Schlagwort: Familie

  • NATO

    (15.9.2017)

     

    Manche reden über die Kriegsverbrechen
    der NATO-Mitglieder
    in Jugoslawien, Afghanistan, Irak
    Libyen, Syrien oder anderswo
    klagen über die Beschlüsse
    zur Erhöhung der Militärausgaben
    angesichts der sozialen Misere im Lande
    übersehen dabei die eindeutige Gegebenheit
    dass im Falle einer Mehrheit im Bundestag
    mit einer regulären einjährigen Frist
    ein Austritt aus der NATO möglich ist
    und mit einer Frist von zwei Jahren
    der Stationierung ausländischer Streitkräfte
    ein Ende gesetzt werden kann

    ֎֎֎

    Ergänzende Quellenangaben unter:https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2017/09/nato1.pdf

     

  • H.E.R.B.S.T

    (22.8.2017)

     

    Huldige der Botschaft der Zugvögel
    Erwache mit dem Wandel der Farben
    Reihe dich ein in den Zug der Lebensbejahenden
    Bleibt dir lediglich ein Atemzug übrig
    Singe auch dann das Lied der Liebe
    Tauche ein in den Ozean der Verbundenheit

    ֎֎֎

  • Die Lithografie stammt von Fritz Hug, Schweizer Maler, 1921-1989

     

    Elephant

    André Simon

     

    Walk my child, walk. Although small now, you have at present a good memory, to remember my lesson.

    Walk slowly and calm on your life path. In front of water, do not be afraid, because you can already swim.

    Don´t worry,   because the gloomy events will pass. You have big ears and good ears to hear the bird’s whistles. Enjoy every day their heavenly music.

    And remember always, always, your Daddy is behind or beside you, so fear of nothing during your whole life.

    Dr med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung

    Geh, mein Kind, geh. Obwohl du jetzt klein bist, hast du schon ein gutes Gedächtnis, um dir meinen Rat zu merken. Geh langsam und ruhig auf deinem Lebensweg. Wenn du vor Wasser stehst, hab keine Angst, denn du kannst schon schwimmen.

    Mach dir keine Sorgen, denn die düsteren Ereignisse gehen vorbei. Du hast große Ohren und gute Ohren, um das Vogelzwitschern zu hören. Freu dich jeden Tag an ihrer himmlischen Musik.

    Und denk immer, immer dran: Dein Vater steht hinter oder neben dir. Also hab vor nichts in deinem ganzen Leben Angst.

  •  

     

    There is a legend of an admirable singing bird from Paraguay. The legend tells that once upon a time, high up in the branches of an orange tree in blossom, squatted an Indian boy. The boy used to climb trees despite the warnings of his mother, not to do so. However, one time, frightened by a call from his mother, he lost his hold, and fell to his death.

    Held in the arms of his mother, by a magic spells, the boy turned into a sky-blue singing bird named Celestin. The bird started to sing sweet melodies, and afterwards flew away lost in the sky over the forests of orange trees. Meanwhile, if one hears this cheerful and high-spirited singing, one thinks immediately of the Indian boy.

    Sometimes, Celestin hops around and picks at the oranges, which are its favorite fruit, and will never be tired of them.

    The legend, perhaps, teach us to behave in life like this singing bird; not to look back in life with regrets and cry, but singing to look towards the future and the blue-sky. 

    Dr med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung con Dietrich Weller

    Es gibt eine Legende über einen bewundernswerten Singvogel aus Paraguay. Die Legende erzählt, dass vor langer Zeit ein indianischer Junge hoch in den Ästen eines blühenden Orangenbaumes kauerte. Der Junge kletterte oft auf Bäume, obwohl seine Mutter ihn warnte, das nicht zu tun. Aber eines Tages erschrak er durch den Ruf der Mutter so sehr, dass er den Halt verlor und zu Tode stürzte.

    Während er in den Armen seiner Mutter gehalten wurde, verwandelte sich der Junge durch einen Zauberspruch in einen himmelblauen Singvogel namens Celestin. Der Vogel fing an, süße Melodien zu singen, und anschließend flog er fort, verloren im Himmel über den Wäldern der Orangenbäume. Inzwischen denkt man sofort an diesen indianischen Jungen, wenn man diesen fröhlichen und hochspirituellen Gesang hört.

    Manchmal hüpft Celestin umher und pickt an den Orangen, die seine Lieblingsfrüchte sind. Und er bekommt nie genug davon.

    Die Legende lehrt uns vielleicht, sich im Leben so zu verhalten wie dieser Singvogel: im Leben nicht mit Bedauern und Weinen zurück zu schauen, sondern zu singen, um vorwärts der Zukunft und dem blauen Himmel entgegen zu blicken.

