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Was wäre, wenn wir alle immer ehrlich wären (Dietrich Weller)

Beitrag Dietrich Weller zum BDSÄ-Kongress 2019 in Bad Herrenalb

Moderation Helga Thomas, Samstag, 22. Juni 2018, 11 h 

Was wäre, wenn wir alle immer ehrlich wären?

In der Bibel steht: „Deine Rede sei ´ja, ja`, oder ´nein, nein`.- Alles andere ist vom Übel.“

Das wird bestätigt durch den Satz eines Autors, dessen Namen ich nicht mehr erinnern kann:

„’Ja‘ ist richtig. ‚Nein‘ ist richtig. ‚Ja aber‘ ist immer falsch.“

Wenn doch alles so einfach wäre!

Wikipedia definiert Ehrlichkeit als

Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit, auch als Zuverlässigkeit, besonders in Hinblick auf Geld- und Sachwerte.

Um aufrichtig und der Wahrheit verhaftet zu uns selbst stehen zu können, müssten wir zuerst einmal wissen, was wir selber wirklich, also authentisch und nicht angelernt – sind und wollen!

Damit meine ich, dass es nicht darum geht, umzusetzen, was uns anerzogen wurde. Sondern es geht darum zu erkennen, was in uns wirkt, wenn wir auf unsere „innere Stimme“  hören und nicht auf die Menschen, die uns prägen mit Schuldgefühlen und Gewalt aller Art und sogenannten gesellschaftlichen Regeln. Diese sind ohnehin von Gesellschaft zu Gesellschaft von Land zu Land und von Kultur zu Kultur verschieden.

Grob gesagt gibt es zwei Gruppen von Menschen: Die eine Gruppe weiß, was sie will; die andere weiß, was sie nicht will. Wenn man die zweite Gruppe fragt, was sie will, hat sie darauf keine Antwort. Ihre Welt ist dominiert von Ablehnung.

Wenn wir dazu berücksichtigen, dass wir immer am Anderen das am schnellsten erkennen und ablehnen können, was wir an uns selbst nicht wahrhaben wollen, wird die Sache schon komplizierter.

Um ehrliche Kinder erziehen zu können, müssen die Eltern ehrliche Leute sein. Aber wer erzieht die Eltern?

Die Vermittlung von Schuldgefühlen ist eine der wirksamsten Formen der Gewaltausübung, denn sie scheint die Selbstgerechten zu berechtigen, ihre Mitmenschen auf den angeblich rechten Weg zu führen. Und das meine ich im weitesten Sinn – vom Elternhaus, im Freundes- und Arbeitsbereich und nicht zuletzt in der Schule und Kirche. Und Schuldgefühle verführen oder zwingen sogar manchmal zu Unehrlichkeit.

Natürlich wird normalerweise Gewalt nicht als solche deklariert. Sie kommt durch die Hintertür: „Du solltest das tun, was ich für richtig halte. Wenn du das nicht tust, geht es mir schlecht.“ Noch hinterhältiger: „Du solltest immer gehorchen, denn dann kommst du besser zurecht im Leben.“- Oder mit dem Versprechen: „Wenn du gottgefällig lebst, kommst du in den Himmel, sonst erwartet dich die Hölle! Und ich sage dir, was Gott will!“ Ketzerische Frage: Woher wissen wir, was er gesagt hat, wenn ihn noch keiner gesehen oder gar gehört hat?

Wenn die Anpassung lang genug gefordert wird, verstummen in uns die Empfindungen, was wir „eigentlich“ fühlen und tun würden. Statt primärer Gefühle von Ablehnung und Protest entstehen in uns Ersatzgefühle, die helfen, den Druck in eine andere Richtung lenken und besser zu ertragen: Statt des Gefühls der Unterordnung macht sich zum Beispiel das Pflichtgefühl zum Helfen breit. Dort erhalten wir soziale Anerkennung, die wir brauchen und wollen, und das verstärkt unsere angepasste Meinung als angeblich richtig.

