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Kommt jetzt Kevin? (Heiner Wenk)

 

Kevin Kühnert, 1989 geboren und Juso-Vorsitzender, hat ordentlich eingeheizt. Er will BMW verstaatlichen und reiche Leute enteignen.

Das hat in der SPD für Wirbel gesorgt. Und bei den Konservativen für Entrüstung.

Und doch: Das ist etwas anderes als „Jetzt gibt’s was in die Fresse“ von Andrea Nahles zur Begrüßung des Regierungspartners einer großen Koalition.

Ein Juso darf so etwas denken, so etwas sagen.

Das Beste ist: Es ist von ihm.

Unsere Wahlkämpfer haben keine authentische eigene Botschaft mehr. Deshalb brauchen sie PR Agenturen für ihren Wahlkampf, die so einfallsreiche Sätze wie „Wir lieben Bremen“ generieren; EDEKA lässt grüßen: Wir lieben Lebensmittel.

Wer hat da abgeschrieben?

In der Zeit, in der ich Sympathisant dieser Partei war, hatten die Politiker selbst etwas zu sagen.

„Mehr Demokratie wagen“ war von Willy Brandt.

Markante Formulierungen gab es auch von Helmut Schmidt. Mit denen hat er uns bis ins hohe Alter verfolgt: Auf der Suche nach einer öffentlichen Moral.

Beide brauchten keine PR, sie hatten selbst gute Ideen und konnten begeistern, polarisieren, pointieren.

Dann kam die Troika.

Bereits in dem Dreigespann zog jeder in eine andere Richtung.

Zwei blieben übrig, nachdem Rudolf Scharping nicht mehr tragbar war.

Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine haben die SPD zerlegt.

Oskar Lafontaine hat eine neue Partei geschaffen, neben der SPD.

Gerhard Schröder hat im Anschluss an sein Amt als Bundeskanzler Aufsichtsratsposten bekleidet, unter anderem beim russischen Gaslieferanten. Er wurde als Genosse der Bosse angesehen, für viele Parteigenossen kein guter Gefährte.

Danach kam nichts mehr, was Veranlassung gewesen wäre, die Sozialdemokratie ernst zu nehmen: Martin Schulz, aus dem europäischen Parlament zurück nach Deutschland geholt, und dann im Wahlkampf verbrannt. Die Schulz-Story wird inzwischen in Hamburg im Theater aufgeführt.

Es ist ein Theater.

Zuletzt: Andrea Nahles. 1970 geboren, war sie schon als Politikstudentin Bundestagsabgeordnete. Hat nie gearbeitet, außerhalb der Partei.

Und Kevin?

Hat Abitur. Hat ein Studium abgebrochen. Hat dann ein Fernstudium begonnen, das derzeit ruht.

Da schließt sich ein Kreis. Beamtensohn, behütet, saturiert aber unzufrieden. Vielleicht ist es das, was die Leute so schwierig macht.

Es mag überheblich klingen, wenn man Politiker kritisiert, die „nie richtig gearbeitet“ haben. Aber: Wer das Leben nur aus der Schule und dem Studium kennt, weiß noch nicht, wie Gesellschaft funktioniert. Und wenn man etwas verändern will, und das will die SPD doch immer, muss man doch wissen, wie es funktioniert. Darum sollte ein Justizminister ein Jurist sein und der Gesundheitsminister ein Arzt.

Und man sollte wissen, was Demokratie bedeutet, was sie wert ist. „Die geglückte Demokratie“ ist ein Buch, das Edgar Wolfrum, ein Heidelberger Professor für Zeitgeschichte 2006 veröffentlicht hat. Demokratie ist aber nicht in Stein gemeißelt.

Willy Brandt und Helmut Schmidt wussten, was Diktatur, Krieg und Völkermord bedeuten. Demokratie war nicht selbstverständlich, musste erkämpft und erarbeitet werden.

Die Politiker unserer Tage erwecken den Eindruck, als würden sie dieser Errungenschaften überdrüssig.

Mit maßlosen Forderungen sammelt man keine Leute hinter sich.

Vielleicht kommt jetzt Kevin.

Aber seine Partei ist zerlegt, gleitet ab in die Bedeutungslosigkeit, muss anderen die Richtungsgebung überlassen, mal den Konservativen, mal den Grünen. Eine im Moment  seelenlose Partei enteignet sich selbst:

„Kevin allein zuhaus“ wird Wirklichkeit.

Published inProsa

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