     

    Nachtrag 

    Die Musik zur Legende hat Guillermo Edmundo Breer komponiert. Er wurde am 24.7.1913 in Buenos Aires geboren und war der Sohn eines Schiffs-Bauingenieurs aus Hamburg, der um 1900 nach Argentinien auswanderte.

    Die Melodie des Liedes spielt Daniela Lorenz auf der paraguayischen Harfe. Unter diesem Link kann es angehört werden.

    https://soundcloud.com/daniela-lorenz/1-el-p-jaro-chog

     

     

     

  •                                    


    Life is …

    Row, row, row your boat
    Gently down the river,
    Merrily, merrily, merrily,
    Life is but a dream                                                                                                                                                                        

    This song known as a nursery rhyme is based on the Chinese popular song YIU, YIU, YIU, YIU DOU NGIPU KIU (Row, row, row, row by the bridge to Grandma’s house). The grandmother is to transmit their experiences to the grandchildren.

    It would be nice, if this passage had such a quality, which could flow from her to the grandchildren, just as water from one vessel, which is connected to another vessel, flows, until the water level is the same in both of them.

    As many others, this children song has taught the generations of kids the basic life’s lessons. In this song:

    Rower are you

    Your boat signifies your life

    You are not rowing on one occasion, but…….

    Row, row, row, means: you are continuously ‘rowing’ during all your life.

    The river represents the time of the entire life’s journey. Each instant the river is renewed like the time too. Heraclitus of Ephesus (535 BC– 475 BC) noted that everything flows (πάντα ῥεῖ-) and is summed up in his mysterious statement „Ever-newer waters flow on those who step into the same rivers.“ Consequently,” tempus fugit “(time flies), or as the ancient Roman poet Vergil expressed: FUGIT INREPARABILE TEMPUS (it escapes, irretrievable time).          This is proverbial warning, therefore “carpe diem” (seize the day).

    Merrily, merrily, merrily, – your rowing is gently and slowly, not arrogant or imposed, but allowing it to go with a flow of the river. With our merrily (cheerfully) approach, we have the ability to make a dream-like our life’s journey. Therefore ………

    Life is but a dream. Life is solely a dream. However, by our kindly attitude towards the others our dream might be marvelous too. 

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dr. Dietrich Weller

    Leben ist …

    Rudere, rudere, rudere dein Boot
    sanft den Fluss hinunter.
    Fröhlich, fröhlich, fröhlich,
    Das Leben ist nur ein Traum.

    Dieses Lied, bekannt als Kinderreim stammt von dem chinesischen Volkslied Yiu, Yiu, Yiu, Yiu Dou Ngipu Kiu (rudere, rudere, rudere neben der Brücke zu Großmutters Haus). Die Großmutter soll ihre Erfahrungen an die Enkelkinder weitergeben.

    Es wäre reizvoll, wenn diese Passage so gestaltet wird, dass sie von der Großmutter zu den Enkeln fließen könnte, gerade so wie wenn Wasser von einem Gefäß, das mit einem anderen verbunden ist, fließt, bis der Wasserspiegel in beiden gleich hoch steht.

    Wie viele andere hat dieses Kinderlied Generationen von Kindern die grundlegenden Lebenslektionen gelehrt. In diesem Lied

    Ruderer bis du.

    Dein Boot bedeutet dein Leben.

    Du ruderst nicht nur bei dieser einen Gelegenheit, sondern

    Rudere, rudere, rudere bedeutet, dass du ständig durch dein ganzes Leben ruderst.

    Der Fluss steht für die Zeit deiner gesamten Lebensreise. Jeden Moment wird der Fluss erneuert wie die Zeit auch. Heraklit von Ephesus (535-475 v. Chr.) schrieb, dass alles fließt (πάντα ῥεῖ) und zusammengefasst wird in der geheimnisvollen Behauptung Immer neue Wasser überströmen alle, die in denselben Fluss steigen.[1]

    Folglich Tempus fugit – es flieht die Zeit, oder wie der alte römische Dichter Vergil es ausgedrückt hat: Fugit inreparabile tempus – die Zeit flieht unwiederbringbar, sie flüchtet und kann nicht wieder gewonnen werden. Dies ist eine sprichwörtliche Warnung, deshalb carpe diem – erfasse den Tag. 

    Merrily, merrily, merrily  – dein Rudern ist sanft und langsam, nicht arrogant oder aufgezwungen, aber es erlaubt dir, mit der Strömung des Flusses zu schwimmen. Mit unserer fröhlichen, heiteren Weise haben wir die Fähigkeit, einen Traum wie deine Lebensreise zu erschaffen. Deshalb …

    Das Leben ist nur ein Traum. Das Leben ist ausschließlich ein Traum. Jedoch kann er durch deine freundliche Art gegenüber den Anderen auch ein wunderbarer werden.

