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Mein Beitrag zur Lesung „Plötzlich war alles ganz anders“
Moderation Hans Brockmann
Samstag, 27. Mai 2017
BDSÄ-Jahreskongress Gummersbach
Der Bläuling
An diesem Nachmittag lag meine Stimmung etwas unter der Mittellinie. Ich war müde und wusste, dass mir noch eine Nachtsprechstunde in der Notfallpraxis bevorstand. Nach einem Schläfchen auf dem Sofa saß ich wieder am Schreibtisch, um einen Beitrag über Donald Trump zu überarbeiten, den ich zu der Lesung von Hans Brockmann zum Thema Plötzlich war alles anders geplant hatte. Ich spürte, dass ich nicht richtig vorwärts kam. Die schlechte Laune, die ich bei meinen Gedanken an diesen malignen Narzissten Trump verspürte, bremste mich. Ich überlegte, ob ich einfach aufstehen und etwas anders tun oder über etwas ganz anderes schreiben sollte. Aber worüber? Mir fiel nichts ein. Das ist der typische Moment, in dem ich auf eine Eingebung zur rechten Zeit hoffe und bereit bin, einfach abzuwarten. Ich stand auf und wollte mir in der Küche eine Tasse Kaffee machen, da zeigte eine Meldung am PC, dass mein Freund Giovanni eine E-Mail geschickt hatte. Ich las die kurze Nachricht. Dann erkannte ich, dass die Post einen Anhang trug.
Giovanni ist Künstler und erfreut Birgit und mich immer wieder mit seinen Bildern.
Ich öffnete die Datei. Und plötzlich war alles ganz anders.
Da flatterte ein Schmetterling auf eine Feige zu und füllte mit seinen blauen Flügelchen etwa ein Drittel des Blattes. Die Zartheit der Stimmung erfasste mich sofort, und ich spürte meine Begeisterung über diese unverhoffte Begegnung. Mein erster Gedanke war: So will ich das fotografieren! Giovanni hatte mit seinen Augen fotografiert und dann mit Wasserfarben diesen Schmetterling aufs Blatt gezaubert.
Ja, richtig: Für mich ist seine Art zu malen eine Form von Zauber, vom dem eine Faszination ausgeht, die mich zum Hinschauen, zum Verweilen verführt.
Giovanni weiß um meine Liebe zur Fotografie und zu Naturaufnahmen. Letztes Jahr hatte ich ihm von meinem Plan erzählt, ein Buch mit eigenen Schmetterlingsfotos zu gestalten. Da schenkte er mir ein Taschenbüchlein mit Gedichten und Prosatexten von Hermann Hesse über Schmetterlinge. So übernahm ich einige Texte in das Buch.
Und jetzt dieser herrliche Bläuling! Es muss ein Bläuling sein, kein anderer Schmetterling hat solche hellblauen Ober- und Unterseiten. Obwohl die Konturen nur angedeutet sind, filigran umrissen und unvollständig ausgemalt, ergänzt mein Auge alles, was nicht in Einzelheiten gezeichnet ist. Die Flügel muten an wie bei den Glasflüglern, deren Flügel durchsichtig sind und wie Glasblättchen von einem feinen Rahmen gehalten werden. Die Beine und Fühler des Schmetterlings sind durch feinste Striche skizziert, der hellbraungrüne Leib mit zartester Struktur dem Insekt auf den Leib gepasst. Man sieht die Einkerbungen der Ringe, und doch sind sie nur hingetupft. Auch die geschlossene Feige mit ihrer dunkelvioletten Schale ist nicht voll ausgemalt. Da fehlt ein Stück Farbe, und genau das wirkt wie ein kleiner Lichtschimmer auf der Fruchthülle. Der Stängel der Pflanze ist nur mit einem Strich dargestellt, der aus einzelnen braungrünen Farbtupfen zusammengesetzt wird, und doch sehe ich die Rindenstruktur und die kleinen Abgänge der zarten Blätter. Auch die beiden Feigenblätter sind nur umrisshaft abgebildet und nur teilweise mit hellem Mattgrün gefüllt.
Es gibt nur zwei Farben auf dem Blatt – blau mit zwei Schattierungen und grünbraun mit zwei Schattierungen, und doch wirkt es flügelleicht, sonnenhell, duftig.
