Schlagwort: Gesellschaft

  • Die Würde des Menschen ist unantastbar

    Unser Grundgesetz ist gut. Es ist vorbildlich. Was der Parlamentarische Rat der noch nicht konstituierten Bundesrepublik erarbeitet hat, war neu, so kannte man die Wertschätzung des Individuums, der Freiheit, des Rechts eigentlich bisher nicht.

    Der Artikel 1

    „Die Würde des Menschen ist unantastbar“

    wird gerade landauf, landab, im Weserkurier und in den Kieler Nachrichten, seitenlang gefeiert.’Man meint zu erkennen, was die Herrschaften damals sagen wollten.

    Es ist aber auch eine sehr diplomatische Formulierung.
    Man kann das auch ganz anders verstehen.

    Die Würde des Menschen ist nämlich durchaus antastbar.

    Die Weisheit „Kleider machen Leute“ deutet schon darauf hin.

    Mit guter Kleidung strahlt man Würde aus. Mit schlechter eben nicht.

    Der Chefarzt im Eppendorfkittel mit Goldknöpfen, der Oberarzt mit (nur) Silberknöpfen, der Assistenzarzt im Kasack,

    der Viersternegeneral und der Hauptfeldwebel, alle mit ihren hirarchiegerechten Sternchen und Rauten und Fähnchen und Anstecknadeln.

    Der Häftling im Streifenanzug.

    Bei der Einlieferung ins Konzentrationslager wurden den Insassen die Köpfe kahlgeschoren. Was hat das mit ihrer Würde gemacht?

    Das wussten die Herren im Parlamentarischen Rat genau. Die hatten diese Zeit alle miterlebt.

    Und doch haben sie diesen Satz formuliert.

    Die Würde des Menschen ist unantastbar.

    Wir wollen den Satz so stehen lassen. Es gibt ihn seit 70 Jahren. Jeder weiß, wie er gemeint ist.

    Aber wir wollen daran denken, wie leicht die Würde des Menschen antastbar ist: Durch Prügelstrafe, Missachtung, Missbrauch, Mobbing.

    Und wir wollen diesen Satz nie, und nie wieder, als Entschuldigung gelten lassen.

    Heiner Wenk, Mai 2019

  •  

    An ancient Zen story describes a despondent horse, which lies down and no longer wants to learn to get up. The desperate owner, after trying everything, calls the horse-healer. After the profound examination of the horse, he states: „Such cases are serious; let’s try for a couple of days with these plants. If it does not react, it will be necessary to bring the horse down“.
    A pig eavesdrops, and runs to the horse:  „Get up, otherwise throw badly !!!“  The horse  turns its head on the other side.

    A day after, the horse- healer returns and administers the medicinal plants again and declares: „The horse doesn’t react: we should wait a little longer, but I don’t think there is anything we can do. „Again, the pig has  heard everything and runs to the horse «You MUST get up!!!».                        But the horse still remains immovable.

    On the third day, the horse- healer verifies the progress, „Give me the rifle: it’s time to put down that poor beast.“ The pig runs desperately to the horse: „Please you have to react, they’re coming to kill you!! The horse rises abruptly and starts to run, jumping over the obstacles.The owner turns delighted to the horse-healer:  „Thank you, thank you!!!  You are a wonderful healer, you did a miracle!  We absolutely have to have a big festivity: Come on, let’s kill the pig!!! “

    Moral:

    Mind always your own business!! In this way you`ll stay busy all the time and not meddle with other men’s concerns.

     Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Eine Zen-Geschichte

    Eine alte Zen-Geschichte schildert ein bedrücktes Pferd, das sich niederlegt und nicht mehr lernen will aufzustehen. Der verzweifelte Eigentümer ruft einen Pferdeheiler herbei, nachdem er vergeblich alles versucht hat. Nacheiner gründlichen Untersuchung des Pferdes stellt dieser fest: „Solche Fälle sind ernst: Lass es uns ein paar Tage lang mit diesen Pflanzen versuchen. Wenn es nicht reagiert, muss das Pferd getötet werden.“

    Ein Schwein lauscht der Unterhaltung und rennt zu dem Pferd: „Steh auf, sonst geht es dir schlecht!“

    Das Pferd reagiert dreht seinen Kopf auf die andere Seite.

    Einen Tag später kommt der Pferdeheiler zurück und verabreicht wieder die Pflanzen und erklärt: „Das Pferd reagiert nicht: Wir sollten noch ein bisschen länger warten, aber ich denke, da gibt es nichts, was wir tun können.“

    Wieder hat das Schwein alles gehört und rennt zu dem  Pferd: „Du musst aufstehen!!“

    Aber das Pferd bleibt unbeweglich liegen.

    Am dritten Tag vollzieht der Pferde-Heiler die Entwicklung: „Gib mir die Flinte, es ist Zeit, das arme Vieh zu erledigen!“

    Das Schwein rennt verzweifelt zu dem Pferd: „Du musst bitte reagieren! Sie bringen dich sonst um!“

    Das Pferd steht plötzlich auf und rennt weg, indem es über die Hürden springt. Der Eigentümer dreht sich vergnügt zu dem Pferde-Heiler um: „Vielen Dank, vielen Dank! Du bist ein wunderbarer Heiler, du hast ein Wunder vollbracht. Wir müssen unbedingt ein Riesenfest veranstalten. Komm, lass uns das Schwein schlachten!“

    Moral:

    Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten! Dann bist du immer beschäftigt  und mischst dich nicht in die Sache anderer Menschen ein.

  •  

    Was rollt denn da?

    Fahrzeuge natürlich, aber auch Lebewesen. Wie sind die im Altertum entstandenen rollenden Objekte zu deuten? Als Spielzeug, Kultgegenstände, Grabbeigaben? Sehen wir uns rollende Statuetten der Antike daraufhin an und versuchen uns selbst eine Meinung zu bilden.

    Karren und Wagen sind seit vorgeschichtlicher Zeit mit Hilfe von Rädern beweglich. Auf sie wollen wir hier nicht näher eingehen[1]. Doch es gibt auch Wasserfahrzeuge mit Rädern. Die altertümlichen Raddampfer auf dem Mississippi sind berühmt. Vitruv  beschrieb im 1. Jh. v. Chr. das Schaufelrad.

