden.
Die Freude war die allergrösste,
als neunzehntausend sie erlöste.Schon bald ihr Glücksgefühl entschwindet,
just als ihr Käufer einen findet,
der ihm den Teppich wird entlohnen
mit sieben Komma zwei Millionen.So wird die Wirklichkeit gemessen
an unsern Plänen und Int’ressen.
Uns stimmt nur alles das zufrieden,
was wir nach unserm Willen schmieden.Doch haben wir es dann bekommen,
wird es uns wieder abgenommen,
und sei es nur, weil Wünsche schwanken
und dauernd sich um andres ranken.(27.01.2012)© E W Grundmann
Werte
Kinderstube:
Du sollst es einmal besser haben.
Du sollst alles haben.
Haben.
Nimm dir.
Iss, soviel du kannst.
Wenn du nicht mehr kannst,
nimm Naschwerk.
Etwas geht immer.
Nie hörst du die Worte:
– Das tut man nicht.
– Das musst du verantworten.
– Das ist deine Pflicht und Schuldigkeit.Später:
Sei Knallhart.
Sei tough,
gnadenlos erfolgreich,
schlagkräftig,
schlage kräftig.
Maximiere den Gewinn.
Du hast nichts zu verschenken.
Du kannst alles kaufen.
Mitnehmen und abräumen.
Abstauben, dass es staubt.
Was nicht verboten ist,
das ist erlaubt.(05.03.2008) © E W Grundmann
Evolution
Wennemann hat seinen Laden
gut geführt und ausgestaltet
mit Qualität in hohen Graden,
hochmodern und nicht veraltet.Dann verkaufte er an einen
jüngeren und hoffnungsfrohen
Mann vom Fach, so wollt’ es scheinen.
Die Erwartung ist entflohen,als der Neue alle Werte
konterte und demontierte
und mit ungerechter Härte
die Angestellten schikanierte.Alles, was an gutem Standard
Wennemann hat eingerichtet,
hat der Neue voller Hoffart
abgeschafft und glatt vernichtet.Wennemann gerät ins Grübeln,
ob abgesehn vom Einzelfalle
sich die Menschheit je von Übeln
aufschwingt hin zur Ruhmeshalle,oder ob, was wir Entwicklung
nennen, nicht ein Kreisgang sei,
der in ewiger Verstrickung
angepflockt im Einerlei.Aberach versucht zu trösten:
Fortschritt bei den Qualitäten
stosse immer auf die grössten
Hindernisse und da tätenVor- und Rückschritt alternieren
so, dass man erst nach Äonen
kann die Frage ventilieren
nach den Evolutionen.Wennemann seufzt hörbar auf:
Wie soll ich da noch hoffen,
denn mein kurzer Lebenslauf
lässt ja alle Fragen offen.(30.03.2013)© E W Grundmann
Republikflucht
Im Namen des Volkes
ergeht folgendes Urteil.
Der Republikflucht wird
für schuldig befunden
die Deutsche Demokratische Republik
(im Folgenden „DDR“).Urteilsbegründung
Die DDR hat sich am 3. Oktober 1990 verflüchtigt.
Sie erfüllt den Straftatbestand
der Republikflucht (§213 StGB) in Tateinheit
mit Landesverräterischer Nachrichtenübermittlung (§99),
Ungesetzlicher Verbindungsaufnahme (§219)
Zusammenschluss zur Verfolgung gesetzwidriger Ziele (§218)
Zusammenrottung (§217),
Wahlbehinderung (§210),
Wahlfälschung (§211)
Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses (§202),
Nachrichtenunterdrückung (§203),
Verbrecherischer Beschädigung sozialistischen Eigentums (§164)
Unterlassung der Anzeige (§225).Straferschwerend ist zu würdigen
die planvolle Absicht bei der Straftat,
das Zurücklassen Schutzbefohlener,
Kollaboration mit dem Klassenfeind.Im Strafmass wird auf lebenslänglich erkannt.
Bewährung ist ausgeschlossen.