Vom fotografischen Standpunkt aus sehe ich: Das Objekt ist sehr gut freigestellt. Der Hintergrund verschwimmt völlig. Es gibt nur den Schmetterling im Vordergrund wie auf einer Nahaufnahme. Wenn ich aber genau hinschaue, gibt es gar keinen Hintergrund, denn Giovanni hat einfach ein hellbeiges Papier mit leicht grauem Unterton genommen, das perfekt als Hintergrund passt. Ich brauche nicht mehr Einzelheiten, um das Bild als vollständig zu empfinden. Das ist eine Eigenart von Giovannis Kunst: Er deutet nur das Wichtigste an und überlässt es dem Betrachter, den Rest der Wirklichkeit beizutragen.
Ich war fasziniert und begann, das Bild auch unter grafischen Gesichtspunkten anzuschauen. Die Blattaufteilung ist perfekt. Das Hochformat ist optisch in Dreiecke eingeteilt, die durch Linien entstehen, die das Bild dritteln. Die erste Linie läuft von rechten Drittelpunkt des unteren Bildrandes in die obere linke Ecke. Hier zieht der Stängel der Feigenpflanze mit der Feige oben drauf. Die zweite Linie verläuft von dem mittleren Drittel des linken Bildrandes in die obere rechte Ecke. Sie verbindet das linke Blatt mit der Feige und dem oberen Rand des Schmetterlings von dem Vorderbein über den Kopf und den ganzen langen Flügel entlang. Die Feige sitzt genau auf der linken Drittellinie, und der Kopf des Schmetterlings markiert die obere Drittellinie des Bildes. Interessant: Auch hier sind die Linien nicht vollständig gezeichnet oder ausgefüllt. Jeweils ein Drittel der Linien sind gar nicht da. Sie existieren nur in meiner Fantasie. Hier hat Giovanni wieder etwas weggelassen und dadurch Spannung erzeugt. Das obere linke Dreieck des Bildes ist leer, und doch fehlt nichts. Es wirkt gefüllt von Hintergrund, von meiner Fantasie, die dort eine Wiese sieht.
Das ist kein zoologisch-botanisches Bild für das Lexikon oder Lehrbuch. Das ist Naturkunst – Kunst in der Natur – Malerei mit ihrer Kunst, die Natur fantasievoll zu beschreiben, so dass dem Betrachter fast alle Fantasie überlassen bleibt.
Wie gesagt: Plötzlich war alles ganz anders. Ich saß hellwach vor dem Blatt, voll Freude und Begeisterung. Ich vergaß die Zeit. Erst ein Blick auf die Uhr mahnte mich, in die Klinik zu fahren. Der Schmetterling begleitete mich den Abend hindurch. Ich schlief mit seinem Bild ein, und am Morgen flog er als erster Gedanke durch mein aufwachendes Bewusstsein und flügelte mich langsam wach, lange bevor ich die Augen öffnete. Dann versuchte ich, den Schmetterling mit Worten zu zeichnen.
Später rief ich Giovanni an und bat ihn, mir das Originalbild zu verkaufen. Als er es mir brachte, erzählte er, dass es tatsächlich mit mir zu tun habe. Denn als er im letzten Jahr an der italienischen Blumenriviera malen wollte, fielen ihm die herrlich reifen Feigen vor seiner Terrasse auf. Dann blätterte er in meinem Schmetterlings-Fotobuch, das er von mir bekommen und in den Urlaub mitgenommen hatte, und fand dort einen Falter, der wunderbar auf die Feige passte. Also prägte er sich diesen ein und setzte ihn kunstvoll stilisiert in Wasserfarben auf die Feige. Jetzt hängt das Bild neben meinem Schreibtisch, und ich freue mich jeden Tag daran.
Diese Geschichte soll zeigen, dass auch kleine Erlebnisse wichtig sind und ganz viel verändern können.
Dietrich Weller
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Sonne, schenk uns wieder deine Kraft,
Leuchte uns in diesen finstern Zeiten.
Sollst uns aus der tiefen, schwarzen Nacht
In ein neues helles Land geleiten. -
Panta rhei
Wenn plötzlich alles anders ist,
Was ist besonderes daran?
Wir wissen doch, dass alles fließt,
Der Zeiten Lauf hält niemals an.Aus Sternenstaub zur Erde schwebend
Erblicken wir das Licht der Welt.
