-
Der längste Bus
Wennemann grübelt schon seit Jahren,
ob ein hypothetisch gedachter
unendlich lang gemachter
Bus kann um die Kurve fahren.Aberach beweist, dass dieser Bus,
weil der relative Einstein, und das stimmt,
unendliche Gerade in sich selbst zurückgekrümmt,
letztendlich um die Kurve fahren muss.Ein solcher Bus, so rechnet er ihm aus,
führe, der Beweis ist nicht so schwer,
nicht nur sich selber hinterher,
sondern zugleich sich voraus.Überdies, und die Gefahr ist gross,
käme das unendliche Gefährt,
gleich ob es linksrum, rechtsrum fährt,
mit sich selber zum Zusammenstoss.Andrerseits, ist er sich bald im Klaren,
ist der überlange Stretchgeselle
zur gleichen Zeit an jeder Haltestelle
und müsste somit gar nicht fahren.Ergo gibt es, schliesst er mit Stringenz,
im Unendlichen nicht Ort, nicht Zeit,
sondern nur die schiere Ewigkeit
gepaart mit Omniopräsenz.(06.06.2017 0600) © E W Grundmann
-
Hagrose
(31.5.2017)
Ein Wunder erblicke ich im grünen Strauch
Küsse es behutsam, als wäre es ein Hauch
Fünf Herzen betören mich nach ihrem Brauch
Freude schenken und empfangen möchte ich auch
-
Wanderer
(1.6.2017)
Die Zärtlichkeit deiner Anschauung
verwandelt den eingenisteten Kummer
in farbenfrohe Schmetterlinge
die behutsam Leben lehren
Du lässt deine Erkenntnisse
sanft wandern
und Herzens Knospen öffnen sich -
Wenn das Gestern
und der Tag davor
noch zu meinem Jetzt gehören
wie auch das Morgen
und der Tag danach
dann ist das meine GegenwartWenn ich mich an vorgestern erinnere
und wieder das Jetzt von dort
betrachte
und die Zukunft von damals
die inzwischen schon vergangen ist
dann spüre ich
den Hauch der Ewigkeit
und im gedanklichen Tun
kann mein Engel
sich mir nahen***
Ein Tropfen
auf dem Boden des Zimmers
ein Tropfen aus Wasser
kein Tautropfen
kein Regentropfen
ein Tropfen vom Giessen der Pflanzen
oder…Sichtbar gewordene Träne
eines unsichtbaren Wesens?***
Gedichte sind …
Gedichte –
gewandeltes LeidErkenntnisfrucht
nach langer SucheAntwort der Engel
auf die ungestellte FrageBotschaft aus fremden Welten
Auftrag
Von wem?Ruf deines Du
oder der Ruf nach ihm?Strandgut am Morgen
aus dem Nachtmeer -
Die Münze auf dem Weg
Heute Morgen
auf dem gewohnten Weg
(nur das Ziel in der Ferne
war nicht alltäglich)
gingen meine Füße von selbst
wussten wohin
meine Augen halfen
die Hindernisse im Voraus
zu beseitigenIch blickte innerlich
weder voraus
noch zurück
ich … entwirrte Gedankenfäden
– habe ich ein inneres Katzenwesen
das mit den geordneten Gedankensträngen
spielte? –Viele Fäden
hatten ihren Ursprung im Wesentlichen
wie zum Beispiel:
was ist das Böse?
Kann ich es überwinden?
Gemeinsam mit anderen?
Können wir es angstfrei betrachten?
Wo liegt der Sinn?
Ist Wandlung möglich?
Wie?Noch konnte aus den Gedankenfäden
kein brauchbares Gewebe entstehen
( brauchbar
nichts Künstlerisches)
da fragte ich mich
– oder wer war es?–
was willst du erreichen?
Ich möchte
Mut machen
helfen Ängste zu überwinden
ohne irgendwas
zu verniedlichen
ohne der Illusion
einer heilen Welt zu verfallen
Da
mein Auge sah ein kleines Blinken
der Fuß stoppte
eine Münze
verloren?
Achtlos fallen gelassen?Der Wert ist gering
und doch…
Die fünf Eichenblätter
die beiden Eicheln …
Bevor Zweifel
mein Wollen stören konnten
bin ich ermutigt worden
Welchen Wert
kann eine kleine
Ein-Cent Münze besitzen!Helga Thomas
11.3.2017
-
Ich schreibe um
Unsichtbares
sichtbar
Unhörbares
hörbar
werden zu lassen
Ich könnte auch
malen oder komponieren
wenn ich es könnte
aber im Schreiben
ist beides vereint:
das Sehen
das Hören
und wenn du
zu den Worten tanzt
sie tanzen lässt in dir
dann schließt sich dem Sehen und Hören
das Tasten noch anIch schreibe um
Unsichtbares
sichtbar
Unhörbares
hörbar
werden zu lassen
für mein Du
für den Fremden
der sich
vielleicht zum Freund wandelt
für michIch – und vielleicht auch der andere –
kann so erkennen
mich erfreuen
und allmählich
beginnt mein unsichtbarer Leser Hörer
für den ich schreibe und dichte
zu sprechen
Meine Worte
werden zum Netz
das Fische fängt
aus dem Meer der geistigen Welt
meine Worte
werden zur Schale
die unsichtbare Tropfen
aus anderen Welten empfängtVielleicht
schreibe ich eigentlich
um mit meinem
Engel
im Gespräch zu seinDas Gedicht ist eigentlich entstanden aus einem Mangel*, aus Erlebnissen und Synchronizitäten, die sich zum eigentlichen Gedicht verdichteten. Vielleicht sollte ich davon erzählen?