Ein anderes Ersatzgefühl ist Müdigkeit, die sich bis zur Trauer und Depression steigern kann. Der Druck von außen entfacht Gegendruck in uns, der aber nicht nach außen geäußert werden darf. Also bleibt die Energie in uns und wendet sich gegen uns selbst. Wir glauben schließlich sogar, dass wir selbst nicht gut genug sind. Wer lange genug Druck – also Aggression! – anstaut, ohne Erleichterung  zu erfahren, verhält sich wie ein Dampfkessel, der platzt, wenn der Druck zu hoch ist. Überspitzt gesagt: Wenn jemand sich selbst tötet, muss man fragen, wem die Aggression wirklich galt.

Fremdbestimmung sorgt typischerweise auch dafür, dass wir unsere eigene Überzeugung und unsere eigenen Gefühle zunehmend infrage stellen und nicht mehr wahrnehmen oder gar als störend empfinden. Deshalb brauchen wir auch so viele Psychiater und Psychologen, die uns bei der Erkennung und Bewältigung unsere Konflikte helfen.

Wenn wir wirklich immer ehrlich sein wollen, müssen wir zuerst erkennen, welche Gefühle und Glaubenssätze in uns echt und welche aufgesetzt, anerzogen, fremdbestimmt sind.

Selbst wenn wir diese Grundbedingung weglassen und überlegen, was wir in dem Zustand, in dem wir gerade jetzt sind, denken, fühlen und tun wollen, werden die Meinungen ungedämpft aufeinander prallen. Ich sehe da schwarz: Bei totaler Ehrlichkeit kommt der totale (Über-) Lebenswille sofort hinterher. Hauen und Stechen um Macht bricht offen aus – und zwar schlimmer als ohnehin schon.

Ehrlichkeit ist nicht immer befreiend, gut und erstrebenswert. Ehrliche Aussagen können entmutigend, beleidigend, zerstörerisch, rechthaberisch und gemein sein.

Wenn wir alle immer ehrlich wären, müsste ich manchen Patienten sagen, dass ich sie fett, unästhetisch, ungezogen, ungepflegt, ungerechtfertigt anspruchsvoll finde. Und ich müsste damit rechnen, dass sie mich als arrogant, hochnäsig, egoistisch und eingebildet bezeichnen.

In den vergangenen Jahrtausenden hat es sich als lebenserhaltend erwiesen, dass Menschen nach außen freundlich und hinter den Kulissen heimlich und oft hinterhältig sind. Dadurch entstanden einerseits die Diplomatie und offizielle Politik und anderersetis die Geheimdiplomatie und Geheimdienste, die meist das Gegenteil beabsichtigen. Skrupellosigkeit, Hass, Menschenverachtung werden kaschiert und schöngeredet. Erst wenn Verrat und Betrug nicht mehr zu verbergen sind, werden sie zögernd zugegeben und durch das Verhalten des Gegners begründet und gerechtfertigt.

Mit Ehrlichkeit würde die Kommunikation einfacher, direkter und schonungsloser. Eigentlich ist es ja gut, wenn Aussage und Verhalten des Gegenübers unmissverständlich sind. Dann wissen wir, woran wir sind und können, ehrlich, wie wir sind, unmissverständlich reagieren.

Ich vermute, das wird noch lebensgefährlicher als ohnehin schon. Es sei denn, der Drang zur Ehrlichkeit ist größer als der Überlebenswille.

Wenn alle ehrlich wären, könnten viele Priester und andere Männer offen zu ihrer Pädophilie stehen. Die Katholische Kirche müsste auch das Verhalten einiger Priester nicht decken, die – wie eine sorgfältig recherchierte Dokumentation von ARTE nachgewiesen hat[1]– ihre Macht missbrauchend weltweit Nonnen zum regelmäßigen Sex zwingen unter dem Vorwand, ihnen Jesu Liebe zuteilwerden zu lassen. Doris Wagner ist eine der Frauen, die als Nonne regelmäßig von ihrem vorgesetzten Mönch und später von dessen Bruder, ebenfalls Mönch(!), missbraucht wurde und inzwischen mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit ging und zwei Bücher[2] schrieb. Sie ist eine der wichtigen Stimmen, um den Vatikan zur Aufarbeitung der Skandale zu bringen.[3]

Es gibt laut ARTE nachgewiesene Fälle, wo Priester den Oberinnen eines Ordens Geld gegeben haben und diese dafür den Priestern die Nonnen lieferten. Nonnen, die schwanger werden, müssen oft auf Geheiß ihres Ordens abtreiben und werden dann mittellos aus dem Orden verstoßen. Das alles wurde vom Vatikan verschwiegen, der sich damit selbst der Vertuschung und Unterstützung krimineller Handlungen schuldig gemacht hat. –  Man müsste mal juristisch klären, ob dieses Verhalten der Katholischen Kirche die Merkmale des organisierten Verbrechens erfüllt.