     

    [1] Anmerkung des Übersetzers:

    Im Deutschen gibt es das Sprichwort: Du kannst nie in denselben Fluss steigen.

    Im Deutschen gibt es den feinen Unterschied zwischen der gleiche und derselbe. –
    Am Beispiel erklärt: Fritz hat das gleiche Auto wie Peter. – Das heißt, es sieht identisch aus (gleiche Marke, gleicher Typ, gleiche Farbe etc.), aber wenn man genau hinschaut, hat es z.B. eine andere Motornummer und ein anderes Kennzeichen, es ist also nicht dasselbe Auto, es ist nur das gleiche Auto.  Wenn aber Fritz sein Auto an Peter ausleiht, fährt Peter mit demselben Auto wie Fritz. –
    Grundregel: Dasselbe gibt es immer nur einmal, das gleiche kann es sehr oft geben. –
    Dann können wir das obige Zitat so formulieren: Du kannst immer in den gleichen Fluss steigen, aber nie in denselben!

    Und wenn wir schon dabei sind, „grammatikalisch Haare zu spalten“: Das gleiche schreibt man getrennt, dasselbe schreibt man zusammen. Begründung: gleiche gibt es als eigenständiges Wort (z.B. gleiche Fenster), selbe gibt es nicht als eigenständiges Wort.

     

     

     

     

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    Waltrud Wamser-Krasznai: Hier wird gebliwwe!

    zur Moderation Gehen oder Bleiben, Dietrich Weller

     

    Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich in meinem Text wie in der Überschrift gelegentlich in mein ordinäres, vertrautes Oberhessisch verfalle. Es ist die Antwort auf eine Frage, die ich meinem Mann, der über mindestens zwei Staatsangehörigkeiten verfügt und auch sonst mit allerlei ‚Hunden gehetzt‘ ist, einmal im Jahr stelle. Sein belgischer Großvater nämlich hatte ihn als jungen Burschen gefragt, ob er nicht in Flandern bleiben und Chef seines Familienbetriebs, einer Schokoladenfabrik, werden wolle. Darauf meinte Petúr:

    Opa, nach dem nächsten großen Krach werde ich in Frankfurt schon wieder einen  Sparkäfer fahren, während Du noch deine Schubkarre schiebst. Meinst Du nicht auch, ich sollte lieber dort bleiben? Da antwortete der kluge, erfahrene Opa: Junge, Du bist der einzige in der Familie, der Grips hat. Nichts wie zurück nach Frankfurt mit Dir!

    Am 3. Oktober 1989, dem Jahr, als dieses Datum bekanntlich noch nicht mit einem Feiertag gleichzusetzen war, hatte ich mich im Bezirk Karl-Marx-Stadt, dem späteren Kreis Chemnitz, ein wenig verfahren und musste nach dem Rückweg Richtung Autobahn Eisenach- Hersfeld fragen. Ich kam mit einem netten älteren Sachsen ins Gespräch, der mich förmlich anflehte: „Ach bleiben Sie doch hier, was für eine Praxis könnten Sie haben; uns laufen ja die Ärzte alle weg!“ Für einen Moment war ich durchaus nachdenklich, musste dann aber sagen: Wenn ich mich jetzt nicht beeile, werden meine Patienten zu Hause Schlange stehen bis auf den Marktplatz. Um 16.00 Uhr beginnt meine Sprechstunde und es ist leider schon 11.00!

    Zur Zeit erlebe ich in Hessen, dass archäologische Kollegen, die aus befristeten Jobs oder wegen Arbeitslosigkeit in das Vereinigte Königreich aufgebrochen waren, um dort dauerhafte Stellungen anzutreten, nun wegen des Brexit zurückströmen. Was werden sie hier vorfinden? Ihr Gesichtskreis muss sich verändert haben. Vielleicht verstehen wir einander zunächst gar nicht. Denken wir nur an die unterschiedliche Art, in Deutschland oder in den USA an eine Aufgabe heran zu gehen. Hier bei uns ist der Weg das Ziel. Auch ich bin mit dieser Einstellung aufgewachsen. So wichtig das Ergebnis auch ist, es würde doch etwas fehlen, wenn nicht schon die Arbeit am Projekt so spannend wäre und so viel Freude bereitete! Für Amerikaner dagegen zählt eins: das Resultat, und nur dieses, ohne Umwege und seitliche Arabesken.