    Abb. 1: Räderschiff aus dem römischen Ägypten, 2.-3. Jh. n. Chr.
    Nach Andres 2000, 218 f. Kat. Abb. 141

     

    Räderschiff:

    Die Räder (Abb. 1) symbolisieren einen Wagen, auf dem das Boot gezogen werden konnte; doch aus der Darstellung im Relief lässt sich schließen, dass die Funktion als Fahrzeug nicht beabsichtigt war. Das kleine Schiff hatte eher eine Bedeutung im privaten Kult bzw. im Totenkult, etwa als Medium zur Überfahrt der Sterblichen in die andere Welt. Die Tonfarbe weist in den Fayum, wo ähnliche Terrakotta-Boote in Wandnischen gefunden wurden[2]. Auf einigen der aus dem römischen Ägypten stammenden Vergleichsexemplare befindet sich ein ‚Passagier‘, den man mit der jugendlichen Gestalt des Harpokrates (des kleinen Horus) verband. Vielleicht handelt es sich bei der stilisierten Figur am Heck des Räderschiffs (Abb. 1) um eine Anspielung auf diesen Kindgott[3].

     

    Kriegsschiff auf Rädern:

    Nach einer Scholie des Eustathios zu Ilias XI, 20  hatte der zyprische König Kinyras einer griechischen Gesandtschaft 50 Schiffe gegen Troia versprochen; davon lief aber nur eines vom Stapel. Die anderen ließ der doppelzüngige Herrscher aus Ton verfertigen und mit tönernen Kriegern bemannen. In einem Terrakotta-Fragment aus Salamis/Zypern, das aus einem Schiffsbug mit Rammsporn und Schild sowie einer Durchbohrung für die Räder besteht, könnte sich dieser Mythos spiegeln[4].

     

    Rollenden Lebewesen wurden viel häufiger tierische Formen als menschliche oder menschenähnliche Gestalt gegeben. In Mesopotamien und in den Ländern am östlichen Mittelmeer stellte man schon seit dem Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. Tiere auf Rädern, vor allem Widder, dar[5]. Auch rollbare  Gefäße in Tiergestalt haben eine lange Tradition[6]. Da sie zumeist in Heiligtümern gefunden wurden, liegt es nah, sie mit der Libatio, der Trankspende für eine Gottheit, zu verbinden. Eine einfache Vorrichtung[7] ermöglichte, die Tiergefäße hin und her zu ziehen, bevor man aus ihnen spendete.

    Tierfiguren und Gegenstände auf Rädern, mit einer Zugvorrichtung und aus verschiedenen Werkstoffen hergestellt finden sich bis heute in Kinderzimmern; so lassen entsprechende antike Statuetten ebenfalls fast automatisch an Spielerisches denken[8]. Ist es aber statthaft, von beweglichen Geräten unserer Zeit auf die Situation im Altertum zu schließen? Waren Material und Konstruktion der auf uns gekommenen antiken Figuren robust genug für den bekanntlich oft rauen Umgang von Kindern mit einem Spielgerät?[9]. Allenfalls ein hölzernes Räderpferd aus dem spätantik-frühbyzantinischen Ägypten[10] hätte den kindlichen Spielen widerstehen können.

    Anders ist es bei einem Reiter auf Rädern (Abb. 2), der in unmittelbarer Nähe des Aphrodite-Altars von Tamassos/Zypern geborgen wurde. Die aus massivem Kalkstein bestehende Figur ist wegen ihres Gewichts und der Höhe und Länge von jeweils knapp 20 cm kaum als Spielzeug geeignet. Auch der Fundort spricht für einen sakralen Aspekt[11].

    Abb. 2: Tamassos/Zypern, Fund-Nr. 485/1975
    Nach Buchholz – Nobis 1978, 300 Abb. 7

     

    Nicht nur Pferde mit und ohne Reiter[12], auch andere Tierfiguren hat man mit Rädern ausgestattet. Gelegentlich sitzt das Wesen auf einem Sockel, durch den die Achse führt[13].

     

    Vögel:

    Woher die Taube auf Rädern stammt (Abb. 3) wissen wir nicht. Zwar ist die Knubbe[14] zum Einfädeln einer Zugschnur durchbohrt, doch eignen sich die tönernen Räder nicht zum häufigen Gebrauch. Auch dieser Statuette kommt wohl eher kultische Bedeutung zu. Nicht zufällig sind Tauben der Göttin Aphrodite heilig.

    Abb. 3 Taube auf Rädern, Unteritalien, 4.-3. Jh. v. Chr.
    Nach Andres 2000, 132 Kat. Abb. 90

    Eine vom Rücken schräg nach vorn zur Brust führende Bohrung  macht den  Wasservogel auf Rädern (Abb. 4) zum Aufhängen geeignet. Vermutlich hingen derartige Vögel (Gesamthöhe 6,8 cm) an den Ästen heiliger Bäume in Kultbezirken unter freiem Himmel. Die Sitte war in der frühen Eisenzeit im Gebiet des südlichen Balkans und in Nordgriechenland heimisch; einen Schwerpunkt gab es in Pherais/Thessalien[15]. Als Amulett scheint der Gegenstand nicht fungiert zu haben; entsprechende Hinweise fehlen.

    Abb. 4: Thessalische (?) Bronze, 2. Hälfte des 8. Jhs. v. Chr.
    Prähistorische Staatssammlung München, nach Zaalhaas 1996, 72 Abb. 52

     

    Rollende anthropomorphe Figuren sind selten. Wir haben wenige Beispiele von Sterblichen, einzelnen dämonischen Wesen und göttlichen Gestalten.

     

    Sterbliche: Krieger-Figuren

    Eine Gruppe von etwa 24 archaischen Terrakotta-Statuetten aus Salamis/Zypern ist durch Bärte als männlich, durch spitze helmartige Kopfbedeckungen und Wangenklappen als kriegerisch ausgewiesen. Die Arme sind angehoben, die Beine durch Räder ersetzt, wobei die Radachse quer durch das untere Ende der offenbar mit einem langen Gewand bekleideten Körper führt[16] (Abb. 5). Der Thorax weist eine weitere, größere, Öffnung auf. Durch diese konnte ein Stab, an dem die Figur „wie ein Spielzeug“[17] zu bewegen war, geschoben werden. Ob derartige Statuetten eine, wie V. Karageorghis meint, zweifache Bedeutung hatten, nämlich als Spielgerät und als Votivgabe im Heiligtum[18], ist allerdings  offen.