*Ich vermisse meine Aphorismensammlung „Ich schreibe um“
Helga Thomas
6.3.17, 8.15 Uhr
-
Beitrag zur Lesung Gehen oder Bleiben auf dem BDSÄ-Kongress 2017 in Gummersbach
Zähne, die fehlen
Ein Zahn, der beißt, der tut nicht weh,
ein Zahn, der nicht mehr beißt, tut doppelt weh.
Ist es mit Zähnen wie mit Partnern?
Sie machen Schmerzen, bis man sie bekommen hat,
sie machen Schmerzen, seit man sie bekommen hat,
und machen Schmerzen, wenn sie hassen
und schließlich uns verlassen.
Der Zahnbruch, subjektiv genommen,
ist ohne Zweifel immer unwillkommen.Mitunter sitzt die ganze Seele
In eines Zahnes dunkler Höhle.
Ein hohler Zahn ist ein Asket,
der allen Lüsten widersteht,
weil Mundgeruch dem hohle Zahn entweht.
Auch können Zahnspanggürtel
fungieren wie ein Keuschheitsgürtel.
Doch hat’s die gute Eigenschaft,
dass sich dabei die Lebenskraft,
die oft man außenhin verschwendet,
auf einen Innenpunkt hinwendet.
Es ist und bleibt ein weher Zahn
ein schlechter Schlafkumpan.Ein Zahn, er macht mitunter
die faulsten Leute munter.
Besonders an den Zähnen nagt
der Zahn der Zeit und plagt.
Die Lust aufs allerbeste Beafsteak
wächst, wenn der letzte Zahn fällt weg.
Es ist und bleibt der wehe Zahn
ein schlechter Fresskumpan.Wird der Betäubungsstich gesetzt,
und fühlst du das bekannte Bohren,
das Zucken, Rucken und Rumoren,
ist sie beendet, deine Weltgeschichte,
vergessen sind die Kursberichte,
die Steuern und das Einmaleins,
kurz, jede Form gewohnten Seins.
Was sonst real erscheint und wichtig,
wird plötzlich wesenlos und nichtig.
Es ist und bleibt der wehe Zahn
ein schadenfroher Wegkumpan.Warum bohrt bloß
der Zahnarzt früh am Morgen los?
Ach ja: die Morgenstund
hat Gold im Mund!Ja, selbst die alte Liebe rostet,
man weiß nicht, was der Zahn im Urlaub kostet,
denn einzig in der engen Höhle
des wehen Zahnes weilt die Seele,
und unter Toben und Gesaus
entschließt du dich: Er muss heraus!Du kommst zum Schluss:
Dich reizt das Apfel-Essen nicht.
O, lass uns schauen!
Du hast bloß Implantate nicht
genug zum Apfel-Kauen! -
Sonne, schenk uns wieder deine Kraft,
Leuchte uns in diesen finstern Zeiten.
Sollst uns aus der tiefen, schwarzen Nacht
In ein neues helles Land geleiten. -
Panta rhei
Wenn plötzlich alles anders ist,
Was ist besonderes daran?
Wir wissen doch, dass alles fließt,
Der Zeiten Lauf hält niemals an.Aus Sternenstaub zur Erde schwebend
Erblicken wir das Licht der Welt.
Behaucht von Odem, sind wir lebend
Aus den Atomen auf die Erd` gestellt.Und plötzlich stehst im Leben drin
Du armer Tor.
Wer gibt dir Ziel und Sinn,
Und wer die Richtung vor?Der Weg, den du beschreitest –
Ist`s Geschick?
Der Kampf, den du bestreitest –
Fallen oder Glück?Die Zeit verrinnt. Nun ist`s an dir
Das nächste Glied der Kette neu zu schmieden.
Was jetzt beginnt, das wissen wir:
Das ew`ge Räderwerk kennt keinen Frieden.Versuch du nur,
Die Kette zu durchbrechen.
Es wird verwehen deine Spur,
Das Fehlen wird sich einstmals rächen.Und weiter, weiter, Wand`rer durch die Zeit.
Was dir begegnet, hat bestimmt dein Los.
Glück, Unglück, Krankheit, Tod hält es bereit;
Wer steuert auf dem Strome unser Floß?Der Strom wird breiter,
mündet in das Meer der Ferne.
Und silbrig-glänzend steigen immer weiter
Tautropfen auf und werden Staub der SterneDiese Gedicht wurde bei dem BDSÄ-Kongress 2017 in Gummersbach vorgetragen.
-
Gemälde
(6.5.2017)
für Fee Strieffler und Wolfgang Jung
Am Balkongeländer im dritten Stock
begrüßt mich bezaubernd
ein Freude spendendes Gemälde
Rosa-weiße Blütenblätter
mit zarten violetten Adern
beherbergen grüne Augen
und ihre gelben Wimpern
Einige Blüten voll entfaltet
andere halboffen
betören im morgendlichen SonnenscheinDu, zärtliche Clematis!
Mit welchen Hoffnungen wurdest du gepflanzt
welche Gedichte hast du erlebt
wie oft hast du den Frühling umarmt
dass du so beharrlich kletterst
und so liebevoll gestaltest۞۞۞
Gestalten
(6.5.2017)
für Michael Lüders
Die Liebe zum Leben
ist mein Beweggrund
mir der eigenen Endlichkeit bewusst
und der Gegebenheit
dass Wirtschaftssysteme
Beziehungen darstellen
Beziehungen und Einstellungen
der Menschen zu Menschen
zur Natur
und im weitesten Sinne zum DaseinAusgerüstet mit diesem Werkzeug
betreibe ich offenherzig
im vielschichtigen gesellschaftlichen Geflecht
eine gestaltende Gewichtung der Geschehnisse۞۞۞