Es ist sicherzustellen, dass von deutschem Boden
nie wieder Sozialismus ausgeht,
ob braun, ob rot oder sonstiger Couleur.
Die Kosten des Verfahrens tragen die üblichen Dummen.(1.5.2010) © E W Grundmann
Der Ort des Seins
ist
HIER und JETZT und SO.Ein Gefängnis
wäre er,
stünde er nicht
in der Spannung
zu
GESTERN und MORGEN,
ANDERSWIE und ANDERSWO.Das Haus des
Wirklichen
ist unbewohnbar
ohne den Garten
des Möglichen.(09.05.2004)© E W Grundmann
Die fünf Leben der Zwiebel
Aus Samen zieht der Gärtner Giebel
zunächst die kleine Steckezwiebel.Bald drauf wird Hausfrau Helga Ranzen
die Zwiebel in den Garten pflanzen,und schon nach ein paar kurzen Wochen
nascht von dem Schlot ihr Stiefsohn Jochen.Die ganze Zwiebel isst dann später
ihr zweiter Sohn, der kleine Peter.Zuletzt nach Durchgang beider Söhne
gibts von der Zwiebel Duft und Töne.( ~20.08.1995)© E W Grundmann
Garten
Ein schöner Garten schwebt dir vor
mit edlen Pflanzen hinterm Tor,
wobei alleine solches zählt,
was du dir selber auserwählt.Du ackerst und du sähst und eggst
und sorgst, dass alles prächtig wächst,
du freust dich, wenn die Triebe sprossen,
denn fleissig hast du sie begossen.Doch schon nach ein paar Tagen siehst
du, dass viel Ungebetnes spriesst –
selbst, wenn du rodest, wenn du jätest,
und wenn du Tag und Nacht es tätest,und wenn du zupfst mit Stiel und Stumpf:
das Unkraut feiert den Triumph –
nur deine Kandidaten kranken,
statt, wie gewünscht, empor zu ranken.Das Elend kann man nur beenden,
wenn sich die Perspektiven wenden,
wenn Unkraut du zu Kraut erhebst
und dann im Gegenzug erlebst,dass nun die Kräuter dich auch adeln,
und statt als Unmensch dich zu tadeln,
sie dich zum Menschen nun erheben
und fortan friedlich mit dir leben.Sei schlau und greif zu dieser List:
Lass die Natur so wie sie ist,
sonst wird sie wieder, wie sie war.
Ist das jetzt endlich allen klar?(05.02.2010) © E W Grundmann
Frischluft
Aberach, ein Feind von allen Düften,
ist in seinem Hause stets am Lüften,
Fenster hält er offen auch bei Frosten,
ebenso bei Schneesturm aus dem Osten,
selbst die Gartentüre lässt er offen,
um sich bessre Lüftung zu erhoffen.Wennemann, der zu Besuch gekommen,
hat die Scheiben heimlich rausgenommen
und verkauft, um Aberach zu testen.
Dieser findet jetzt die Luft am besten.(23.01.2013) © E W Grundmann
Heckenschnitt
Wennemann benimmt sich wie die tote
sagenhafte Kunstfigur Quijote.
Einst vor Jahren liess er um den ganzen
Rand des Gartens eine Hecke pflanzen.Leider, was er damals nicht bedachte,
hat der Gartenbauer, der es machte,
überwiegend Stacheln und auch Dornen
angepflanzt zur Rache für die Nornen,die den Wennemann nun stachen, schnitten,
ritzten. Viel hat Wennemann erlitten,
bis er sich zum Kampf entschloss und Waffen
für den Krieg begann sich anzuschaffen.Seither sieht man ihn in Schweiss und Blut
gebadet und mit Inbrunst, Glut und Wut,
mit Motorsäge, Häcksler, Beil und Schere
kämpfen, so als gelte es die Ehre.(18.04.2013)© E W Grundmann
wetter
er bedaure
sagte der kommentator
das schlechte wetterder garten
frohlockte
über den milden regendas wetter ist immer schlecht
irgendwo
und immer gut
irgendwo
für irgendwen
und auch hier
irgendwann(11.05.2013)© E W Grundmann
New Blue
Eine Woche Sturm und Grau –
heute wieder himmlisch blau,
alle Wolken sind gewichen
und der Himmel frisch gestrichen.Die wir verloren längst geglaubt,
von bösen Mächten schnöd geraubt,
sie spiegelt sich, die Sonne,
in der vollen Regentonne.(02.06.2010 Neuendorf / Hiddensee)© E W Gr
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Ein Gutmensch
Moritz Grünling war, wie seine Freunde gern behaupteten, bereits als Gutmensch auf die Welt gekommen. Und diese ihm zugeschriebene Eigentümlichkeit, angeboren oder im frühen Kindesalter erworben, hatte sich mit den Jahren zugespitzt.
