Monat: September 2019

  • Once, in the great China Empire in the province of Shandong, there lived a left-handed boy Sev Lin, who had an extraordinary ability of painting. His father brought him for apprentice in the private school of a renowned painter. The master-painter recognized in short time the boy’s talent, and became envious.

    „No, that is not the way to do it!“ he would shout. „You will do better painting walls than drawing.“ Slowly the boy’s confidence receded. No matter how hard he tried, the painter found faults, and humiliated Sev Lin in front of the other students.

    One day, the assignment was “Draw  a goldfish!” Sev Lin closed his eyes and tried to visualize a splendid fat fish from his grandfather’s aquarium, and created an astonishing painting. „No. No. No!“ screamed the teacher and threw the boy’s painting into the nearby pond. Once in water, to everyone’s amazement, the painted fish miraculously converted in alive goldfish and proceeded to swim away.

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Wunderschön

    In dem großen chinesischen Imperium in der Provinz Shandong lebte einmal ein linkshändiger Junge namens Sev Lin, der außergewöhnlich gut zeichnen konnte. Sein Vater brachte ihn als Lehrling in die Privatschule eines bekannten Malers. Der Meistermaler erkannte ganz rasch das Talent des Jungen und wurde neidisch.

    „Nein, so darf man das nicht machen!“, rief er. „Du solltest lieber Wände anstreichen als Bilder zu zeichnen!“ Langsam verlor der Junge sein Selbstvertrauen. Auch wenn er es noch so hart probierte, fand der Maler Fehler und demütigte Sev Lin vor allen anderen Schülern.

    Eines Tages hatten die Schüler die Aufgabe, einen Goldfisch zu malen. Sev Lin schloss die Augen und versuchte, sich einen prächtigen dicken Fisch im Aquarium seines Großvaters vorzustellen und schuf ein erstaunliches Bild.

    „Nein, nein, nein!“, schrie der Lehrer und warf die Zeichnung des Jungen in den nahe gelegenen Teich. Zum Erstaunen aller verwandelte sich der gezeichnete Fisch wunderbarerweise in einen lebendigen Goldfisch und schwamm davon.

     

     

  • Gedeihliches Leben

    (16.9.2019)

     

    für Svea

     

    Auf meinem Unterarm
    schaukle ich ein Wunder
    frohgemut hin und her 

    Dein Blick gewinnt täglich
    an willentlicher Aufmerksamkeit
    Ich merke gerührt-glücklich
    dass du deine Umwelt
    umfassender wahrnimmst
    und besser Botschaften abgibst
    Wenn du auf meinem Arm einschläfst
    durchströmt mich tröstliche Wärme
    begleitet von den schönsten Melodien
    meines tanzenden Herzens 

    Immer und immer wieder
    frage ich mich sehnsüchtig suchend
    mit tiefstem Heimweh nach Frieden
    wie wir uns verhalten sollen
    gerade in diesen turbulenten Tagen
    damit zerbrechliche Wesen wie du
    auf diesem Planeten gedeihlich leben
    und ihre wunderbaren Fähigkeiten
    vollkommen entwickeln können

    ֎֎֎

  •  

    Der Taubensee*

    (1.9.2019)

     

    für Heidi

     

    Wunderbare Wesen unserer Zeit
    beratschlagen auf beiden Seiten des Wanderpfades
    diese grünen Kleider der Baumstümpfe und der Berghänge
    diese farbenfrohen Fahnen der Felsen
    Vielgestaltige grüne Blätter
    manche kreisförmig rotbraun oder gelb verziert
    weisen feinste Inschriften auf
    bedeutende Botschaften für Behutsam-Betrachtende
    Bekannte und unbekannte Wegbegleiter
    lehren beharrlich
    das Leben zu begreifen
    das Dasein zu ehren

    ֎֎֎

    * Der Taubensee bei Ramsau

  • Die Saalach

    (1.9.2019)

     

    Andreas Peglau gewidmet*

     

    Gestern waren im Fluss
    drei Stein-Stränge erkennbar
    auf der einen Seite
    oben mit Moos bekleidet
    unten vom Wasser umspült
    in der Mitte
    tief im Wasser schimmernd
    auf der anderen Seite
    im Trockenen die Sonne anbetend
    Heute nach einer regnerischen Nacht
    im tosenden Fluss
    sind die drei Stein-Stränge nicht mehr sichtbar 

    Mitten in dieser verzaubernden Gestaltung
    werde ich vom Zifferblatt der Armbanduhr
    erschütternd daran erinnert
    dass die Vorfahren meiner Landsleute
    vor achtzig Jahren begannen
    ihre verbrämten Verbrechen
    gnadenlos auszuweiten 

    Voller Sehnsucht nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit
    frage ich mich gerührt
    wie viel Menschen auf der Erde
    das faschistische Gedankengut
    bewusst oder unbewusst
    noch in sich beherbergen
    und wie viel Generationenwechsel nötig sind
    damit diese verbrecherische Denkweise
    bedacht bearbeitet
    und schöpferisch beseitigt werden kann

    ֎֎֎

     

  • Wandern

    (1.9.2019)

     

    für Hilmar

     

    Auf Wanderwegen
    von Freunden umgeben
    wesentliche Weltwunder
    mit allen Sinnen wahrnehmen
    Die erlebte Ehrfurcht vor dem Leben
    in alltäglicher Arbeit
    federleicht vielfältig verwenden

    ֎֎֎

  •  

                        

    Wirt,
    einem Posten ähnelst du
    im Zwielicht der betagten Stoa
    eine verdunkelte Gestalt blieb nur
    an deines Ladens Schwelle
    Abschluss und Beginn
    dazu wurdest du bestimmt
    und die Rolle steht dir gut
    auch bis zum Morgen

    Denn die Feste in deinen Gassen
    sind jede Nacht sehr reich an Gaben
    viele Geschlechter werden es sagen
    Mich ließest du heut Abend
    überqueren diese eine unscharfe Linie
    der letzte Schemel in bescheidenen Ecken
    ist zur Taufe mir ein Becken
    letztes Geleit
    sobald die Vaterstadt erwacht und lebt
    und sich so gern erinnert

    Unberührte Tasten
    neun an der Zahl der Abstand
    von Mitte zu Mitte
    Zentimeter vierzehn misst der Abstand
    Freunde, das sind die Verhältnisse
    Merkt auf !
    Da solch ungleiches Notenpaar
    den Anbeginn der Zeit gebar

    Rauch
    auch Feuchtigkeit
    auch Düfte
    für den Gnadentrank
    großartige Gassen ruhen nicht
    sie können´s nicht
    ihr Lieblingsgänger bin ich doch
    auf den sie immer warten