Jetzt beginnt erst die Aufklärung, nachdem die Medien zunehmenden Druck gemacht haben und der Papst den „Missbrauchsgipfel“ im Februar 2019 einberufen hat. Allerdings muss der Verdacht oder die Tatsache des Missbrauchs nur an kirchliche Stellen gemeldet werden. Die Organisation, zu der die Übeltäter gehören, kontrolliert sich selbst. Damit bleibt von vornherein und wie bisher die Transparenz ausgeschlossen.

Wer diese Missstände nicht wahrhaben will, sie ableugnet, ihnen aus dem Weg geht, trägt seinen Teil dazu bei, dass sie weiter so bestehen. wie sie schon immer waren. Quis tacet, consentire videtur. Wer schweigt, scheint zuzustimmen.

Wenn wir alle ehrlich wären, würde Herr Trump sagen: „Ich bin einer der größten Lügner, die jemals US-Präsident waren.“

Konkretes Beispiel: Die Washington Post veröffentlicht täglich nach sorgfältiger Faktenüberprüfung die Lügen und irreführenden Behauptungen von Donald Trump seit seinem Amtsantritt. Am 07. Juni 2019, also 869 Tage nach Amtsantritt, war Trump bei 10.796 Lügen und irreführenden Behauptung angekommen. Interessant ist, dass er im ersten Jahr als Präsident durchschnittlich täglich etwa 5,9 falsche oder irreführende Behauptungen aufgestellt hat, während es im zweiten Jahr 16,5 pro Tag waren, also fast dreimal so viele!

Und viele Republikaner könnten offen zugeben, dass sie Trump nur unterstützen, weil sie um ihren eigenen politischen Posten bei der nächsten Wahl fürchten.

Was mich wirklich besorgt, ist die Tatsache, dass immer noch so viele Amerikaner Trumps Verhalten und Politik sehr gut finden. Es ist also keineswegs nur Trumps Verantwortung, dass er so rücksichtslos und kriegstreiberisch handelt. Die Überzeugung, das naturgegebene Herrschervolk der Welt zu sein, ist offen erkennbar seit vielen Jahrzehnten tief in der amerikanischen Bevölkerung verwurzelt. Die US-Politik der Neuzeit war und ist eine hegemoniale Politik, die nach Verwirklichung des einzigen weltweiten Imperiums strebt. Und dafür sind den Vertretern dieser Politik alle Mittel recht. Die meisten Kriege, in die die USA verwickelt waren und sind, stellen klare Brüche des Völkerrechts dar: Es sind Angriffe auf fremde Länder, die die USA nicht angegriffen haben. Und die UNO hat diese Angriffe nicht genehmigt!

Wenn wir alle ehrlich wären, würden viele Eheleute sofort auseinander gehen, statt auf Dauer vergiftet und entmutigt nebeneinander her zu leben. Viele gedemütigte Frauen würden die Kraft finden, zu ihrem Wissen um die Freundin des Ehemanns zu stehen und die Ehe mit erhobenem Haupt verlassen, statt weiterhin deprimiert und verzagt die brave Ehefrau zu spielen. Viele Ehemänner würden ehrlich sagen, dass sie fremdgehen, und sie würden die Konsequenzen ziehen.

Diplomaten würden keine Politik der vielen Gesichter machen, sondern in den Verhandlungen und dem Volk gegenüber(!) Klartext reden.

Viele Ärzte würden häufiger ihre Unwissenheit zugeben, statt die Überlegenen zu spielen.

Wenn der Drang zur Macht größer bleibt als die Macht der Ehrlichkeit, wird sich nichts ändern am derzeitigen Zustand der Menschheit.