    Abb. 5: Aus Salamis/Zypern, 6. Jh. v. Chr.
    Nach V. Karageorghis 1995, 142 f. Taf. 82, 1

     

    Dämonische Mischwesen:

    In Etrurien entstand bereits im 8. Jh. v. Chr. aus Bronze eine Räucherpfanne auf Rädern. Sie stellt einen geschwänzten, als flaches Deckelgefäß gebildeten Vogelkörper dar, überragt von zwei Hirschköpfen mit langen Hälsen[19].

    In der römischen Kaiserzeit fertigte man ein Mischwesen auf vier Rädern an, den Rosshahn, dessen Pferdekörper in einem Hahnenschwanz endet. Auch der Reiter ist eine dämonische Erscheinung[20].

    Gottheit:

    Aus der Nord-Nekropole von Knossos stammt ein Pithos (großes Vorratsgefäß) mit dem Relief einer weiblichen Naturgottheit, auf einer Platte mit Rollen[21] (Abb.6). Die Vorderseite des Gefäßes zeigt die Göttin mit je einem Vogel in den erhobenen Händen, auf der Rückseite sind die Arme gesenkt. Von den Ästen der flankierenden Bäume wird das Motiv aufgenommen. Handelt es sich um eine Darstellung des Werdens und Vergehens in der Natur?[22]

     

     

     

     

     

     

     

     

    Abb. 6: Naturgottheit auf Rollen, Pithos aus der Nord-Nekropole von
    Knossos. Nach Matthäus 2005, 327 f. Abb. 17

    Wie wir sehen, fungierten die rollenden Statuetten, so weit wir ihren Fundkontext kennen oder auf ihren Fundort schließen können, in der Antike zumeist als Kultobjekte und Grabbeigaben[23]. Die Verwendung als Amulett ist fraglich. Kinderspielzeug dagegen setzt ein weit widerstandfähigeres Material voraus als Kalkstein oder Terrakotta zu bieten vermögen.

     

    Abgekürzt zitierte Literatur und Bildnachweis:

    Andres 2000: M. Andres, Die Antikensammlung. Hessisches Puppenmuseum Hanau-Wilhelmsbad (Hanau 2000)     Abb. 1. 3

    Bianco – Tagliente 1993: S. Bianco – M. Taglienete, Il Museo Nazionale della Siritide di Policoro (Bari 1993)

    Borger 1977: H. Borger, Das Römisch-Germanische Museum Köln (München 1977)

    Brouskari 1985: M. Brouskari, The Paul und Alexandra Canellopulos‘ Museum (Athens 1985)

    Buchholz 1978: H.-G. Buchholz, Tamassos, Zypern, 1974-1976. 3. Bericht, Archäologischer  Anzeiger 1978, 155-230

    Buchholz 1980: H.-G. Buchholz, Grabungen in Tamassos und Liste der ausgestellten Stücke, Anhang II in: Schätze aus Zypern. Ausstellung 5. November bis 7. Dezember 1980, Akademisches Kunstmuseum der Universität (Bonn 1980) Nr. 217

    Buchholz – Nobis 1976/77: H.-G. Buchholz – G. Nobis, Tierreste aus Tamassos auf Zypern, Acta praehistorica et archaeologica 7/8,1976/77 271- 300     Abb. 2

    Buchholz – Untiedt 1996: G.-G. Buchholz – K. Untiedt, Tamassos. Ein antikes Königreich auf Zypern (Jonsered 1996)

    Buchholz – Wamser-Krasznai 2017: H.-G. Buchholz  – W. Wamser-Krasznai, Tiere – Reiter – Wagen. Aus den Heiligtümern von Tamassos, in: W. Wamser-Krasznai, Streufunde  (Filderstadt 2017) 23-26

    Cholidis 1989: N. Cholidis, Tiere und tierförmige Gefäße auf Rädern. Gedanken zum Spielzeug im Alten Orient, Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 121,1989, 197-220

    Crouwel 1985: J. H. Crouwel, Carts in Iron Age Cyprus, RDAC 1985, 203-221

    Crouwel 1992: J. H. Crouwel, Chariots and other Wheeled Vehicles in Iron Age Greece (Amsterdam 1992)

    Crouwel – Tatton-Brown 1988:  J. H. Crouwel – V. Tatton-Brown, Ridden Horses in Iron Age Cyprus, RDAC 1988 II, 77-87 Taf. 24-26

    Fittà 1998: M. Fittà, Spiele und Spielzeug in der Antike (Darmstadt 1998)

    Guggisberg 1996: M. A. Guggisberg, Frühgriechische Tierkeramik (Mainz 1996)

    Karageorghis 2002: V. Karageorghis, Ancient Art from Cyprus in the Collection of George and Nifeli Giabra Pierides (Athen 2002)

    Karageorghis 1995: V. Karageorghis, The Coroplastic Art of Ancient Cyprus 4. The Cypro-Archaic Period, Small Male Figurines (Nicosia 1995)    Abb. 5

    Lembke 2004: K. Lembke, Die Skulpturen aus dem Quellheiligtum von Amrit (Mainz 2004)

    Lubsen-Admiraal – Crouwel 1989: St. Lubsen-Admiraal – J. Crouwel, Cyprus & Aphrodite (s‘ Gravenhage 1989)

    Matthäus 2005: H. Matthäus, Toreutik und Vasenmalerei im früheisenzeitlichen Kreta: Minoisches Erbe, lokale Traditionen und Fremdeinflüsse, in: C. E. Suter – Chr. Uehlinger (Hrsg.), Crafts and Images in Contact. Orbis Biblicus et Orientalis 210 (Fribourg – Göttingen 2005) 291-350      Abb. 6

    Th. Monloups, Figurines à roulettes, Salamine de Chypre XII. Les figurines de

    terre cuite de tradition archaique (Paris 1984) 151-169

    Rühfel 1984: H. Rühfel, Das Kind in der griechischen Kunst (Mainz 1984)

    Schefold 1993: K. Schefold, Götter- und Heldensagen der Griechen in der Früh-

    und Hocharchaischen Kunst (München 1993)