Behaucht von Odem, sind wir lebend
Aus den Atomen auf die Erd` gestellt.Und plötzlich stehst im Leben drin
Du armer Tor.
Wer gibt dir Ziel und Sinn,
Und wer die Richtung vor?Der Weg, den du beschreitest –
Ist`s Geschick?
Der Kampf, den du bestreitest –
Fallen oder Glück?Die Zeit verrinnt. Nun ist`s an dir
Das nächste Glied der Kette neu zu schmieden.
Was jetzt beginnt, das wissen wir:
Das ew`ge Räderwerk kennt keinen Frieden.Versuch du nur,
Die Kette zu durchbrechen.
Es wird verwehen deine Spur,
Das Fehlen wird sich einstmals rächen.Und weiter, weiter, Wand`rer durch die Zeit.
Was dir begegnet, hat bestimmt dein Los.
Glück, Unglück, Krankheit, Tod hält es bereit;
Wer steuert auf dem Strome unser Floß?Der Strom wird breiter,
mündet in das Meer der Ferne.
Und silbrig-glänzend steigen immer weiter
Tautropfen auf und werden Staub der SterneDiese Gedicht wurde bei dem BDSÄ-Kongress 2017 in Gummersbach vorgetragen.
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Hier ist der Zeitungsartikel, der über die Öffentliche Lesung in der Kapelle des Hotel Wyndham Garden in Gummersbach am 27. Mai 2017 berichtet.
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Gemälde
(6.5.2017)
für Fee Strieffler und Wolfgang Jung
Am Balkongeländer im dritten Stock
begrüßt mich bezaubernd
ein Freude spendendes Gemälde
Rosa-weiße Blütenblätter
mit zarten violetten Adern
beherbergen grüne Augen
und ihre gelben Wimpern
Einige Blüten voll entfaltet
andere halboffen
betören im morgendlichen SonnenscheinDu, zärtliche Clematis!
Mit welchen Hoffnungen wurdest du gepflanzt
welche Gedichte hast du erlebt
wie oft hast du den Frühling umarmt
dass du so beharrlich kletterst
und so liebevoll gestaltest۞۞۞
Gestalten
(6.5.2017)
für Michael Lüders
Die Liebe zum Leben
ist mein Beweggrund
mir der eigenen Endlichkeit bewusst
und der Gegebenheit
dass Wirtschaftssysteme
Beziehungen darstellen
Beziehungen und Einstellungen
der Menschen zu Menschen
zur Natur
und im weitesten Sinne zum DaseinAusgerüstet mit diesem Werkzeug
betreibe ich offenherzig
im vielschichtigen gesellschaftlichen Geflecht
eine gestaltende Gewichtung der Geschehnisse۞۞۞
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Dr. med. Cordula Sachse-Seeboth,
RAPIDOT, Pandoras Pillbox,
Amazon 2017
Rezension von Dr. Dietrich Weller
Eine Warnung vorweg: Es soll Menschen geben, die an das Gute im Menschen und besonders in unserem Gesundheitssystem glauben. Wenn Sie diesen Glauben aufrechterhalten wollen, sollten Sie Rapidot, den Debutroman von Cordula Sachse-Seeboth, der im April 2017 erschienen ist, nicht anfangen zu lesen. Denn wenn Sie anfangen, kommen Sie nicht mehr weg. Sie werden hineingerissen in einen Strudel von kurzen Kapiteln, die mit einer rasanten und leider realistisch möglichen Handlung alle Hinterhältigkeiten und kriminellen Machenschaften offenlegen, die bei der Erprobung eines neuen Medikaments im Rahmen von vorgeschriebenen Studien denkbar sind. Die Gier nach Geld und Macht sind die Treibfedern einer Bande von Gangstern im vornehmen Klinik- und Pharmamilieu von Berlin. Die Handlung spielt hauptsächlich in der Kardiologischen Klinik der Cordialité (wer könnte die Parallele zu der berühmten Charité übersehen?), wo Professor Lindberg der Leiter der zweiten Studienphase zu einem revolutionären Mittel gegen das gefährliche Vorhofflimmern ist. Rapidot ist das als Handelsname geplante Kunstwort aus rapid – schnell und Anti-dot – Gegengift.
