Schlagwort: Kunst

  • West-östlicher Divan

    (18.8.2019)

     

    Suche die Seele des West-östlichen Divans
    nicht in verstaubten Bücherregalen
    oder in glänzend aufgetakelten Aufführungen
    Suche sie in den Herzen der Menschen
    Möchtest du den West-östlichen Divan
    wahrhaftig ehren
    so lasse es nicht zu
    dass blendende Banditen
    in deinem Namen
    und mit deinen Steuergeldern
    seine Geburtsstätten verwüsten
    und seine Lebensgeschichten vernichten

    ֎֎֎

  • Auswahl aus den Wölländischen Sprüchen: VOLANDIANA – Aphorismen. Seemann Publishing 2018. ISBN 9781729323991

    1. Allgemein

    1.1.      Wahrheit ist der meistakzeptierte Irrtum. (1993)

    1.8.      Auch wenn du dir zwei Uhren kaufst, hast du nicht mehr Zeit.

    1.10.    Die Dummheit höret nimmer auf.

    1.12.    AUCH DER JÜNGSTE SOPRAN WIRD EINMAL ALT.

    1.15.    Der Mensch wird immer dümmer, trotz aller Symposiümmer.

    1.19.    Sigmund Freud entdeckte beim Menschen eine orale, anale und genitale Entwicklungsphase. Eine zerebrale entdeckte er nicht. (01.07.1992)

    1.125.  Manche Belletristik ist mehr trist als belle. (08.05.2013)

    1.138.  Geld ist Fiktion. Real ist nur das Geld, das man nicht hat.
    (lat. Aes ipsum fictio aes deens verum est.) (19.12.2013 0450)

    1.151.  Quidquid id est timeo Danaos maxime pecuniam petentes.
    (lat. Was es auch sei, ich fürchte die Griechen, besonders, wenn sie Geld fordern.) (23.03.2015)

    1.166.  Die beste Lösung nützt nichts, wenn das Problem unbekannt ist. (11.05.2015)

    1.175.  Nicht in jedem Dickkopf steckt ein grosses Hirn. (18.09.2015 Le Tréport F)

    1.191.  Es kommt darauf an, durch welche Brille man das Leben sieht. Es sollte nicht die Klobrille sein. (06.06.2017)

    1. Evolution

    2.6.      Das Wissen nimmt zu, nicht aber die Weisheit. (27.12.2017)

    2.7.      Nein, der Fortschritt ist keine Schnecke. Oder hast du schon einmal eine Schnecke mit Rückwärtsgang gesehen? (25.01.2018)

    1. Geschlechter

    3.67.    Jede Ehe wird geschieden: durch den Richter oder durch den Tod. (06.03.2012)

    3.88.    Aller Kriege Vater ist das Testosteron. (24.11.2016)

    3.95.    Nil vita sine voluptate. (lat. Ohne Lust kein Leben.) (20.06.2011)

    1. Paraloga und Sophismata (Παράλογα και σοφίσματα)

    4.11.    Jeder Augenblick deines Lebens ist in der Summe von den beiden Enden des Lebens zu 100 Prozent entfernt.
    (Wölländisches Aequisistenz-Axiom) (22.06.2016)

    4.13.    Die einzige richtige Ideologie ist diejenige, welche sagt: Alle Ideologien sind falsch.
    (Dez 2016)

    4.14.    Schwarzgeld besteht hauptsächlich aus Dunkelziffern. (03.04.2017)

    4.20.    Omnis aliter est – ego non. (lat. Jeder ist anders – nur ich nicht.) (08.05.2018)

    4.33.    Auch ein neues Brett macht den alten Kopf nicht besser. (26.10.2009)

    4.35.    Das Unangenehme an einem Gipfel ist, dass es nach allen Seiten bergab geht.
    (29.10.2009)

    4.36.    Fernsehen ist nicht dasselbe wie Weitblick. (24.01.2010)

    4.43.    Nemo umbra sua propria refrigeratur.
    (lat. Niemand wird durch eigenen Schatten gekühlt.) (15.09.2017 Plovdiv BG)

    1. Medizin

    5.1.      Medicamenta non prosunt nisi sumuntur tamen medicamentum non sumere interdum salubrior est.
    (lat. Medikamente helfen nicht, wenn sie nicht genommen werden, dennoch ist es manchmal heilsamer, ein Medikament nicht zu nehmen.) (20.6.2008)

    5.2.            Medicus nil promittit. (lat. Der Arzt verspricht nichts.) (20.6.2008)

    5.4.      Minum vinum nimia corporis exercitatio et nimis diu vivere insalubria reputari oportet.
    (lat. Zu wenig Alkohol, zu viel Sport und zu lange leben sind ungesund.)  (17.04.2016)

    5.9.      Der Arzt muss bei der Anamnese alles fragen – und darf nichts glauben. (05.03.2015)

    1. Volk und Staat

    6.8.      Kein Land der Welt ist so arm, dass nicht sein Präsident reich werden könnte.
    (11.02.2011)

    6.13.    Iustitia non caeca strabonem est. (lat. Iustitia ist nicht blind, sie schielt [opportunistisch].) (11/1998)

    6.15.    Gewaltenteilung: Die einen wissen, wie es geht, die anderen sagen, was gemacht wird.
    (06.03.2005)

    6.17.    Timeo praepotentes sese amantes cetera timentes.
    (lat. Ich fürchte die Machthaber. Sie lieben nur sich selbst und fürchten den Rest der Welt.) (12.08.2013)

    6.20.    Wer Terror mit Terror bekämpft, ist selbst ein Terrorist. (12.03.2017)

    6.25.    Wer mit Nonkonformisten konform geht, ist auch ein Konformist. (27.01.2018)

    6.35.    Nicht jeder missbraucht die Macht, aber jede Macht wird missbraucht.
    (12.12.2013)

    1. Volk und Staat

    7.1.      Kein Land der Welt ist so arm, dass nicht sein Präsident reich werden könnte.
    (11.02.2011)

    6.13.    Iustitia non caeca strabonem est. (lat. Iustitia ist nicht blind, sie schielt [opportunistisch].) (11/1998)

    6.15.    Gewaltenteilung: Die einen wissen, wie es geht, die anderen sagen, was gemacht wird.
    (06.03.2005)

    6.17.    Timeo praepotentes sese amantes cetera timentes.
    (lat. Ich fürchte die Machthaber. Sie lieben nur sich selbst und fürchten den Rest der Welt.) (12.08.2013)

    6.20.    Wer Terror mit Terror bekämpft, ist selbst ein Terrorist. (12.03.2017)

    6.25.    Wer mit Nonkonformisten konform geht, ist auch ein Konformist. (27.01.2018)

    6.35.    Nicht jeder missbraucht die Macht, aber jede Macht wird missbraucht.
    (12.12.2013)

    1. Rätselfragen
        • Kann man in einem menschenleeren Walde erschlagen werden?
          [1) NEIN, denn im menschenleeren Wald ist kein Mörder,
          2) NEIN, auch von einem Baum kann man nicht erschlagen werden, denn im menschenleeren Wald ist niemand, der erschlagen werden könnte, nicht einmal man selbst – der Wald wäre sonst nicht menschenleer.]
          (07.02.2005)
        • Wer lehrt andere, was er selber nicht weiss?
          [Der Tote auf dem Präpariersaal lehrt die Studenten die Anatomie.]
          (: Quis quod nescit alios docet? [Mortuus in theatro anatomico discipulos docet anatomiam.])
          (28.03.2018)
    2. Alterseinsichten

    8.3.            Besonders drückt die Last der Jahre nach einer Reihe Lasterjahre.

    8.8 Das Selbstbewusstsein durchläuft im Leben fünf Phasen:
    Zuerst weiss man nichts. Dann fragt man sich: Wer werde ich sein? Nach langer Zeit weiss man, wer man ist. Später erinnert man sich, wer man war. Zuletzt hat man es vergessen.
    (09.11.1998)

    8.11.          Fugit interea fugit irreparabile tempus et fugimus nos cum illo irreparabiliter.
    (lat. Inzwischen flieht sie, ja sie flieht, die unwiederbringliche Zeit, und wir fliehen mit ihr unwiederbringlich.) (05.02.2005)