Auch als Erwachsener verstand er es, seinen Beruf, er hatte Politologie studiert, mit seinen humanitären Absichten in Einklang zu bringen. Manchmal beklagte er sogar seine späte Geburt, wäre er doch zu gern viel eher gegen rassistische Vorurteile ins Feld gezogen. Aber der Amerikaner wie auch der Mohrenkopf waren schon vor seiner Zeit aus den Bäckereien verschwunden, Zigeunerschnitzel durch Ungarisches Schnitzel ersetzt worden, und am Zigeunerbaron hatten sich bereits Hartnäckigere als er die Zähne ausgebissen.
Jedoch wie nach Überschwemmungen noch Pfützen zurückbleiben, so hatten auch diese akribischen Feldzüge für ihn noch Überbleibsel hinterlassen, denen er sich widmen konnte. Er war ein Kämpfer im Kleinen geworden und verbot seinen Kindern Drei Chinesen mit dem Kontrabass oder Drei Zigeuner fand ich einmal… zu singen.
Nachdem er sein Sendungsbewusstsein nur unvollkommen ausleben konnte, ergab sich durch einen Wechsel der Arbeitsstelle verbunden mit einer Versetzung an einen anderen Ort noch einmal Gelegenheit, seine hehren Ideale zu praktizieren.
Man könnte annehmen, Moritz Grünling habe in einem kleinen vergessenen Winkel noch etwas rassistisch Anmutendes aufgetan, aber so war es nicht. Grünling war in eine Großstadt versetzt worden, und sogar hier entdeckte er Unkraut, das es auszumerzen galt.
Er war in der Mittagspause durch die ihm noch fremde Stadt gestreift und fand sich zu seinem Erstaunen vor einer Apotheke wieder, die den frevelhaften Namen Mohrenapotheke trug. Im Handumdrehen erfand er ein körperliches Übel und betrat den Verkaufsraum.
„Ich brauche etwas gegen Sodbrennen?“, sagte er zu dem jungen Mann hinter dem Ladentisch, der nach seinen Wünschen fragte. Der junge Mann empfahl Bullrichsalz. Grünling zückte umständlich sein Portemonnaie und warf, während er das Geld herausfingerte, einen Blick auf den über den Regalen angebrachten, prachtvollen Mohrenkopf, der sich, vorteilhaft mit einer Halskette geschmückt, im Profil präsentierte.
„Wohl der Firmengründer?“, fragte Grünling launig auf den Kopf des Schwarzafrikaners weisend.
„Mein Urgroßvater“, erwiderte der blonde, junge Mann völlig ernsthaft, der sich damit als Inhaber zu erkennen gab und die geistreiche Bemerkung des Kunden nicht recht würdigen konnte. Trotzdem wünschte er diesem einen schönen Tag.
Etwa eine Woche später wurde der Apotheker zu einem Gespräch in die Rechtsabteilung der Stadt gebeten. Eine Ahnung sagte ihm, dass er diese Einladung dem an Sodbrennen leidenden Kunden verdankte. Und so war es: In höflicher Form wurde er gebeten, seiner Apotheke einen weniger Ärgernis erregenden Namen zu geben. Der Pharmazeut, in vierter Generation in diesem Geschäft, weigerte sich rundheraus.
