-
Inhaltsverzeichnis
Weihnachten 2009 11 Friedensnobelpreis 2009 13 Kleines Experiment 15 Liebeserklärung 16 Gegossenes Blei. Ein Jahr danach 18 Antlitz 20 Agenda 2010 22 Ich möchte mich daran nicht gewöhnen 25 Siko 2010 27 Mittelbau-Dora 28 Belanglose Banalitäten, banale Belanglosigkeiten? 31 Der Baum ohne Blätter 33 Vermisstenanzeige 34 Der Wein der Einsamkeit 36 Der Leuchtkäfer 37 Mondschein 38 Das sonderbare Schachspiel 39 Sonnenblume 42 Neue Drohnen braucht das Land 45 Schwelende Glut 48 Was ist das für ein Land? 49 Begegnungen mit den Insassen der Hölle 51 Fremdwörter 53 Allen Unkenrufen zum Trotz 55 Was alles auf der Strecke bleibt 56 Die Gretchenfrage aktualisiert 58 Merke dir … 60 Am helllichten Tage 62 The common thread: from Hiroshima to Fallujah. /Der rote Faden. Von Hiroshima nach Fallujah. 63 Morden 67 Sonderbare Widersprüche 70 Drei Jahre nach der Operation Cast Lead 72 Spiegel 73 Freundschaft 75 Nachahmung 78 Ich liebe, deshalb bin ich 80 Was ich möchte 81 Ein Tanz, der Leben ist 83 Zuhause 85 Eine Sonne 87 Trost 89 Begegnungen beheimaten 90 Von Bienen, Wellen und Flammen 92 Ausfahrten 93 B.E.W.E.G.E.N 95 Anwesenheit 96 Die Sprache des Imperiums 97 Zeichen setzen 99 Kleider 100 Die Schönheit der Schöpfung 101 Frage 102 Brücken 103 Metamorphose 104 Innere Sonne 105 Inbrust 106 Heim(at) 107 Mitgefühl 108 Rückkehr / Return 109 Gaza 2014 111 Sollidarisch 112 Quittenbrücke 113 Erde 114 Biografie 115 Paris, Januar 2015 116 Erhabene Nacktheit 117 Einblick 118 Weißbuch 119 Quelle des Glücks 121 Schönheitslehre 122 Der Baum 123 Sehnsucht 124 Lass dich umarmen 125 Mithra 127 Gerade deswegen 129 Schreiben 130 Leidenschaftlich und gelassen 131 Für dich 132 Licht und Schatten 133 Verständigung 135 Gefüge 136 Straßenkinder 137 Für die in mir 138 Beheimatung im Herzen 139 Gedichte 140 Abruzzen 141 Welle 142 Solch eine Liebe 143 Die Schwalm 145 Schmetterling 146 Von Elfen und Elben 147 Liebeslied 148 Zusammenhänge im großen Gefüge 149 Meer der Morgenröte 151 Die Weitergabe der Texte wird vom Verfasser ausdrücklich gewünscht.
Bitte die Quelle angeben:
https://amirmortasawi.wordpress.com/
Weihnachten 2009
(20.12.2009)
Schnee, weiß, weich wie Samt
zärtlich wie die Freundschaft
sanft wie die ToleranzSchnee, rot, befleckt
Fußspuren der Barbarei
Hinterlassenschaft der GierFenster, beleuchtet
Wärme, Geborgenheit
Zimmer, geschmückt
Fest der FreudeFenster, zerschlagen
Kälte, Hass
Zimmer, verlassen
Sieg der Zerstörungfern und nah
ein Katzensprung
ein Augenblick֎֎֎
Friedensnobelpreis 2009
(14.12.2009)
nicht jedes schwarz ist schwarz
nicht jedes weiß ist weiß
nicht jedes rot ist rot
nicht jedes gelb ist gelbverfangen im netz der lügen
gekettet mit zuckerbrot und peitsche
ausgeschaltet durch den maulkorb der sachzwängehaben wir die fähigkeit in uns
tag für tag
nacht für nacht
stück für stück
tropfen für tropfen
schritt für schritt
schlag für schlag
tritt für tritt
stich für stich
aus uns
austreiben lassen
mit den augen zu hören
mit den ohren zu riechen
mit der nase zu schmecken
mit der zunge zu atmen
mit der lunge zu fühlen
mit der haut zu denken
mit dem gehirn zu schlagen
mit dem herzen zu schenkenoh, du „krone der schöpfung“
wie konntest du es zulassen
dich so erbärmlich
erbärmlich
erbärmlich
verkommen lassenKleines Experiment
(in Anlehnung an Erich Fried; 7. Dezember 2009)
Sieh dir
den Amtsträger an
ihn selbst
oder sein Fotound die Gesandten
die er in andere Länder schickt
um deutsche Interessenüberall zu verteidigen
dann sage dir dreimal laut vor:
„Es ist eine humanitäre Intervention
Es geht um die Verteidigung der Menschenrechte
Es gilt der Ausbreitung der Demokratie
Es dient dem Frieden „wenn du das glaubst
dann kannst du beruhigt weiter schlafen
wenn du es jedoch bezweifelst
und wagst Fragen zu stellenmusst du bereit sein
für eventuelle Schlussfolgerungen
einen hohen Preis zu bezahlenLiebeserklärung
(1.11.2009)
Du, Fee der Freiheit!
Du, Engel der Gerechtigkeit!
Du, Bote der Vernunft!
Ihr, Dreieck des Friedens!Euch im Sinn
greife ich nachts nach den Sternen.
Mit Hoffnung auf euer Erscheinen
fange ich den neuen Tag an.
Im Herbst der Farbenvielfalt
von den prächtigen Bäumen inspiriert
bereite ich in mühsamen Schritten
eure Ankunft vor.Verrückt vor Leidenschaft
leidend und doch glücklich
schlägt mein verliebtes Herz
träumend Schmetterlingen folgend
einem Kinde ähnelnd
eurer Liebkosung entgegen.Du, Fee der Freiheit!
Du, Engel der Gerechtigkeit!
Du, Bote der Vernunft!
Ihr, Dreieck des Friedens!֎֎֎
Gegossenes Blei. Ein Jahr danach.*
( 28.12.2009)
Langer Atem dort?
Kurzer Seufzer hier?
War das einkalkuliert?Große bunte Blasen
sie kommen auf
glänzenTiefe schmutzige Wunden
sie klagen an
stinkenMajestätische Bilder
sie grinsen
heuchelnLanger Atem dort
kurzer Seufzer hier
das war einkalkuliert.֎֎֎
* Die Einkesselung und Bombardierung des Gaza-Streifens durch Israel 2008/2009 wurde in Armeekreisen „Gegossenes Blei“ genannt.
Antlitz / Sima *
(6.12.2009)
Schon der erste Blick
hat verraten
dass du eine Mutter bist
besorgt
fürsorglich
schützend
warm
weiseSchon das erste Gespräch
hat gezeigt
dass du ein Mensch bist
leidend
und doch schöpferisch
verletzt
und doch kämpferisch
beraubt
und doch großzügig
betrogen
und doch vertrauendSchon die erste Umarmung
hat gezeigt
dass du lieben kannst.֎֎֎
* Das deutsche Wort ‚Antlitz‘ bedeutet auf Persisch ‚Sima‘. Dieses Gedicht ist Frau Sima Kassaie gewidmet.
Agenda 2010
Dieselbe Prozedur wie jedes Jahr!
(Dezember 2009)
Frohes, neues Jahr, Püppchen!
Auch im Jahr 2010 werde ich dir genügend Themen und Fragestellungen anbieten, mit denen du dich beschäftigen kannst. Vergiss jedoch nicht unsere grundsätzlichen Vereinbarungen aus den vergangenen Jahren:
Du darfst hören,
jedoch mit Ohren, die ich betäube.
Du darfst hören,
jedoch das, was ich für dich bestimme und auswähle.Du darfst sehen,
jedoch mit Augen, die ich beneble.
Du darfst sehen,
jedoch das, was ich für sinnvoll erachte.Du darfst fühlen,
jedoch mit Sinnesorganen, die ich beeinflusse.
Du darfst fühlen,
jedoch nach meiner Anleitung.Du darfst denken,
jedoch in den von mir vorgegebenen Kategorien.
Du darfst denken,
jedoch meine Logik anwendend.Du darfst planen,
jedoch meinen Interessen entsprechend.
Du darfst planen,
jedoch nach meinen Vorgaben.Du darfst handeln,
jedoch mich nicht gefährdend.
Du darfst handeln,
jedoch nach meiner Regie.Püppchen!
Du darfst eine Marionette bleiben,
jedoch mit der tiefen Überzeugung,
frei von Strippen zu sein.In diesem Sinne wünsche ich dir ein wahnsinniges, neues Jahr.
֎֎֎
Ich möchte mich daran nicht gewöhnen.*
(8.1.2010)
George Orwell: „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.“
Wer die Vergangenheit nicht kennt
oder
sie zwar kennen gelernt hat
aber bewusst oder unbewusst
verdrängt
verkennt die Gegenwart.Wer die Gegenwart verkennt
oder
sie zwar prinzipiell erkennen kann
jedoch bewusst oder unbewusst
eine kritische Auseinandersetzung damit vermeidet
verbaut sich die Zukunft.Wer regieren will
und dabei
mit den drei Grundsätzen
Freiheit, Gerechtigkeit, und Vernunft
in Widerspruch gerät
wird die Regierten dazu verleiten
die Vergangenheit zu vergessen
die Gegenwart zu verkennen
und somit
die Zukunft zu verbauen.֎֎֎
* Dieses Gedicht ist anlässlich eines Gerichtsverfahrens Frau Dr. Sabine Schiffer gewidmet.
Siko 2010*
(6.2.2010)
Eure Angst ist begründet
denn wir können immer noch denken
mitten im Chaos
das ihr ausweitetEure Brutalität ist begründet
denn wir können immer noch lieben
mitten in der Kälte
die ihr verbreitetEure Verzweiflung ist begründet
denn wir wollen immer noch leben
mitten im Leben
das ihr zerstört֎֎֎
* Anlässlich der so genannten Sicherheitskonferenz in München
(2010)
In dieser beklemmenden Dunkelheit
in dieser erlahmenden Kälte
in dieser erstickenden Enge
schreist du im Siegesrausch
dass du ein Meister bist
aus Deutschland
der alles nimmt
was sich nach Leben sehnt
der alles vernichtet
was nach Menschlichkeit riechtDu bist ein Meister
nicht nur aus Deutschland
und die Vergesslichkeit
ist eine Volkskrankheit
nicht nur in Deutschland
und die Ignoranz
ist eine Seuche
nicht nur in Deutschland
und eine mögliche Wiederholung
ist eine Konsequenz
nicht nur in DeutschlandVergiss jedoch nicht
dass die Mutter Erde
von unzählig vielen
verehrt wird֎֎֎
* Nach dem Besuch des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora wurde dieser Text verfasst. Unter Leitung von Wernher Freiherr von Braun wurde dort das vernichtende Nazi-Raketenprogramm realisiert. Braun arbeitete später für die Raumfahrtentwicklung der USA. Ca. 20 000 Menschen starben im Zusammenhang mit diesem Konzentrationslager.
۞۞۞
Mittelbau-Dora
Ein Konzentrationslager des „Totalen Krieges“Mittelbau-Dora steht exemplarisch für die Geschichte der KZ-Zwangsarbeit und der Untertageverlagerung von Rüstungsfertigungen im Zweiten Weltkrieg. Mehr als 60 000 Menschen aus fast allen Ländern Europas, vor allem aus der Sowjetunion, Polen und Frankreich, mussten zwischen 1943 und 1945 im KZ Mittelbau-Dora Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie leisten. Jeder dritte von ihnen starb.
Gegründet wurde „Dora“ als Außenlager des KZ Buchenwald im Sommer 1943 mit der Verlagerung der Raketenproduktion von Peenemünde in vor Luftangriffen geschützte Stollenanlagen bei Nordhausen. Später kamen weitere Rüstungsprojekte hinzu: Zehntausende KZ-Häftlinge mussten 1944/45 Zwangsarbeit beim Ausbau unterirdischer Flugzeug- und Treibstoffwerke leisten. Zu ihrer Unterbringung richtete die SS neue KZ-Außenlager ein, die im Herbst 1944 mit dem Lager Dora zum nunmehr selbständigen KZ Mittelbau zusammengefasst wurden. Dieses erstreckte sich am Ende mit fast 40 Lagern über den gesamten Harz.
Heute ist Mittelbau-Dora ein europäischer Lern- und Gedächtnisort. Relikte im ehemaligen Lagergelände und im Stollen zeugen von den Verbrechen, aber auch vom wechselvollen Umgang mit der Geschichte. Wechselausstellungen regen zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit an. Die 2006 eröffnete Dauerausstellung präsentiert Mittelbau-Dora nicht nur als Modellfall von Zwangsarbeit und Untertageverlagerung, sondern auch als Beispiel für die enge Einbindung der Konzentrationslager in die deutsche Gesellschaft.
Belanglose Banalitäten, banale Belanglosigkeiten?