    8.16           Iuventas nescit quod haberet. Senectus scit quod non haberet.
    (lat. Die Jugend weiss nicht, was sie hat, und das Alter weiss, was es nicht hat.) (05.10.2015)

    8.18.    Wer gesund sterben will, darf damit nicht zu lange warten.
    (12.11.2015)

    1. Küchenlatein

    9.5.      POTESTAS VOS NON IN BRACCAS.
    (Macht, euch, nicht, in, die Hosen)

    9.7.      POTESTAS VESTRUM LUTUM UNIVERSUM CLIVUS.
    (Macht, euren, Dreck, All, Lehne)

    9.11.    IS EGO LUDIFICATIO AGRI ERAT UNUS CREPITUS CUCULLUS ET NULLUS IACULUS PULVIS PRETIUM.
    (Er, ich, Hohn, Äcker, war, ein, Knall, Tüte, und, keinen, Schuss, Pulver, Wert)

    9.21.    ID IT AD NULLAM VACCAM CAEDIT.
    (das, geht, auf, keine, Kuh, haut)

  • Nachkriegszeit – Was uns geprägt hat

     

    Nachkriegshunger, Rock‘n Roll
    Kartoffelsack gefunden, toll
    fremde Panzer, Lederhose
    Selbstbewusstsein gegen Null
    Man macht, man tut, die ganze Schose
    Nazideutschland, Sündenpfuhl
    betrifft uns nicht, zusammenhalten
    Untaten wir – nie! Das war‘n die Alten
    Kohle hab ich dir geklaut, verzeih
    Angst vor Mangel, Krieg und Polizei
    Lehrer prügeln, Hosenboden
    Für die Heizung Wälder roden
    Kindergarten Ringelreihen
    Taufe feiern, Kleider leihen
    sich in Suppenschlangen reihen
    muss den Sonntagsanzug schonen
    Spiel um Pfennige mit Bohnen
    Hüpfen auf den Gehwegplatten
    werfe Steine nach den Ratten
    Massenflucht kommt aus dem Osten
    leben hier auf unsre Kosten
    Flüchtling sein, das war ein Makel
    doch der Krieg war das Debakel
    Die Gesellschaft vaterlos
    Frauenleistung, grandios
    Mauerbau und Kuba-Krise
    Kalter Krieg war die Devise
    Wirtschaftswunder ließ vergessen
    Man konnte wieder richtig essen
    Die Gesellschaft aber blieb noch starr
    mit Schichten, Naziresten, sehr bizarr
    Die Studenten mit wirren Gedanken
    Begannen über Demokratie zu zanken
    Ist Kommunismus besser mit Ho-Chi-Minh
    Kommune oder Mao alles Widersinn?
    Gegen Kapital demonstriert und für Vietnam
    Gegen Reza Palavi kam‘s zum Melodram
    Die RAF begann zu morden
    Gewissensprüfung aller Orten
    Beatles, Stones, die Popmusik
    Stehblues, Röcke kurz und dusselig
    Diskoabende laut und anschmiegsam
    Im Lärm und Alkohol jedoch einsam
    Dann war das Studium zu Ende
    Fixiert im Kopf die Meinungsbände
    All das was uns geprägt
    uns heute emotional bewegt

  • BDSÄ-Kongress in Bad Herrenalb,

    Mein Beitrag zur Lesung Nach 50 Jahren,

    1. Juni 2019, Moderator Klaus Kayser

     

    Vor 50 Jahren

    … im Sommersemester 1969 war ich nach bestandenem Physikum mit meinen drei Freunden aus unserer Prüfungsgruppe in Wien. Das hatten wir uns vorgenommen als Belohnung für den Erfolg. Natürlich immatrikulierten wir uns zum Medizinstudium und nützen die günstigen Bedingungen aus: In vielen Instituten und Kliniken musste man sogar zweimal erscheinen: das erste Mal zum Einschreiben in einen Kurs und das zweite Mal zum Abholen des Scheins, der unsere erfolgreiche Teilnahme bestätigte. Auf diese Weise habe ich neun Scheine erworben. Ich war sogar in einigen Vorlesungen, wenn es in der Nacht vorher nicht zu spät geworden war.

    Dabei sind mir ein paar beeindruckende Stunden mit dem berühmten Prof. Asperger in Erinnerung, diesem weltberühmten Kinderarzt, der besonders den Insel-Begabungen unter den Kindern seinen Namen gegeben hat: das Asperger-Syndrom. Ein großer, sehr schlanker Mann, dessen äußere Erscheinung sofort an ein Marfan-Syndrom erinnert. Seine feine Art, mit Kindern umzugehen, und seine eindringliche Vortragsweise sind mir immer noch gegenwärtig.

    Ich weiß auch noch, wie der Gerichtsmediziner detaillierte Fotos eines geschlachteten Kindes zeigte – ja, geschlachtet! Das ist kein Wortfehler! Ein Metzgergeselle hatte ein Kind getötet und dann sorgfältig alle Glieder in den Gelenken voneinander getrennt. Zynischer Kommentar des Dozenten: „Also das muss man ihm lassen: Sein Handwerk hat er verstanden!“

    Mein eigentliches Studienziel habe ich erst in Wien richtig erkannt, nachdem mir klar wurde, dass in diesem Sommersemester 1969 die Wiener Festwochen und 100-jähriges Ballettjubiläum gefeiert wurden. Ich beschloss, den ganz großen Konzert- und Opern-Schein zu machen. Da war ich sehr fleißig und konsequent. Mein Tagebuch zeigte mir am Semesterende, dass ich jeden Abend in einem anderen Konzert oder einer anderen Opernvorstellung war, manchmal auch im Theater. Oft auf den Stehplätzen. Aber ich war dabei.

    Von fast allen Mozart-Opern, die ich hörte, blieb mir die eine Szene in lebhafter Erinnerung: Cesare Siepi als Don Giovanni schmetterte eine laszive und von Testosteron strotzende Champagner-Arie.

    Ich erlebte alle Strauß-Opern. Besonderer Moment: Die Elektra von Birgit Nilsson mit ihrer voluminösen und dramatischen Stimme! Sie riss das Publikum so in ihren Bann, dass sogar die feinen High-Society-Damen nach der Vorstellung so frenetisch im Takt klatschten und „Nilsson, Nilsson!“ schrien und ihnen dabei die Nerzstolen (im Hochsommer!) von den Schultern fielen!

    Bei einem vollständigen Zyklus aller 32 Beethoven-Klaviersonaten an acht Abenden, gespielt von Friedrich Gulda, der in diesem Sommer den Beethoven–Ring bekommen sollte und ihn ablehnte, war ich fasziniert von der feingliedrigen und doch zupackenden Virtuosität und Vielseitigkeit des Spiels. Ich hatte mir die Noten als Taschenpartitur gekauft und las über lange Strecken mit. Gulda kombinierte an jedem Abend frühe, mittlere und späte Sonaten. Das machte die Entwicklung der Werke deutlich. Bei den Dreingaben teilte sich manchmal das Publikum in die Konservativen und die Progressiven. Denn Gulda wagte es, als Dreingaben auch Jazz zu spielen. So auch an einem Abend, als nach der letzten späten, geradezu heiligen Sonate noch einen seiner Boogie-Woogies in den Flügel hämmerte. Das war der fetzigste und mitreißendste Boogie-Woogie, den ich bis heute gehört habe. Das Publikum reagierte gespalten. Die eine Gruppe, zu der ich gehörte, jubelte und applaudierte, und das umso lauter, je mehr die anderen Zuhörern buhten, weil sie diesen Stilbruch als unentschuldbaren Affront empfanden. Auch die Presse am nächsten Tag war geteilter Meinung.

    Eines der größten Erlebnisse war für mich, am Ostermontag in einer Matinee im Wiener Musikvereinssaal die Missa solemnis von Beethoven zu hören. Leonard Bernstein dirigierte die Wiener Philharmoniker, das Gesangsquartett bestand aus Gundula Janowitz, Christa Ludwig, Walter Berry und Waldemar Kmentt. Die Wucht der Musik, die grandiose Interpretation und Bernsteins elastisch-begeisterten Sprünge auf dem Podium waren mitreißend und werden mir für immer wie ein Film im Gedächtnis bleiben.