    Unser Land und den Medizinbetrieb verlassen und anderswo neu anfangen? Dazu sind 10% unserer Landsleute bereit, überwiegend Personen mit dem nötigen Geld und mit international konvertierbarer Ausbildung. Trotzdem können sie nicht erwarten, als Auswanderer gleich die „Trepp‘ enuff  ze falle’“. Bis zu einer ernsthaften Anstellung dürften fünf Jahre vergehen, 15 Jahre sogar, um in dem ursprünglichen Beruf Fuß zu fassen und weiter zu kommen[1]. Unsere Vorstellungen von der Bedeutung einer Promotion oder Habilitation sind veraltet. Die Stellen-Besetzung funktioniert häufig Kraft Ernennung und die Besoldung erfolgt nach dem Motto: „Sprichst Du umsonst oder bringst Du das Geld mit?“

    Gehen oder Bleiben – es gibt objektive und subjektive Gründe dafür. Junge Menschen sind flexibel und richten sich nach der ökonomischen und politischen Situation. Das ist schon gut so. Die Alten beharren lieber auf ihren Gewohnheiten und versuchen das Vertraute möglichst zu bewahren. In einem alten Lied aus dem evangelischen Kirchengesangbuch, bei dem die Qualität des Textes und die Schönheit der Melodie einander in seltener Weise ergänzen[2], heißt es: „Verricht‘ das deine nur getreu“. Wenn wir das von uns sagen können, nämlich das Unsere getan zu haben oder noch zu tun, dann bleibt uns nur zu wünschen: „Noch ein bisschen weiter so!“

    Gehen oder Bleiben hat aber gerade für Schriftsteller-Ärzte auch andere Aspekte als politische, ökonomische oder soziale, nämlich einen literarischen. Wer hat etwas zu diesem Thema geschrieben, und wann?

    „Wahrgeworden
    die Weissagung der Zigeunerin

    Dein Land wird
    dich verlassen
    du wirst verlieren
    Menschen und Schlaf

    wirst reden
    mit geschlossenen Lippen
    zu fremden Lippen

    Lieben wird dich
    die Einsamkeit
    wird dich umarmen.“

    Das Gedicht heißt „Einsamkeit II“ und stammt aus der Feder von Rose Ausländer. Ich begegnete der Dichterin, die damals als solche noch fast unbekannt war, im Jahr 1972. Sie war meine Patientin in der Rheumatologie. Außer den Folgerungen, die man unschwer aus ihrem Namen ziehen konnte, wusste ich gar nichts von ihr. Mit dem Gedichtbändchen, das sie mir schenkte, konnte ich noch nicht viel anfangen und widmete ihm nicht genügend Aufmerksamkeit. Weit wichtiger war mir, dass ich es hinbekam, ihr mehrfach ohne größere Katastrophen Blut abzunehmen. Sie hatte nicht nur miserable Venen, sondern war überhaupt eine recht schwierige Frau. Übrigens handelte es sich bei dem Land, von dem sie, wie es im Gedicht heißt, verlassen worden ist, nicht um Deutschland. Vielleicht hatte sie ihre heimische Bukowina im Visier, aber eher noch die Vereinigten Staaten, die ihr einmal wegen allzu langer Abwesenheit die amerikanische Staatsangehörigkeit entzogen. Gestorben ist Rose Ausländer in Düsseldorf, wo sie seit 1965 lebte.

    Bleiben wir noch für einen Augenblick bei der Abnahme von Blut, diesem „ganz besond’ren Saft“. Ein „Tröpfchen“ davon besiegelt den Vertrag zwischen Mephisto und dem von ihm für die ewige Verdammnis vorgesehenen Faust. „Was kann die Welt mir wohl gewähren“ fragt der Rastlose, der ewig Unbefriedigte[3]:

    „Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
    Und diese Sonne scheinet meinen Leiden.“

    Irgendwann endet es dann so:

    „Zum Augenblicke werd ich sagen:
    Verweile doch, du bist so schön!“

    Also bleiben? Hier wird gebliwwe!

     

    [1] Für Informationen und bewegte Diskussionen zu diesem Thema danke ich meinem Mann, Petúr L. Krasznai, Dipl. Wirtschaftsingenieur, Butzbach und Budapest.

    [2] Georg Neumark, Wer nur den lieben Gott lässt walten, um 1641.

    [3] J. W.  Goethe, Faust I und II.

  • Das Licht

    Verschiedene kleine Begebenheiten und einzelne Gedanken veranlassten, dass mir plötzlich eine meiner ersten Kurzgeschichten einfiel (um genau zu sein meine zweite, die ich mit knapp 16 Jahren schrieb, es war jetzt vor 58 Jahren). Ich erinnerte mich an die Gesamtkomposition, an das Geschehen, durch das für meine Protagonistin plötzlich alles ganz anders war, aber ich erinnerte keine Einzelheiten, keine Worte. Erstaunlicherweise fand ich meine Kurzgeschichte ganz schnell. Objektiv gesehen schien mir mein Werk besser als vermutet, es reizte mich, sie heutigen Zuhörern vorzulesen. Ilse, genannt Ille, ist ein 17-jähriges typisches Mädchen der damaligen Zeit (vor 58 Jahren). Sie wohnt im achten Stock eines Hauses, im Haus gegenüber wohnt ein junger Mann, in den sie sich verliebt hat.