(20.3.2010)
* Im Rahmen der Veranstaltung „Kultur des Friedens“ fand am 20.3.2010 in Essen eine Gesprächsrunde mit Vertretern von CDU, FDP, SPD, Grünen und Den Linken statt. Der einzige Lichtblick in dieser verdunkelnden Runde war der Moderator, der aufmerksam und aufdeckend handelte. Nach dieser Gesprächsrunde wurde dieses Gedicht verfasst.
Friede, Freude, Eierkuchen!
Zunächst nach den richtigen Zutaten suchen:Zwei Gläser voll Täuschung und Tarnung,
anderthalb Gläser heuchelnde Warnung,
ein beachtlicher Schuss suggerierte Dummheit,
drei Esslöffel softe Weisheit,
250 g weiche Wahrheit,
eine gute Prise berechnende Vergesslichkeit,
eine Hand voll bedachte Dreistigkeit.Dann mischen, kneten, knebeln, spalten,
dass keine Systemgefahr aufkommt, darauf achten.
Bald ist fertig der Friedensbrei.
Lasst die Kritiker bellen, das macht frei.
Macht, Geld und der Sitz im Bundestag,
soll uns erhalten bleiben, Tag für Tag.Friede, Freude, Eierkuchen!
Zunächst nach dem Unverbindlichen suchen!֎֎֎
Der Baum ohne Blätter
(in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 2010)
Hast du, Baum, im Herbst die Blätter verloren
oder bist du erlahmt von der klirrenden Kälte
so besteht doch die Hoffnung
dass die lebenspendenden Wolken im Frühling
dir wieder eine Blättertracht anlegenBald wird wieder eine morgendliche Brise
deine belaubten Zweige liebevoll berühren
und sie in Tanz versetzen
beklage dann das Schicksal all der Blätter
die von ihren Ästen getrennt worden sind֎֎֎
(in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 2010)
Seit geraumer Zeit wird vermisst
die Fee der Fröhlichkeit
mit der folgenden BeschreibungAugen:
dunkel, wie unsere Zeit
glänzend, wie eine menschliche Vision
viel versprechend, wie unsere JugendlichenHaare:
lang, wie die Leidensgeschichte der Geächteten
wellig, wie das widerspruchsvolle LebenLippen:
Zärtlichkeit singend, wie eine RosenknospeGesamteindruck:
anmutig, wie die bezaubernde Schöpfung
warm, wie die aufgehende Sonnezuletzt wurde sie gesehen
in einer Gegend
begrenzt von dem Kaspischen Meer im Norden
und dem Persischen Golf im SüdenInformationen werden entgegen genommen
durch offenherzige Wesen֎֎֎
Der Wein der Einsamkeit
(in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 2010)
Unter anderen Umständen
in anderen Ländern
zu anderen Zeiten
bist du ein Gotteslästerer
ein Abtrünniger, ein Ketzerhier gelten dir andere Beschimpfungen
Kommunist, unbelehrbarer Linker
Sozialist, notorischer Hetzer
Antisemit, Selbsthasser
Volksfeind, naiver Christ
Unruhestifter, böser Islamistsolltest du fragen warum
sage ich einfach summa summarum
ein Mensch seiner Zeit voraus
ist öfters ohne Heimat, ohne Haus
trink aus den Wein der Einsamkeit
tauch ein ins Meer der Redlichkeit
sei dir bewusst dem Wandel, der Endlichkeit֎֎֎
Der Leuchtkäfer
(in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 2010)
Wie lange willst du noch
im Schlamm dieser dunklen Nacht
thronen
bitte die Leuchtkäfer um Hilfe
beleuchte deine Umgebung
und dann
versuch den aufrechten Gang֎֎֎
Mondschein
(in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; April 2010)
Mitten in der dunklen Nacht
singe ich das Lied der Sonne
„Schweig“, schreit schrill der Friedhofswärter
„Du bist ein verwirrter Übeltäter,
ein naiver Überläufer,
ein verdammter Verräter!“Überzeugt von Wärme und Licht
frage ich mit Gelassenheit und Zuversicht
wird der Mondschein etwa nass
wenn er durch eine Pfütze wandert
wenn es regnet, schneit oder hadert?֎֎֎
Das sonderbare Schachspiel
(in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi‘i Kadkani; 2010)
Knie dich nieder
lautete der Befehl
knie dich nieder
vor das lederne Spielfeld
spiel das Spiel deines LebensWas für eine Ironie
ein ledernes Stück
wurde früher eingesetzt
früher
als meine Vorfahren
geköpft wurden
zur Strafe bei Auflehnung
zur Belehrung der Umgebungdie Spielfiguren
waren bereits aufgestellt
zu Ungunsten der schwarzen Partei
das Ende war abzusehen
das weiße SiegesgeschreiSpiel mit den schwarzen Figuren
du hast nur einen Zug
wende mit ihm das Blatt um
ansonsten hast du verloren
dann ist deine Zeit um
so waren die Vorgaben
so waren die Regeln
vorzüglich einschränkend
verbindlich einengendUnd ich überlegte
was für ein aussichtsloses Spiel
was für eine schiefe Lage
vergeblich war jede KlageSo stand ich auf
in einem Schritt
war das lederne Spielfeld
mit all den Schachfiguren
gründlich gewendet
und das Spiel
unwiderruflich beendet֎֎֎
Sonnenblume*
(in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 23.4.2010)
Deinen liebevollen Gesang
den verzaubernden Geruch deines Atems
deinen betörenden Anblick
dein dem Wunder gleichenden Aufblühen
habe ich wahrgenommen
du, die SonnenblumeVor der Morgendämmerung
die Tanne, die Sterne im Schlaf
bist du schon am Werke
fleißig, bescheiden, still
in Erwartung der aufgehenden Sonne
geduldig, treu, voller Wonne
du, die SonnenblumeDein Geheimnis
kennen sie nicht
weder das Veilchen
noch die Weide
weder der Fenchel
noch das GetreideUnbemerkt von diesen
mit unbegreiflicher Inbrunst
mit bezaubernder Ausdauer
lebst du jeden Tag
deine tiefe Überzeugung
du, die Sonnenblume:
das Leben lebt
von unseren Träumen
von unserem ewigen
Greifen nach den SternenIch, mit meiner Unrast
der Befreiung wegen
auch wenn nicht greifbar
du, mit deiner Bewegtheit
deiner Geliebten entgegen
auch wenn nicht erreichbarSchau richtig hin
die Einheit der Liebenden
mit der Geliebten
hat ihr Symbol
in dir gefunden
du, die Sonnenblume
schau richtig hin
du bist selbst
zur Sonne geworden
du, die Sonnenblume֎֎֎
*Auch in meiner zweiten Heimat, Deutschland, gibt es eine Reihe von „Ein-Mann-Betrieben“. Sie werden hier unter anderem von Ellen Rohlfs, Erhard Arendt, Michael Schmid, Thomas Immanuel Steinberg und Wolfgang Kuhlmann am Leben gehalten. Sie sind wie das Salz in unserer Suppe, sie sind die Sonnenblumen unserer Gesellschaft.
Neue Drohnen braucht das Land*
2.4.2010
*Anlässlich der Ausbildung deutscher Soldaten durch Israel im Umgang mit Drohnen.
Es trafen sich die großen Menschenfreunde
aus dem dunklen, deutschen Walde
einst in der kalten Lichtung
in der Nähe der blutroten Halde,
es ging um eine große Sichtung.Die infame Propaganda der Widersacher
bezeichnete die Versammelten als Verbrecher.
Es waren aber alle nur Lebensretter,
ihre Namen echte Zungenbrecher:
Schiebel Elektronische Geräte,
HighKopter.de, Mavionics,
AirRobot, EMT,
Rheinmetall Defence Electronic,
microdonres, EADS.
Andere blieben unbenannt,
so wollten sie es.Die Schirmherrschaft dieser Demonstration,
in der Zeit der heiligen Emanzipation,
hatte erwartungsgemäß keine Mängel
sie war eine echte Taube, ein Friedensengel.Die Dame kam aus der ehemaligen DDR.
Keine doppelte Gleichberechtigung? Aber bitte sehr!Zunächst eine chirurgisch präzise Ausschaltung
der Feinde der Menschenrechte,
dann kommt die gerechte Verwaltung,
Nation Building für die befreiten Knechte.
Zur Sicherung deutscher Interessen weltweit
Drohnen braucht das Vaterland, seid ihr bereit?
Unsere Responsibility to protect, sagte dann
der wohl ernährte, so weise Vorsitzende,
fange bei deutschen Soldaten an,
sonst drohe uns das dicke Ende:
Särge mit zugerichteten Toten
bei aller Gleichschaltung der Vision
sind weiterhin keine guten Boten
für unsere gepriesene Friedensmission.Für diese lukrative Feststellung
gab es riesigen Beifall, stehenden Applaus.
Die Lebensretter setzten fort ihre Sitzung
mit Wonne, Weißwurst und Apfelschmaus.֎֎֎
Schwelende Glut
(in Anlehnung an Parvaz Homay; Mai 2010)
Zeig Erbarmung diesen Menschen gegenüber
lindere ihr Leiden
erweis diesen Menschen Duldsamkeit
erleichtere ihre Bürden
hab Angst vor der schwelenden Glut
unter der AscheTausende kaiserliche Kronen
Hunderte majestätische Throne
sind bereits zerborsten in dieser Glut
dieser mächtige Thron
diese gewaltige Macht
dauert nicht für die Ewigkeit
hab Angst vor der schwelenden Glutdas ist der Gang der Geschichte
er macht keinen Halt
weder vor den Kaisern
noch vor den Geistlichen
hab Angst vor der schwelenden Glut֎֎֎
Was ist das für eine Welt?
(in Anlehnung an Parvaz Homay; Mai 2010)
Was ist das für eine Welt
in der der Wein verpönt ist
was ist das für ein Paradies
in dem der Apfel verboten istSag mir aufrichtig, sag
wo ist das gelobte Land
wo ist dein Paradies
sag mir aufrichtig, sag
kann dort auch jeder
schalten und walten wie er will
so wie hier auf der ErdeDu belehrst mich
mit der Hölle drohend
vor den Toren des himmlischen Gartens
bei der Auferstehung
bei dem Jüngsten Gericht
werde ich danach gefragt werden
auf dem Wege der Liebe
wem gefolgt zu sein
dem Jesus oder
dem Zarathustra
sag mir aufrichtig, sag
wird dieses traurige Spiel
sich auch in deinem Paradies fortsetzenWas habe ich nur gedacht
was habe ich nur gesagt
wegen dieser Gotteslästerung
dieser unglaublichen Blasphemie
wird man mich sicher zum Glück zwingen
die Hände gefesselt
die Beine in Ketten gelegtNein, nein, nein, ich nehme alles zurück
ihr habt wie immer Recht
nein, nein, nein, ich bereue alles
ihr habt sicher wieder Recht
nein, nein, nein֎֎֎
Begegnung mit den Insassen der Hölle
(in Anlehnung an Parvaz Homay; Mai 2010)
Wenn ihr mich beerdigt
im Weinrausch verstorben
denkt an meine letzte Predigt
unter den Leichentüchern verborgen
soll sein ein Krug voller Wein
auf meiner Reise in die Hölle
mit Gelassenheit und ohne Pein
auskosten möchte ich den Riesling
und pflanzt auf mein Grab
einen prächtigen WeinstecklingBegegne ich den Insassen der Hölles
o schenke ich ihnen klug
an Blüten der Judasbäume denkend
den mitgebrachten Krug
trinkend, lachend, Wein schenkend
wird alles nachgeholt
auf der Erde versäumt
von euch gehasst, verfolgtWein, Kelch, Schenker und Schenken
nur daran möchte ich stets denken
vor Durst nach Liebe verglühen
in vermeintlicher Hölle wieder aufblühen
das Leben bejahen, in Freude versenken
liebkosen, tanzen, Zärtlichkeit schenken֎֎֎
Fremdwörter
(25.2.2011)Für die Menschen
die in den von uns entfachten Kriegen
leiden und sterben
kommt es nicht darauf an
ob der Kriegsminister
einen akademischen Grad
oder andere Namenszusätze
mit sich schleppt oder nicht
sondern auf die einfache Frage
ob Gehirn, Rückgrat und Herz
bei uns
Fremdwörter darstellen֎֎֎
Allen Unkenrufen zum Trotz
(in Anlehnung an Abdollah Behzadi, 2011)
Was für eine Herzensfreude,
diese betörende Luft einatmen zu können,
wenn wilde Tulpen und Narzissen sprießen.
Zugvögel sind zurückgekehrt
und zwitschern das Lied der Hoffnung.
Das Lebenselixier strömt in den Pflanzenadern.