    1. Strøm, The Early Sanctuary of the Argive Heraion and its External Relations

    (8th.- Early 6th. Cent. BC.) Proceedings of the Danish Institute at Athens I

    (Athens 1995) 37-128

    1. A. Trofimova, Greeks on the Black Sea (Los Angeles 2007)

    Ulbrich 2008: A. Ulbrich, Kypris. Heiligtümer und Kulte weiblicher Gottheiten auf Zypern in der kyproarchaischen und kyproklassischen Epoche. Königszeit (Münster 2008)

    Vierneisel-Schlörb 1997: B. Vierneisel-Schlörb, Kerameikos 15. Die

    Figürlichen Terrakotten I. (München 1997)

    Zahlhaas 1996: G. Zahlhaas, Aus Noahs Arche. Tierbilder der Sammlung

    Mildenberg aus fünf Jahrtausenden (Mainz 1996)    Abb. 4

     

    [1] Z. B.  Fragment eines tönernen Wagenmodells aus dem Aphrodite-Heiligtum in Tamassos, Buchholz-Untiedt 1996, 129 Abb. 69 a; Crouwel 1985, 204-212 Taf. 31-34; V. Karageorghis 1995, 121-123 Taf. 73. 74, 1-3..

    [2] Andres 2000, 218 f. Kat.-Nr. 141.

    [3] LIMC IV (1988) 431 f. Nr. 230 a. d. e. f Taf. 253 f. s. v. Harpokrates (Tram Tan Tin – B. Jaeger – S. Poulin).

    [4] Monloups 1984, 158 f. Abb. 601.Taf. 29.

    [5] Andres 2000, 33 Kat.-Nr. 10; Cholidis 1989, 204. 215 Abb. 6;  Fittà 1998, 74 Abb. 132.

    [6] Cholidis 1989, 199.

    [7] Eine Öse, durch die man eine Schnur ziehen konnte, oder ein Gefäßhals, um den man ein Band legte, Cholidis 1989, 202.

    [8] Andres 2000, 16. 205.

    [9] Verneinend: Cholidis 1989, 197-205; ebenso Guggisberg 1996, 299 f. Anm. 1405. 1409. Beispiele für den mehr als rauen Umgang von  Kindern mit lebenden Spieltieren: Schildkröte, Fittà 1998, 66 Abb. 105; „Gans-Würger“, Rühfel 1984, 255 Abb. 108.

    [10] Andres 2000, 229.

    [11] Buchholz – Wamser-Krasznai 2017,  23-26 Bild 7; Terrakottastatuette eines reitenden Kriegers auf Rädern aus dem Quellheiligtum von Amrit, Lembke 2004, 154, Nr. 14 Taf. 3 f.;  Reiter auf Räderpferd aus dem Heiligtum von Ayia Irini, Lubsen-Admiraal – Crouwel 1989, 170 f. Nr. 178 Farbtafel 77; zur Wahrscheinlichkeit des sakralen Gebrauchs: Cholidis 1989, 204; „Groupe sacrificiel (?)“ Monloup 1984, 157 f. Nr. 599 Taf. 29; attisch-subgeometrisches Räderpferd vom Kerameikos, Athen, Vierneisel-Schlörb 1997, 167 Nr. 526 Taf. 26.

    [12] Terrakottafigur eines Reiters auf Rädern, Attika, Brouskari 1985, 24 f.; Borger 1977, 90 Abb. 29; attisch-geometrisches Pferd auf Rädern, Zahlhaas 1996, 121f. 127 Abb. 101  Holzpferd auf Rädern aus Ägypten, 235.

    [13] Andres 2000, 46 Nr. 23; Löwe auf Standplatte mit vier Rädern, 203 Nr. 126; ebenso Lasttier, 206 Nr. 127;  Widder, Cholidis 1989, 203 f. 207 Abb. 6. 7. 215 Abb. 20-31; Stier, Trofimova 2007, 207 Abb. 106; Tiere auf Rädern in Gräbern der frühen Eisenzeit, Basilicata, Bianco – Tagliente 1993, 56; kleine Ton-Ferkel aus einem Heiligtum von Salamis/Zypern, Monloups 11. 165 Nr. 613. 614 Taf. 30; Maus, Krokodil, Huhn, Fittà 1998, 69 f. Abb. 114. 117.

    [14] Andres 2000, 16. 132 Katn Nr. 90.

    [15] Zaalhaas 1996, 28. 72 Abb. 52; gleichartige Vogelfiguren aus Bronze ohne Räder, mit  prismenförmigem Stempelfuß im argivischen Heraion, Strøm 1995, 62-68 Abb. 26; auf hohem zylindrischem Fuß mit zwei eingeschalteten Kugeln, Brouskari 1985, 27 f.

    [16] Monloups 1984, 23. 151-160

    [17] „De mouvoir le personnage sur ses roulettes, comme un jouet“, Monloups 1984, 152.

    [18] Karageorghis 1995, 142 f. Taf. 82, 1; zur Deutung und zur zypern- bzw. salamis-spezifischen Entstehung der Statuetten v. a. Monloups 1984, 18-23.

    [19] Aus der Monterozzi-Nekropole von Tarquinia, Bianchi Bandinelli – Giuliano 1974, 30. 404 Abb. 29.

    [20] Reiter im Kapuzenmantel, Telesphoros? Andres 2000, 205 Kat.-Nr. 128; ohne Kopfbedeckung, Fittà, 1998, 74 Abb. 130.

    [21] Matthäus 2005, 327 f. Abb. 17; Schefold 1993, 59 Abb. 37 a. b.

    [22] Schefold 1993, 59.

    [23] Mylonas 2003, 67 und Anm. 52; Senff 1993, 62 und Anm. 51; Andres 2000, 16; Fittà 1998, 70; Cholidis 1989, 197f.;  s.; Monloup 1984, 152-157; zur möglicherweise verkürzten Darstellung von Pferd und Wagen durch Pferde mit Rädern, sowie zum trojanischen Pferd auf Rädern: Meyer 2010, 20-22.

  • ZUM MUTTERTAG:

    Danke, Aldi, dass Du nicht Edeka bist

     

    Es ist Mai 2019. Rechtzeitig zum Muttertag hat „Edeka“ ein Video präsentiert, das die Väter als Erzieher in ein ganz mieses Licht rückt und in dem Satz endet: „Danke Mama, dass Du nicht Papa bist“.

    Es ist ein Muttertagsvideo auf Kosten der Väter.

    Dieses Video hat einen „Shitstorm“ ausgelöst und wurde tags darauf vom Spiegel und vom Weser Kurier vorgelegt.