    Die Namen, die ich mit diesem Wien-Aufenthalt verbinde, lesen sich wie ein Lexikon der Musikgrößen: Horst Stein, der neue Generalmusikdirektor des Hauses, und Josef Krips dirigierten in der Oper. Karl Böhm eröffnete mir die Gurre-Lieder und Verklärte Nacht von Arnold Schönberg. Otto Klemperer versank in seinem Dirigentenstuhl und gab nur spärliche Gesten an das Orchester. Obwohl er teilweise gelähmt war von einer früheren Hirnoperation und beeinträchtigt von den Verbrennungen, die er sich zugezogen hatte, weil er im Bett rauchend eingeschlafen war, entwickelten die Wiener Philharmoniker aus den minimalen Zeichen eine wunderbare Musik, tief empfunden, besinnlich.

    Unbedingt erzählen muss ich, dass wir meist nach der Oper im Café Hawelka saßen, dem berühmten Künstlercafé hinter der Oper. Das war der Treffpunkt der Begeisterten, die inmitten der vielen vergilbten Fotos von weltbekannten Musikern und verrauchten Polstersesseln noch einen kleinen Platz an den Tischen suchten, um dort die köstlichsten Buchteln in ganz Wien zu genießen, die jeden Abend immer wieder frisch gebacken wurden. Wir mussten sie vorbestellen, damit wenigstens ein paar davon unseren Tisch erreichten.

    Eine Alternative nach der Oper waren die guten und gemütlichen Keller, in denen wir für ein paar Schilling genügend Veltliner und Gorgonzola mit Butter und Brot bekamen, um satt und bettschwer zu werden.

    Eines Abends waren wir zu viert unterwegs und etwas ziellos, da wir nicht wussten, was wir heute Abend hören und sehen könnten. Da kamen wir am Theater der Josefstadt vorbei, wo ein Plakat unsere Aufmerksamkeit anzog. Michael las es zuerst: „Das ist ja heute!“, rief er, „Beginnt in ein paar Minuten! Da müssen wir sofort rein!“ Wir bekamen zu unserer Verblüffung tatsächlich noch Karten für diese Ein-Mann-Vorstellung und erlebten einen tief beeindruckenden Schauspieler mit sonorer Stimme, imponierender körperlicher Größe und überwältigender Schauspielkraft und Bühnenpräsenz, der als Richter sich Gedanken über sein eigenes Leben und eine Gerichtsverhandlung macht, die er am nächsten Tag leiten muss. Ein Schreibtisch mit Lampe, ein Stuhl – das war das ganze Bühnenbild. Und Curd Jürgens allein auf der Bühne – ein Kleinod in meiner Schatzkiste der herausragenden Kunsterlebnisse!

    Während des Semesters hatte mein Vater 50. Geburtstag. Er wollte mit Mutter und meiner Oma den verpflichtenden Einladungen zuhause entfliehen und ein paar Tage bei mir in Wien verbringen. Ich reservierte Hotelzimmer und bereitete ein vielseitiges Programm vor, aus dem die Eltern auswählen konnten. Im Nationalmuseum hatte ich vorher zweimal eine Führung in den Räumen der alten Niederländer besucht, um meinen Eltern die Kunstwerke präsentieren zu können, denn das ganze Museum ist ja nicht zu schaffen bei solch einem kurzen Aufenthalt. Wir waren beim Heurigen in Grinzing, machten einen Besuch in der staatlichen Grafiksammlung, erlebten am Geburtstagsabend Monteverdis Krönung der Poppea in der Oper, und die Eltern luden mich anschließend zum Essen ins Hotel Imperial ein. Die Hofreitschule mit einer festlichen Vorführung der Lippizaner war Pflicht, und Schloss Schönbrunn zeigte sich bei herrlichem Wetter. Nach dem Besuch im Stefansdom zelebrierten wir im Café des Hotel Sacher Café Creme und Sacher-Torte.

    Von so vielen „Kunstverpflichtungen“ mussten wir Studenten uns natürlich erholen. Deshalb beschlossen wir, eine Woche an den Neusiedlersee und an den Plattensee zu fahren. Wir genossen das prächtige Wetter, ein paar heitere Segelstunden, mehrere Weinproben in Rust und in einem kleinen Gartenlokal inmitten eines Weinbergs am Plattensee in der warmen Abendsonne den weltbesten Zander in Paprikasauce.

    Die nächsten beiden Semester studierte ich in Mannheim, weil ich die in Wien ohne Lernen eingeheimsten Scheine noch einmal richtig erarbeiten wollte. Außerdem schrieb ich dort meine Doktorarbeit und machte nebenbei Nachtschichten in der damals größten Spezialabteilung für Schwerverbrannte in der BG-Klinik Ludwigshafen. Ich erlebte erschütternde Schicksale und glückliche Heilungen. Seither bekomme ich sofort Herzklopfen und schweißnasse Hände, wenn ich jemand mit Feuer zündeln sehe.

    Beglückend war für mich, dass wir vier Freunde uns nach diesen zwei Semestern wieder in Tübingen trafen, gemeinsam auf das Staatsexamen lernten und es wie beim Physikum als Prüfungsgruppe Nr. 13 auch sehr gut bestanden.

  • Beitrag zu der Lesung „Eine Reise zu den Sternen“
    BDSÄ-Kongress in Bad Herrenalb 2019

     

    Kubrick, Nixon und der Mann im Mond

    Bei oberflächlicher Betrachtung gilt Donald Trump als Erfinder der Fake-News und seine PR-Managerin Kellyanne Conway als Erfinderin der alternativen Fakten. Eine kurze Überlegung macht aber klar, dass Lug und Trug, Tarnen und Täuschen, Hinterlist und Skrupellosigkeit schon immer das geistige und charakterliche Handwerkszeug der Menschen waren und in allen Bereichen zum Alltag gehörten, in denen es um Geld, Ansehen, Gewinn und Macht geht.

    Die folgende Geschichte zeigt dies beispielhaft, allerdings mit einer besonderen Variante.

    Juri Gagarin, der russische Kosmonaut, war der erste Mann im Weltall gewesen, und das forderte die US-Regierung heraus, unbedingt den nächsten Schritt in der Raumfahrt zu gewinnen, nämlich tatsächlich Menschen auf den Mond zu schicken, die dort Fußabdrücke hinterlassen. John F. Kennedy hatte die Losung ausgegeben, die NASA solle das Mondlandungsprogramm umsetzen, und innerhalb von wenigen Jahren gelang es tatsächlich, mit Apollo 11 die erste Mannschaft auf den Mond zu schicken. Es war eine vorrangige Frage des Prestiges und eine Materialschlacht dazu.

     

    Darüber berichtet der ARTE-Film Kubrick, Nixon und der Mann im Mond.

    Nixon, ein als Lügner und Krimineller überführter Präsident, hatte Angst, dass die Mondlandung nicht gelingen würde oder dass die Bilder vom Mond nicht gut genug sein könnten für den erfolgreichen Gebrauch als Propagandamaterial. Er beauftragte deshalb seine PR-Abteilung, im Studio einen Film zu drehen, der die Mondlandung vom 20. Juli 1969 zeigt. Diesen Film wollte man im Fernsehen zeigen, wenn die Originalbilder vom Mond nicht gut genug sein sollten, um einen gigantischen Propagandaerfolg auszulösen.

    Auf der Suche nach einem exzellenten Regisseur und einem diskreten Filmstudio fand man den berühmten Stanley Kubrick, der zu dieser Zeit in London den Film 2001 Odyssee im Weltraum drehte und eine passende Mondlandschaft im Studio zur Verfügung hatte. Über ein Wochenende entstanden mit Kubricks Hilfe und unter strengster Geheimhaltung die entscheidenden Mond-Szenen im hermetisch abgeriegelten Studio. Alle Beteiligten wurden anschließend mit neuen Identitäten ausgestattet und verschwanden in der Geheimhaltung.