Oh ja, der Glück bringende Frühling ist angekommen.Den Freunden und Bekannten,
den zur Erneuerung Entschlossenen,
den eine bessere Welt Erbauenden,
all denjenigen, die mit dem Stift als Mittel
den Verfall und das Elend
überall auf dieser Welt aufdecken,
soll der Frühling Glück bringen.Der Frühling wird unser Vorbild sein:
den lähmenden Ketten der Kälte und Starre,
der zermürbenden Last der Dunkelheit und Unwissenheit,
der versklavenden Armut,
in welcher Form auch immer,
an welchem Ort auch immer,
werden wir allen Unkenrufen zum Trotz,
beharrlich, entschlossen und stolz
ein Ende setzen.֎֎֎
Was alles auf der Strecke bleibt
(5.3.2011)
Der adlige Kriegsherr geht augenscheinlich fort
der bürgerliche Kriegsminister setzt buchstäblich fort
Menschenleben bleibt auf der Strecke
käufliche Politiker regieren
Militär und Rüstungsindustrie delegieren
Kinderträume bleiben auf der Streckedie Bundeswehr wird zweckdienlich umgebaut
das brüchige Rechtsbewusstsein wird zunehmend abgebaut
das Völkerrecht bleibt auf der Strecke
das verführte Wahlvolk wird schlicht verschaukelt
Humanität und Demokratie werden dreist vorgegaukelt
Achtsamkeit und Gefühle bleiben auf der Streckeaufdeckende Tatsachen werden bewusst verschwiegen
Dunkelheit und Lügen sollen unumkehrbar siegen
Vernunft und Redlichkeit bleiben auf der Streckekorrumpierte Wissenschaftler verleiten und vertuschen
ehemalige Friedensfreunde rechtfertigen und kuschen
Rückgrat und Courage bleiben auf der Streckeprofessionelle Söldner und freiwillige Soldaten morden
öffentlich als Helden gepriesen werden diese Horden
Menschlichkeit bleibt auf der Strecke֎֎֎
Die Gretchenfrage* aktualisiert
(2011)
*Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.(J. W. Goethe: Faust. Eine Tragödie)
Hinter diesem oder jenem Schleier
verhüllt in unterschiedlichstem Gewande
machen Furore auch heute die Geier
unschuldiges Blut bleibt kleben im Sandewirken Vaterland, Gott und Ehre nicht
werden erfunden neue Begriffe
so wird verdunkelt am Ende die Sicht
verkauft werden Kriegsgeräte und –schiffe‘failed states’ und ‘humanitäre Intervention’
rechtfertigen den Staatsterror, vertuschen die Intention
mal nackte Gewalt, mal wirtschaftliche Sanktion
am Ende steht hier und da eine neue Bastionzur Teilnahme an dieser reichen Beute
zur Regierungsfähigkeit nur eine Gretchenfrage
stimmst für den Krieg du heute
der Staat für dich die Sorge trage֎֎֎
(31.3.2011)
In Erinnerung an die unzähligen Opfer der Kriege im Rahmen der neoliberalen Globalisierung in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen und anderswo
Merke dir den Geruch der Hyazinthen
wenn die Frühlingsbrise sie streichelt
denn bald werden beladene Bombenbringer
bar jeder Barmherzigkeit
im Namen der Menschlichkeit
einen verpesteten Teppich der Verwüstung ausrollenMerke dir den Gesang der Sperlinge
unter dem meeresblauen Sternenzelt
denn bald werden schwere Panzer
prahlend, protzig
ihr Geheul der Gräueltaten gellenMerke dir die morgendlichen Tauperlen
auf der seidenen Haut der Spinnenbauten
denn bald werden Söldner und Soldaten
hochgerüstet und aufgetakelt wie Monster
alles, was nach Leben schreit, niedertrampelnMerke dir die Lichtspiele beim Sonnengang
wenn die Nacht und der Tag sich begrüßen
denn bald werden bleierne Wolken
den Horizont für eine Ewigkeit verdunkelnMerke dir den aufrechten Gang der Menschen
verzaubert durch die Sehnsucht nach Gerechtigkeit
denn bald werden zahlreiche Dichter und Denker
sich als heilige Krieger huldigend
die Vernunft, den Mut und die Liebe
verraten, verjagen, vergraben֎֎֎
Am helllichten Tage
(18.7.2011)Dieser Text wird den Opfern der humanitären Intervention der NATO in Libyen gewidmet. Er wird jedoch für die Menschen in den NATO-Staaten geschrieben. Die Barbarei des Neoliberalismus, die sich bereits 1973 im Militärputsch gegen die Regierung von Salvador Allende offen zeigte, wird auch Europa, früher oder später, in grenzenloses Elend stürzen, wenn ihr kein Widerstand geleistet wird.
Nein, es ist weder eine sternenlose Nacht,
noch handelt sich um einen Neumond.
Es bedecken weder dunkle Wolken den Himmel,
noch ist eine Sonnenfinsternis eingetreten.
Es passiert am helllichten Tage.Mehr als hundert Tage sind bereits vergangen,
ein weiteres Land liegt in Schutt und Asche.
Ein Ende dieser elenden Lügen,
ein Ende dieses offenen Mordens
ist nicht in Sicht.
Es passiert am helllichten Tage.۞۞۞
The common thread: from Hiroshima to Fallujah. // Der rote Faden. Von Hiroshima nach Fallujah.
(24.7.2011)
Der Ausgang des Krieges war längst besiegelt
die Tür zu Verhandlungen wurde jedoch verriegelt (1-5).
Da brachte der brave Flugkapitän
pflichtbewusst, sachgemäß und souverän
am sechsten August 1945
heilig gepriesen, voller Stolz und tüchtig
dem überraschten Volk in Hiroshima
ein schreckliches Gepäck aus Amerika.
Und nannte es liebevoll
„Little Boy“, wie grauenvoll.
Drei Tage später schlug „Fat Man“ ein
nun war der Tisch angeblich endlich rein.In der Folgezeit ging es makaber weiter
Militär und Rüstungsindustrie wurden erst recht heiter
mit „Agent Orange“, Phosphorgranaten und abgereichertem Uran
in Vietnam, Fallujah und auf dem Balkan (6-12).Bei uns wird jetzt wieder feige zugeschaut
und in Libyen der nächste Friedhof aufgebaut.֎֎֎
http://www.un.org/disarmament/special/poetryforpeace/poems/bahar/
How the war would end, had long been determined (1-5),
The door to negotiations was, however, shut.
Then brought the brave little captain
conscientious, objective and independent
on the sixth day of August, in the year 1945
highly praised, proud and determined,
the surprised people in Hiroshima
a horrific package from America.
And full of tenderness he named it
the „Little Boy“; how gruesome.
Three days later the „Fat Man“ hit,
and now the slate was supposedly clean.But then the horror continued;
the generals and the weapon makers felt even more revived
with „Agent Orange“, „Whisky Pete“, and Depleted Uranium
in Vietnam, Fallujah and in the Balkans (6-12).And, cowardly, once again we are watching
as the next cemetery is built in Libya.֎֎֎
(1) Hiroshima: Was it necessary? By Doug Long
Part 1: http://www.doug-long.com/hiroshim.htm
Part 2: http://www.doug-long.com/hirosh2.htm(2) Why World War II ended with Mushroom Clouds. 65 years ago, August 6 and 9, 1945: Hiroshima and Nagasaki. By Jacques R. Pauwels. August 6, 2010
http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20478(3) The Moral Legacy of Hiroshima and Nagasaki. By Prof Rodrigue Tremblay. August 8, 2010
http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20533(4) Hiroshima Day: America Has Been Asleep at the Wheel for 64 Years. By Daniel Ellsberg. August 6, 2009
http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=14671(5) Public Papers of the President Harry S. Truman, 1945-1953. 97. Radio Report to the American People on the Potsdam Conference, August 9, 1945, delivered from the White House at 10 p.m.
http://www.trumanlibrary.org/publicpapers/index.php?pid=104(6) A Question of Responsibility – the legacy of depleted uranium use in the Balkans. International Coalition to Ban Uranium Weapons: Resources / Publications. October 11, 2010
http://www.bandepleteduranium.org/en/a/342.html(7) USA-Vietnam: Betr. Dioxin – eine neue Rechnung. Von Karl-Rainer Fabig
http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Vietnam/fabig.html(8) Agent Orange
http://en.wikipedia.org/wiki/Agent_Orange(9) War Crimes: „After Hiroshima and Nagasaki, there was Fallujah.“ The United States Takes the Matter of Three-Headed Babies Very Seriously. By William Blum. April 6, 2010
http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=18520(10) US UK War Crimes: More leukemia in Iraq than after Hiroshima as result of depleted uranium, white phosphorus bombs and nerve gas. Parliamentary Motion in Scotland. September 22, 2010
http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=21143(11) US War Crimes: Cancer Rate in Fallujah Worse than Hiroshima. By Tom Eley. July 23, 2010
http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20241(12) Cancer, infant mortality and birth sex-ratio in Fallujah, Iraq 2005-2009.
Busby C, Hamdan M, Ariabi E. Int J Environ Res Public Health. 2010 Jul;7(7):2828-37.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2922729/pdf/ijerph-07-02828.pdfMorden
(6.11.2011)
Die Rüstungsindustrie entfachte das Morden professionell,
die Völker zahlten die Zeche.
Der UN-Sicherheitsrat begründete das Morden parteiisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Parlamentarier rechtfertigten das Morden solidarisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Politiker ermöglichten das Morden pragmatisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Massenmedien machten das Morden hoffähig,
die Völker zahlten die Zeche.
Geisteswissenschaftler beflügelten das Morden analytisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Juristen behandelten das Morden wortklauberisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Friedensforscher erklärten das Morden auftragsmäßig,
die Völker zahlten die Zeche.
Journalisten berichteten über das Morden eingebettet,
die Völker zahlten die Zeche.
Hilfsorganisationen beschäftigten sich mit dem Morden zivil-militärisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Soldaten vollstreckten das Morden befehlsmäßig,
die Völker zahlten die Zeche.
Uniformierte und zivile Söldner erledigten das Morden präzise,
die Völker zahlten die Zeche.
Menschen wie du und ich entledigten sich des Mordens ignorierend
und sie zahlten doch die Zeche.֎֎֎
Sonderbare Widersprüche
(29.12.2011)Wir leben wahrhaftig
in einer ungerechten Welt,
die wegen sonderbarer Widersprüche
im Bersten begriffen ist.Wenn ich aufgrund vielfältiger Tatsachen
führende Personen der „Weltgemeinschaft“
als Massenmörder bezeichne,
erheben sich aus befreundeten Reihen
warnende Stimmen,
verängstigt,
voller Skepsis.Wenn ich dabei von einem dieser Massenmörder,
der gleichzeitig ein Friedensnobelpreisträger ist,
als eine „terroristische Gefahr“ erachtet werde,
kann er
sich auf geltendes Landesgesetz berufend
mein Verschleppen, Verhören und Foltern einleiten
und letztendlich auch
mein „gezieltes Töten“ veranlassen.Wenn derselbe Massenmörder,
der besagte Friedensnobelpreisträger,
neue Angriffskriege anzettelnd
den präemptiven Einsatz von Atomwaffen androht
und dabei den Tod unzähliger Menschen
sowie die bleibende Verwüstung blühender Landschaften
billigend in Kauf nimmt,
bekommt er von der „Weltgemeinschaft“
Applaus und Lobesgeschrei.Wir leben tatsächlich
in einer durch und durch verzerrten Welt,
die nach Veränderungen schreit.֎֎֎
Drei Jahre nach der Operation Cast Lead
(30.12.2011)Die verwaschene Sprache
ist in der Medizin
ein Hinweis auf ein neurophysiologisches Problem.Die verzerrte oder verzerrende Sprache
ist in der Politik
je nach dem Stand der Beteiligten
ein Hinweis auf
bewusstes, gezieltes Irreführen der Menschen,
verängstigtes Verleugnen ungerechter Gegebenheiten,
beschämtes Verdrängen unangenehmer Tatsachen,
armseliges Verheimlichen der fatalen Unwissenheit,
schmachvolles, feiges Ducken vor den Machthabern.Der Umgang mit der Operation Cast Lead
ist ein Lackmustest für
die Glaubwürdigkeit,
die Aufrichtigkeit
und den Wissensstand
gesellschaftspolitischer Akteure.֎֎֎
(3.6.2012)
(I)
Wenn du auf der Suche nach meiner Seele bist,
Du Geliebte, Du Schöne,
komm zu mir herein, direkt und leichtfüßig.
Und reinige den Körper von all dem Schmuck,
verliere all die Rollen,
beseitige Vortäuschungen und Schönfärbungen,
damit du mir ein Spiegel bist,
der das hinter dem Gesicht Stehende zeigt;
damit ich dir ein Spiegel werde,
fähig, lauter und ungetrübt.֎֎֎
(II; ein Echo)
Wenn du meine Seele suchst,
Geliebte, Schöne,
komm herein zu mir,
leicht und ohne Umweg.
Leg ab den Schmuck,
lass fallen den schöngefärbten Schein,
vergiss, wer du sein willst.