    Der Kommentar im Spiegel war kritisch und hat mir gut gefallen.

    Der Spiegel hatte thematisiert, dass auch unsere Gesellschaft dafür sorgt, dass viele Väter  arbeiten gehen (müssen) und bei der Kinderbetreuung eine untergeordnete Rolle spielen:

    Weil tradierte Familienstrukturen noch immer vorrangig sind in Deutschland. In der Regel ist der Vater der, der das Geld verdient und morgens aus dem Haus geht.

    Das war bei uns auch immer so. Seit 35 Jahren bin ich Alleinverdiener für unsere Familie, und natürlich habe ich in der Erziehung unserer Kinder eine nachrangige Rolle gespielt. Dass mich Edeka dafür nun verarscht hat, fand ich sehr ungerecht.

    Spontan viel mir die Replique ein:

    Ich postete auf Facebook: „Danke Aldi, dass Du nicht Edeka bist“.

    Das ist offensichtlich ganz gut angekommen, umgehend fand ich diesen Satz in verschiedenen deutschen Medien, zum Beispiel auch im Rheinischen Merkur.

    Im Weserkurier wurde der Satz vom Chef des Kulturressorts, Hendrik Werner, kommentiert.

    Mein Satz wurde als „dümmere Protestnote“ apostrophiert, die als Boykottdrohung gegen Edeka gerichtet sei.

    Diese Einschätzung hat mich nun nicht so sehr getroffen wie das Edeka-Video, aber ich möchte sie kommentieren:
    Ich empfinde den Satz weder als dumm, noch als dümmer, noch als Boykottaufruf.

    Es ist eine „Danke“ an Aldi, dass man dort auf derlei sexistische Werbevideos verzichtet.

    Der Boykottgedanke des Journalisten darf aber weitergesponnen werden: Edeka ist ein Akronym, das aus der „Einkaufsgemeinschaft der Kolonialwarenhändler“ entstanden ist. Herr Werner: Kolonialwaren, das sind Produkte aus Kolonien.

    Im Namen Edeka steckt die koloniale Tradition, von der sich Bremen mit großer Eindeutigkeit distanziert. Bremen hat sogar ein Anti-Kolonial-Denkmal.

    Gehen Sie aber gerne weiter dort einkaufen.

    Edeka sagt: „Wir lieben Lebensmittel“. Ein Bremer Wahlkampfspruch sagt: „Wir lieben Bremen.“

    Da hat doch jemand abgeschrieben.

    Willy Brandt sagte einmal: „Es wächst zusammen, was zusammen gehört.“ Das wäre in diesem Fall richtig dumm.

    Heiner Wenk, Muttertag 2019

  •  

    A sunflower-plant or its image associates us with the sun, and even reminds us of a smiling face. The yellow -golden color of petals has a positive influence on our souls and energize our work efficiency.                             Probably, it is because of its shape and its colors retracing from cheerful bright yellow-gold or happy auburn. In color-mood association studies, yellow is associated with the happy mood and playfulness. The sunflower is symbol of optimism and happiness, prosperity and good luck.

    The flowers have a privileged position in the Chinese culture.

    Historically, they have served as a significant vehicle of communication. The sunflower symbolize long life, because the most varieties stand in full bloom for months, during the hottest days of summer.                                        It may the Sun, which is perceived to have an enduring life, so the sunflowers turn their“heads” to the Sun seeking out positivity and strength. Through the vibrancy of the yellow or orange petals, sunflower brightens our mood giving us vitality and lasting happiness. Therefore, sunflower should remind us to adjust our lives on positivity and to follow our dreams.                                                                                                                              

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Ein Sonnenblumenfeld oder sein Bild verbindet uns geistig mit der Sonne und erinnert uns sogar an ein ähnliches Gesicht. Die gelbgoldenen Blütenblätterfarbe hat einen positiven Einfluss auf unsere Seelen und spendet unserer Arbeit Leistungsfähigkeit.

    Wahrscheinlich ist das so, weil  seine Form und seine Farben zurückführen auf ein helles  Gelbgold oder glückliches Kastanienbraun. In Studien über die Assoziation von Farbstimmung wird gelb in Verbindung gebracht mit glücklicher Stimmung und Verspieltheit. Die Sonnenblume ist das Zeichen für  Optimismus und Glücklichsein, Wohlstand und Glück.

    Die Blumen haben eine bevorzugte Stellung in der chinesischen Kultur.

    Historisch haben sie als wesentliches Mittel zur Verständigung gedient.

    Die Sonnenblume kennzeichnet langes Leben, weil die meisten Arten während der heißesten Monate in voller Blüte stehen.

    Sie kann die Sonne symbolisieren, die von uns als ewig lebend empfunden wird, deshalb drehen sie  ihre Köpfe der Sonne entgegen, um Positivität und Kraft zu erhaschen.

    Durch die Ausstrahlung der gelben oder orangen Blütenblätter hellt die Sonnenblume unsere Stimmung auf und schenkt uns Lebenskraft und andauerndes Glücksgefühl. Deshalb sollen Sonnenblumen uns daran z erinnern, unser Leben an das Positive anzupassen und unseren Träumen folgen.

     

     

  • Abstieg

    (1.5.2019)

     

    Wenn Geschichten gedankenlos
    nicht mehr weitererzählt werden
    kommt die Wertschätzung abhanden
    für den Einsatz unserer Vorfahren
    damit wir heute
    in einer besseren Welt leben können
    Wenn Geschichten verschwiegen werden
    verkommt der Kampftag der Arbeiterbewegung
    zu einer erlahmenden Sauftour

  • Lichte Momente

    (28.4.2019)

     

    für Margret und Christoph

     

    Wenn ich in Rotenburg früh aufwache
    und das Fenster im Bad weit öffne
    schaue ich nach Süden
    wo die Fulda meine Stadt durchquert
    Nicht selten ist es diesig
    einer warmen Beleuchtung bedürftig
    Dann denke ich dankbar
    an die hauchzarten Blätter
    in des Frühlings Sonne
    pistazienkerngrün und granatapfelrot schimmernd
    umgeben von den vielen Gesängen
    sichtbarer und verborgener Vögel
    Vom Glück durchströmt
    diese hellen, lichten Momente
    im Leben wahrgenommen zu haben
    spüre ich strahlend
    wie die über der Stadt schwebende Feuchte
    zärtlich  mein Gesicht küsst
    und eine Sonne in meinem Herzen
    unbeschwert wie kleine Kinder tanzt