    Zuerst hatte sich Ille über dieses Haus geärgert, weil es ihre sonst so freie Sicht versperrte, aber jetzt kann sie nicht oft genug hinüber blicken. Das Leben war gleich viel schöner, weil sie wusste, dass es “ ihn“ gab. Trat Ille ins Zimmer, galt ihr erster Blick gleich dem Gegenüber. Sie wusste, es war kindisch, aber sie freute sich darüber, dass das Licht bei „ihm“ im Zimmer brannte.

    Ille hat mit ihrem Vater Krach.

    Als sie wieder im Zimmer war, hielt Pa ihr wortlos den Mantel, ihre Büchertasche und einen gepackten Koffer entgegen. Dann trat er zum Schreibtisch, überreichte ihr einen Scheck und einen Brief an ihre Tante Emma. „Hier. Ich habe von dir frechem Ding erst mal eine Weile genug. Du ziehst für einen Monat zu Tante Emma und übergibst ihr den Brief und den Scheck. Ich werde mich regelmäßig erkundigen, ob du zur Schule gehst.“

    Ille ist sprachlos. Jetzt wird sie also buchstäblich rausgeschmissen. Sie geht langsam aus ihrem Zimmer. Der Vater blickt fassungslos auf seine Tochter. Er hat sie doch nur aus dem Haus geschickt, damit sie endlich ihre Fehler einsieht und sich entschuldigt. Ein lauter Knall zeigt, dass Ille die Wohnung verlassen hat. Jetzt steht sie im Treppenhaus.

    Ille geht nun die acht Stockwerke hinunter, begegnet auf jedem Stockwerk Mitbewohnern oder Besuchern. Ihr Wesen und ihr Leben wird uns so etwas deutlicher durch diese Begegnungen. Aber wo soll sie hin?

    Wenn sie nun nicht zu Tante Emma zieht, wo dann hin? Umkehren und Vater um Entschuldigung bitten ist ebenso unmöglich. Da fällt ihr Blick zufällig durch das Flurfenster auf das gegenüberliegende Haus. Bei „ihm“ im Zimmer ist Licht. Es scheint ihr vertrauensvoll zu zunicken.

    Im fünften Stock weiß Ille, dass sie zu „ihm“ gehen wird. Jetzt ist es im Flur dunkel. Lichtdauer ist abgelaufen, aber Ille drückt nicht auf den Knopf. So im Dunkeln kommt das Licht von „ihm“ viel besser zur Wirkung.

    Während sie weiter Stockwerk für Stockwerk runtergeht, denkt sie voraus.

    Ille will nun zu Andreas gehen. Aber was soll sie sagen? Sie kennt ihn doch gar nicht richtig? Aber das sind für Ille keine Probleme. Sie wird anklopfen, eintreten und sagen: „Guten Tag, entschuldigen Sie bitte, dass ich sie störe, aber ihr Licht brannte und flösste mir so viel Vertrauen ein und ich weiß sonst nicht, wo ich hin soll.“ Einfach wegschicken kann er sie ja dann auch nicht.

    Ille kommen Zweifel:

    Aber wenn das Licht aus ist und Andreas im Dunkeln sitzt, was soll sie dann machen? Sie wird nichts weiter sagen als: „Guten Tag, entschuldigen Sie bitte die Störung, aber könnten Sie nicht das Licht an knipsen?“ Und dann wird sie alles das sagen, was sie vorher auch sagen würde.

    Inzwischen ist sie schon im zweiten Stock.

    Jetzt steigen Ille die ersten Zweifel auf. Wenn sie auf der Straße sieht, dass das Licht gar nicht mehr brennt, was dann? Ja, dann würde sie nicht zu Andreas gehen. Aber darüber will sie sich noch nicht den Kopf zerbrechen.

    Und dann ist sie auf der Strasse

    Auf der Straße ist nicht mehr so viel Verkehr. Ille kann sie gleich überqueren. Kurz vor der Haustür blickt sie noch nach oben, nur um sich zu versichern, dass das Licht immer noch brennt. Aber so viel sie sucht, sie kann es nicht finden. Ille tritt einen Schritt zurück und da sieht sie auch sein Zimmer, aber das Licht brennt nicht mehr. Sie dreht sich um und geht wieder zu ihrem Haus. Wo soll sie nun hin? Sie weiß es nicht. Sie weiß nur, dass es keinen anderen Weg als den zu ihren Eltern gibt. Zu einer Freundin möchte sie nicht und nur in den Straßen herum treiben, davor hat Ille Angst. 