    Der Film zeigt viele persönliche Interviews mit engen Nixon-Mitarbeitern wie Henry Kissinger, Alexander Haig, Lawrence Eagleburger, Donald Rumsfeld und dem Astronauten Buzz Aldrin und seiner Frau. Auch die Witwe von Stanley Kubrick wurde interviewt. Der Film zeigt, wie die Mitarbeiter Nixons von dem Betrug abgeraten haben. Noch schlimmer: Als der Film dann doch gedreht war und die Originalaufnahmen vom Mond nicht zu gebrauchen waren, bekam Nixon Angst vor der Entdeckung seiner Fälschung und verfügte, alle Beteiligten an der Verfilmung zu liquidieren. Ein CIA-Agent nahm sich der Sache an, tauchte ab, spürte die Zeugen in den verborgensten Winkeln der Erde auf und liquidierte sie. Nur Stanley Kubrick blieb aus Angst vor Verfolgung in seinem Anwesen und drehte nur noch dort. Er starb schließlich eines natürlichen Todes. –

    Der Kommentar und die Kritik in diesem Film machen an vielen Beispielen sehr deutlich, wie gewissen- und rücksichtslos Nixon vorging und wie viele Drehfehler in dem rasch zusammengestückelten Studiofilm enthalten waren.

    Die Abdruckspuren der Astronautenstiefel im „Mondsand“ waren viel zu tief, denn auch die schwere Schutzkleidung mit den Atemgeräten würde auf dem Mond wegen der auf ein Sechstel reduzierten Mondanziehung wesentlich flachere Stiefelprofile hinterlassen.

    Dummerweise hatte man zwei Studiolampen so aufgestellt, dass sie Schatten der Astronauten in zwei verschiedene Richtungen warfen.

    Und zufällig lag auf der Mondoberfläche auch noch ein kleiner Prospekt mit dem Portrait von Stanley Kubrick.

    Der Eindruck, den der unkritische Betrachter des Films gewinnt, ist eindeutig. Auch ich muss zugeben, dass ich entsetzt war! Mein Vorurteil über die gewissenlosen Politiker war voll bestätigt.

    Soweit – so schrecklich – so ungeheuerlich: dieser Betrug, diese Skrupellosigkeit, diese Hinterlist!

    Aber dann machte mich ein Freund, dem ich mein Entsetzen geschildert und den Link zu dem Film gegeben hatte, aufmerksam auf einen ausführlichen Artikel in Wikipedia. Hier wird erklärt, dass es sich bei dem Film um ein sogenanntes Mockumentary[1] handelt, also eine vorgetäuschte, absichtlich gefälschte Dokumentation, für die der Autor des Films, William Karel, sogar 2003 mit dem Adolf-Grimme-Preis für Buch und Regie im Bereich Information und Kultur ausgezeichnet wurde.

    Das Besondere des Films besteht darin, dass die bewusste und trickreiche Fälschung als eine prämierenswerte künstlerische Leistung dargestellt und belohnt wurde. Ich empfinde das als eine Einladung zur Fälschung. Außerdem wird die Bevölkerung dadurch erst recht in die Irre geführt, und man macht sich auch noch lustig über ihre Täuschbarkeit. Offensichtlich freut sich der Fernsehzuschauer darüber wie bei Verstehen Sie Spaß auch, wo ahnungslose Menschen zum Narren gehalten werden und noch darüber lachen sollen.

    Die angeblichen Zeitzeugen sind „zum Beispiel David Bowman (Astronaut in 2001: Odyssee im Weltraum), Jack Torrance (Rollenname des Hauptdarstellers in The Shining) und Dimitri Muffley (eine Kombination der Namen des sowjetischen Generalsekretärs und dem des US-Präsidenten in Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben).

    Weitere angebliche Zeitzeugen tragen Namen aus Filmen von Alfred Hitchcock: Eve Kendall (weibliche Hauptfigur in Der unsichtbare Dritte) und Ambrose Chapel (ein wichtiger Ort in Der Mann, der zu viel wusste (1956)).

    Als angeblich Beteiligter wird ein CIA-Agent namens George Kaplan genannt (ein fiktiver CIA-Agent in Der unsichtbare Dritte). Ein weiterer angeblicher Zeitzeuge ist ein New Yorker Rabbiner namens W. A. Konigsberg, eine Anspielung auf Allan Stewart Konigsberg, den bürgerlichen Namen von Woody Allen.“ (Wikipedia)

     

    Wenn man unter diesen Gesichtspunkten den Film anschaut und noch ein paar Fakten dazu liest, entdeckt man, dass die Interviews mit den Politikern kurze Videoschnipsel sind, die überall hinpassen und keinen direkten Bezug zum Problem haben. Sie sind sehr geschickt in den Film und seine geplante Falschaussage hineinkopiert. Auf das erste Hinschauen erscheinen sie glaubwürdig. Und deshalb sind wir als meistens autoritätshörige Menschen auch überzeugt vom Wahrheitsgehalt des ganzen Films.

    Wer ein bisschen sprachgewandt ist, entdeckt auch, dass die Untertitel der Interviews oft nicht mit den tatsächlichen Aussagen überstimmen.

    Soweit – so schrecklich. so ungeheuerlich: unsere leichte Beeinflussbarkeit, unsere Leichtgläubigkeit, unsere fehlende Unterscheidungsmöglichkeit von Fakten und alternativen Fakten.

     

     

    Quellen am 25.01.2019: 

    https://www.arte.tv/de/videos/025816-000-A/kubrick-nixon-und-der-mann-im-mond/

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kubrick%2C_Nixon_und_der_Mann_im_Mond

    https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf-Grimme-Preis_2003

    https://web.archive.org/web/20060429151052/http://www.grimme-institut.de/scripts/preis/agp_2003/scripts/beitr_kubrick.html

    [1] Engl. mock: vorgetäuscht, pseudo-, unecht

  • Beitrag zum BDSÄ-Kongress in Bad Herrenalb

    Lesung zum Thema „Freie Themen“, Moderation: Eberhard Grundmann

    Samstag 22. Juni 2019, 20 h

     

    Wir erinnern uns an den Schreck, als am 15. April dieses Jahres die Nachricht um die Welt raste, dass eine der berühmtestes Kathedralen der Welt, ein Wahrzeichen von Paris, ein Nationaldenkmal religiöser Baukunst und Touristenmagnet für etwa 13 Millionen Besucher jährlich und ein UNESCO-Weltkulturerbe lichterloh brannte, der Holzdachstuhl einbrach und einer der Spitztürme kurz nach Beginn des Brandes einstürzte. Dieses Feuer riss eine große und brennende Wunde in das Alltagsleben der Pariser und machte die kulturbewussten Menschen weltweit tief betroffen. Die Beileidsbekundungen aus aller Welt bestätigten, dass dieses Bauwerk ein Symbol völkerverbindender Kultur darstellt.

    Noch während der Löscharbeiten erklärte Präsident Macron, die Kirche werde wieder aufgebaut, eine groß angelegte Sammlung solle das Geld zusammentragen. Bereits nach 48 Stunden waren 700 Millionen Euro beisammen. Wenn in dieser kurzen Zeit schon so viel Geld bereitsteht, wird über die nächsten Jahre eine sehr große Summe zusammenkommen, die eine Rekonstruktion von Notre Dame ermöglicht. Zum Vergleich: Der Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche kostete 183 Mio. Euro. Allein diese Geschichte zeigt, wie sehr Kunstwerke, die aus dem Glauben an einen Gott entstanden sind, die Wertschätzung von Gläubigen prägen.

    .

    Und ich habe mir überlegt, wie ich selbst von religiösen Werken beeinflusst wurde.

    Ich bin zwar evangelisch konfirmiert, aber später aus Zorn über die Heuchelei in den christlichen Kirchen und aus tiefen Zweifeln an der Existenz eines Gottes aus der Kirche ausgetreten. Nichts in dem Apostolischen Glaubensbekenntnis glaube ich. Meine Wut über die vielfältigen Verbrechen innerhalb der katholischen Kirche mit deren Billigung und Tarnung hält an. Der Widerspruch zwischen dem enormen ideellen, spirituellen und finanziellen Wert der Kunstwerke und der angeblich unantastbaren Integrität und moralisch-ethischen Kompetenz, die von der katholischen Kirche propagiert werden, zeigt die Scheinheiligkeit offen.

    Unabhängig davon fühle ich mich intensiv angesprochen von den großartigen religiösen Kunstwerken, die aus tiefer Gläubigkeit entstanden sind. Aber ich glaube nicht, dass diese Kunstwerke ein Beweis für die Existenz eines Gottes sind, sondern bestenfalls Versuche darstellen, dem Ideal einer Wunschvorstellung Ausdruck zu verleihen.