So bist du ein Spiegel für mich
und ich für dich,
ungetrübt,
lebendig,
wahr.֎֎֎
Freundschaft
(in Anlehnung an Fereydoun Moshiri; 2012)
Seit längerem spüre ich
die die Überzeugung in mein Herz
sich tiefer und tiefer verwurzelt
die Freundschaft sei auch eine Pflanze
streichelnd wie die Lotusblume
zärtlich wie der Jasmin
prächtig wie die Magnolie
bezaubernd wie die Lilie
nur ein versteinertes Herz
kann es zulassen
diese Pflanze niederzutretenAm Anfang einer Bekanntschaft
gleicht jedes ausgesprochene Wort
jeder Gesichtsausdruck
jeder Schritt
einem Korn
das ausgesät wird
durstig nach Wasser
Licht und Wärme
durstig nach LiebePflegst du die Freundschaft richtig
so entsteht ein wunderbares Wesen
bereichert dein Leben
mit Zärtlichkeit
mit SchönheitDas Leben
ist die Wärme der verbundenen Herzen
wenn du immer noch
ohne Freunde
vor verschlossenen Türen
in der Kälte stehst
wenn der betörende Duft der Liebe
die Wüste deiner Einsamkeit
in keinen Rosengarten verwandelt hat
so streu die Körner neu ausMit einem Blick
schreiend vor Sehnsucht
mit einem Gruß
lachend vor Licht
mit einem Händedruck
warm vor Liebkosung
lass uns zusammen gehen
lass uns zusammen singen
lass uns vor Freude glühen
lass unsere Gärten aufblühen֎֎֎
Nachahmung
(in Anlehnung an Fereydoun Moshiri; 2012)
Wie atmet die Erde auf?
Denken wir darüber nach!Was für eine klirrende Kälte
schlug das Gesicht der Barmherzigkeit,
zerquetschte das Herz der Erde,
zerbrach den Mut des Gesteins.
Die Vögel starben in Scharen,
die Blumen der Wiese verschwanden auf ewig.
Im Himmel, auf der Erde
lauerte die Angst.
In dem Engpass der Zeit
hielt sich der Tod für eine Weile auf.Ist es der Weltuntergang?
Darauf hatte der Himmel keine Antwort.
Wird der Garten wieder lachen?
Keiner war davon überzeugt.
Es herrschte eine sonderbare Kälte.Wie atmet die Erde auf?
Lernen wir davon!Es ist die Zeit des glorreichen Blühens.
Beim Aufgehen der Frühlingssonne
schmolz der Schnee dahin,
Blumen erhoben den Kopf,
Farben streichelten sich zärtlich durch.Die Erde hat uns gelehrt,
nicht zu resignieren,
bevor das letzte Wort ausgesprochen ist.
Sind wir der Erde ebenbürtig?
Sie atmet wieder auf.
Ahmen wir ihr nach?!֎֎֎
Ich liebe, deshalb bin ich!
(in Anlehnung an Fereydoun Moshiri; 2012)
Von dem Wein des Sonnenkusses
ist der Meereskelch
überschwappend voll.
Der Wald hat sich die ganze Nacht
bis zur Morgendämmerung
den Körper im Regen gewaschen
und ist verzaubernd inspirierend.
Jeder von uns ist betört,
seiner Verfassung entsprechend,
von dem Zauber dieses Weinkellers.
Und in mir lebt das Gefühl:
„Ich liebe,
deshalb bin ich!“֎֎֎
Was ich möchte
(24.6.2012)
für Annice
Solltest du mich fragen,
was ich eigentlich möchte,
so werde ich dir sagen:Ich möchte
aus deinem Blickwinkel das Universum betrachten,
mit deinem Gehör die Welt belauschen,
in deiner Haut den Regen am Bergsee erleben,
die Sprache deiner Augen lernen,
die Geschichten deines Lebens aufmerksam anhören,
jegliche Schwingung deiner Stimmung wahrnehmen,
den Anlass deiner Tränen begreifen,
dich unbekümmert lachen sehen,
jede Sekunde unserer Entdeckungsreise auskosten,
und einen bunten Strauß an Erinnerungen zusammenfügen,
allerdings nur dann
wenn diese Wünsche auf Gegenseitigkeit beruhen.֎֎֎
(27.6.2012)
für Annice
Das Schicksal bot uns eine Gelegenheit,
und wir ergriffen sie.
Ein flüchtiger Blick am ersten Tag:
Neugier.
Ein kurzes Gespräch am zweiten Tag:
Sympathie.
Und Gedankenaustausch beim nächsten Treffen:
Faszination.
Bezaubernde, tanz mit mir den Tanz, der Leben ist.Mal heranziehen,
dann loslassen.
Für ein Moment stürmisch sein
wie der Regen im Frühling,
danach zögerlich und bedenklich
wie der Schneefall unterm Mondschein.
Eine Weile das Hineinsehen ermöglichen,
dann das Fenster vorübergehend schließen.
Kurz das Umschlingen auskosten,
anschließend sich abweisend zeigen.
Schritt halten,
den Rhythmus herausfinden,
bange blicken,
von Träumen leben,
einen Menschen entdecken.
Bezaubernde, tanz mit mir den Tanz, der Leben ist.֎֎֎
(1.7.2012)
Du fragst mich,
wo mein Zuhause ist?
Das ist eine einfache Frage,
und doch
wühlt sie so sehr auf,
erschüttert schmerzhaft,
ruft so viel Unruhe hervor.Mein Zuhause ist
überall und nirgendwo.
Einerseits bin ich verwurzelt
tief im Herzen der Geschichte,
in den unzähligen Lebensgeschichten,
und andererseits
nicht gebunden an einem bestimmten Ort.
Ich komme mit dem Regen
und gehe mit dem Wind.Zuhause ist dort,
wo ich meine Gedanken,
nicht ausgereift,
nicht verfeinert,
Rat und Unterstützung suchend
frei äußern kann.Zuhause ist der Ort,
wo weder ein innerer
noch ein äußerer Panzer vonnöten ist,
wo ich nackt sein kann
ohne Angst vor Verletzungen.Zuhause ist dort,
wo ich Schultern vorfinde,
um mich ausweinen zu können,
und einen Trost spendenden Schoß
zur Geborgenheit.Zuhause ist überall,
wo wahre Freunde zu finden sind.֎֎֎
*Am 30.6.2012 wurde das Theaterstück „Der Junge mit dem Koffer“ nach einem Stück von Mike Kenny in Mannheim aufgeführt. Daraufhin entstand dieser Text.
(in Anlehnung an Siavash Kasra’i; 7.7.2012)
Die Tür ist geschlossen,
ebenfalls das Fenster,
die Vorhänge sind zugezogen.
Selbst der Tür- und Fensterrahmen
scheinen dicht zu sein.
Und doch aus einer unbekannten Ecke,
dem Auge unsichtbar,
scheint die Sonne
auf mein Haupt,
mein Heft
und die Vase.Sogar aus diesem eingeengten Winkel
kann der zärtliche Gedanke
durch die unsichtbare Lücke
den Raum verlassen,
sich zu einer Sonne entwickeln,
weltweit erleuchten,
mit Leidenschaft
zart durchdringend,
Wärme spendend
zur Liebe aufrufen
und zum Leben.֎֎֎
(8.7.2012)
Vor nicht all so langer Zeit
hast du
meine Schmerzen lindernd
geschrieben
ich hätte solch einen Schatz an Poesie
um Trost daraus zu schöpfenDabei hast du bestimmt
die inzwischen vorliegende Gegebenheit
nicht voraussehen können
dass ich aus dem erwähnten Schatz
Trost schöpfe
wegen der Fülle
deiner anwesenden Abwesenheit֎֎֎
(15.7.2012)
für Lotte Hartmann-Kottek
(1)
Meinen Blick nahm ich mit
in die helle Lichtung des Waldes
und tauchte mit ihm ein
in den berauschenden Bach
überlaufend von kristallreinem Wasser.
Dann ließ ich ihn schweben im Wind,
beladen mit Düften aus nahen und fernen Feldern,
und sich vollsaugen mit dem Licht
der Sonne und der Sterne.(2)
Diesen Blick nahm ich mit.
Gereinigt-
nicht berechnend wie ein Krämer,
nicht bestimmend wie ein Tyrann,
nicht verlangend wie ein Süchtiger,
nicht bettelnd wie ein Schwacher,
nicht fordernd wie ein Gläubiger,
nicht verurteilend wie ein Richter,
nicht beurteilend wie ein Käufer-
öffnete er mir,
suchend, fragend,
fühlend, mitfühlend,
erkennend, lernend,
Fenster und Türen.(3)
Begegnungen beheimaten,
wenn die Betrachtung des anderen Wesens
auf der Suche nach Erkenntnis
sich versenkt
in die Schönheit der Unvollkommenheit,
in die Wertschätzung des Vergänglichen,
in den Herzenstakt des Mitfühlens und Mitleidens,
in Freude und Trost
Schöpfen und Schenken.֎֎֎
Von Bienen, Wellen und Flammen
(5.12.2012)
Tief in meinem verzauberten Herzen
besingen seidene Stimmen,
sich sehnsüchtig im Kreise drehend,
durstig nach Lebenswärme siedend,
das leidenschaftliche, zärtlich-liebevolle Leben
der Bienen, Wellen und Flammen:„Wir sind wie die Wellen,
die aufhören zu sein,
wenn sie Stillstand erleiden.
So reisen wir tanzend,
in uns bedächtig ruhend,
wie die fleißigen Bienen,
die Blumen beharrlich bestäuben,
wie Feuer und Flammen,
die reinigen, wärmen und beleuchten,
von Träumen und Sehnsüchten getrieben,
nach Schönheit und Zärtlichkeit suchend,
nach Wissen und Gerechtigkeit durstend.“֎֎֎
(22.12.2012)
In Erinnerung an Wolfgang Kuhlmann, der beharrlich bis Januar 2012 durch seine FriedensTreiberAgentur (FTA) die Ausfahrten beleuchtete.
Seit Jahrtausenden wurde der Weg beschritten.
Seit Jahrtausenden wurde gegen den Weg gestritten.Grob umrissen nur war das ferne Ziel:
eine Welt,
die von den Menschen
keinen Tod und keine Opfer verlangt;
eine Welt
mit tiefem Respekt vor dem Leben.Von diesem endlosen Weg,
der durch Höhen und Tiefen,
durch Flüsse und Schluchten,
durch Wälder und Wüsten sich wand,
führten unzählige Ausfahrten ab,
alle beschriftet und beschildert:
verständlich, versprechend,
verlockend, verführend – verdunkelnd.Die Inschriften mancher Wegweiser
waren einfach und trivial,
wie „Brot und Spiele“,
später tödlich zwingend,
wie „Spiele um Brot“.
Andere spreizten sich komplex
und umschmeichelten die menschliche Eitelkeit
sowie den Stolz auf eigenen Intellekt
mit blendender Klugheit und Genialität.Doch nur einem Zweck dienten alle Ausfahrten,
einem niederträchtigen:
das Erreichen des hoffnungsfernen Ziels
mit allen Mitteln zu verhindern
und die Sehnsucht nach dem Guten zu ersticken.Allen Widerständen zum Trotz:
seit Jahrtausenden wird der Weg erstritten.֎֎֎
* Die Idee mit den Ausfahrten verdanke ich dem sozial engagierten iranischen Physiker und Forscher, Fariborz Derakhshan.
von Afsane Bahar und Kassandra Pari Sideras
(25.1.2013)
Aufrichtig Fragen stellen
– kraft klaren Bewusstseins und aus tiefem Bedürfnis,vielschichtig die Antworten hinterfragen
– kraft hart erarbeiteter Fähigkeit,redlich Schlussfolgerungen ziehen
– kraft gestählter Ehrlichkeit sich selbst gegenüber,beherzt die eigene Feigheit und Trägheit überwinden
– kraft mutiger Selbstkritik und errungener Selbsterfahrung,beharrlich das als richtig Erachtete umsetzen
– kraft der Fähigkeit, Enttäuschungen zu überwinden,leidenschaftlich bewegen und sich bewegen lassen
– aus Dank an das Leben und in ehrfürchtiger Liebe zu ihm.JA !
֎֎֎
(6.4.2013)
Jeder Atemzug
ist so sehr
voll von Deiner Anwesenheit
dass es schmerztTausend Fenster öffnen sich
zum unendlichen Raum
der beflügelnden Eingebungen
der ermunternden Vorstellungen
der befreienden Erkenntnisse֎֎֎
(20.5.2013)
„Warum nun
wird diesem Betrug,
diesen Absurditäten und Entstellungen
nicht nachgegangen,
warum winken sogar Linke ab,
wenn ihnen von diesen Dingen berichtet wird?“,
fragen die Hellhörigen
mit erfrischender Verwunderung.Eine der Antworten lautet,
dass der Preis vermutlich zu hoch ist,
wenn aufgedeckt wird,
wie die Herrschenden
denken und handeln.
Ohne Aufklärung nämlich
kommen die zum Denken Befähigten
nicht in die Zwickmühle,
sich entscheiden zu müssen.
Sie katapultieren sich allerdings
stillschweigend
in eine selbstverschuldete Unmündigkeit.֎֎֎
* Die Sprache des Imperiums. Ein historisch-philospohischer Leitfaden ist der Titel eines Buches von Prof. Dr. phil. Domenico Losurdo. Die deutsche Ausgabe ist 2012 im Verlag PapyRossa erschienen.