    ֎֎֎

  • Törichte Teilhabe

    (3.5.2019)

     

    Nun, Machthaber der Zeit!
    Für mich ist es nicht entscheidend
    wie euer Reichtum zustande kommt
    Hauptsache ich bin daran beteiligt
    auch wenn im Sinne von Brosamen 

     So denken im trügerischen Paradies
    erhobenen Hauptes und guten Gewissens
    nicht wenige Menschen
    die angeblich für eine bessere Welt eintreten
     dabei geduldet-gefördert
    festgelegte Fragen aufwerfen
    sich in zugewiesenen Gewässern bewegen
    und täuschend Teilaspekte eines Systems angehen
    das auf Verelendung gebaut ist  

    ֎֎֎

  • Im Rom der Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz

    Stand 06.05.2019

     

    In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts ist Rom voller Katzen und „eine brüllende, ratternde Verkehrshölle, in der gehetzte und mürrische Leute ihren mühsamen Tag bestehen“ (In Rom zu leben, Engelsbrücke, 11).

    Heute gibt es keine Katzen mehr in Rom, wenigstens keine „öffentlichen“. Früher wurden sie in manchen Winkeln von alten Weiblein gefüttert. Man kann Betrachtungen darüber anstellen, wie sich die Römer der Katzen entledigt haben; ich weiß es nicht, denke mir aber, dass diese Tiere ihr Leben z. B. in den Laboratorien der pharmazeutischen Industrie gelassen haben – aus heutiger Sicht eine abscheuliche Vorstellung. Angeregt durch Picassos Gemälde <Katze und Vogel> skizzierte Marie Luise Kaschnitz Betrachtungen zu diesem Thema in ihrem Tagebuch[1] und verfasste einen Essay (Die Katze, Engelsbrücke  66) und ein Gedicht (Picasso in Rom[2]). Das von dem Bild ausgehende Unheimliche und Fürchterliche nimmt einen breiten Raum ein, vor allem weil zu der „grinsenden Verschlagenheit und Bosheit“ des Tieres „noch die Heimtücke des Menschen“ komme, der im Gegensatz zur unbewusst handelnden Kreatur für seine mörderischen Taten selbst verantwortlich ist.

    „Dachüber[3]

    Schleicht die dämonische

    Katze. Zerrissenen

    Vogel im Zahn.“

    Mit Rom hat das Gedicht wenig zu tun. Die Überschrift bezieht sich auf die große Picasso-Ausstellung in der Galleria d’Arte Moderna im Jahr 1953[4].

    Auch der Durchgangsverkehr ist jetzt aus der Innenstadt verbannt. Personenwagen benötigen eine Sonder-Erlaubnis, und die öffentlichen Verkehrsmittel sind natürlich ständig überfüllt, aber von einer „brüllenden Verkehrshölle“ kann nicht mehr die Rede sein. Selbst langsame Fußgänger sind imstande eine Straße unangefochten zu überqueren.

    Die Kaschnitz, Gattin des österreichischen Archäologen Guido von Kaschnitz-Weinberg, der von 1953-1956 das Amt des 1. Direktors im Deutschen Archäologischen Institut bekleidete, lebte ab 1925 immer wieder in Rom, zunächst in der  stillen „Via Sardegna, nahe der ebenfalls noch stillen Via Veneto“ (Orte, 51 f.). Zu dieser Zeit war Walter Amelung „Erster Sekretar“, wie man damals sagte, des Istituto Archeologico Germanico ROMA. Er „ist einmal Schauspieler gewesen, hat eine sonore Stimme und ein gewaltiges, mitreißendes Lachen … nennt seine Mitarbeiter, die alle schon in den Dreißigern sind ,… Ragazzi und setzt ihnen, wenn sie einmal Vorträge halten dürfen ,.. Schokolade und Kuchen vor. … Ein strenger, todernster Schweizer ist Bibliothekar, einen unschuldigen Kuss hat er einmal mit den Worten <man bittet, in der Bibliothek jedes unnötige Geräusch zu unterlassen> gerügt.“

    „Die Via Treviso ist in den dreißiger Jahren eine hochmoderne Straße, siebenstöckige Mietshäuser mit Zentralheizung und Lift, da bewohnen wir bei einem Bankdirektor, der vor kurzem Konkurs gemacht hat, zwei Zimmer. … gleich hinter den neuen Häusern beginnt die Campagna …Viel später werde ich erfahren, dass der Bankdirektor einmal einen Angestellten mit dem Namen James Joyce gehabt hat.“(Orte, 67 f.)

    Im Oktober 1937 sieht die Kaschnitz im Palazzo delle Esposizioni eine  Ausstellung: Mostra Augustea della Romanità, in der die „vermeintlich spirituelle … Kontinuität“ zwischen der Herrschaft der römischen Kaiser und derjenigen Mussolinis in Szene gesetzt ist. Die heutige Via dei Fori Imperiali, anfangs Via dell‘ Impero, zu deren Anlage der Duce das Ausgrabungsgebiet der Kaiserfora rücksichtslos hatte durchschneiden lassen[5], ist ein eindrucksvolles Zeichen dieser Zeit.

     

    Nachsommer auf dem Palatin (Engelsbrücke 57 f.)

    „Zu Füßen der Treppe am Westabhang das Heiligtum der Großen Mutter…Ein Teppich von Steineichelsaat um den Altar der Magna Dea, um die Bruchstücke von Stucksäulen, um die sitzende Frauenstatue, die den von der düsteren Größe des Ortes erweckten Vorstellungen der Kybele nicht entspricht. Noch weiter dem Abhang zu frührömische Dörfer, Pfahllöcher viereckiger und eiförmiger Hütten, die sich im neunten Jahrhundert vor Christus die neuen Ansiedler bauten, schön in der Sonne und den aus dem Osten Eingewanderten gewiss sehr angenehm. Später wurde dort alles enteignet, kaiserliche Zone, für Paläste und öffentliche Bauten bestimmt. Des Augustus Haus, mit schäbigen Kämmerchen und Innenhöfchen, ist noch bescheiden, fast kleinbürgerlich, gemessen an dem Goldenen Haus des Nero oder an den Riesenbauten der flavischen Zeit.“

     

    Zimmer der Livia (Engelsbrücke 69 f.)