    Als meine Großmutter mich anlässlich meiner Konfirmation zu einer zweiwöchigen Reise nach Florenz und Rom einlud, kannte ich schon die Grundzüge der römischen Geschichte, die Grundlagen von Latein und einige sehr wichtige klassische Musikwerke von Bach wie das Weihnachtsoratorium, die Matthäus-Passion und Händels Messias.

    Ich werde nie vergessen, wie mir vor den Uffizien in Florenz Michelangelos David-Statue zeigte, dass Anmut und Schönheit kein Gegensatz zu Wucht sein müssen. Als ich dann am Ostersonntag 1961 auf dem Petersplatz in der Menschmenge stand und anschließend durch den Petersdom ging, war ich nicht nur von der Andacht vieler Menschen, sondern besonders von der grandiosen Architektur der Kathedrale und ihrer Kunstwerke tief berührt. Ich stand lange vor der Pieta, die Michelangelo aus einem perfekten Marmorblock gemeiselt und 1499 als 25-Jähriger fertiggestellt hatte. Noch heute kann ich mich erinnern, wie ich von der Schönheit der Statue und der Trauer der Maria betroffen war. Allein der monumentale Faltenwurf in Marias Kleid und ihr verklärtes Gesicht sind unübertreffbare Meisterstücke für sich. Ähnlich erging es mir, als ich in der Sixtinischen Kapelle das Deckengemälde auf mich wirken ließ. Viele Jahre später fuhr ich extra nach Mailand, um dort im Dom die zweite Pieta Michelangelos anzuschauen, die auch sein letztes Werk war und unvollendet blieb.

    Wenn ich erklären soll, was zeitlose Schönheit für mich bedeutet, fallen mir sofort zwei Kunstwerke ein: diese Römische Pieta und eine singuläre Aufnahme von Arturo Benedetti Michelangeli von Galuppis 5. Klaviersonate: eine absolute Harmonie von Form, Material und spiritueller Aussage, eine nicht steigerbare Perfektion, eine absolut reine Darstellung.

    Bewegend ist für mich, mit welch kreativer Kraft, Fantasie und physischer Stärke Menschen ausgestattet werden, wenn sie mit tiefer Gläubigkeit Kunst planen und diese meisterlich, unverkennbar persönlich und zeitlos schaffen – für ihren Gott, dem sie dienen und sich und ihre Gaben als Kunstwerk zurückschenken.

    Über wie vielen Kunstwerken steht das S.D.G.! Das Soli deo gloria! Johann Sebastian Bach hat es oft benutzt, und Anton Bruckner schrieb demütig und wie ein kleines Kind über seine ultimative, seine Neunte Sinfonie „Dem lieben Gott“.

     

    Die Welt-Liste der malerischen Kunstwerke mit religiösen Themen ist unendlich lang.

    Nur ein paar persönliche Beispiele: Schon mehrfach bin ich in Colmar vor dem Isenheimer Altar gestanden, und im April habe ich wieder die Stuppacher Madonna bei Bad Mergentheim besucht, diese wunderbaren Werke von Matthias Grünewald.

    In der Kathedrale von Liverpool habe ich als Schüler einen Konzertabend von Simon Preston an der weltgrößten Orgel erlebt.

    Ich sehe mich in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin vor dem großen blauen modernen Glasfenster, das nach dem Wiederaufbau von dem französischen Glaskünstler Gabriel Loire geschaffen wurde und heute als Gegenstück zu den noch sichtbaren Mauerschäden an die Zerstörung im 2. Weltkrieg dient. Ich erinnere mich an das Freiburger und das Ulmer Münster, an den Hamburger Michel und an den Kölner Dom, der nach dem Vorbild der Notre Dame entworfen wurde.

    Die vielen Konzerte in der schlichten Kirche von Saanen im Berner Oberland, die ich als Student beim Yehudi-Menuhin-Festival über mehrere Jahre besuchen durfte, sind ein prägender Bestandteil meiner kulturellen Erfahrungen.

    Ich erinnere mich an zwei Stunden in der Westminster Abbey, und für mich als Musikliebhaber war es ein besonderes Erlebnis, die Kirche St. Martin-in-the–Fields am Trafalgar Square in London zu besuchen, aus der das weltberühmte Orchester Academy of St. Martin in the Fields stammt, das Neville Marriner gegründet hatte. –

    Obwohl Johann Sebastian Bach nicht katholisch war, schuf er nach seinem Kosmos an Passionen, Oratorien und Kantaten noch seine H-Moll-Messe, für mich eines der größten Musikwerke der Geschichte. Und Mozart beendete sein Leben mit dem Requiem. Auch Verdi komponierte mit seiner Missa da Requiem ein zeitloses und erschütterndes Dokument tiefster Gläubigkeit. Die Schöpfung und Die Vier Jahreszeiten von Haydn, die Requien von Pergolesi, Dvorak und Fauré gehören für mich zu eindrucksvollen Werken der religiösen Kunst. Am Ostermontag 1969 erlebte ich in Wien Beethovens Missa solemnis mit den Wiener Philharmonikern unter Leonard Bernstein. Und das Deutsche Requiem von Brahms zeigt, wie gut deutsche Texte zu religiösen Kompositionen passen.

    Ich erinnere mich an die vier Passionen, die Hellmut Rilling in Auftrag gab zu seinem Bach Musikfest 2000 in Stuttgart: Tan Dun komponierte seine Water Passion nach Texten von Matthäus und leitete auch die Uraufführung. Eine Markus-Passion wurde von Osvaldo Golijov komponiert, Sofia Gubaidulina schuf eine Johannes-Passion, und Wolfgang Rihm steuerte seine Messe Deus passus nach Texten von Lukas bei. Ich bin glücklich, dass ich die Uraufführungen besuchen konnte.

    Denken wir auch an die Schreibkunst, die seit Menschgedenken den religiösen und spirituellen Gedanken Form gab und den verschiedenen Glaubens- und Machtinteressen Ausdruck verlieh. Die Bibel gehört hierher und Dantes Comedia divina, die Thora und der Koran. Und machen wir uns bewusst, wie viele Menschen Gebete, religiöse und spirituelle Texte, Romane und Gedichte verfasst und künstlerisch gestaltet haben. Die Bibliotheken und Museen weltweit sind voll davon!

    Auch die Baumeister aller Jahrhunderte wollten ihrem Gott Denkmäler und Kirchen aller Art und in allen Größen schaffen. Jedes Land, das religiös geprägt ist, hat seine berühmten Kirchen. Ich erinnere mich noch an meinen Besuch in der Al Aqsa Moschee in Jerusalem und in der Hagia Sofia in Istanbul. Der Asakusa-Schrein in Tokio, die Pyramiden von Gize und die Pyramiden der Azteken und Maja, und Tempelanlagen wie in Angkor Wat sind ebenso zeitlose Werke höchster Baukultur, die nur durch religiöse Kraft möglich waren und den Menschen alle Opfer, oft auch das Leben, abgefordert haben.

    In diese Reihe der unverzichtbaren Kulturdenkmäler gehört auch Notre Dame. Ich denke, es ist nur folgerichtig, dass sie wieder aufgebaut wird. Auch die Dresdener Frauenkirche wurde mit vereinten Kräften neu geschaffen und ist heute wieder ein Haus Gottes, in dem ihm mit Musik und Sprache, mit Stille und Glauben gedient und ein mahnendes Zeichen für Frieden und Versöhnung gesetzt wird.

    Vielleicht gibt es diesen Gott ja. Wenn es ihn nicht gibt, haben sich die Menschen mit der Vorstellung, Gott existiere, etwas geschaffen, das ihnen in und aus tiefster Verzweiflung helfen und schöpferische Kraft ohne Ende mobilisieren kann.

    Eine kleine Geschichte will ich als Beispiel anfügen.

    Drei Maurer, die an derselben Mauer arbeiteten, wurden gefragt, was sie da gerade tun.

    Der erste sagte: „Ich verdiene meinen Tagelohn.“

    Der zweite antwortete: „Ich verdiene Geld, um meine Familie ernähren zu können.“

    Der dritte strahlte: „Ich helfe beim Bau einer Kathedrale!“

  •  

    Was rollt denn da?