(20.7.2013)
in Erinnerung an Wolfgang Kuhlmann (Friendestreiberagentur)
Zeichen setzen
wie die Betörung der morgendlichen Brise im Frühling,
wie der Flügelschlag der Schmetterlinge im Sommer,
wie die Liebkosung der Blätter im Herbst,
wie der Tanz der Schneeflocken im Winter,
wie das Lächeln eines Fremden.Zeichen setzen
mitten im stummen Gedränge der Verzweifelten,
mitten in der besinnungslosen Trunkenheit der Gewalttätigen,
mitten im betäubenden Siegesschrei der Todesbringer.Zeichen setzen
fürs Leben.֎֎֎
(7.8.2013)
Dank an Christa Ortmann
Vor des Spiegels reinem Blick
befreie ich mich Stück für Stück
von dem Zwang der Kleider,
geliehener Kleider,
Kleider der Gesellschaft,
Kleider der Zukunft,
Kleider vergangener Leben,
Kleider der Wünsche anderer Menschen,
Kleider aus alten blinden Zeiten,
manchmal mit Stolz, manchmal mit Gewalt getragen,
bunter, das Herz streichelnder Kleider,
Kleider von hohem Rang.Wie nackt bin ich und wie frei!
Meinen späten Freund
betrachte ich im Spiegel
liebevoll,
umgeben von abgelegten Kleidern.
Mit der Stimme des Herzens
rufe ich den Geliebten.(9.8.2013)
Wenn die Blütenblätter abgefallen sind,
Blatt für Blatt,
wenn der Wind Duft und Pollen verweht hat,
dann betrachte genau
die Schönheit der Schöpfung:
Längst schon haben die Bienen
neue Blüten entworfen.֎֎֎
(13.9.2013)
Was unternehme ich nicht alles,
damit eine einzige Lippenknospe
in meiner Nähe
sich lächelnd öffnet!Was unternehme ich
gegen die Kriege,
die mit Lügen begründet,
nah und fern,
tausende Blumen vernichten?֎֎֎
(2.11.2013)
In diesem Universum,
grenzenlos und strahlend,
baue ich Brücken,
kleine und große,
zum Begreifen des Daseins,
zur Würdigung des Lebens.֎֎֎
(28.11.2013)
Der Stift
stand auf
für Gerechtigkeit.
Er verbreitete sich
in der Welt.Das Papier
schritt zur Aufklärung.
Es bekam Flügel
und stieg empor.Meine Hände
eilten zur Liebe
und blühten.
Aus der einen
wurde
ein Ast wilder Rosen,
voller Bienen und Schmetterlinge,
aus der anderen
eine Wasserquelle
für Jungvögel.֎֎֎
(Dezember 2013)
für Sima
Wald und Stadt
lebendig und verborgen.
Meer der Wolken
ausgebreitet, still
und so nah
für zärtliche Berührung.
Firmament
im Sonnenspiel
Quelle der Farben.
Meine Augenlider
senken sich
federleicht, hoffnungsvoll.
Das Lied
der inneren Sonne
durchdringt mich
ganz.֎֎֎
(29.12.2013)
in Erinnerung an Wolfgang Kuhlmann und seine FriedensTreiberAgentur
Das Feuer in meiner Brust,
Jahrtausende alt,
schenke ich dir.In mir hat es
eine junge Welt geboren.Grünendes Leben und Dichtung
fließen ineinander
in diesem Feuer.Gib es weiter.
֎֎֎
(31.1.2014)
für Barbara F.-K.
Auf den Flügeln der Erinnerung
kehre ich zurück
zur Ankunft
in diesem
einst so fremden Land.Kostbar und unvergänglich
sind die Düfte
wunderbarer Wesen,
die selbstlos
eine Bleibe schenken,
Halt und Wärme.֎֎֎
(in Erinnerung an den Vietnamkrieg; 20.2.2014)
Ich erzähle dir meine Geschichte,
und du kannst das Zuhören
nicht ertragen.Wie soll es mir gehen,
der das alles
an Leib und Seele erfahren hat.֎֎֎
(16.5.2014)
Rückkehr
Der alte, neue Faschismus
kam nicht
auf leisen Füßen.
Er kam
mit Fackelzügen,
Aufmärschen
und bekannten Zeichen.
Er kam
mit dem Geruch
verbrannten Fleisches.֎֎֎
ReturnThe old, new fascism
did not come
on the quiet.
It came
with torchlight processions,
marches
and well-known signs.
It came
with the smell
of burning flesh.֎֎֎
(10.8.2014)
Umgeben von Verwüstung und Leid
beginne ich wieder
mit dem Lied des Wissens und der Liebe
mit der Hymne des Schöpfens und der Lebensfreude֎֎֎
(23.9.2014)
Liebste! Wenn die Welt
sich leise oder laut
vielfältig wehrt,
ist es gewiss
einer Betrachtung wert:
Wie, wann und wo
kam der Kuchen zustande?
Wer
zahlte die Zeche so lang
unter sichtbarem
oder verdecktem Zwang?֎֎֎
(6.11.2014)
Auch ein Quittenbaum
dicht hinter einem Gartenzaun
am Rande eines steilen Weges
in einem hessischen Städtchen
kann uns lehren
mit offenen Augen
und Herzlichkeit
Brücken zu bauen
mitten in einer Zeit
in der aus Unterschieden
trennende Mauern
aufgebaut werden
so dass die Menschlichkeit
auf der Strecke bleibt֎֎֎
Erde
(18.12.2014)
für Maria Mies und Saral Sarkar
In unseren Herzen
tanzt das Licht,
singt der Wind,
liebkost der Regen.In unseren Herzen
dichtet der Berg,
malt der Wald,
komponiert die Steppe.In unseren Herzen
lobt die Quelle,
lehrt der Fluss,
liebt das Meer.In unseren Herzen
lebt die Erde.֎֎֎
(8.1.2015)
Wie Kerzen lebten wir,
und die Sonne ging auf.Dem Wind schenkten wir des Lächelns Blume,
und der Regen kam.Nachts streuten wir in der Kälte unsere Herzen,
und der Frühling gedieh am nächsten Tag.֎֎֎
Bei strahlender Sonne vernebelte Sicht, düster und kalt
Marionetten sind wild in Bewegung, das Getöse hallt
Die Oberen marschieren geschlossen! Geht ihre Rechnung auf?
Sehnsucht nach Wahrheit beflügelt, ich gebe nicht auf֎֎֎
Erhabene Nacktheit
(in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi‘i Kadkani; 15.2.2015)
Bäume habe ich betrachtet
in unterschiedlichen Trachten,
und keine war schöner
als die blattlose Nacktheit
in Erwartung des Frühlings.֎֎֎
(19.2.2015)
für Heidi
Das offene Fenster deiner Augen
gestattete mir einen Blick.
Der Einblick bekräftigte
meine Ehrfurcht vor der Kraft des Lebens.֎֎֎(8.3.2015)
Wieso weiß?
Weiß
Farbe des Friedens.
Verschleiernde Sprache
verkündet Elend und Verwüstung.֎֎֎
Bei der Gestaltung des neuen strategischen Grundsatzdokumentes „Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ soll „neben Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen und Stiftungen auch die breite Öffentlichkeit intensiv miteingebunden werden“ [1]. Der folgende Text ist ein kleiner Beitrag gegen das Verbrechen, dem Krieg sowie dem faschistischen Gedankengut [2] 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges gesellschaftliche Akzeptanz zu verschaffen.
Bemerkungen:[1] Weißbuch: https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2015/03/weic39fbuch.pdf
[2] Bei der Verwendung dieses Begriffes berücksichtige ich die folgende Definition: „Der Faschismus an der Macht ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“
Siehe hierzu:
Kurt Pätzold: Kein Streit um des Führers Bart. Kontroversen um Deutschlands „dunkle Jahre“ 1933 bis 1945.
2013, PapyRossa Verlag, Köln; Seite 117 bis 127Siehe auch
Samir Amin: The return of fascism in contemporary capitalism.
Monthly Review; Volume 66, Issue 04, September 2014
http://monthlyreview.org/2014/09/01/the-return-of-fascism-in-contemporary-capitalism/(10.3.2015)
Leidenschaftlich die Wirklichkeit erfassen,
liebevoll das Wissen einsetzen,
bescheiden schenken und verändern.֎֎֎
(28.3.2015)
den Krähen und Krokodilen gewidmet
Wenn ich mit Liebe betrachte,
finde ich eine Welt voller Schönheiten.
Und mein Sein blüht auf.֎֎֎
(12.6.2015)
Tief in meinem Herzen
pflege ich dein Geschenk,
das Feuer der Lebensfreude.Mit gebeugtem Rücken,
mit gebrochenem Arm,
stets streckst du
die Hände zum Licht.֎֎֎
Jedes Wasserteilchen meines Körpers
ist voller Sehnsucht nach
der geduldigen Arbeit im Gestein
dem fröhlichen Tanz im Fluss
der friedvollen Vereinigung im Ozean֎֎֎
(28.7.2015)
für die aufrecht Gehenden in erdrückenden Zeiten
Die Erde wird sich drehen
gewiss auch ohne dich
und tröstend gestehen
sie brauche dichDie morgendliche Brise wird sanft dich wachküssen
Die Sonne wird betörend deinetwegen tanzen
Der Wind wird dir behutsam tausend Lieder singen
Der Regen wird zärtlich dich liebkosen
Der Regenbogen wird frohlockend dir die Wege zeigen
Der Mond wird warm deine Träume beleuchtenDie Erde wird sich drehen
gewiss auch ohne dich
und tröstend gestehen
sie brauche dich֎֎֎
(16.9.2015)
Ungerechtigkeit
gibt es seit Jahrtausenden.Den Verwüstern des Lebens
sind Gebrochene,
Gelähmte,
Verbitterte,
im Herzen VersteinerteEinen Augenblick
verweilst du auf dieser Erde.
Vom Gerechtigkeitssinn erfüllt
lebe,
lebe mitten im Leben,
lebe aufrecht und strahlend.֎֎֎
(November 2015)
Frohgemut und gelassen
mir der eigenen Vergänglichkeit bewusst
schöpfe ich mit allen Sinnen
Stück für Stück Wissen
zur Änderung und Erhaltung dieser einen Welt
getrieben von der Notwendigkeit der Gerechtigkeit
und der Empfänglichkeit für Schönheit֎֎֎
(26.12.2015)
Schreiben
nicht aus Angst, Schwäche, Eitelkeit
mit Heuchelei, Scheinheiligkeit
nicht des Geldes wegen
oder mit der Herrschenden SegenSchreiben
aus Freude an Schönheit und Schöpfung
als Bedürfnis zum Begreifen, zur Erkundung
aus tiefem Wunsch zum Brücken-Bauen
zu sich selbst und den Anderen֎֎֎
(17.1.2016)
Wenn du die Augen schließt,
fehlen hier zwei Sterne.Beleuchte und behebe
leidenschaftlich
die tieferen Gründe
dieser maßlosen Ungerechtigkeit
in unserer bewegenden Zeit.
Und pflege stets dabei
das Feuer in deiner Brust.Wenn du die Augen schließt,
fehlen mir zwei Sterne.֎֎֎
(31.1.2016)
Heidi gewidmet
Es gibt Momente im Leben,
wo ich im Meer der Glückseligkeit badend
mit tiefster Zufriedenheit denke,
das Ende kann jetzt getrost kommen.