Die studienerfahrene Ärztin und Autorin Cordula Sachse-Seeboth schildert mit enormem Sachwissen und verblüffenden Details zu Praxis und Risiken des Studienablaufs, wie gewissenlose Drahtzieher planmäßig Menschenleben aufs Spiel setzen, um die Genehmigung für das Medikament Rapidot zu erhalten. Den Verbrechern im weißen Kittel und im blauen Zweireiher, die mit teilweise sarkastischer Eiseskälte geschildert werden, steht die junge Assistenzärztin Zoe gegenüber. Sie wird als Assistentin von Lindberg eingestellt und mit der Durchführung der Studie betraut, weil er testosterongesteuertes Interesse an ihr hat und sie ihn mit kluger Ablehnung und geistreicher Schlagfertigkeit reizt. Zoe ahnt die geplanten kriminellen Pläne der Pharmafirma und die lebensgefährdende Wirkung von Rapidot und heckt einen ebenso kriminellen Plan aus, um die Versuchspersonen zu retten. Zoe entdeckt die Hintergründe, die zu zehn „zufälligen“ Unfalltoten im Vorfeld der ersten Studienphase geführt haben. Dadurch verwickelt sie sich immer mehr in eine für sich selbst lebensbedrohliche Lage. Das Netz der Gier und der Süchte, der Lügen und Finten, der Morde und Rettungsversuche wird entfaltet, es führt zu mehreren packenden Höhepunkten und fällt dann auf total verblüffende Weise in sich zusammen.
Obwohl der Roman 600 Seiten umfasst, wird der Leser von Kapitel zu Kapitel weitergelockt, denn die Autorin beherrscht die Dramaturgie perfekt: Sie lässt den Leser oft am Ende eines Kapitels im spannendsten Moment „hängen“ und schwenkt zu einem anderen Handlungsstrang um. (Daher kommt der Fachbegriff cliffhanger.) Die einzelnen Kapitel sind knapp und präzise aufgeteilt und geschildert. Sie springen mitten in die Handlung, und schildern Menschliches und Allzumenschliches in bildhafter Sprache, die häufig mit witzigen und geistreichen Dialogen gespickt ist. Skrupellosigkeit, Raffinesse, kriminelle Energie und tiefe Menschlichkeit werden eindrucksvoll verwoben. Die Charaktere der Handlung sind plastisch und lebensecht beschrieben, sehr gut ausgearbeitet, auch mit vielen kleinen Charakteristika versehen, und der Leser kann sich jede Hauptperson klar vorstellen. Das Böse und das Gute liegen sehr nahe beieinander. Und beides ist glaubwürdig.
Imponierend finde ich, dass die Autorin im Anhang nach Ideen der Arzeimittelkommission, der Cochrane Collaboration und der Zeitschrift arznei-telegramm einen realisierbaren und wertvollen Katalog von Verbesserungen der bis jetzt gültigen Vorschriften für Studienabläufe zusammengestellt hat. Die dort noch enthaltenen Lücken in den Regeln haben unter anderem den vorliegenden Pharma-Thriller möglich gemacht. Dass die Autorin auch eine gehörige Portion Humor hat, zeigt sie mit dem angehängten Kapitel „Aufklärung über Nutzen und Risiken des Buchkonsums“.
Ein beeindruckender und (auch für Nichtmediziner!) lesenswerter Debutroman, der mich neugierig macht, womit die Autorin uns demnächst überrascht. Ihren Kindern hat sie Kinderbücher versprochen, und Science-Fiction steht auch auf ihrem Plan. Wir dürfen gespannt sein.