    Fahrzeuge natürlich, aber auch Lebewesen. Wie sind die im Altertum entstandenen rollenden Objekte zu deuten? Als Spielzeug, Kultgegenstände, Grabbeigaben? Sehen wir uns rollende Statuetten der Antike daraufhin an und versuchen uns selbst eine Meinung zu bilden.

    Karren und Wagen sind seit vorgeschichtlicher Zeit mit Hilfe von Rädern beweglich. Auf sie wollen wir hier nicht näher eingehen[1]. Doch es gibt auch Wasserfahrzeuge mit Rädern. Die altertümlichen Raddampfer auf dem Mississippi sind berühmt. Vitruv  beschrieb im 1. Jh. v. Chr. das Schaufelrad.

    Abb. 1: Räderschiff aus dem römischen Ägypten, 2.-3. Jh. n. Chr.
    Nach Andres 2000, 218 f. Kat. Abb. 141

     

    Räderschiff:

    Die Räder (Abb. 1) symbolisieren einen Wagen, auf dem das Boot gezogen werden konnte; doch aus der Darstellung im Relief lässt sich schließen, dass die Funktion als Fahrzeug nicht beabsichtigt war. Das kleine Schiff hatte eher eine Bedeutung im privaten Kult bzw. im Totenkult, etwa als Medium zur Überfahrt der Sterblichen in die andere Welt. Die Tonfarbe weist in den Fayum, wo ähnliche Terrakotta-Boote in Wandnischen gefunden wurden[2]. Auf einigen der aus dem römischen Ägypten stammenden Vergleichsexemplare befindet sich ein ‚Passagier‘, den man mit der jugendlichen Gestalt des Harpokrates (des kleinen Horus) verband. Vielleicht handelt es sich bei der stilisierten Figur am Heck des Räderschiffs (Abb. 1) um eine Anspielung auf diesen Kindgott[3].

     

    Kriegsschiff auf Rädern:

    Nach einer Scholie des Eustathios zu Ilias XI, 20  hatte der zyprische König Kinyras einer griechischen Gesandtschaft 50 Schiffe gegen Troia versprochen; davon lief aber nur eines vom Stapel. Die anderen ließ der doppelzüngige Herrscher aus Ton verfertigen und mit tönernen Kriegern bemannen. In einem Terrakotta-Fragment aus Salamis/Zypern, das aus einem Schiffsbug mit Rammsporn und Schild sowie einer Durchbohrung für die Räder besteht, könnte sich dieser Mythos spiegeln[4].

     

    Rollenden Lebewesen wurden viel häufiger tierische Formen als menschliche oder menschenähnliche Gestalt gegeben. In Mesopotamien und in den Ländern am östlichen Mittelmeer stellte man schon seit dem Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. Tiere auf Rädern, vor allem Widder, dar[5]. Auch rollbare  Gefäße in Tiergestalt haben eine lange Tradition[6]. Da sie zumeist in Heiligtümern gefunden wurden, liegt es nah, sie mit der Libatio, der Trankspende für eine Gottheit, zu verbinden. Eine einfache Vorrichtung[7] ermöglichte, die Tiergefäße hin und her zu ziehen, bevor man aus ihnen spendete.

    Tierfiguren und Gegenstände auf Rädern, mit einer Zugvorrichtung und aus verschiedenen Werkstoffen hergestellt finden sich bis heute in Kinderzimmern; so lassen entsprechende antike Statuetten ebenfalls fast automatisch an Spielerisches denken[8]. Ist es aber statthaft, von beweglichen Geräten unserer Zeit auf die Situation im Altertum zu schließen? Waren Material und Konstruktion der auf uns gekommenen antiken Figuren robust genug für den bekanntlich oft rauen Umgang von Kindern mit einem Spielgerät?[9]. Allenfalls ein hölzernes Räderpferd aus dem spätantik-frühbyzantinischen Ägypten[10] hätte den kindlichen Spielen widerstehen können.

    Anders ist es bei einem Reiter auf Rädern (Abb. 2), der in unmittelbarer Nähe des Aphrodite-Altars von Tamassos/Zypern geborgen wurde. Die aus massivem Kalkstein bestehende Figur ist wegen ihres Gewichts und der Höhe und Länge von jeweils knapp 20 cm kaum als Spielzeug geeignet. Auch der Fundort spricht für einen sakralen Aspekt[11].

    Abb. 2: Tamassos/Zypern, Fund-Nr. 485/1975
    Nach Buchholz – Nobis 1978, 300 Abb. 7

     

    Nicht nur Pferde mit und ohne Reiter[12], auch andere Tierfiguren hat man mit Rädern ausgestattet. Gelegentlich sitzt das Wesen auf einem Sockel, durch den die Achse führt[13].

     

    Vögel:

    Woher die Taube auf Rädern stammt (Abb. 3) wissen wir nicht. Zwar ist die Knubbe[14] zum Einfädeln einer Zugschnur durchbohrt, doch eignen sich die tönernen Räder nicht zum häufigen Gebrauch. Auch dieser Statuette kommt wohl eher kultische Bedeutung zu. Nicht zufällig sind Tauben der Göttin Aphrodite heilig.

    Abb. 3 Taube auf Rädern, Unteritalien, 4.-3. Jh. v. Chr.
    Nach Andres 2000, 132 Kat. Abb. 90

    Eine vom Rücken schräg nach vorn zur Brust führende Bohrung  macht den  Wasservogel auf Rädern (Abb. 4) zum Aufhängen geeignet. Vermutlich hingen derartige Vögel (Gesamthöhe 6,8 cm) an den Ästen heiliger Bäume in Kultbezirken unter freiem Himmel. Die Sitte war in der frühen Eisenzeit im Gebiet des südlichen Balkans und in Nordgriechenland heimisch; einen Schwerpunkt gab es in Pherais/Thessalien[15]. Als Amulett scheint der Gegenstand nicht fungiert zu haben; entsprechende Hinweise fehlen.

    Abb. 4: Thessalische (?) Bronze, 2. Hälfte des 8. Jhs. v. Chr.
    Prähistorische Staatssammlung München, nach Zaalhaas 1996, 72 Abb. 52

     

    Rollende anthropomorphe Figuren sind selten. Wir haben wenige Beispiele von Sterblichen, einzelnen dämonischen Wesen und göttlichen Gestalten.

     

    Sterbliche: Krieger-Figuren

    Eine Gruppe von etwa 24 archaischen Terrakotta-Statuetten aus Salamis/Zypern ist durch Bärte als männlich, durch spitze helmartige Kopfbedeckungen und Wangenklappen als kriegerisch ausgewiesen. Die Arme sind angehoben, die Beine durch Räder ersetzt, wobei die Radachse quer durch das untere Ende der offenbar mit einem langen Gewand bekleideten Körper führt[16] (Abb. 5). Der Thorax weist eine weitere, größere, Öffnung auf. Durch diese konnte ein Stab, an dem die Figur „wie ein Spielzeug“[17] zu bewegen war, geschoben werden. Ob derartige Statuetten eine, wie V. Karageorghis meint, zweifache Bedeutung hatten, nämlich als Spielgerät und als Votivgabe im Heiligtum[18], ist allerdings  offen.

    Abb. 5: Aus Salamis/Zypern, 6. Jh. v. Chr.
    Nach V. Karageorghis 1995, 142 f. Taf. 82, 1

     

    Dämonische Mischwesen:

    In Etrurien entstand bereits im 8. Jh. v. Chr. aus Bronze eine Räucherpfanne auf Rädern. Sie stellt einen geschwänzten, als flaches Deckelgefäß gebildeten Vogelkörper dar, überragt von zwei Hirschköpfen mit langen Hälsen[19].

    In der römischen Kaiserzeit fertigte man ein Mischwesen auf vier Rädern an, den Rosshahn, dessen Pferdekörper in einem Hahnenschwanz endet. Auch der Reiter ist eine dämonische Erscheinung[20].