Einen Strauß solcher Momente wünsche ich dir.֎֎֎
(19.2.2016)
Es ist eine klare Nacht
die Sterne zum Greifen nah
ich lausche der Melodie der Stille
genieße den Wein der Einsamkeit
und denke an dich
deine Kinder
und Kindes KinderEs ist eine besondere Zeit
uns Höhen und Tiefen zeigend
zum Überdenken alter Gewohnheiten einladend
zum Überprüfen bisheriger Überzeugungen
uns zu Gratwanderungen ermunternd
zum Springen über den eigenen SchattenEs ist eine klare Nacht
die Sterne zum Greifen nah
ich rieche schon die Morgendämmerung
und denke an dich
deine Kinder
und Kindes Kinder֎֎֎
(9.3.2016)
Wenn ich Gefühle und Gedanken
in meiner Muttersprache beschreibe
und diese dann dir übersetze
gehen gelegentlich
Feinheiten verlorenSo fühle mich sprechen
mit meinen Augen
mit meiner Haut
mit meines Herzens Schlägen֎֎֎
(9.3.2016)
Kraftvoll verankert in dieser Erde
sehnsüchtig den Himmel betrachtend
gelassen seelenverwandt mit dem Meer
lebe ich fröhlich mit dir
das Lied der Liebe֎֎֎
Straßenkinder
(13.4.2016)
Kennst du den Glanz der Tauperlen
an Zweigen und Grashalmen
beim Auftreten der ersten
morgendlichen SonnenstrahlenKennst du den Tanz der Spinnweben
benetzt mit Schneesternen
bei abendlicher Brise
im schimmernden MondscheinKennst du den Zauber
des Gesangs verliebter Stare
mitten in der Zärtlichkeit
des frischen Grüns im AprilSo könntest du ein Bild malen
von meiner bewegenden Freude
wenn das Wort Straßenkinder
nur in Geschichtsbüchern vorkämeFür die in mir
(April 2016)
den Hebammen gewidmet
Sei willkommen
mit all deinen Tränen
und dem belebenden LachenBin ich der Berg, so sei du der Regen
Bin ich der Regen, so sei du die Erde
Bin ich die Erde, so sei du der Frühling
Bin ich der Frühling, so sei du der Garten
Bin ich der Garten, so sei du der Fluss
Bin ich der Fluss, so sei du das Meer
Bin ich das Meer, so sei du die Wolke
Bin ich die Wolke, so sei du der BergKomm
Setz dich zu mir
mit all deinen Tränen
und dem belebenden Lachen۞۞۞
Beheimatung im Herzen
(17.4.2016)
für Heidi
Auf Lutherweg wandernd im Thüringer Walde
Eine Schnecke fiel mir auf am Weges Rande
Ihr Häuschen auf dem Rücken tragend sachte
Mir kam Heimat in Sinn und mein Herz lachte
Trage dein Zuhause in dir frei und unbeschwert
Schmücke es frohgemut mit allem was liebenswert֎֎֎
Gedichte
(22.4.2016)
Auf der Terrasse eine Vogeltränke
und am Baum ein VogelhäuschenMeine Geschwister kommen angeflogen
leichtfüßig, unbeschwert
beschenken mich unermesslich
zwitschern, plätschern
berühren mein Herz
nehmen ein paar Körnchen mitIch atme ihre Anwesenheit ein
und denke glücklich
wenn sie frei weiterziehen
werden sie vielleicht
andere auch beschenkenSolch eine Beziehung
pflege ich
auch zu meinen GedichtenAbruzzen
(Juni 2016)
Maria Mies gewidmet
Nun stehe ich hier
dieses weite Land ehrfürchtig
mit allen Sinnen aufnehmend
weiß-rot, gelb-grün, blau, rosaDen duftenden Wind tief einatmend
das Meer am Horizont sehnsüchtig ahnend
frage ich mich immer wieder
wie wir den Verwüstern des Lebens trotzend
mit Hilfe der Gelähmten, Betäubten, Verführten
und doch tief im Herzen Bewegten
die Geburt der keimenden Gesellschaftsformation
ermöglichen können֎֎֎
Welle
(17.7.2016)
für Heidi, Ilona und Sima
Wenn der Wind im Morgen-Land ankommt
wird er die Wolken liebkosend
den Duft unseres langen Atems besingen
So wird die Steppe
gerührt von Zärtlichkeit des Regens
ein buntes Meer gebären
voller Disteln, Ginster, Minzen und Mohnblumen֎֎֎
Solch eine Liebe
(7.7.2016)
Victoria und Farshin gewidmet
Fliege frei und unbeschwert
Fliege hoch
Betrachte aus anderen Blickwinkeln
das Geschehene
das Laufende
das FolgendeBegreife mit all deinen Sinnen
drei Bereiche
Wissen
Gerechtigkeitssinn
Verbundenheit mit dieser ErdeKehre zurück zu mir
erhaben
Singe mit mir
frohgemut
das Lied der Entwicklung
das Lied des Gedeihens
Fliege frei und unbeschwert֎֎֎
Die Schwalm*
(24.7.2016)
für Ulli, Wolfgang und Bella
Staunend betrachte ich dich
wie ein neugieriges Kind
und höre begeistert zu
wenn du Geschichten erzählst
Dankend nehme ich an
deine kristallklaren Geschenke
im winterlichen Sonnenschein
Ach, wenn auch andere Menschen
deine Wunder wahrnähmen
und dann voller Inbrunst
in der vermeintlichen Kälte
ihre eigenen hervorbrächten֎֎֎
* Die Schwalm ist der Hauptzufluss der Eder. Inspiriert durch Fotos, die eine Freundin an einem sonnigen Wintertag von den wunderbaren Eisgebilden an den Flussufern gemacht hatte, wurde dieser Text verfasst.
Schmetterling
(Juli 2016)
Wenn sich ein Element
in einem System ändert
dann folgen Anpassungen
im ganzen Gebilde
So sei der Schmetterling
dessen feiner Flügelschlag
den fernen Berg
zum Beben bringt֎֎֎
Von Elfen und Elben
(Juli 2016)
Wer bist du
die ich so vertrauensvoll
durch meine Landschaften führe
die in meinen Träumen
verzaubernd verweilt
und bei der ich hautnah
kraftvoll und schöpferisch
Ruhe finde֎֎֎
Liebeslied
(28.7.2016)
Aus dem Fenster blickend
die Morgenröte
viele Schwalben
mit dem Nachwuchs
Fliegen übend
Gerade in dieser Zeit
der aufkeimenden Zärtlichkeit
mitten im erlahmenden Getöse
deiner Verwüster
und dem betäubenden Schweigen
deiner Bewohner
schreibe ich für dich
die einmalige Erde
meine schönsten Liebeslieder۞۞۞
Zusammenhänge im großen Gefüge
(4.8.2016)
Habe keine Angst, Liebste
Lass dich nicht verwirrenDie Verächter des Lebens
haben ein Heer
von Wissenschaftlern, Forschern
Psychologen, Ärzten
Künstlern, Schriftstellern
und Geistlichen aller SchattierungenLass dich nicht einschüchtern
von ihrem allmächtigen Getue
von ihrem allwissenden Gehabe
Stelle einfache
und entscheidende FragenGelten die angegebenen Maßstäbe
für Freunde und Feinde
Gelten die ersehnten Vorstellungen
für alle Wesen dieser Erde
oder nur
für einen auserwählten MenschenkreisLass dich nicht in die Irre führen
mit dem törichten Geschwätz
vom bösen Kern des Menschen
Erforsche den umfassenden Rahmen
und die Zusammenhänge
im großen Gefüge
in dem der Mensch zu dem wird
was die Gegenwart zeigtHabe Zuversicht, Liebste
Betrachte das Laufende
aus einem wesentlich weiteren
zeitlichen Blickwinkel
und denke dabei auch
an das Wunder der Raupe֎֎֎
Meer der Morgenröte
(12.8.2016)
Karin Leukefeld gewidmet
Offenherzig tauche ich ein
in das Meer der Morgenröte
und nehme Stimmen wahr
die der Berge, der Wälder
der Wüsten, der Weizenfelder
der Insekten, der Fische
der Straßenkinder
der Entrechteten
der Verdammten
der Schwach-Gehaltenen
der EntwurzeltenAlle stellen dieselbe Frage
nicht belehrend
nicht vorwurfsvoll
nur klärendAngesichts deiner Möglichkeiten
wirst du unsere Stimme sein
im verschweigenden Getöse
oder wirst du uns verbannen
in das Land der Vergessenheit
aufgrund deiner Ängste
geführt von deiner Eitelkeit
fliehend in ScheinheiligkeitAufrecht tauche ich auf
aus dem Meer der Morgenröte֎֎֎
-
Hautnah
(8.12.2016)
Die Melodie deines Atems
begreife ich mit der Haut
Diese Lobeshymne auf das Leben
ergreift jedes Haar
Mit allen Sinnen rufe ich
mitten im Gedränge des Alltags
die Glücksmomente auf
֎֎֎
-
Meditation im Herbst
(1.12.2016)
Gehen Träume unterwegs verloren
mein Herzensfreund
erinnere mich an den Moment
als der Wind den Baum umwehte
das Blatt sich tanzend entfernte
und dabei liebevoll lächelte
Bleibe bei mir
mit Anmut und Mut
leidenschaftlich, barmherzig, geduldig
wenn ich schlafe
wenn ich gehe
Gehen Träume unterwegs verloren
mein Herzensfreund
erinnere mich daran
dass das herbstliche Blatt
durch die Baumadern emporstieg
zu neuen Knospen und Trieben
֎֎֎
-
Der Kinderfilm mit sächsischer Bildungsempfehlung entstand im Rahmen der Einweihung der Stele auf dem 13. Meridian in Chemnitz/Kleinolbersdorf, hochangebundene Persönlichkeiten vom Chemnitzer Vermessungsamt, Dr. Reinhart Erfurth, Ehrenpräsident der Ingenieurkammer Sachsens u.v.a. gaben der Festivität an der Stele den feierlichen Rahmen in diesem Sommer.
Der Kinderfilm entstand in Zusammenarbeit mit TV 90, der Grundschule Kleinolbersdorf und dem Gymnasium Einsiedel, die Schulen stellten die Hauptdarsteller des Kinderfilmes.
Die Idee, Texte und Drehbuch stammen aus meiner Feder.
Hier der Link zum Film „Auf den Spuren des Mercator“: https://youtu.be/XR3HFfqXhUg
Der Sprecher der Verse ist Martin Baden, Schauspieler und Sohn von Olaf Baden, dem berühmten TV Sprecher.
Der Film wurde insgesamt über hundertmal verkauft, zur Premiere kamen über 1000 Besucher.
Hier die Versfolge
Auf den Spuren des Mercator
Voller Eis
Und starrer KälteStarten wir
Und landen da.Erst des Südpols weißes Felde
Ganz zum Schluss
Dem Nordpol nahPinguin
Schwarz weiße FrackeFlüchten plump
Vorm LeopardDoch der König
der AntarktisIst der Wal
So schnell und stark.–
Weiter geht’s
Auf unsrer ReiseIn die heiße
rote GlutStarker Löwe
Bunte FelsenVögel
Schützen ihre Brut–
Eine Stadt
Die Schönste GrößteSalz
in ihrem Namen trägt.Burg
Ergänzt den StädtenamenTürme
Dieses Stadtbild prägt–
Und Palermo
Dieser WildeFreie Ort
Und LebensraumKünstler
Menschen
Kinder
Alte
Leben hier den Lebenstraum–
Seht da steht er
Hoch und eckigSachsens größter Berg im Land
Fichtelberg
So sagt´s der NameFichteln wachsen
Steil galant.Ruhig stoisch
ÜberlegenSchaut er in das
Tal hinabSeine Läufer
Berges HängeFühren uns
Nach Chemnitz ab.–
Siehe da
Hier steht die SteleSchösserholz
Das ist ihr HortSpeck der Gürtel
Manche SeeleFindet Ruhe
Hier im Ort.–
Weiter geht es
Unsre ReisePotsdam
Heißt das nächste Ziel.Feinste Bauten
Schmuck und seltenGlitzern hell
Erstrahlen wie.–
Dann erreichen
Uns die DüfteMeer und Brisen
Frisch und freiFischwelt bunt
Der Sandstrand superDieser Ort
Nennt sich Stralsund–
Und des Wassers
Zur GenügeReisen wir
der 13 nach.Malmö ist
die nächste RiegeEine Stadt
Mit Lärm und Krach.–
Also weiter
Auf Luchs PfotenStill und heimlich
Immer darErreichen wir
Der Welten StilleInseln
der Lofoten gar.–
Und von da aus
Nach SpitzbergenFinden wir
Des Nordens Licht.Eisbärn, Robben, Orcas-Schwertwal
Dies Getier im Licht gebricht.–
Nordpol
Heißt’s
Des Reisens EndeSchwimmend
Auf dem ErdenballWieder Kälte
Uns empfängt esWeiß und Still
Das Weltenall–
Doch was soll sie
Diese LetzteKarte golden
Liegt sie hierAdlers Schwingen
Starke KehleNun wir folgen
Dieser SpurSiehe da
Hier steht die SteleGanz genau
13 vor OrtAdlers Schwingen
Seine ReiseStart ist hier
Sein Haus
Sein HortAdlers Leben
Dieser NameLeben Lieben
WeltentourJa so heißt er
Unser AdlerStark und ewig
-
Frau Silke Albrecht hat zwischen 2009 und 2015 ihre Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades im Fach Humanmedizin an der Universität Halle-Wittenberg im Institut für Ethik und Geschichte der Medizin (Prof. Dr. Florian Steger) geschrieben. Die Promotion fand im Juni 2016 statt.
Frau Dr. Albrecht hat uns freundlicherweise erlaubt, ihre Arbeit hier zu veröffentlichen. Wir sind ihr für ihre tief schürfende Recherche sehr dankbar, die zu dieser hervorragenden Dokumentation geführt hat.
Wenn Sie einen Einblick in die Arbeit haben wollen, schreiben Sie diesen Link der Universität Halle
http://digital.bibliothek.uni-halle.de/urn/urn:nbn:de:gbv:3:4-18081
in die Zielzeile im Internet. Auf der Seite, die Sie dann finden, sehen Sie rechts ein Feld, in dem Sie die Arbeite herunterladen können.
-
Herbert Metzger, geboren 22.01.1924, gestorben 11.11.2016,
Liebe Frau Metzger,
liebe Familie von Herbert Metzger,
liebe Trauergemeinde,mein Name ist Dietrich Weller. Ich bin als langjähriger literarischer Freund von Herbert Metzger hier und trauere mit Ihnen. Deshalb ist es mir nicht nur ein sehr persönliches Bedürfnis, zu Ihnen zu sprechen, sondern ich möchte als Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schriftstellerärzte BDSÄ und Herausgeber des Almanachs deutschsprachiger Schriftstellerärzte sein literarisches Werk würdigen. Dabei will ich freimütig gestehen, dass ich gar nicht alles kenne, was er geschrieben hat. Er war in allen Lebensphasen so stetig im Schreiben, so vielseitig in seiner ganz eigenen Gedankenwelt, dass auch ein fleißiger Leser kaum mit ihm Schritt halten konnte.