Abends, als er im Kreise seiner Kollegen am Stammtisch saß, was einmal wöchentlich geschah, erzählte er ihnen von dem merkwürdigen Ansinnen. Einhellig waren die dort versammelten Pharmazeuten, der Adlerapotheker, der Schwanenapotheker, der Rosenapotheker und der Einhornapotheker der Ansicht, dass er, der Mohrenapotheker, sich richtig verhalten habe. Umso merkwürdiger berührte ihn daher die Meinung seiner Frau, der er vor dem Zubettgehen von den Ereignissen des Tages berichtete und dabei seine standhafte Haltung hervorhob.
„Bist du sicher, dass das vernünftig ist?“, fragte die Gattin. Natürlich war sich der Mohrenapotheker sicher, aber wie ein steter Tropfen den Stein höhlt, ließ er sich nach und nach von der Skepsis seiner Frau anstecken.
Und so kam es eine Woche später zu einer geringfügigen Änderung des ethnisch anfechtbaren Namens: Über dem schönen runden O des Mohren hatten sich einfach zwei Strichlein eingefunden.
Copyright Dr. Lieselotte Riedel
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Zu seinem Esel sprach der Bauer:
„Ich sag dir offen, wie es ist,
du bist nicht wert, mein alter Grauer,
das Heu, das du tagtäglich frisst!“Der Esel hörte es mit Schrecken,
er dachte an so manches Jahr,
als er mit korngefüllten Säcken
auf seinem Weg zur Mühle war.Das ist der Lohn für Müh und Plage,
wie einen Hund jagt man mich fort.
Nun muss ich auf die alten Tage
noch suchen einen andern Ort!Doch hilft kein Jammern und kein Grämen,
das bringt mich nur um den Verstand:
Ich mach mich auf und geh nach Bremen,
verding mich dort als Musikant.Warum, so wird sich mancher fragen,
warum musst es denn Bremen sein?
Ich weiß es nicht, ich kann nur sagen,
dem Esel fiel nichts Bessres ein.Und die Idee, auf die er baute,
die klang für Menschenohren schlimm:
Er wollte schlagen dort die Laute,
so steht es bei den Brüdern Grimm.Ein alter Jagdhund lag am Wege,
den ebenfalls sein Herr verstieß,
weil er zu müde und zu träge
das edle Wild entkommen ließ.„Kopf hoch!“ So sprach der Esel weise,
als er den Hund in Tränen fand:
„Komm doch mit mir auf eine Reise,
ich werd in Bremen Musikant.“Sie sahn an einem schatt‘gen Platze
zwei Tiere noch, man glaubt es kaum,
die arme ausgesetzte Katze
und dann den Hahn auf seinem Baum.„Kommt mit und jammert hier nicht länger!“,
schlug ihnen gleich der Esel vor,
wir brauchen in der Band zwei Sänger;
Sopran fehlt noch und auch Tenor.“Die Sonne war schon längst im Sinken,
die Pfoten, Hufe müd und matt,
und immer noch war da kein Blinken
von Lichtern einer großen Stadt.Ein Jogger kam, der ganz ermattet
sich setzte auf den nächsten Stein,
der Esel fragte: „Ihr gestattet,
könnt dies der Weg nach Bremen sein?“Der Jogger wischte mit dem Tuche
Sich ab das feuchte Angesicht:
„Nach Bremen seid ihr auf der Suche,
das schafft ihr heute Abend nicht.Ein Tierheim gibt es hier am Orte
für arme Streuner, so wie ihr,
klopft dort mal höflich an die Pforte
und fragt nach einem Nachtquartier!“Sie fanden schon das Tor verschlossen,
jedoch der Pförtner war noch wach.
