Autor: Harriet Keller-Wossidlo

  • Es war einmal ein nasser, kalter Abend in einer grauen Großtadt im Norden.
    Und wieder war es die Weihnachtszeit mit  dem typischen windigen Schneeregen.
    Die Schaufenster der Kaufhäuser waren grell erleuchtet und üppig dekoriert.
    In diesen Fensterauslagen gab es viele verlockende Geschenke dargeboten zum Kauf.
    Dort saß  auch ein kleiner hellblauer Plüschbär verloren zwischen den “richtigen“  Bären.
    Diese Teddies aus flauschigem Fell waren so hübsch braun, weiß, schwarz und wie echt.
    Nur das hellblaue Bärchen mit roten Stofffüßen wollte nicht so recht dort hinein passen.
    Dann kam der Tag, an dem alle Geschenke  und  Weihnachtseinkäufe erledigt  waren.
    Die Dekorationen waren nun sinnlos und wurden abgeräumt, die Plüschbären  waren
    verkauft.
    Aber dort in der Mitte der riesigen Fensterauslage blieb der kleine Blaubär lange alleine
    sitzen.
    Keiner wollte ein hellblaues Bärchen mit roten Füßen,  und er musste nun fortgeräumt
    werden.
    Der Winterregen behinderte zwar die Sicht durch die Scheiben, aber  der Blaubär war
    verschwunden.
    Jetzt  war es kurz nach Weihnachten, das Spielzeug war  überflüssig, der Bär war jetzt Ausschuss.
    Die Angestellten warfen die  unverkäufliche  zur  Rückgabe bereite Ware in die Container.
    Eine junge Frau hatte das Bärchen jeden Tag betrachtet und verstand das Zeichen.
    Die Zeit. Freude zu bereiten. war nicht vorbei, denn die Moral von der Geschicht‘:
    Auch etwas Fremdes zaubert oft ein Lächeln ins Gesicht.
    Denn wer einsam ist und allein, nimmt Jene auf  –  wie einen Sonnenschein.

  •   

    Wie ein leiser Schleier lag die Abenddämmerung über dem Land ….
    Schon früh dunkelt es jetzt ein , denn es war die längste Nacht im Jahr
    Der Weg nach Hause war noch weit- viel weiter in der Dunkelheit als am Tag!
    Die Schatten der beginnenden Nacht greifen nach dem einsamen Wanderer
    Und die Kälte war ohne Licht noch viel kälter ….
    noch über diesen Hügel und über den nächsten Hang ….
    noch durch den dunkelsten Pfad im Wald
    Dann-dann-ist der Wanderer daheim:
    Daheim in der Wärme, daheim im Licht!
    Es wird Freunde geben, die mit dem Heimkehrer feiern ….
    Und die Vorfreude treibt seine Schritte an.
    Doch dann merkte er, dass die Hügelkette unendlich fern wurde
    Und sein Blick umsonst nach dem Lichtschein des Hauses sucht ….
    Und je mehr er suchte , desto mehr blinken plötzlich viele Lichter auf ….
    überall ….und nur ganz kurz!
    Der Wanderer war sehr irritiert, er konnte sich nicht mehr orientieren
    Und die Nacht legte sich schwer über das Land.
    Und dann hörte er Geräusche aus allen Richtungen
     wie ein geheimnisvolles Flüstern … auf das er hören musste!
    Er wurde nun sehr müde und setzte sich unter eine hohe Tanne.
    Es war ihm auf einmal so wohl …
    So wohl gelehnt an den Stamm des mächtigen Baumes unter seinen hängenden Zweigen ,
    ie schwer waren vom Tragen des Schnees
    So wohl mit den blinkenden Strahlen aus Eiskristallen
    So wohl mit den Melodien aus unbekannten Klängen, die sich die Tiere singen
    Er saß
             In der Kälte            –  die warm wurde
             In der Dunkelheit  – die voller Licht war
             In der Stille           – ohne Einsamkeit     :
    Die Spitze der Tanne wurde nun von einem starken Stern erhellt
    Und jetzt wusste der Wanderer
    Das ist die heilige Nacht
    Wesen der Welt und Wesen des Himmels
    Wer sie spürt, der ist angekommen