Leider weiß ich nicht genau, seit wann er Mitglied im Bundesverband Deutscher Schriftstellerärzte war, weil es darüber keine Akten mehr gibt. Der älteste Vermerk seines Namens steht auf einer Anwesenheitsliste der Mitgliederversammlung von 1984.
Wir lernten uns Ende der 1990-er-Jahre persönlich kennen, als Sie, liebe Frau Metzger mit Ihrem Mann zu einer Lesung nach Leonberg kamen, zu der meine Frau und ich baden-württembergische Mitglieder des BDSÄ eingeladen hatten.
In den folgenden Jahren standen wir in regelmäßigem schriftlichem und telefonischem Kontakt. Leider war es ihm aus gesundheitlichen Gründen nie mehr möglich, an den Jahreskongressen des BDSÄ teilzunehmen.
Herbert Metzger machte mich schon bei unserem ersten Treffen auf den Almanach deutschsprachiger Schriftstellerärzte aufmerksam, den ich damals noch nicht kannte. Das ist eine Sammlung von literarischen Texten in Gedicht- oder Prosaform, die von Ärztinnen und Ärzten verfasst werden und thematisch das gesamte Spektrum des menschlichen Alltags umfasst. Durchschnittlich sind jedes Jahr 55 Autoren auf 550 Seiten vertreten.
Nachdem ich 2011 Herausgeber dieses Almanachs wurde und mich mein Herausgeber-Vorgänger bei den Übergabegesprächen ausdrücklich auf diesen besonderen Menschen und Schriftsteller aufmerksam gemacht hatte, traf ich Herbert Metzger in diesem Buch wieder. Seine frühesten Beiträge für den Almanachstehen im Almanach 1989. Herbert Metzger sandte seither jedes Jahr treu seine wertvollen, weil stilistisch und inhaltlich herausragenden Texte ein. Immer wieder überraschte er mich mit Notizen, mit Gedichten und Zeitungsausschnitten von seinen Lesungen, die er bis ins hohe Alter abhielt.
Seine gestochen scharf und klein ziselierten Randbemerkungen voll Korrekturbereitschaft und Selbstzweifel sind mir gut im Gedächtnis. Ich erlebte einen Mann, dessen Bescheidenheit und Demut mich immer wieder beeindruckt haben. Sandra Pfäfflin von der Pforzheimer Zeitung beschreibt ihn in ihrem Nachruf sehr treffend als sanften, feinen Mann.
Früh in unserer Bekanntschaft schenkte Herbert Metzger mir seinen autobiografischen Roman Unterwegs im Schicksalsraum Erde, der 2000 erschienen war und dessen Einband ein Bild ziert, das seine Tochter Iris Caren gemalt hatte. Ein Buch, das seine Lebensjahre 1942 bis 1945 umfasst. Ein Zeugnis, wie ein tief anthroposophisch denkender und fühlender Mensch mit den Kriegswirren hadert und sich mithilfe übergeordneter spiritueller Gedanken zu-recht-zu-finden sucht. Ich meine es wörtlich: Er wollte zum Recht finden und seinen Weg im Rahmen seiner Weltsicht erkennen und bewusst und rechtschaffen gehen.
Dieses Buch ist nicht nur zeitgeschichtlich interessant für Nachkriegskinder wie mich. Es wirft uns auf Grundfragen der Existenz zurück und öffnet geistige Welten von unendlicher Dimension.
Im Laufe seines langen Lebens veröffentlichte Herbert Metzger viele Bücher, darunter auch kleinere Schriften mit feingeistiger Lyrik und Prosa. Zeitklänge und Von Mensch zu Mensch führen den Leser von der irdischen Haftung in die spirituelle und ewige Dimension. Poetische Tagebücher und Vom Menschen und seinen Engeln sind nur zwei Beispiele seiner tief vom anthroposophischen Geist durchdrungenen Welt- und Weitsicht.
Mir fällt ein Satz von Khalil Gibran ein, der hier und heute passt: Möglicherweise ist ein Begräbnis unter Menschen ein Hochzeitsfest unter Engeln.
Herbert Metzgers geistige und schriftstellerische Aktivität entwickelte bei der ständigen Beschäftigung mit dem großen Spannungsfeld seine ganz ausgeprägte, für ihn charakteristische Sprache mit ungewöhnlichen Wortschöpfungen und Gedanken, die zum genauen Nach-Denken, zum einfühlsamen Nach-Spüren, zur bewussten Wort-für-Wort-Lektüre zwingen.
Seine tiefe anthroposophische Überzeugung und sein feinsinniges Gespür für kleinste Unterschiede bei Bedeutung und Wort sprechen aus jedem Text, sind Antrieb und Quelle seines Denkens und Fühlens, beflügeln seine konzentrierten Wortschöpfungen, seinen Drang, alles noch genauer und ausdrucksstärker zu formulieren. In den Gedichten empfinde ich es deutlicher als in den Prosatexten, weil er sich dort noch mehr zwang, dichter, ver-dichtet zu formulieren. Und wie schwierig ist es, konkrete Gedanken über Spirituelles in ein-deutige Worte zu prägen, die also nur eine einzige Deutung zulassen!
Ich ließ mich einmal zu dem Satz hinreißen: „Herr Metzger, ich spreche Ihre deutsche Sprache nicht, ich kenne Ihr Vokabular nicht.“Das hat ihn so erschreckt, dass er auf mich sehr verunsichert wirkte. Jetzt muss ich gestehen, dass ich wahrscheinlich nur nicht genau genug hineingehört und –gespürt habe, was seine Worte sagen.
Weil mir seine spirituelle Welt teilweise fremd war, bat ich ihn, für den Almanach (ehrlicherweise will ich sagen: auch für mich!) eine Zusammenfassung der anthroposophischen Lehre zu schreiben.„Trauen Sie mir das wirklich zu?“, fragte er überrascht. Das war keine Lob erheischende narzisstische Wendung, sondern Ausdruck eines Suchenden, der sich selbst und seine Sicht der Dinge immer neu infrage stellte.
Der Text, den er mir nach einigen Wochen gab, war so lang und so intensiv durchgearbeitet, dass wir ihn auf zwei Jahrgänge aufteilten und im Almanach 2014 und 2015 veröffentlichten. Es ist eine reife Darstellung der anthroposophischen Philosophie, die ich glaube, mit seiner Hilfe jetzt besser zu verstehen.
Herbert Metzger schickte seine letzten Beiträge zum Almanach 2016. Da konnte er die Korrekturblätter nicht mehr selbst bearbeiten. Seine Tochter übernahm die Mittlerrolle. Sie ist es auch, die auf Facebook eine Seite für den Vater eingerichtet hat und jetzt sein literarisches Werk aufbereiten will.
Ich habe die folgenden Gedichte ganz bewusst als letzte in seinem Kapitel gesetzt, weil ich ahnte, dass dies sein finaler Beitrag ist.
Zu erkennen:
Ein wahrer Segen ist es, wenn ein
alt gewordener, am Leibe gebrechlicher
Mensch seinen sterblichen Körper
wieder verlassen kann.Diese Befreiung öffnet ihm die neue
Erlebnis-Wege-Begehung ins
andere Sein, das als ein
seelisch-geistiges, unsterbliches
Dasein bezeichnet wird.Dort begegnet ihm die Wahrheit,
so wird berichtet – und der
Sinn seines Lebensdurchgangs
wird ihm bewusst gemacht nach
dem Erkenntniszustand seines
eigenen Selbstbewusstseinserwachens:
Erhellung in der Prüfung wird ihm zuteil
Und Begnadung führt ihn ins Weiternde.Sei es so, Mitmensch.
Später
Aus der Gefangenschaft der Materie
gibt es kein Entrinnen – es sei denn
ER entlässt dich ins
Freisein-Werdenwollende.Die Konsequenzen daraus
Werden zu deinem Errungenen.Wir sehen: Herbert Metzger war sehr gut vorbereitet auf seinen Weg in die nächste Dimension, denn er hatte lange vor seinem körperlichen Ende in Frieden mit diesem Teil der Welt abgeschlossen und war bereit zur Weiterreise, die ihm jetzt im biblischen Alter gnadenvoll und schmerzfrei gewährt wurde.
Mit seinem allerletzten im Almanach veröffentlichten Gedicht verabschieden wir uns in großer Dankbarkeit und Hochachtung von Herbert Metzger, der in weiser Vorahnung schon hinüber spricht in die neue Existenzform:
Himmel, wie bin ich dir nahe gekommen,
das Körpergefäß will Abschied nehmen.
Ich danke seinem Dienst an mir.
Eine Weiterung wird alles Zusammengehörige
in einem andern Licht erscheinen lassen.Wohl dem Geistgefügten,
das darinnen erwacht. -
„Einsam kann man auch in Gesellschaft sein, insbesondere wenn man als Single nur mit Pärchen befreundet ist“, dachte Susanne, während sie gedankenverloren nach Hause ging. Sie stockte. Ein Pudel stand vor ihr und kläffte sie an. Ängstlich starrte sie auf das Tier und rührte sich nicht.
„Rudi, bei Fuß!“ Die Stimme klang angenehm sonor. Sie blickte auf. Ein schlanker junger Mann etwa in ihrem Alter stand vor ihr und griff nach dem Halsband des Hundes.
„Entschuldigen Sie, dass Rudi hat sie erschreckt hat. Er tut keinem was. Er bellt nur.“
„Ich mag Hunde nicht.“ Sie blickte in freundliche braune Augen. Wie konnte ein so netter Mensch einen so hässlichen Pudel haben?
„Es tut mir leid.“ Er hatte den Hund angeleint. „Sie wirkten so abwesend. Vielleicht hat Rudi das irritiert.“
„Abwesend? Ich habe nachgedacht. Einen schönen Tag noch.“
Sie machte eine rasche Kopfbewegung, so dass die blonden Locken nach hinten flogen und setzte ihren Weg mit schnellem Schritt fort, ohne sich nochmals umzuschauen.
„Ihnen auch“, sagte er leise und blickte ihr nach.
Susanne liebte ihren Beruf als medizinisch-technische Assistentin, aber nicht ihre Arbeit. Früher konnte sie Enzymuntersuchungen und Elektrolytbestimmungen selbst im Einzelversuch ansetzen und mit dem Photometer messen. Da waren noch Fertigkeit und Erfahrung gefragt. Sie waren damals mehr Leute im Labor. Da war was los, ein Geschnatter und Gezickel. Heute bestückte sie alleine den Autoanalyser, einen Automaten, der alles erledigte, so dass sie sich wie eine Fließbandarbeiterin fühlte. Nur wenige Untersuchungen waren für sie übrig geblieben, und ihr fehlte der soziale Kontakt.
„Ich habe noch etwas für Sie.“
Sie blickte auf und stutzte.
„Ach, der Herr mit dem Hund. Was machen Sie denn hier?.“
„Ich habe gestern als Assistenzarzt in der Inneren angefangen.“ Er legte einige Röhrchen mit Blut auf den Labortisch. „Dass Rudi Sie erschreckt hat, tut mir leid. Haben Sie einen Kaffee?“
„Dort neben dem Mikroskop steht die Kaffeemaschine, und dahinter im Regal sind Tassen, Milch und Zucker. Nehmen Sie sich, was sie mögen.“ Sie setze die letzten Proben in den Autoanalyzer und schaltete ihn ein.
„Wie lange sind Sie schon hier?“
Susanne nahm ihre Kaffeetasse und setzte sich auf einen Laborstuhl. „Seit sechs Jahren. Es hat sich seither viel verändert. Wo haben Sie studiert?“
„Hier in Freiburg. Es gefällt mir hier sehr gut, deshalb habe ich versucht, hier eine Stelle zu bekommen. Glücklicherweise hat es geklappt. Ich stamme aus dem Ruhrgebiet.“
„Ich habe eine Tante in Bochum. Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, sie zu besuchen. Freiburg ist nicht sehr groß. Es wundert mich, dass ich Ihnen nicht schon früher begegnet bin.“
Sie redeten noch einige Minuten und wunderten sich, dass sie an vielen Stellen in Freiburg beide schon gewesen sind, ohne sich zu begegnen. Er besuchte sie in den folgenden Wochen nahezu jeden Tag. Irgendwann gingen sie zum Du über und entdeckten, dass sie beide gerne ins Theater gingen, Krabben mochten und Tintenfischringe hassten. ‚Ich verstehe mich gut mit ihm‘, dachte sie überlegte, ob sie ihn näher kennenlernen wollte. Er hatte keinen Ring an, so dass er noch frei sein könnte. Ihn zu sich nach Hause einzuladen, fand sie aufgrund früherer Erfahrungen, sei zu früh. Vielleicht wäre ein Picknick eine gute Gelegenheit ihn näher kennenzulernen.