Wenn wir alle ehrlich wären, würden wir die Lüge gar nicht kennen. Die Ehrlichkeit lebt ihren hohen ethischen Wert nur im Kontrast zur Lüge. Licht erkennen wir auch nur, weil wir das Dunkel kennen.

Wenn wir alle ehrlich wären, könnten wir trotzdem versuchen, Kompromisse zu schließen, aber dann keine faulen, sondern ehrliche.

Jetzt leben viele Berufsgruppen von der Unehrlichkeit. Die Werbeindustrie zum Beispiel hat als Maxime, den Umsatz ihrer Auftraggeber zu steigern und nicht etwa, die Wahrheit zu verbreiten. Das macht sie, indem sie gute Gefühle in den Menschen weckt, die wiederum glauben, mit dem Kauf des beworbenen Produktes eben diese Gefühle zu erwerben. Es geht nicht darum, ehrlich mit dem Kunden umzugehen, sondern ihm seine Wunschwelt vorzuspielen, ihm sein Geld aus der Tasche zu ziehen und Einfluss auf ihn auszuüben. Wenn die Werbeindustrie immer ehrlich wäre, dürfte sie viele Aufträge gar nicht annehmen, weil diese nichts anders bezwecken, als die Vorspiegelung falscher Tatsachen so alltäglich zu machen, dass sie als Wahrheit akzeptiert werden. Das Motto lautet: Eine Lüge wird umso mehr zur Wahrheit, je häufiger sie überall wiederholt wird.

Ebenso ist es mit der PR-Industrie, die eine Imagekampagne nach der anderen zu enorm hohen Preisen führt, um bestimmte Menschen und ihre Ideen zu preisen und andere zu diffamieren. Das ist der übliche Propagandarummel vor den Wahlen, vor Kriegen, vor wichtigen politischen Entscheidungen. Das erste, was schon vor dem Krieg stirbt, ist die Wahrheit. Zuerst muss eine Ideologie entwickelt und propagiert werden, der das Volk folgt. Denn nur damit lassen sich Lug und Trug, Mord und andere Grausamkeiten scheinbar rechtfertigen. Nur drei solche historische Propagandasätze als Beispiele: „Die Polen haben unsere Grenzsoldaten angegriffen!“ – „Der Irak besitzt Massenvernichtungswaffen!“ – „Die Juden sind eine minderwertige Rasse!“

Die PR-Firmen müssten komplett ihre Strategie umstellen, wenn sie immer ehrliche Aussagen veröffentlichen wollten. Stellen wir uns mal vor, wie die Zeitungen, Fernsehsendungen und sozialen Medien langweilig werden, wenn alle dieselben Tatsachen bringen! Dann gibt es keine Verleumdung, keine Hassbotschaft, keine Lügen mehr! Dann sind die Beschuldigungen und Angriffe ehrlich und offen auf dem Markt und werden mit Namen und nicht mehr anonym veröffentlicht.

Die Verteidigung der Wahrheit und des Rechts obliegt den Juristen. Es ist bekannt, dass im Allgemeinen nicht der Recht bekommt, der Recht hat, sondern der den besseren Anwalt hat. Das weiß ich aus meiner Lebenserfahrung und aus mehreren Gesprächen mit Anwälten und Richtern. Zeitung und Fernsehen liefern täglich Beweismaterial zu dieser These. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, aber manche sind eben doch ein bisschen gleicher.

Wenn wir alle ehrlich wären, würde nur noch offen um das gestritten, was jetzt hinter vorgehaltener Hand umkämpft wird. Man kann dann ehrlich sagen, dass der Neid die Welt antreibt und nicht das Geld und schon gar nicht die Ehrlichkeit. Denn hinter jedem angestrebten Wertgegenstand oder Zustand steht der Wunsch, ein Gefühl zu verwirklichen. Dann brauchen wir Anwälte, die unsere tiefsten menschlichen Bedürfnisse nach Geltung, Ansehen und Macht offensiv vertreten. Welches Gericht wird das be- und verurteilen, wenn es sich doch um ehrliche und authentische Anliegen handelt?