Dr. med. Dietrich Weller,
Präsident im Bundesverband Deutscher Schriftstellerärzte BDSÄ
—>> Lesen Sie auch www.rapidot.de
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aus Wicht, Dreck am Saphir, Vindobona Verlag, 2013
Sommerspaziergang
Ich bin an einer Pfütze steh´n geblieben
und hab´ hinein geschaut
und vor mich hin geträumt
und hab´ den Wolken nachgesehen
die sanft im Sommerwinde trieben
und atmet´ tief den Duft des Krauts
das mir den Weg gesäumtSeltsam, ich konnt´ den Himmel sehen
wenn ich zu Boden hab geschaut
mit seinem lauen Wehen
weit über mir erblautAbendlied
Wenn Du die Ufer hinabsteigst
zu den schwarzen Wassern des Schlafs
sieh noch einmal das dämmernde Grau
unseres Himmels durch das schwarzgrüne Kiefergeästschau, wie das Schweben der Abendvögel
weich ist und die wenigen Wolken
verweile ein wenig, eh du hinabsteigst
und das schwarze Gewoge dich fortträgtSieh noch einmal mit blinzelndem Auge
das mattere Rot an dem Wolkengeflöck
bewahre unterm Lid Dir ein wenig
dass vom grauenden Tau nicht zu fremd
die Stirne benetzt wird am MorgenFrühsommer
Der Sommer ist mir in den Schoß gefallen, ganz sacht
ein Hauch von Apfelblütenblättern
ich bin dir zärtlich übers Haar gefahren
du hast nur leis gelacht
Der Himmel ward schon grau
wir spürten´s kaum
und waren so vertieft und so versunken
in uns´re Liebe unterm Apfelbaum -
aus Wicht, Dreck am Saphir, Vidobona Verlag 2013
Nekrolog
Ich habe deine Brille in einer trüben Lache von Absinth gefunden
dein schwarzer Büstenhalter hing am Haken neben jener Tür
ich habe mich um deine Gunst ganz sicher nicht genug geschunden
und glaubte gar zu fest daran, es sei genügend Schnaps im BierDass dir die Knie weich geworden sind, als Dich ein andrer an die Brust gefasst
im Grunde kann ich das verzeihlich finden
und hoffe nur, dass Du auch Spaß daran gefunden hast
Mit einem dümmlich milden Lächeln menschlicher Verzeihung hab,
ich vor jener Tür mich umgedreht
und bin zu einer andern hin gegangen
doch fade grinsend wünschte ich,
dass es mit einem Burschen ähnlich Dir ergehtDas Lächeln und Verzeihung sind oft triste Brüder
und Abstinenz macht mit der Zeit Dich gelb und dürr
doch grade deshalb lieb ich Dich, mein süßes Luder
und heul in schwarzen Nächten in mein Nachtgeschirrwir
Haut an Haut haben wir
gelegen
Mund an Mund
Es war gut, dir zuzusehen
wie du dich anzogst
besser noch dir
die Tasse zu reichen
mit kaltem Tee
unter Lichtern
über welkes Laub
sind wir
in den Nebel gegangenAngebot
Es ist nich trecht von dir, wenn du ganz einfach weitergehst
es steht das spöttisch Lächeln dir recht gut in dem Gesicht
Versuch es doch noch mal mit mir, ich hoffe du verstehst
Vielleicht mach ich auf dich demnächst
ein kleines säuisches Gedicht.Im Volkston
Bin weit mein Weg gegangen
und sah ein Rosbusch steh´n
hab lange vor gestanden
ihn schweigend anzuseh´nund hab es nicht gewagt,
zu brechen mir ein Reis
Ś war dennoch nicht gezagt
brauch alle oder keinsŚ brach an der wilde Winter
ich baut am Weg ein Haus
Dass ich mein Sehnsucht linder
schau ich nach`m Rosbusch ausEr bleibt bei mir mein Leben
bis ich wird´ alt und grau
find Trost im wirren Streben
wenn ich den Rosbusch schauBetrachtungen am FKK
Es muss doch endlich einmal anders werden
mein voller Wanst ist mir zu voll
es machen deine wehrenden Gebärden
mich wilder noch und fast vor Liebe tollUnd wenn ich schweigend deine Nacktheit seh
und deine Hüften und ich seh noch mehr
dann tut es mir in meinen Hüften weh
ich sehne mich, ein bisschen nur, nicht sehr.Und wenn der Wind dann über Dünen streicht
und du hast Angst, dass man es sieht
dann haben´s Wanst und ich erreicht.