Bei einer Schönwetterlage im Mai, es war schon sommerlich warm, sagte sie „Paul, wir könnten doch bei dem schönen Wetter zu einem Picknick in den Kaiserstuhl fahren.“
„Ein Picknick, das wäre toll. Am Wochenende habe ich leider Dienst.“
„Wie wäre es am Freitag nachmittags. Da können wir früher raus kommen und gegen 15 Uhr los ziehen.“
„Ja das klappt. Ich gebe auf der Station Bescheid. Vor dem Wochenenddienst nimmt mir keiner übel, wenn ich früher Schluss mache.“ Paul stand auf. „Also dann bis Freitag.“
Am Donnerstag summte Susanne während der Arbeit alle fröhlichen Melodien, die ihr einfielen. Alles schien flotter von der Hand zu gehen. Am Abend richtete sie den Picknickkorb, eine Decke und schrieb einen Zettel, welche Dinge aus dem Kühlschrank am nächsten Morgen in die Kühltasche mussten. Paul wollte Getränke mitbringen. Da Männer eher an Alkoholisches dachten, richtete sie ihre Thermokanne für Tee. Am Freitagmorgen bewegte sich die Zeit wie eine Schnecke. Immer wenn Susanne auf die Uhr schaute, waren nur wenige Minuten um. Endlich war es 15 Uhr. Das Labor war tip-top, und Paul kam nur fünfMinuten später mit einer Flasche Müller-Thurgau.
„Mit welchem Auto fahren wir?“
„Ich habe alles in meinem Kadett“, sagte sie, „also fahre ich.“
Bei Vogtsburg im Kaiserstuhl bog sie rechts ab und erreichte einen Rastplatz, wo sie ihre Picknickuntensilien im Frühlingsgras ausbreiteten. Die Sonne strahlte warm. Die Worte flogen wir Schmetterlinge. Die Sätze kreuzten sich wie Liebesbriefe. Die Zeit verklang wie ein Kirchenglockenschlag.
Am Samstag ging Susanne auf der Kaiserstraße vorbei an der Herder’schen Buchhandlung in Richtung Martinstor. In Höhe der Sparkasse stockte ihr der Atem. Direkt auf sie zu kam Paul mit einem Kinderwagen. Neben ihm ging eine junge Dunkelhaarige mit einer geschwungenen grünen Brille. Paul war völlig entspannt.
„Darf ich vorstellen, meine Frau Marianne,“ Er zeigte auf den Kinderwagen, „mein Sohn Carsten, 3 Monate. Susanne Meier aus unserem Labor.“
„Ach, das Labortraining!“, sagte Marianne und musterte Susanne.
Susanne beugte sich zum Kinderwagen hinunter: „Ganz der Vater.“
Dann richtete sich abrupt auf und lächelte: „Einen schönen Tag noch.“
Sie machte eine rasche Kopfbewegung, so dass die blonden Locken nach hinten flogen, und setzte ihren Weg mit schnellem Schritt fort, ohne sich nochmals umzuschauen.
Copyright Dr. Walter-Uwe-Weitbrecht
-
Ilka blickte auf den Mauerspalt über ihnen, um die Wärme des Sonnenstrahls im Gesicht zu spüren. Sie zog mit dem rechten Arm ihren kleinen Bruder Sami an sich. Das linderte die Schmerzen im rechten Bein, das von einem Trümmerbrocken getroffen worden war. Die Sonne kam nur einmal am Tag für ein bis zwei Stunden durch den Spalt zwischen den eingestürzten Betonplatten, die einen schmalen zeltförmigen Raum in dem Trümmerhaufen des eingestürzten Hauses bildeten. Ilka konnte den Himmel sehen, der manchmal blau, aber meist durch dir aufgewirbelten Staubwolken verdeckt war. Immer wieder erschütterte das Grollen der Bomben die Trümmer, und es rieselten kleine Steine zu Ihnen hinunter. Wenn sie menschliche Stimmen hörten, riefen sie mit schwacher Stimme, aber keiner hörte sie. Jetzt riefen sie nicht mehr. Es fehlte ihnen die Kraft.
„Mama soll kommen“, flüsterte Sami und weinte, „ich habe Hunger, Durst.“
Ilka, die sich selbst die Mutter herbei wünschte, drückte ihn an sich und summte ein Lied. Sami beruhigte sich und weinte nur noch ganz leise. Ilkas Bein klopfte, und sie versuchte, an die Schule zu denken, die sie in den letzten Wochen wegen des häufigen Fliegeralarms nur sporadisch besuchen konnte. So weit sie sich erinnern konnte, war immer Krieg. Das Schulgebäude war von Bomben in einen Haufen Steine verwandelt worden. Tante Selina hatte daraufhin in ihrem Wohnzimmer Schule improvisiert. Das war viel lustiger, weil die Puppe mit lernen durfte. Auch dieser Unterricht wurde wegen der Bombenangriffe immer wieder unterbrochen.
Sie hörte wieder Rufe und versuchte, sich bemerkbar zu machen. Aber sie brachte nur ein Krächzen heraus. Sami war eingeschlafen und reagierte nicht. Das Licht schien jetzt nicht mehr nur über ihr durch den Mauerspalt zu kommen. Es breitete sich wie ein heller Nebel im gesamten Raum aus, so dass sie völlig geblendet war. In der Ferne durch den Nebel hörte sie ihre Mutter sprechen.
„Mama“, rief sie mit erstaunlich heller Stimme. Da kam ihre Mutter aus dem Nebel hervor wie eine wunderschöne Fee. Sie hatte ein Kleid in leuchtenden Farben an und streckte ihr lächelnd die Hände entgegen. Ilka reckte die Arme vor, spürte die kühlen Hände ihrer Mutter und schien mit ihr zu schweben. Als sie sah, dass Sami zurückblieb rief sie: „Sami, Sami! Wir müssen Sami mitnehmen.“
„Lass nur“, hauchte die Mutter, „ihn können wir später holen.“
Es wurde wieder dunkler, und sie schienen wie auf einer Achterbahn durch den Raum zu rasen. Mutter hielt sie mit festem Griff. Ilka lachte vor Glück.
Als die Retter die Trümmerplatten vorsichtig aufbrachen, riefen sie: „In dem Spalt sind noch zwei Kinder!“ Vorsichtig räumten sie Stück für Stück die Betonplatten und Steine zu Seite, bis sie die verschütteten Kinder erreichen konnten.
„Das Mädchen ist tot, aber der Junge lebt noch.“
Copyright Dr. Walter-Uwe Weitbrecht
-
Auf einem Hof bei Lindlar lebte eine Gruppe Gänse. Die Tochter des Bauers war ein Fan von Verdi-Opern. Vor allem die Musik der Oper Aida ließ sie oft bei offenem Fenster mit voller Lautstärke ertönen, so dass der Bauer, wenn er in der Nähe des Wohnhauses zu tun hatte, manchmal schimpfend rief: „Mach die Musik leiser. Das kann man ja nicht aushalten.“
Den Gänsen blieb die Musik nicht verborgen. Die meisten konnten nur wenig damit anfangen. Nur die Gans Anne war von der Musik beeindruckt, so dass sie Opernsängerin zu werden wollte. Die anderen Gänse hielten sie für verrückt, da sie wie alle Gänse nur ein „täää-tä-tä-tää“-Gekreische herausbrachte. Anne fragte ihre Mutter, ob sie das Singen erlernen könne. Diese antwortete: „Man kann alles lernen, wenn man es nur will.“
Da beschloss Anne, dass sie Gesangsunterricht nehmen wollte. Die Schwäne am Teich kannte sie gut. Sie ging zu Ihnen und fragte, ob sie ihr das Singen beibringen könnten.
Der alte Schwan schnatterte: „Wenn du mir vom Hof Brot bringst, dann lehre ich dich singen.“
Anne trottete zum Hof und stahl den Pferden etwas altes Brot, das der Bauer diesen hingelegt hatte.
Als sie damit zum alten Schwan kam, verschlang dieser es gierig, richtete seinen langen Hals auf und sagte: „Jetzt beginnen wir mit der ersten Stunde. Die nächsten Unterrichtsstunden musst du wieder mit Brot bezahlen.“ Er begann zu schnattern, stieß zwischendurch grelle Schreie aus und schnatterte dann: „Mach das nach!“
Anne blickte ihn verwundert an und krähte: „Das war doch kein Gesang. Schnattern und Schreien brauche ich nicht zu lernen. Das kann ich schon, seit ich aus dem Ei schlüpfte.“
Beleidigt quäckte der Schwan: „Wenn dir das nicht passt, dann geh doch zur Amsel!“
Sie sprang ins Wasser und begann zu gründeln. Anne war enttäuscht. Hatte sie doch den Schwan mit Brot bezahlt. Auch wusste sie nicht, wie sie mit der Amsel Kontakt bekommen könnte, die meist auf einem Baum saß. Einige Wochen vergingen, in denen sie hin und her überlegte, wie und mit wem sie einen Gesangsunterricht organisieren könnte. Da ergab es sich, dass eine Amsel nach einem kräftigen Sommerregenschauer auf der Wiese um den Gänseteich nach Regenwürmern suchte.
„Amsel, kannst du mir das Singen beibringen“, schnarrte Anne.
Die Amsel antwortete: „Sing mir etwas vor. Dann kann ich dir sagen, ob es mit dem Gesangsunterricht klappen kann.“
Anne begann zu schnattern und gellend „täää-tä-tä-tää“ zu kreischen. Die Amsel blickte sie mit schräg gelegtem Kopf an und piepste: „Du hast keine Singstimme. Es wird nicht möglich sein.“
Als Anne sie enttäuscht ansah, ergänzte die Amsel: „Man muss von Geburt an die Fähigkeit haben zu singen. Sieh dort die Bisamratte!“ Sie zeigte mit dem Schnabel in Richtung einer Bisamratte, die in der Wiese Gras aß. „Sie kann von Geburt an nicht fliegen.“ Das überzeugte Anne.
Copyright Dr. Walter-Uwe Weitbrecht
-
Der Graureiher Elias stand am Ufer des Baches und begrüßte Hubert, den Storch, der aus seinem Winterurlaub in Ägypten zurückgekehrt war. Elias war die letzten Winter in Mecklenburg geblieben, da es nicht mehr so kalt war, so dass Bäche und Seen nicht mehr zugefroren waren.
„Bist du in diesem Winter in Marokko gewesen, Hubert?“
„Ich war nicht in Marokko“, klapperte Hubert und durchforschte das Ufer nach Fröschen.
„Warum?“ Elias versuchte einen Fisch zu schnappen, der zwischen den Halmen des Uferschilfes entkam.
„Die letzten Male kamen einige meiner Verwandten als IS zurück“, gurgelte Hubert und blickte dabei mit himmelwärts gerecktem Schnabel nach den Wolken. „IS?“ Elias legte den Kopf schräg und blickte Hubert fragend an. Dieser wendete seinen Schnabel wieder bodenwärts und antwortete: „Irre Störche! Es gibt in Marokko einige Frösche, die mit ihrem Schleim ein Gift absondern, das Störche verrückt macht. Sie beginnen wie Amseln zu singen und interessieren sich nicht mehr für Frösche. Manchmal werden sie aggressiv und zerstören die Nester anderer Störche.“
„Merkwürdig! Das kann man doch nicht dulden.“
„Die anderen wehren sich angemessen.“
„Ich habe gesehen, dass einer deiner Nachbarn ein kleines schwarzes Mützchen trägt und seine Frau ein Kopftuch. Was hat das zu bedeuten?“
Elias schnappte blitzschnell ins Bachwasser, wendete den Schnabel nach oben und verschluckte einen kleinen Fisch. Hubert versuchte durch hin und her schwingen des Schnabels am Rand des Baches den Schlick und das Wasser aufzuwühlen, um Frösche aufzuscheuchen, bevor er antwortete: „Das sind Bekannte aus Ägypten, die sich entschlossen haben, mit uns nach Deutschland zu kommen, da sie dort mit den politischen Verhältnissen nicht mehr zurecht kommen.“
„Ich mag Fremde nicht. Das sind alles Banditen“, schnatterte Elias, „ich würde sie vertreiben.“
„Abu und seine Frau sind politisch Verfolgte und nette Leute,“ antwortete Hubert, „in Ägypten herrscht ein Storchengeneral, der alle anderen Störche unterdrückt. Da sie sich dagegen aufgelehnt hatten, waren sie in Gefahr, von der Storchenpolizei umgebracht zu werden. Deshalb haben wir ihnen geraten, mit uns nach Deutschland zu fliegen, wo wir alle in Freiheit leben können.“
Elias rollte die vor Schreck über diese Geschichte die Augen und trat von einem Bein auf das andere: „Das habe ich noch nie gehört, dass es unter und Vögeln Unterdrücker gibt. Dass man sich mal um das Futter streitet, ist normal. Aber sonst lassen wir uns doch gegenseitig in Ruhe. Ist es unter diesen Bedingungen denn nicht gefährlich, nach Ägypten zu reisen?“
Hubert wiegte den Kopf und antwortete: „Bis jetzt haben sie Besucher in Ruhe gelassen. Aber man kann nicht wissen, ob das so bleibt. Im nächsten Winter fliege ich nach Südafrika.“
Copyright Dr. Walter-Uwe Weitbrecht