    „Der Ort ihrer ländlichen Rast [gemeint ist die Villa der Livia in Prima Porta] blieb ihr lieb…Dort wurde ihr später die Statue ihres Mannes aufgestellt, Augustus [<von Prima Porta>] mit der Siegergebärde, mit dem Panzer, auf dem zurückgegebene Feldzeichen und eroberte Provinzen und, als Sinnbild des Imperiums, Himmel und Erde dargestellt waren.“

     

    Schlange des Äskulap (Engelsbrücke 71 f.)

    „Wie die Sage erzählt, war es die Schlange des Heilgottes Aesculap, die, von Epidaurus übers Meer geholt und tiberaufwärts gebracht, an dieser Stelle das Schiff verließ und sich auf der Insel heimisch machte. Aber wer sich heute über die Brüstung beugt, sieht im Wasser keine heilige Schlange, sondern faules Stroh, verdorbene Früchte…Seit den Zeiten des Tempelschlafes ist der Ort Heilstätte geblieben; zu Bestrahlungen und Behandlungen wandern die Römer über die beiden kurzen Brücken ins uralte Hospital. Dort geht es … sauber zu, da wird der alten Heilüberlieferung noch immer Genüge getan…“

     

    Torre Pignatara (Engelsbrücke 77 f.)

    „… zu beiden Seiten der Via Casilina … die Torre Pignatara ist ein Grab, erbaut vom Kaiser Constantin am Anfang des 4. Jahrhunderts nach Christus und wohl zunächst zu seiner eigenen Ruhestätte und erst später zu der seiner Mutter bestimmt. Der große Porphyrsarkophag, den man an dieser Stelle gefunden hat, ist der der Kaiserin Helena…Dass der Rundbau aus constantinischer Zeit stammt, steht außer Zweifel … Die Kuppel ist eingestürzt, auch ein Teil der ehemals mit Marmor verkleideten Ziegelmauern … der Sarkophag der Kaiserin Helena steht im Museum im Vatikan. Die Torre aber, dieses letzte Zeugnis einer großen Vergangenheit, gibt dem Ort eine melancholische Würde, der Geruch des frischen Grases und der schwarzen Erde … erwecken die Empfindung eines zeitlosen römischen Lebens und einer, bei aller Armut und Verwahrlosung, unverwüstlichen Kraft.“

     

    1961 – da ist die Kaschnitz längst verwitwet – hat sie einen so guten Namen als Schriftstellerin, dass sie eine Einladung als Ehrengast der Deutschen Akademie in die Villa Massimo in Rom erhält. Die meisten anderen Stipendiaten sind Maler und Bildhauer  „… da saß ich unter Glyzinien in der Sonne und machte römische Gedichte“. Eine Tagebuchnotiz: „Cocktail Bibliothek … 2 Staffeleien, moderner Maltisch voller Farbkleckse. Terrasse … Steineichenallee. Zypressen – umrandet von lärmender Großstadt…“ wird zur Folie für das Gedicht „Villa Massimo“[6]. „… Italienisch konnte kaum einer“ von den Gästen (sie natürlich ausgenommen), „lernte es auch nicht in den neun Monaten … die Worte <quanto costa> und <troppo caro> waren „ihre einzigen Versuche“ (Orte 104 f.).

    „Einen gewissen römischen Weg“ ist sie oft gegangen, „die schmale Via Vittoria … an der Piazza di Spagna hin … immer auf den …Pincio zu … vom Brunnen vor der Villa Medici weht das Wasser und benetzt mein Gesicht … ist man schon hoch über … der Innenstadt … schenkt der Kuppel von Sankt Peter einen milde anerkennenden Blick.

    … Dann … verliere ich mich in den hinteren Gründen … wo ich mein Schreibheft aufschlagen kann, und einmal wird über mir die Mimose, einmal der Magnolienbaum und einmal der Judasbaum blühen.“ (Orte 132 f.)

    „Das ewige Rom wollte der Professor uns … nahebringen … zeigte … das Reiterstandbild des Marc Aurel, nicht auf dem Kapitol, sondern auf dem noch wüsten Gelände von San Giovanni …“ Der Reiter war „für den Stifter der Staatskirche, … Kaiser Konstantin“, gehalten worden. Erst 1941erhielt Marc Aurel seinen Platz auf dem nach Entwürfen von Michelangelo hergestellten Pflaster mit dem „prachtvollen Zirkelstern“ (Orte 232).

    Bekanntlich steht das restaurierte Original heute gut geschützt im Kapitolinischen Museum; den Platz schmückt eine Kopie.

     

    Mythos und Politik (Engelsbrücke, 30 f.)

    „… In der stadtrömischen Plastik riecht alles nach Staatsauftrag und Propaganda, das allgemein Menschliche ist kein Stoff mehr, die Phantasie ist tot. Mit den republikanischen Togastatuen fängt es an, mürrischen, glatzköpfigen Beamten, am Forum aufgestellt, bis ihrer zu viele wurden und man die jeweils ältesten in den Kalkofen warf .. .Die historischen Reliefs sind der reinste Ausdruck des Wirklichkeitsfanatismus, neben dem es nur noch etwas Aberglauben [und] Zeichendeutung … gab. … Was … sich die berühmten Säulen hinaufwindet, sind immer wieder Soldaten, vor der Schlacht, nach der Schlacht, am Haarschopf gezerrte Gefangene und der Kaiser, der anfeuert oder belohnt. … so etwas wie die sterbende Niobide oder andere vom Schicksal getroffene Zivilpersonen gibt es nicht. Das Bedürfnis nach solchen Dingen wurde durch endlose, oft serienmäßige Nachbildung griechischer Originale befriedigt … eine in Stein gehauene Gruppe von Juristen ist eine dürre Gesellschaft, und die auf den Säulen verewigten Maßnahmen zur Verteidigung des Reiches sprechen weniger deutlich für die gute Sache als für die Gewalt.“

    „Weihnachtsmarkt auf der Piazza Navona unter einem goldrauchigen Sciroccohimmel, das Pflaster vom letzten Regenguss noch spiegelnd nass…Wir standen ein wenig ratlos herum und betrachteten bald die in Goldpapier gewickelten und zum Anhängen an den Christbaum bestimmten Kleinrevolver, bald die Niklasse, die auf blanken aufziehbaren Motorrädchen thronten … Tannenbäume lehnten am Marmorbrunnen, hager und melancholisch, wie schlecht eingebürgerte Fremdlinge, die sich nach dem Geruch von Lebkuchenherzen und Springerles [für die Unkundigen: ein knochenhartes Anisgebäck aus hölzernen Modeln geformt] sehnen.“ (Engelsbrücke 84 f.)