Wir können auch den „halben Weg“ der Wahrheit gehen: „Alles, was du sagst, muss wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, musst du sagen!“

Dieses Prinzip kann uns zum Beispiel in schwierigen Lagen bei einem Schwerkranken helfen, von dem wir glauben, dass er die ganze Wahrheit mit allen Konsequenzen jetzt nicht auf einmal erträgt. Die Grenze dessen, was ich sage, prüfe ich nach meiner Darstellung der Diagnose mit der Frage „Möchten Sie noch etwas wissen?“ und dem Satz „Wenn Sie mehr wissen wollen, sagen Sie es mir bitte.“

Jeder Patient hat das Recht auf Information und auf Nicht-Information. Ich denke, wir dürfen ihn nicht überfrachten mit Wissen, das er möglicherweise nicht ertragen kann. Aber wichtig ist, dass – wo immer das noch möglich ist – der Patient das Ausmaß der Information entscheidet und nicht der Arzt oder Pfarrer oder Ehepartner. Die Zeit der patriarchalischen Haltung ist vorüber, in der wir glaubten, es besser wissen und über den Patienten erhaben zu sein und über ihn bestimmen zu dürfen.

Eine richtige und für mich lebens- und berufsprägende Antwort bekam ich von einem früheren Oberarzt, der eine Sprechstunde für Brustkrebspatientinnen leitete. Ich fragte ihn, ob er allen Frauen die Wahrheit sage. – Er sagte: „Ja, ich sage allen Frauen die Wahrheit. Denn erstens bin ich Christ und glaube, dass ich nicht lügen darf. Und zweitens habe ich so ein schlechtes Gedächtnis, dass ich morgen nicht mehr wüsste, wen ich angelogen und wem ich die Wahrheit gesagt habe. Ich nehme mir immer Zeit, auf die Reaktionen und Gefühle der Frauen einzugehen.“

Auch in der Beziehung unter Partnern ist das Vertrauen auf Ehrlichkeit eine Voraussetzung für das Gelingen. Trotzdem muss man nicht alles wissen, nicht alles fragen, nicht alles erzählen. Wichtig sind Verständnis für den Partner, Rücksicht auf seine Gefühle, Verletzlichkeit und Eigenständigkeit. Ehrlichkeit sich selbst gegenüber ist die Voraussetzung, dem Partner gegenüber ehrlich sein zu können.

Der Begriff der Notlüge ist allgegenwärtig. Wir meinen damit Situationen, in der wir uns selbst oder jemand anderen schützen wollen, indem wir bewusst etwas Falsches sagen.

Lüge ist eine Form von Gewalt, weil sie das Vertrauen, mit dem wir leben wollen, erheblich stört.“ Dieser Gedanke steht im Katholischen Jugendkatechismus. Ausgerechnet die Katholische Kirche sagt so etwas!

Aber im DUDEN steht nicht das Wort Not-Ehrlichkeit! Trotzdem kenne ich Situationen, in denen es wichtig ist, jemanden mit Tatsachen zu konfrontieren, die ihn von Entscheidungen abhalten, die er nicht trifft, wenn er diese Tatsachen kennt. Beispiel: Jemand will unbedingt dieses Haus kaufen, und seine ganze Seligkeit hängt von diesem Kauf ab, aber ich weiß, dass er schwer krank ist und die Schulden nie abzahlen kann, sondern sie seiner Frau hinterlässt, die damit in die Armut stürzt. Dann denke ich, sollte ich taktvolle und ehrliche Wege finden, um ihn von dem Kauf abzuhalten.

Ich bin mir nicht sicher, ob das Leben leichter und besser wäre, wenn wir alle ehrlich wären. Wir wären uns aber sicher über unsere echten und ehrlichen Gefühle und Gedanken, und wir könnten dazu immer stehen. Wir müssten wenigstens nicht fürchten, betrogen und belogen zu werden. Stattdessen werden wir ehrlich und offen angegriffen. Dann werden wir aber auch ehrlich und offen geliebt.

[1] In ARTE am 04.03.2019 um 20.15 h gesendet.

[2] Nicht mehr ich, Taschenbuch und Spiritueller Missbrauch, Herder-Verlag

[3] Siehe auch Interview mit Doris Wagner und Kardinal Schönborn, Wien: www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/report-muenchen/videos-und-manuskripte/missbrauch-kirche100.html

Published inProsa

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