    Harriet Keller-Wossidlo für die Weihnachtsfeier Klinik Barmelweid 2003

  •                                                    Berlin 27. Mai 1971

    Die Fliege, die verirrt den Ausweg sucht
    wie eine Möwe , die das Meer nicht findet
    und glaubt die Schaumkronen als Wolken
    Sie geben ihr Leben aus,
    zerreißen ihr Weh  wie dünne Netze
    auch Balken zerbersten ohne Schrei
    wie Musik in verödeten Ohren
    aber  Sonne ist nur Finsternis im Inneren der Figur—-

  • Trauer Tag                                                                  

    Dunkel sind ihre Wasser
         Und zerfliessen im Nichts
    Sie bergen den steten Verlust
         Und zerbersten im Licht
    Kalt sind ihre Tiefen
         Und  überfluten das Sein
    Sie greifen nach Wirklichkeiten
         Und verschütten die Hoffnung
    Stark sind ihre Fluten
         Und versprechen welchen Trost?

    All Das                                                                          

    All das
    das rinnt
    die Gassen
    herab
     ein Strom
    trockener Tränen
    ihre Spur
    eingemeisselt
    wofür
    die Zweifel
    schwarzer Entbehrung
    für all das
    das Unvorstellbare
    lauert in jeder Sekunde
    beherrschend  die Welt
    Unverständnis
    für all das
     weht in Zweigen
    bricht den Baum
    fallend auf Stein
    der Gassen
    verborgen ist all das
    unter dem Schleier der Unwissenheit

    Das Zeichen                                                                       

    Flutend  durch Wolkenberge schwarz- geblähtes Segel 
    Ziellos im weiten Raum, einer Aufgabe gehorchend- mit verborgenem Sinn
    Schneidend die Erkenntnis  in Lichtreflexen der Furcht
    Widersprüchlich im zwingenden Strahl eines dunklen Warum
    Aufblitzend-  im fernen Wissen  Gehorsam fordernd
    Ahnen über  jenes Unverfügbare der Zeiten unerklärlich im Jetzt


  • Möwen – Märchen                                             Stockholm  24.Juni 2005

    Es  war einmal eine wunderschöne Möwe. Sie war flecklos weiß, keine Feder war  weniger weiß als die andere. In ihrer makellosen Schönheit strahlte sie und leuchtete – den Menschen zum Wohlgefallen. `Rührt meine Schönheit nicht an` schien sie mit klugen Augen zu sagen. Und aufmerksam hob sie den Kopf und beobachtete die Welt….

    Gerne saß sie auf einem Felsenvorsprung am Meer, das sich hier in sanften Buchten verlor. Nun kam der Tag, an dem sie ein ebenso reines Möwenbaby bekam. Auch das Möwenbaby hatte keine einzige graue Feder, und es war kräftig und fein zugleich.

    Ein Mensch wollte diese weißen Federn zum eigenen Schmuck. Doch der Mensch wusste nicht, dass diese Möwen heilig waren und nicht berührt werden durften – obwohl er es hätte wissen müssen. Da das Möwenbaby noch feinere Federn hatte, raubte der Mensch der weißen Möwe ihr Baby. Die Möwenmutter stieß Warnrufe aus, um den Menschen vom Raub abzuhalten. Aber der Mensch verstand die Rufe der Möwin nicht, und er wollte sie auch nicht hören.

    Er nahm das Möwenbaby und ging fort.

    Die Möwenmutter rief und rief nach dem geraubten Baby, doch kein Mensch hörte ihre  Klagen … Was sollte sie tun, damit in Zukunft  die Menschen die Möwennot verstehen und nie wieder ein Möwenbaby geraubt wird?

    Der Menschräuber  hatte auch ein Baby,und eines Morgens in der Früh, bei aufgehender Sonne, flog die Möwin und holte sich das Menschenbaby zu ihrem Felsen im Meereswasser. Das Menschenbaby schrie jämmerlich: kurze klagende Laute und langgezogen Rufe.

    Die Möwnmutter  jedoch verstand die Not des Menschenkindes und brachte es zurück.

    Damit aber die Menschen ewig an ihre Schandtat erinnert werden, gab die kluge weiße Möwe allen nachfolgenden Möwen als ihre Sprache diese menschlichen Klagelaute bis zum Ende eines Möwenlebens.

    Die Moral von der Geschicht : “Hörst Du die Rufe einer Möve, vergiss das Menschenunrecht nicht!“

    Publiziert: Schweizerische Ärztezeitung 2008; 89:17   von   Harriet Ines Keller-Wossidlo