    Im vorletzten Stockwerk hat Ille ein Spiegel Erlebnis, Sie wird Zeugin eines Streites zwischen ihrer Freundin und deren Eltern. Nachdenklich geht sie weiter. Es hat sich etwas geändert, Sie erkennt nicht nur eigenes, sondern auch Fehlverhalten der Eltern.

    Ille steht vor ihrer Wohnung. Dreimal klopft sie kurz, es ist das allgemeine Erkennungszeichen, an die Tür. Der Vater öffnet. Als ob es das Selbstverständlichste der Welt sei, nimmt er ihr den Mantel und den Koffer ab. Ille überreicht ihm den Brief und den Scheck mit den Worten: „Entschuldigt bitte, dass ich wiederkomme, aber das Licht brannte nicht mehr und ich gehe nicht gerne ins Dunkel.“

    Pa, obwohl er nichts verstand, nickte mit dem Kopf und führte sie in ihr Zimmer. Ille tritt ein und blickt wie immer, diesmal aber vollkommen unbewusst, zu „ihm“ hinüber.

    Und das Licht, das ihr so viel Vertrauen eingeflößt und ihr den Weg zur Vernunft gewiesen hatte, brannte wieder.

    Helga Thomas

    Geschrieben im Januar 1959, für die Lesung beim BDSÄ-Kongress in Gummersbach 2017 vorbereitet 31.3.2017

  • Panta rhei

    Wenn plötzlich alles anders ist,
    Was ist besonderes daran?
    Wir wissen doch, dass alles fließt,
    Der Zeiten Lauf hält niemals an.

    Aus Sternenstaub zur Erde schwebend
    Erblicken wir das Licht der Welt.
    Behaucht von Odem, sind wir lebend
    Aus den Atomen auf die Erd` gestellt.

    Und plötzlich stehst im Leben drin
    Du armer Tor.
    Wer gibt dir Ziel und Sinn,
    Und wer die Richtung vor?

    Der Weg, den du beschreitest –
    Ist`s Geschick?
    Der Kampf, den du bestreitest –
    Fallen oder Glück?

    Die Zeit verrinnt. Nun ist`s an dir
    Das nächste Glied der Kette neu zu schmieden.
    Was jetzt beginnt, das wissen wir:
    Das ew`ge Räderwerk kennt keinen Frieden.

    Versuch du nur,
    Die Kette zu durchbrechen.
    Es wird verwehen deine Spur,
    Das Fehlen wird sich einstmals rächen.

    Und weiter, weiter, Wand`rer durch die Zeit.
    Was dir begegnet, hat bestimmt dein Los.
    Glück, Unglück, Krankheit, Tod hält es bereit;
    Wer steuert auf dem Strome unser Floß?

    Der Strom wird breiter,
    mündet in das Meer der Ferne.
    Und silbrig-glänzend steigen immer weiter
    Tautropfen auf und werden Staub der Sterne

     

    Diese Gedicht wurde bei dem BDSÄ-Kongress 2017 in Gummersbach vorgetragen.

     

  • aus Wicht, Dreck am Saphir, Vindobona Verlag 2013

     

    Über die Nützlichkeit

    Am meisten schätze ich die alten Dinge
    schon lang gebraucht von anderer Hand
    das beste Messer das,  mit schmaler Klinge
    sehr oft geschliffen schon,  als ich es neulich fand

    Auch jener Sessel, in den ich gern mich fleeze
    es saß schon mancher drin, er ist bequem
    wir alle wechseln jederorts in Bälde
    von dem, was übrig ist, bleibt nur das Nützliche besteh´n

    Wenn ich seit langer Zeit dich heute einmal wieder sehe
    weiß ich, manch einer hat dir deinen Mund geküsst
    und dies erwägend, mich berührt es kaum

    mit größ´rer Lust ich wieder zu dir gehe
    da du nun etwas mehr erfahren bist
    es kleidet dich, wie eine reife Frucht den Baum

    Glaub mir, das hat der Nutzen mich gelehrt
    drum scheinst du so erst recht mir als begehrenswert
    ich hoff, du wirst mir solche Meinung zugesteh´n
    und heißt mich nicht so rasch, doch meiner Wege gehn

     

    Gedanken beim Abschied, so ganz allgemein

    Ach so, auch Dir ganz rasch auf Wiedersehn
    ich weiß, daß Du es mir nicht übel nimmst
    und hoffe sehr, dass Du mich später noch mal kennst
    ich hab´s sehr eilig jetzt und werde weiter geh´n

    Es nässt der Regen Dir noch manches Jahr in das Gesicht
    und wenn man sagt, dass wir die alten bleiben,
    so steh´n wir morgen schon in einem neuen Licht.
    Es bleibt uns nur, das Heute rasch voran zu treiben

    Man wird nun stündlich leider immer älter
    vielleicht auch klüger, nur so genau weiß man das nicht
    und immer ist ein Ende noch nicht abzuseh´n.