     

    Colosseum (Engelsbrücke 176)

    … „Der großen Ruine aus der flavischen Epoche noch solche mitreißende Kraft zuzubilligen, fällt heute schwer…Die Übergröße als solche beeindruckt nicht mehr, und was sich dort drin begab an Tier- und Menschenschinderei, wirkt abstoßend, alle römischen Amphitheater haben diesen Geruch von Schweiß, Blut und Massenerregung, daran“ kann auch „das ahnungslose Gebaren der heutigen Jünglinge und Mädchen“ nicht viel ändern, „die in den Mondscheinnächten ihre Kofferradios dort spielen lassen und tanzen, irgendwo zwischen Himmel und Erde auf dem Gebirge von Stein.“

     

    Das Recht der Massen auf die Cappella Sistina (Engelsbrücke 205 f.)

    „Über … die Unmöglichkeit vor irgendeinem der großen Kunstwerke in Rom noch einen Augenblick still zu verweilen, erhebt sich oft ein großes Klagegespräch, das am Ende fast immer in einen Streit ausartet. Die Frage ist, was hat der durch sein Arbeitsleben an einer rechten Vorbildung verhinderte Reisende aus Amerika, Deutschland, Holland usw. von solchem Durchgetriebenwerden, hat er überhaupt etwas anderes davon als Kopfweh und Minderwertigkeitsgefühle, Beschämung und Zorn. Man sollte, schlagen die Unerbittlichen vor, die Massen vom Besuch der römischen Museen ausschließen, einen Befähigungsnachweis verlangen und damit für die Studierenden und wirklich Genießenden Raum und Stille schaffen. Eines Wortes von L. C. [Ludwig Curtius] wird gedacht, man sieht nur, was man weiß, also was man schon im Geiste kennt und sucht und was man mit anderen Dingen in Beziehung setzen kann.“

    „Geht nicht in die Nähe des Obelisken
    Er stürzt
    Sprünge durchlaufen ihn
    Risse hieroglyphisch
    Seine Zeit ist gekommen.“ (Römischer Sommer 3, Strophe 3[7])

    Welchen von den vielen Obelisken in dieser Stadt der Obelisken meint die Autorin? Hat sie überhaupt einen bestimmten Vertreter vor Augen? Ihr Essay „Der Obelisk“ (Engelsbrücke, 213 f.) handelt von einem Exemplar, das von „Augustus aus Ägypten hergeschleppt … aus Heliopolis stammend … 1586 … aus dem nahgelegenen Circus auf den Platz vor St. Peter gebracht und dort unter großen Mühen aufgerichtet“ wurde.

    Nicht immer ist die Lyrik der Kaschnitz so gegenständlich wie in der Strophe vom Obelisken, der doch einige (fast) vollständige Sätze enthält. Oft ballen sich eigenwillige Kontraktionen und Verknappungen, wenn die Verfasserin etwa in dem Gedicht Picasso in Rom „die zuckergussweiße Säulenhalle“ beschwört[8]; oder man erinnert sich, wenn die „Kinder strotzen im bleichen gierigen Fettfleisch“, an die Erzählung „Das dicke Kind“, in deren unangenehmer Protagonistin die Autorin sich selbst erkennt[9]. Nur dass die Kaschnitz keineswegs dick war, wenigstens nicht in den sechziger Jahren, als ich sie in Marburg sah und hörte, wo sie während einer Autoren-Lesung ihre Texte eindrucksvoll interpretierte.

     

    Ausgewählte, abgekürzt zitierte Literatur:

    Dagmar von Gersdorff, Marie Luise Kaschnitz. Eine Biographie (Frankfurt am Main 21995)

    Marie Luise Kaschnitz, Gesammelte Werke, Fünfter Band. Die Gedichte (Insel Frankfurt am Main 1985)

    Marie Luise Kaschnitz, Orte (Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992)

    Marie Luise Kaschnitz, Engelsbrücke. Römische Betrachtungen (dtv München 51983)

    Marie Luise Kaschnitz, Lange Schatten (dt—b München 71971)

    Marie Luise Kaschnitz, Beschreibung eines Dorfes (Suhrkamp Frankfurt am Main 1980)

    Marie Luise Kaschnitz, Griechische Mythen (dtv München 61984)

    Marie Luise Kaschnitz, Eisbären (Insel, Frankfurt am Main 1972)

    Katharina Weil, „Meine Adern Porphyr“. Antikenrezeption im Werk von Marie Luise Kaschnitz (Heidelberg 2017)

     

    [1] Weil 2017, 630 f.

    [2] Kaschnitz, Die Gedichte 283 f.

    [3] Ein „Neologismus“, Weil 2017, 640.

    [4] Weil 2017, 625 mit Anm. 3.

    [5]  Weil 2017, 309-311.

    [6] Weil 2017, 643.

    [7]  Kaschnitz, Die Gedichte S. 422 f.

    [8] Oder auch: „Wölfinnenrom“, in: Römischer Sommer 1, S. 422, Gesammelte Werke 5 Die Gedichte.

    [9] In: „Lange Schatten“, 106-112; sehr instruktiv zu dieser autobiographischen Erzählung: Dagmar von Gersdorff 1995, 22-24.

  • Aussteiger

    (6.4.2019)

    Wenn ich vom Aussteigen spreche
    angesichts des beißenden Geruchs
    unserer mit sich selbst beschäftigten Gesellschaft
    in der das vermeintliche Wohlergehen
    die Augen blind
    und die Sinne stumpf werden lässt
    wenn ich vom Aussteigen spreche
    aus der alltäglichen vielseitigen Gefräßigkeit
    meine ich nicht Betäubung, Lähmung
    Selbstbetrug und Starre
    Ich entlaste mich – geistig rege –
    von den vorgeblichen bunten Zwängen
    um die Zustände umfassend wahrzunehmen
    die Gegebenheiten kritisch zu begreifen
    die Misere grundlegend anzupacken
    Ich steige lebenslustig aus

    ֎֎֎