Ach sei nur still, ich habe dich tatsächlich lieb.Einsamkeit
Ein Regen weint und Trauer ist in mir
warum, ich bin so fern von dir
Nur noch dein Bild, dein Lächeln ist mir nah
wie lang ist´ s her, dass ich dich wirklich sah
manchmal noch glaube ich, ich spüre einen Hauch
von dir. Doch Kälte ist es nur und Dunkel auchTräumerische Reminiszenz
Ich hatte einstens einen Traum
beileibe nicht von einem Pflaumenbaum
geschweige denn, von einem Kind das Pflaumen aß
ich schwitzt auch nicht, ich träumt nur, dass
die Zeit wär ganz speziell für mich zurückgedreht
(mich wurmt´s, dass sowas nur im Traume geht)Wir sprachen beide grad von Sternen
und eigentlich wollt ich mich doch entfernen
nur bin ich dann noch da geblieben
du hast die Waage mir beschrieben
und hab´s probiert, auf die Gefahr, dass du mich unmoralisch nennst
mir eine knallst und dann nach Hause rennstEs war sehr nett von dir, du tatest`s nicht
und später störte uns sogar des Mondes Licht
auch sah ich noch einmal die Knospenzweige
in jenem Krug, doch besser ich verschweige
wie du den Arm gereckt und rasch das Licht gelöscht.
Jetzt bin ich ziemlich bös auf mich,
warum das nur im Traume möglich ist.Ein kleines säuisches Gedicht
Wenn ich der Schwalben Flug verfolge
und mit dem Dämmern bleibt
noch Wärme des vergang´nen Tags
und ich dich jetzt her holte
verdiente ich der Andern Neid
wir täten, was du gerne magstWir spürten sicher dann den Schweiß
ein jeder auf des Andern Lippen
wenn wir im Fleische fleischlich sind
und sähen selbst im Dunkeln noch das Weiß
der Haut und zählten zärtlich uns die Rippen
vergessend so die Furcht vor einem KindDie Wollust bliebe uns bis in den Morgen
du wärst für mich noch einmal schwach
beim ersten Amselschlag und das Versinken groß
wir wollen schon beim Heute auf das Nächstens borgen
wer weiß, wie lange es uns bleibt dies Dach
und sicher ist nur, was man heut genossRat bei Chaos im Liebesleben
Ich rate dir, frei nach Martial
zu enden deine schwere Qual
denn ich verstehe deinen Schmerz
und kenne das vertrackte Leiden.
Ermanne dich und mach es kurz
du brauchst das Ding bloß abzuschneiden -
aus Wicht, Dreck am Saphir, Vindobona Verlag, 2013
Das archaische Lächeln
Ein heit´res Lächeln flog im Dunkeln durch die Welt
und ward ganz unversehens dort zerspellt
durch eine Neutronenbombe.
Die Seele starb, was übrig blieb
kam in den Besatzer-Souvenirbetrieb.
Ein Kind erhielt das Ding,
von dem keiner mehr wusste, was es war
als es Vater abholen ging.
Es bedankte sich, wie es musste,
doch war die Verwendung nicht klar.
Das Zweifeln hat nicht lange gewährt
der Abwurf hatte sich kaum verjährt
da starben die Sieger selbst,
was keiner ahnen konnte,
an den Folgen ihrer eigenen Bombe
Und mit ihnen starb auch ihr Lächeln,
über das sich Gelehrte anderer Sterne und Zeiten
später noch streiten.Generation Kriegsende
In den Schößen unserer Mütter geborgen
als Bomben fielen
atmeten wir als Säuglinge den Rauch
über verbrannten Städten
manche sehen noch den Freund
heulend
neben der Leiche der erschossenen Mutter
rotznasig
am vorüberziehenden Treckheute
denken wir das Wort Krieg noch
mit tierhafter Angst
auch sehen einige die neue Uniform
und die MPI
in der Hand unserer Soldaten
skeptisch
während Zeitungen von Kosmosflügen
berichten
lesen wir daneben von Kerntestslingua novi temporis
wenn wir von den Oberen sprechen
sagen wir man, von meinem
Nachbarn spreche ich von Hans Schulz
er verlangt nichts von mir und ist freundlichwenn wir von Politik sprechen
sagen wir, man hat das und das
getan, andeutend, das geschah
ohne unsere Einflussnamewenn wir von der misslichen Lage
sprechen, sagen wir, man
wird das schon ändern
auf man lohnt kein Schimpfenwir haben die Hoffnung
die Ohren des Tischnachbarn
in der Kneipe können mit man
nichts anfangen, das ist besserViele der Feistwangigen
Viele der Feistwangigen, die
uns kommandieren
haben ihr Fett
mit Gesinnung erhandelt
und sind auch bereit,
später noch
mit Gesinnung zu handeln.Uns, die wir noch keine
käufliche Gesinnung haben
bleibt oft nur
der Hass als
Ansporn zum HandelnDer Bart
Wir leiden oft zu sehr an den Zerrüttetheiten
an Angst und Arbeitsscheu und Impotenz
da nutzt es nichts, die Seele auszuweiten
denn für die Obern hat das seine KonsequenzDer Mensch, so spricht man klug und laut
und weist dabei auf Friedrich Engels Buch
ist zwar nach Art der Affen aufgebaut
doch ist er Mensch durch seine Arbeitssuch´Die Reste seiner Affigkeit trägt mancher noch
als Bartgestrüppe im Gesicht
wir distanzieren uns jedoch
von ihnen und trauen ihnen nichtdenn nur den wahrhaft Großen sei dies zugesagt
dass ihre Größe dadurch wird´ bewiesen.