„Geht weiter!“, sagte er verdrossen“,
wir sind schon voll bis unters Dach!“Im Wald an einem trocknen Platze,
da legten sich ins weiche Gras
der Hund und auch die müde Katze,
dieweil der Hahn im Baume saß.„Ich bleibe wach und werd dich rufen“,
schrie er dem Esel zu, der bald
lostrabte und auf müden Hufen
durchforstete den finstern Wald.Er hatte fernes Licht gesehen,
vielleicht war‘s auch ein Feuerschein,
es konnten Menschen, Zwerge, Feen
und schlimmstenfalls auch Räuber sein.Der Hahn da oben im Geäste
Jetzt mit dem Esel leise sprach:
„Ein Häuschen ist’s, es ist das Beste,
ich flieg dorthin und sehe nach.“Es ist bekannt seit alten Zeiten:
ein Hahn verbringt die Nacht im Stall,
doch hier, das lässt sich nicht bestreiten,
lag vor ein echter Sonderfall.Wer glaubt, er habe da gefunden
nur eine wilde Räuberschar,
dem sagen wir es unumwunden:
Was dort bei Grimm steht, ist nicht wahr.Er sah nur ärmliche Gestalten
bei einem kargen Abendbrot
des Tages erste Mahlzeit halten.
Das glich zu sehr der eignen Not.Der Esel wartete mit Bangen
Auf seines Boten Wiederkehr.
War er von Räubern abgefangen
Und vorbereitet zum Verzehr?Dann rüttelte ein Sturm die Gipfel,
ein Ast verfehlte ihn nur knapp,
und durch der Bäume hohe Wipfel
flog jetzt der Hahn zu ihm herab.„Ich dachte schon, dass man dich köpfte“,
erleichtert sah der Esel aus,
der Hahn sprach, als er Atem schöpfte:
„Das ist fürwahr kein Räuberhaus!“„Ich denk, wir sollten höflich bitten
um einen Platz am warmen Herd,
und sind wir dort nicht wohlgelitten,
so ist es den Versuch doch wert.“„Nur Mut!“, so sprach der Esel weise
und musterte die künft’ge Band
„ich glaub in unserm Künstlerkreise,
da gibt es bald ein Happy- End.“Auf leisen Pfoten, Tatzen, Krallen
so pirschten sie ans Haus sich ran,
sie hörten Lärm und Lachen schallen,
man stimmte grad ein Trinklied an.Es war, als ob der Hahn sich scheute,
den andern offen zu gestehn:
„Das sind sie nicht, die armen Leute,
die ich durch’s Fenster hab gesehn.“„Wir müssen trotzdem danach schauen“,
so sprach der Esel mit Bedacht,
„wir werden eine Leiter bauen,
ich zeige euch, wie es gemacht.“Er musst die müden Glieder bücken,
denn schließlich war er Untermann,
dann sprangen schnell ihm auf den Rücken
der Hund, die Katze und der Hahn.Und so zu viert am dunklen Fenster,
da boten sie ein schaurig Bild,
ein Räuber schrie: „Dort sind Gespenster!“
Die Haare sträubten sich ihm wild.Ein andrer rief: „Tod und Verderben!
Wir müssen fort, so schnell es geht!“
Da ging das Fensterglas in Scherben,
eh nur der Hahn einmal gekräht.Getrieben von Gewissenslasten
flohn jetzt die Räuber in den Wald;
es war ein Rennen, Laufen, Hasten
nach einem sichern Aufenthalt.Dass dann die Räuber wiederkehrten,
dazu noch in derselben Nacht,
das haben sich die sehr gelehrten
Gebrüder Grimm nur ausgedacht.Doch andre Leute kamen wieder,
die jüngst der Hahn durchs Fenster sah.
Sie stiegen vom Geäst hernieder
von einem Baume, der ganz nah.Die Tiere und die fremden Gäste,
die ausgestanden manche Qual,
verspeisten hungrig nun die Reste,
die übrig war‘n vom Räubermahl.Dann rückten näher sie zusammen,
das Feuer ward neu angefacht
und sahen heiter in die Flammen,
vergessen war der Schreck der Nacht.Mit ernster Miene sprach der Esel:
„Welch guter Platz für Mensch und Tier!
Was solln uns Hameln, Bremen, Wesel?
Ich schlage vor, wir bleiben hier.“Doch hier ließ sich der Hund vernehmen:
„Im Ganzen stimm‘ ich überein,
doch vorher geh ich noch nach Bremen
und heb am Denkmal dort ein Bein.“Copyright Dr. Lieselotte Riedel