    Ich sorge mich, man wird vielleicht auch einmal kälter
    Du machst die Augen zu vorm eigenen Gesicht
    und wünschst, die Zeit manchmal zurück zu dreh´n

     

    Über die Bleibe

    Wenn auch die Zeiten heute kalt sind
    so hoff ich doch, dass ich einst Wärme finde
    durch stumme Häuserzeilen bläst ein fremder Wind
    und dennoch lob ich sie, die wirren Winde

    Sie kühlen mir die heiße Stirn
    und geben mir zum Atmen reine Luft
    so wird´ ich älter und ich seh die Häuser gern
    in denen ich geweilt, oft mit verschied´ner Lust

    Doch manchmal, wenn ich das Gesicht abwende
    und weiter geh mit schnell´rem Schritt
    wünsch ich, dass sich einst jemand fände
    bei dem ich länger weilen kann, ich nähm´ ihn gerne mit

    Ich denk, wir werden rasch zu Abend essen
    und ist es spät, bleib ich auch noch die Nacht.
    Mir träumt, ich hab die Straße ganz vergessen
    so bleib ich da, sie hat mich nur gebracht.

     

    Dichterlied

    Ich kannte einst einen Dichter
    der war auf sich selber so stolz
    laut lachte ihn aus das Gelichter
    da ward sein Gesicht starr wie Holz

    Er wollte recht gerne weinen
    doch lachten sie da noch mehr
    was hätt´ es genutzt sein Greinen
    um die missachtete Ehr

    So ist es mit manchen Dingen
    in dieser freundlichen Welt
    doch trotzdem blieb er beim Singen
    und brachte es damit zu Geld

    Das Geld, das ward versoffen
    versetzt in Whisky und Gin
    so hat er sie richtig getroffen
    die Mär von Ehre und Sinn

     

    Kater

    Apfel essend hänge ich
    einen Strick um meinen Hals
    an einem Baum
    im nahen Walde leiert eine Dixieband
    der kalte Wind pfeift mir durchs Hemd
    die Apfelstücken bleiben mir
    im Halse stecken
    wenn das so weiter geht
    muss ich
    leider noch verrecken.

     

    Freundlichkeit

    Es ist gut, aus der Kälte zu treten
    ich folge einladender Geste
    es genügen schon wenige Worte
    und Licht, wärmendes
    so dank ich es
    willens, jederzeit
    auch freundlich zu sein

     

    Lied von der (dreckigen) Unterwäsche (Selbsttröstung)

    Verdrießlich ist oft das Gehabe großer Tiere
    die sich so unabdingbar wichtig und ergaben dünken
    Sie zahlen gern in Dollar, Westmark oder Lire
    und wünschen, dass man springt, wenn sie nur winken

    Mit ihnen kommen Damen die exotisch riechen
    ein solcher Anblick tut dem Mittellosen manchmal weh
    doch deshalb braucht man sich nicht gleich verkriechen
    besonders wenn man dieses nicht vergisst
    dass so ein Mann in seiner  Unterwäsche
    ein Mensch wie alle andern ist

    So mancher unter uns fühlt manchmal so ein Drängen
    dass er mit großen Taten Ruhm und Ehre sich erwirbt
    Er sollte solch Gelüste besser an den Nagel hängen
    manch einem ward die Haut dabei schon arg gegerbt

    Die Großen teilen Größe lieber unter sich alleine
    und an die süßen Früchte kommt der kleine Mann nicht ran
    doch kommst du näher, machen sie dir Beine
    denn nur von weitem siehst du Hoch als Größe an
    Es tröstet, wenn man solches nicht vergisst
    dass so ein großer Mensch in seiner Unterwäsche
    ein Mensch wie alle andern ist.

    Man hört die Männer öfter über Frauen klagen
    mit ihrer Tugend und der Treue sei es nicht weit her
    weil sie `nen Andern und Geschicktern ihnen vorgezogen haben
    mir lamentieren diese Kerle viel zu sehr
    Nur weil ein and´rer Mann gehalten hat, was er versprach
    und stark nach Old Spice roch und Whisky trank
    verdiente höchstens uns´re Dummheit solchen Krach
    mich jedenfalls macht so ein Missgeschick nicht krank
    Denn es ist besser, wenn man nicht vergisst
    dass selbst Marie in ihrer Luxusunterwäsche doch nur `ne Frau wie alle andern ist.