Verrucht sei jeder Kleine, der es wagt
auch nur den äußeren Vergleich mit diesen.Doch trotzdem lassen wir die Bärte sprießen
und kompensieren so die Impotenz
es mag die Obern auch verdrießen
wir tun´s in eig´ner Kompetenz.Befindlichkeiten I (1961/62)
In der Zeit, da das Misstrauen wächst
wie dein Bart von einem Tag zum andern,
bedarf eine Freundschaft wahrhaft großen
Vertrauens gegeneinander
oder Naivität und Dummheit und knechtische Unterordnung
und du fragst dich, ob du selbst
der Geliebten deine Gedanken
und dem Gast dein wahres Gesicht
zeigen darfst.
Du weißt nie, ob man dich
deiner Zweifel wegen
und manchmal auch Eigenliebe
nicht für
verdammungswürdig hält.Befindlichkeiten II
Man sagt uns, dass
wir einer hellen Zukunft
entgegengehen
wir lernen die Brutalität
und wären doch oft gern
zärtlich
in uns ist Hass
darum sind wir
käuflich
wer weint, tut es nachts
am Tage gibt es nur
Lachenunsere Kunst ist es,
nicht zu sterben.Heute verrate ich meinen Freund
denn ich will morgen noch
lebendie kleinen Hilfen bleiben ungenannt
aber manchmal sagst du doch
Bruder
um das Lächeln, mit
dem wir Befehle überhören
sollten uns spätere Generationen
bewundern.Über Pazifismus
Ich höre den Gesang von den Gräbern
von dem Hass gegen den Krieg
man will uns wieder mal zeigen,
nur bei uns gibt es wirklich Sieg.Ich halte mich nicht für klüger
ich seh das zerfurchte Gesicht
jenes Sängers von sinnlosen Gräbern
sehr viel Neues sehe ich nicht.Der Hass hat abgenommen
man konserviert ihn wohltemperiert
der moralische Sieg ist wieder gewonnen
doch für ne Idee wird noch immer krepiert -
aus Wicht, Dreck am Saphir, Vindobona Verlag 2013
Über die Nützlichkeit
Am meisten schätze ich die alten Dinge
schon lang gebraucht von anderer Hand
das beste Messer das, mit schmaler Klinge
sehr oft geschliffen schon, als ich es neulich fandAuch jener Sessel, in den ich gern mich fleeze
es saß schon mancher drin, er ist bequem
wir alle wechseln jederorts in Bälde
von dem, was übrig ist, bleibt nur das Nützliche besteh´nWenn ich seit langer Zeit dich heute einmal wieder sehe
weiß ich, manch einer hat dir deinen Mund geküsst
und dies erwägend, mich berührt es kaummit größ´rer Lust ich wieder zu dir gehe
da du nun etwas mehr erfahren bist
es kleidet dich, wie eine reife Frucht den BaumGlaub mir, das hat der Nutzen mich gelehrt
drum scheinst du so erst recht mir als begehrenswert
ich hoff, du wirst mir solche Meinung zugesteh´n
und heißt mich nicht so rasch, doch meiner Wege gehnGedanken beim Abschied, so ganz allgemein
Ach so, auch Dir ganz rasch auf Wiedersehn
ich weiß, daß Du es mir nicht übel nimmst
und hoffe sehr, dass Du mich später noch mal kennst
ich hab´s sehr eilig jetzt und werde weiter geh´nEs nässt der Regen Dir noch manches Jahr in das Gesicht
und wenn man sagt, dass wir die alten bleiben,
so steh´n wir morgen schon in einem neuen Licht.