    Gottheit:

    Aus der Nord-Nekropole von Knossos stammt ein Pithos (großes Vorratsgefäß) mit dem Relief einer weiblichen Naturgottheit, auf einer Platte mit Rollen[21] (Abb.6). Die Vorderseite des Gefäßes zeigt die Göttin mit je einem Vogel in den erhobenen Händen, auf der Rückseite sind die Arme gesenkt. Von den Ästen der flankierenden Bäume wird das Motiv aufgenommen. Handelt es sich um eine Darstellung des Werdens und Vergehens in der Natur?[22]

     

     

     

     

     

     

     

     

    Abb. 6: Naturgottheit auf Rollen, Pithos aus der Nord-Nekropole von
    Knossos. Nach Matthäus 2005, 327 f. Abb. 17

    Wie wir sehen, fungierten die rollenden Statuetten, so weit wir ihren Fundkontext kennen oder auf ihren Fundort schließen können, in der Antike zumeist als Kultobjekte und Grabbeigaben[23]. Die Verwendung als Amulett ist fraglich. Kinderspielzeug dagegen setzt ein weit widerstandfähigeres Material voraus als Kalkstein oder Terrakotta zu bieten vermögen.

     

    Abgekürzt zitierte Literatur und Bildnachweis:

    Andres 2000: M. Andres, Die Antikensammlung. Hessisches Puppenmuseum Hanau-Wilhelmsbad (Hanau 2000)     Abb. 1. 3

    Bianco – Tagliente 1993: S. Bianco – M. Taglienete, Il Museo Nazionale della Siritide di Policoro (Bari 1993)

    Borger 1977: H. Borger, Das Römisch-Germanische Museum Köln (München 1977)

    Brouskari 1985: M. Brouskari, The Paul und Alexandra Canellopulos‘ Museum (Athens 1985)

    Buchholz 1978: H.-G. Buchholz, Tamassos, Zypern, 1974-1976. 3. Bericht, Archäologischer  Anzeiger 1978, 155-230

    Buchholz 1980: H.-G. Buchholz, Grabungen in Tamassos und Liste der ausgestellten Stücke, Anhang II in: Schätze aus Zypern. Ausstellung 5. November bis 7. Dezember 1980, Akademisches Kunstmuseum der Universität (Bonn 1980) Nr. 217

    Buchholz – Nobis 1976/77: H.-G. Buchholz – G. Nobis, Tierreste aus Tamassos auf Zypern, Acta praehistorica et archaeologica 7/8,1976/77 271- 300     Abb. 2

    Buchholz – Untiedt 1996: G.-G. Buchholz – K. Untiedt, Tamassos. Ein antikes Königreich auf Zypern (Jonsered 1996)

    Buchholz – Wamser-Krasznai 2017: H.-G. Buchholz  – W. Wamser-Krasznai, Tiere – Reiter – Wagen. Aus den Heiligtümern von Tamassos, in: W. Wamser-Krasznai, Streufunde  (Filderstadt 2017) 23-26

    Cholidis 1989: N. Cholidis, Tiere und tierförmige Gefäße auf Rädern. Gedanken zum Spielzeug im Alten Orient, Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 121,1989, 197-220

    Crouwel 1985: J. H. Crouwel, Carts in Iron Age Cyprus, RDAC 1985, 203-221

    Crouwel 1992: J. H. Crouwel, Chariots and other Wheeled Vehicles in Iron Age Greece (Amsterdam 1992)

    Crouwel – Tatton-Brown 1988:  J. H. Crouwel – V. Tatton-Brown, Ridden Horses in Iron Age Cyprus, RDAC 1988 II, 77-87 Taf. 24-26

    Fittà 1998: M. Fittà, Spiele und Spielzeug in der Antike (Darmstadt 1998)

    Guggisberg 1996: M. A. Guggisberg, Frühgriechische Tierkeramik (Mainz 1996)

    Karageorghis 2002: V. Karageorghis, Ancient Art from Cyprus in the Collection of George and Nifeli Giabra Pierides (Athen 2002)

    Karageorghis 1995: V. Karageorghis, The Coroplastic Art of Ancient Cyprus 4. The Cypro-Archaic Period, Small Male Figurines (Nicosia 1995)    Abb. 5

    Lembke 2004: K. Lembke, Die Skulpturen aus dem Quellheiligtum von Amrit (Mainz 2004)

    Lubsen-Admiraal – Crouwel 1989: St. Lubsen-Admiraal – J. Crouwel, Cyprus & Aphrodite (s‘ Gravenhage 1989)

    Matthäus 2005: H. Matthäus, Toreutik und Vasenmalerei im früheisenzeitlichen Kreta: Minoisches Erbe, lokale Traditionen und Fremdeinflüsse, in: C. E. Suter – Chr. Uehlinger (Hrsg.), Crafts and Images in Contact. Orbis Biblicus et Orientalis 210 (Fribourg – Göttingen 2005) 291-350      Abb. 6

    Th. Monloups, Figurines à roulettes, Salamine de Chypre XII. Les figurines de

    terre cuite de tradition archaique (Paris 1984) 151-169

    Rühfel 1984: H. Rühfel, Das Kind in der griechischen Kunst (Mainz 1984)

    Schefold 1993: K. Schefold, Götter- und Heldensagen der Griechen in der Früh-

    und Hocharchaischen Kunst (München 1993)

    1. Strøm, The Early Sanctuary of the Argive Heraion and its External Relations

    (8th.- Early 6th. Cent. BC.) Proceedings of the Danish Institute at Athens I

    (Athens 1995) 37-128

    1. A. Trofimova, Greeks on the Black Sea (Los Angeles 2007)

    Ulbrich 2008: A. Ulbrich, Kypris. Heiligtümer und Kulte weiblicher Gottheiten auf Zypern in der kyproarchaischen und kyproklassischen Epoche. Königszeit (Münster 2008)

    Vierneisel-Schlörb 1997: B. Vierneisel-Schlörb, Kerameikos 15. Die

    Figürlichen Terrakotten I. (München 1997)

    Zahlhaas 1996: G. Zahlhaas, Aus Noahs Arche. Tierbilder der Sammlung

    Mildenberg aus fünf Jahrtausenden (Mainz 1996)    Abb. 4

     

    [1] Z. B.  Fragment eines tönernen Wagenmodells aus dem Aphrodite-Heiligtum in Tamassos, Buchholz-Untiedt 1996, 129 Abb. 69 a; Crouwel 1985, 204-212 Taf. 31-34; V. Karageorghis 1995, 121-123 Taf. 73. 74, 1-3..

    [2] Andres 2000, 218 f. Kat.-Nr. 141.

    [3] LIMC IV (1988) 431 f. Nr. 230 a. d. e. f Taf. 253 f. s. v. Harpokrates (Tram Tan Tin – B. Jaeger – S. Poulin).

    [4] Monloups 1984, 158 f. Abb. 601.Taf. 29.

    [5] Andres 2000, 33 Kat.-Nr. 10; Cholidis 1989, 204. 215 Abb. 6;  Fittà 1998, 74 Abb. 132.

    [6] Cholidis 1989, 199.

    [7] Eine Öse, durch die man eine Schnur ziehen konnte, oder ein Gefäßhals, um den man ein Band legte, Cholidis 1989, 202.

    [8] Andres 2000, 16. 205.

    [9] Verneinend: Cholidis 1989, 197-205; ebenso Guggisberg 1996, 299 f. Anm. 1405. 1409. Beispiele für den mehr als rauen Umgang von  Kindern mit lebenden Spieltieren: Schildkröte, Fittà 1998, 66 Abb. 105; „Gans-Würger“, Rühfel 1984, 255 Abb. 108.

    [10] Andres 2000, 229.

    [11] Buchholz – Wamser-Krasznai 2017,  23-26 Bild 7; Terrakottastatuette eines reitenden Kriegers auf Rädern aus dem Quellheiligtum von Amrit, Lembke 2004, 154, Nr. 14 Taf. 3 f.;  Reiter auf Räderpferd aus dem Heiligtum von Ayia Irini, Lubsen-Admiraal – Crouwel 1989, 170 f. Nr. 178 Farbtafel 77; zur Wahrscheinlichkeit des sakralen Gebrauchs: Cholidis 1989, 204; „Groupe sacrificiel (?)“ Monloup 1984, 157 f. Nr. 599 Taf. 29; attisch-subgeometrisches Räderpferd vom Kerameikos, Athen, Vierneisel-Schlörb 1997, 167 Nr. 526 Taf. 26.