     

     

     

     

     

     

     

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    Tommy 

    My owner calls me Tommy. I have a large body with a thin long tail. I am plump and sit all day long on the couch feeding myself and watching TV. My owner is a very fat person. He feeds me daily with his leftover food. Every day I have breakfast, a light meal, brunch, afternoon refreshments and an opulent dinner. Between meals I love to drink coca cola and eat peanuts that I find adorable. I like eating bacon or sausages, Afterwards, I also like to eat cakes, chocolate and sweets. Every part of my body rebels against my stomach.  I´m asked: “Why should we be perpetually being engaged in administering to all your wants, while you do nothing. Simply you rest and enjoy your food. Your legs need to move, the pancreas needs the rest from the sweets and other foodstuffs. All your organs can no longer do their job”.

    Afterword

    Kim Campbell-Thornton who has written many articles and books about dogs and cats ,in the  article “Diabetes rising pets “ (image  above),  affirms: „As with people, the incidence of diabetes in cats and dogs is increasing and diabetes now affects as many as one in 50 of the animals, It is published in the literature that obesity is on the rise, No. 1, and No. 2, diabetes is on the rise right along with it.“

    Author’s note   

    Respect your body’s needs. Give your body excellent care to promote its health and well-being. Give it everything it absolutely requires including healthy food and drink.                    To continue stuffing food into a satiated body is to be trapped into believing that more of something is the cause of your happiness. To keep on feeding it is not as good as stopping. Eat, but stop when you are full.

     The World Health Organization warns: «Obesity has reached epidemic proportions globally, with more than 1 billion adults overweight – at least 300 million of them clinically obese – and is a major contributor to the global burden of chronic diseases, such as diabetes, cardiovascular diseases and disability.”  In the 21st century the simple advice for a healthy diet is “Enough is enough”.

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Tommy 

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Mein Herrchen nennt mich Tommy. Ich habe einen mächtigen Körper und einen dünnen langen Schwanz. Ich bin plump und hocke den ganzen langen Tag auf der Couch, ernähre mich selbst und sehe fern. Mein Herrchen ist eine sehr fette Person. Er füttert mich täglich mit seinen Essensüberbleibseln. Jeden Tag bekomme ich Frühstück, ein leichtes Essen, Brunch, nachmittägliche Erfrischungen und ein reichhaltiges Abendessen. Zwischen den Mahlzeiten liebe ich es, Coca Cola zu trinken und Erdnüsse zu essen, die ich wunderbar finde. Ich mag Schinkenspeck oder Würste. Danach esse ich auch gern Kuchen, Schokolade oder Süßigkeiten. Jeder Teil meines Körpers wehrt sich gegen meinen Magen. Ich werde gefragt: „Warum sollten wir uns andauernd mit deinen Wünschen beschäftigen, während du gar nichts tust? Du ruhst dich einfach aus und genießt dein Essen. Deine Beine müssen sich bewegen, die Bauchspeicheldrüse braucht Erholung von den Süßigkeiten und dem anderen Esskram. Alle deine Organe können nicht mehr länger ihre Aufgaben erledigen.“

    Nachwort

    Kim Campbell-Thornton, die viele Artikel und Bücher über Hunde und Katzen geschrieben hat, bestätig in dem Artikel „Diabetes schwemmt Haustier auf“ (siehe obiges Bild): „Genau wie bei Menschen steigt der Anteil an Diabetes bei Katzen und Hunden, und Diabetes betrifft eines von fünfzig Tieren. Es ist in der Literatur veröffentlicht, dass erstens Fettsucht immer häufiger vorkommt und zweitens Diabetes im gleichen Ausmaß ansteigt.

    Bemerkung des Autors

    Respektiere die Bedürfnisse deines Körpers. Gib deinem Körper hervorragende Pflege, um seine Gesundheit und Wohlbefinden zu gewährleisten. Gib ihm alles, was er absolut benötigt einschließlich gesunder Ernährung und Getränke.

    Weiter Nahrungsmittel in einen gesättigten Körper zu stopfen bedeutet, dass du in der Falle steckst, die dich glauben lässt, dass mehr von etwas die Ursache deines Glücks ist. Weiter zu essen ist nicht so gut wie damit aufzuhören. Iss, aber höre auf, wenn du satt bist.

    Die Weltgesundheitsorganisation warnt: „Fettsucht hat weltweit epidemische Ausmaße erreicht mit mehr als 1 Milliarde übergewichtigen Erwachsenen, von denen mindestens 300 Millionen klinisch fettsüchtig sind. Und das ist ein wesentlicher Beitrag zu der weltweiten Last der chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Behinderung.“

    Im 21. Jahrhundert ist der einfache Ratschlag für eine gesunde Ernährung „Genug ist genug!“

    Bemerkung des Übersetzers

    Das Wort Diät kommt aus dem Griechischen δίαιτα (díaita) und bedeutete ursprünglich Lebensweise. Inzwischen wird es für gesunde Ernährung benutzt.