Es bleibt uns nur, das Heute rasch voran zu treibenMan wird nun stündlich leider immer älter
vielleicht auch klüger, nur so genau weiß man das nicht
und immer ist ein Ende noch nicht abzuseh´n.Ich sorge mich, man wird vielleicht auch einmal kälter
Du machst die Augen zu vorm eigenen Gesicht
und wünschst, die Zeit manchmal zurück zu dreh´nÜber die Bleibe
Wenn auch die Zeiten heute kalt sind
so hoff ich doch, dass ich einst Wärme finde
durch stumme Häuserzeilen bläst ein fremder Wind
und dennoch lob ich sie, die wirren WindeSie kühlen mir die heiße Stirn
und geben mir zum Atmen reine Luft
so wird´ ich älter und ich seh die Häuser gern
in denen ich geweilt, oft mit verschied´ner LustDoch manchmal, wenn ich das Gesicht abwende
und weiter geh mit schnell´rem Schritt
wünsch ich, dass sich einst jemand fände
bei dem ich länger weilen kann, ich nähm´ ihn gerne mitIch denk, wir werden rasch zu Abend essen
und ist es spät, bleib ich auch noch die Nacht.
Mir träumt, ich hab die Straße ganz vergessen
so bleib ich da, sie hat mich nur gebracht.Dichterlied
Ich kannte einst einen Dichter
der war auf sich selber so stolz
laut lachte ihn aus das Gelichter
da ward sein Gesicht starr wie HolzEr wollte recht gerne weinen
doch lachten sie da noch mehr
was hätt´ es genutzt sein Greinen
um die missachtete EhrSo ist es mit manchen Dingen
in dieser freundlichen Welt
doch trotzdem blieb er beim Singen
und brachte es damit zu GeldDas Geld, das ward versoffen
versetzt in Whisky und Gin
so hat er sie richtig getroffen
die Mär von Ehre und SinnKater
Apfel essend hänge ich
einen Strick um meinen Hals
an einem Baum
im nahen Walde leiert eine Dixieband
der kalte Wind pfeift mir durchs Hemd
die Apfelstücken bleiben mir
im Halse stecken
wenn das so weiter geht
muss ich
leider noch verrecken.Freundlichkeit
Es ist gut, aus der Kälte zu treten
ich folge einladender Geste
es genügen schon wenige Worte
und Licht, wärmendes
so dank ich es
willens, jederzeit
auch freundlich zu seinLied von der (dreckigen) Unterwäsche (Selbsttröstung)
Verdrießlich ist oft das Gehabe großer Tiere
die sich so unabdingbar wichtig und ergaben dünken
Sie zahlen gern in Dollar, Westmark oder Lire
und wünschen, dass man springt, wenn sie nur winkenMit ihnen kommen Damen die exotisch riechen
ein solcher Anblick tut dem Mittellosen manchmal weh
doch deshalb braucht man sich nicht gleich verkriechen
besonders wenn man dieses nicht vergisst
dass so ein Mann in seiner Unterwäsche
ein Mensch wie alle andern istSo mancher unter uns fühlt manchmal so ein Drängen
dass er mit großen Taten Ruhm und Ehre sich erwirbt
Er sollte solch Gelüste besser an den Nagel hängen
manch einem ward die Haut dabei schon arg gegerbtDie Großen teilen Größe lieber unter sich alleine
und an die süßen Früchte kommt der kleine Mann nicht ran
doch kommst du näher, machen sie dir Beine
denn nur von weitem siehst du Hoch als Größe an
Es tröstet, wenn man solches nicht vergisst
dass so ein großer Mensch in seiner Unterwäsche
ein Mensch wie alle andern ist.Man hört die Männer öfter über Frauen klagen
mit ihrer Tugend und der Treue sei es nicht weit her
weil sie `nen Andern und Geschicktern ihnen vorgezogen haben
mir lamentieren diese Kerle viel zu sehr
Nur weil ein and´rer Mann gehalten hat, was er versprach
und stark nach Old Spice roch und Whisky trank
verdiente höchstens uns´re Dummheit solchen Krach
mich jedenfalls macht so ein Missgeschick nicht krank
Denn es ist besser, wenn man nicht vergisst
dass selbst Marie in ihrer Luxusunterwäsche doch nur `ne Frau wie alle andern ist.