    [12] Terrakottafigur eines Reiters auf Rädern, Attika, Brouskari 1985, 24 f.; Borger 1977, 90 Abb. 29; attisch-geometrisches Pferd auf Rädern, Zahlhaas 1996, 121f. 127 Abb. 101  Holzpferd auf Rädern aus Ägypten, 235.

    [13] Andres 2000, 46 Nr. 23; Löwe auf Standplatte mit vier Rädern, 203 Nr. 126; ebenso Lasttier, 206 Nr. 127;  Widder, Cholidis 1989, 203 f. 207 Abb. 6. 7. 215 Abb. 20-31; Stier, Trofimova 2007, 207 Abb. 106; Tiere auf Rädern in Gräbern der frühen Eisenzeit, Basilicata, Bianco – Tagliente 1993, 56; kleine Ton-Ferkel aus einem Heiligtum von Salamis/Zypern, Monloups 11. 165 Nr. 613. 614 Taf. 30; Maus, Krokodil, Huhn, Fittà 1998, 69 f. Abb. 114. 117.

    [14] Andres 2000, 16. 132 Katn Nr. 90.

    [15] Zaalhaas 1996, 28. 72 Abb. 52; gleichartige Vogelfiguren aus Bronze ohne Räder, mit  prismenförmigem Stempelfuß im argivischen Heraion, Strøm 1995, 62-68 Abb. 26; auf hohem zylindrischem Fuß mit zwei eingeschalteten Kugeln, Brouskari 1985, 27 f.

    [16] Monloups 1984, 23. 151-160

    [17] „De mouvoir le personnage sur ses roulettes, comme un jouet“, Monloups 1984, 152.

    [18] Karageorghis 1995, 142 f. Taf. 82, 1; zur Deutung und zur zypern- bzw. salamis-spezifischen Entstehung der Statuetten v. a. Monloups 1984, 18-23.

    [19] Aus der Monterozzi-Nekropole von Tarquinia, Bianchi Bandinelli – Giuliano 1974, 30. 404 Abb. 29.

    [20] Reiter im Kapuzenmantel, Telesphoros? Andres 2000, 205 Kat.-Nr. 128; ohne Kopfbedeckung, Fittà, 1998, 74 Abb. 130.

    [21] Matthäus 2005, 327 f. Abb. 17; Schefold 1993, 59 Abb. 37 a. b.

    [22] Schefold 1993, 59.

    [23] Mylonas 2003, 67 und Anm. 52; Senff 1993, 62 und Anm. 51; Andres 2000, 16; Fittà 1998, 70; Cholidis 1989, 197f.;  s.; Monloup 1984, 152-157; zur möglicherweise verkürzten Darstellung von Pferd und Wagen durch Pferde mit Rädern, sowie zum trojanischen Pferd auf Rädern: Meyer 2010, 20-22.

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    Da Vinci Lesson    

    Leonardo da Vinci wrote, that the virtue of gratidude is said to be better developed in hoopooes than in humans. When hoopooes see their parents grow old, they make a nest for them, feed them and with their beaks they pull out old and shabby feathers, since they well know the benefits of life and food they have received from their parents.

    Could Leonardo observe this bird accurately, or most probably it was only fatherly lesson to his son Paulo?

    Today, five centuries later, Leonardo would update his fable, and complete it with a moral:                                       If One day you see me old, you will notice my ignorance on new technologies.  Be patient and give me the necessary time, as I had all the patience to teach you the ABC. One day you will find, that despite my mistakes, I always wanted the best for you, I tried to pave you the way We do not abandon our own parents at the time of real need: they have never done with us. And let us remember, that life is like a wheel: sooner or later we shall fall into the ditch that we dug ourselves.

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Leonardo da Vinci schrieb, die Tugend der Dankbarkeit sei bei den Wiedehopfen besser entwickelt als bei Menschen.

    Wenn sie die Eltern alt werden sehen, bauen sie ein Nest für sie, füttern sie, und rupfen  mit ihren Schnäbeln alte und zerzauste Federn aus, da sie um die Vorteile des Lebens und der Nahrung wissen, die sie von ihren Eltern empfangen haben. Mit einem bestimmten Kraut, das sie in die alten Augen tropfen, stellen sie die Sehstärke wieder her.

    Konnte Leonardo die Vögel genau beobachten, oder war es nur die väterliche Lektion für seinen Sohn Paolo?

    Heute, fünfhundert Jahre später, würde Leonardo seine Fabel auf den neuesten Stand bringen und mit einer Moral vervollständigen.

    Wenn du mich eines Tages alt siehst, wirst du meine Unkenntnis über neue Technologien bemerken. Sei geduldig und gibt mir die nötige Zeit, da ich auch die alle Geduld hatte, um dir das ABC beizubringen. Eines Tages wirst du entdecken, dass ich trotz meiner Fehler immer das Beste für dich wollte. Ich habe versucht, Deinen Weg zu ebnen. Wir verlassen unsere eigenen Eltern nicht, wenn sie uns wirklich brauchen: Sie haben uns nie verlassen.

    Und lass uns daran denken, dass das Leben wie ein Rad ist: Früher oder später werden wir in den Graben fallen, den wir selbst ausgehoben haben.

     

    Nachträgliche Bemerkung des Autors:

    Das Wort vici aus dem bekannten Zitat von Julius Caesar „Veni, vidi, vici“ – ich kam, sah und siegte – auch im Italienischen vinci die Bedeutung gesiegt.

    Leonardo ist als uneheliches Kind des Notars Piero geboren und als Leonardo de Piero getauft. Der Namenszusatz da Vinci ist kein Famiien-, sondern ein Herkunftsname und bedeutet aus dem Ort Vinci.

     

     

     

                                                                                                                                                                                                               

  • Melk Benedictine Abbey Library (Wikipedia)
    Kloster Melk, Bendiktiner-Abtei, Bibliothek

    Library

    A library is a cemetery of the minds.
    A writing style is a manuscript of the soul.
    Today´s false society looks like a library in
    which the books are spread not by their internal contents ,
    but by the color and design of their covers.

     

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Die Bibliothek

    Eine Bibliothek ist ein Geistes-Friedhof.
    Ein Schreibstil stellt einen Handschrift der Seele dar.
    Die heutige falsche Gesellschaft sieht aus wie eine Bibliothek,
    in der die Bücher nicht nach dem Inhalt verteilt sind,
    sondern nach der Farbe und den Entwürfen der Hüllen.

     

  • Vögel unterwegs

    (23.3.2018) 

    Vor einigen Wochen hatte ich das Glück, 3333 goldfarbene Tauben der Künstlerin Ruth Blanke zu erleben, die im November 2017 in die Überwasserkirche in Münster gezogen waren [1]. Die Bilder gingen mir nicht aus dem Kopf. Im weiteren Verlauf las ich das Buch „Die Mauer überwinden: Eine Vision für Israelis und Palästinenser“ des amerikanischen Psychologen, Traumatherapeuten und Friedensaktivisten Mark Braverman [2]. So entwickelte sich der vorliegende Text.

    [1] http://www.bistum-muenster.de/index.php?myELEMENT=344094

    [2] http://www.wdl-verlag.de/frieden-und-versoehnung/978-3-86682-162-0_Detail.htm

     

    ֎֎֎

     

    für Leni

     

    Besorgt, bewegt, entschlossen
    verrückt vor Hoffnung, geschlossen
    wollten 3333 Vögel
    in der Überwasserkirche in Münster
    das beklemmende Schweigen brechen
    das an Verbrechen grenzte 

    Das Fluch beladene Erbe des Wegschauens
    über Nacht nicht überwindbar
     wollten sie nicht widerspruchslos belassen
    auch nicht die törichten Ausreden
    das Schicksal sei in den Sternen geschrieben
     einige seien zum Gehorchen verurteilt
    andere auserwählt zum Befehlen 

    Fest davon überzeugt
    dass Begegnungen beheimaten
    tief verbunden mit der Erde
    traten sie den Flug in alle Himmelsrichtungen an
    um Lebewesen liebevoll zu berühren
    zur Gerechtigkeit zu rufen
    den Blinden die Augen zu öffnen
    die Gefangenen aus dem Gefängnis zu führen
    und die in der Finsternis Sitzenden
    aus ihren goldenen Kerkern

    ֎֎֎