Schlagwort: Kunst

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    Inhaltsverzeichnis

     Weihnachten 2009  11
     Friedensnobelpreis 2009 13
     Kleines Experiment  15
     Liebeserklärung  16
     Gegossenes Blei. Ein Jahr danach  18
     Antlitz  20
     Agenda 2010  22
     Ich möchte mich daran nicht gewöhnen  25
     Siko 2010  27
     Mittelbau-Dora  28
     Belanglose Banalitäten, banale Belanglosigkeiten?  31
     Der Baum ohne Blätter  33
     Vermisstenanzeige  34
     Der Wein der Einsamkeit  36
     Der Leuchtkäfer  37
     Mondschein  38
     Das sonderbare Schachspiel  39
     Sonnenblume  42
     Neue Drohnen braucht das Land  45
     Schwelende Glut  48
     Was ist das für ein Land?  49
     Begegnungen mit den Insassen der Hölle  51
     Fremdwörter  53
     Allen Unkenrufen zum Trotz  55
     Was alles auf der Strecke bleibt  56
     Die Gretchenfrage aktualisiert  58
     Merke dir …  60
     Am helllichten Tage  62
     The common thread: from Hiroshima to Fallujah. /Der rote Faden. Von Hiroshima nach Fallujah.  63
     Morden  67
     Sonderbare Widersprüche  70
     Drei Jahre nach der Operation Cast Lead  72
     Spiegel  73
     Freundschaft  75
      Nachahmung   78
     Ich liebe, deshalb bin ich  80
     Was ich möchte  81
     Ein Tanz, der Leben ist  83
     Zuhause  85
     Eine Sonne  87
     Trost  89
     Begegnungen beheimaten  90
     Von Bienen, Wellen und Flammen  92
     Ausfahrten  93
     B.E.W.E.G.E.N  95
     Anwesenheit  96
     Die Sprache des Imperiums  97
     Zeichen setzen  99
     Kleider  100
     Die Schönheit der Schöpfung  101
     Frage  102
     Brücken  103
     Metamorphose  104
     Innere Sonne  105
     Inbrust  106
     Heim(at)  107
     Mitgefühl  108
     Rückkehr / Return  109
     Gaza 2014  111
     Sollidarisch  112
     Quittenbrücke  113
     Erde  114
     Biografie  115
     Paris, Januar 2015  116
     Erhabene Nacktheit  117
     Einblick  118
     Weißbuch  119
     Quelle des Glücks  121
     Schönheitslehre  122
     Der Baum  123
     Sehnsucht  124
     Lass dich umarmen  125
     Mithra  127
     Gerade deswegen  129
     Schreiben  130
     Leidenschaftlich und gelassen  131
     Für dich  132
     Licht und Schatten  133
     Verständigung  135
     Gefüge  136
     Straßenkinder  137
     Für die in mir  138
     Beheimatung im Herzen  139
     Gedichte  140
     Abruzzen  141
     Welle  142
     Solch eine Liebe  143
     Die Schwalm  145
     Schmetterling  146
     Von Elfen und Elben  147
     Liebeslied  148
     Zusammenhänge im großen Gefüge  149
     Meer der Morgenröte  151

     

    Die Weitergabe der Texte wird vom Verfasser ausdrücklich gewünscht.

     Bitte die Quelle angeben:

    https://amirmortasawi.wordpress.com/

     

    Weihnachten 2009

    (20.12.2009)

     

    Schnee, weiß, weich wie Samt
    zärtlich wie die Freundschaft
    sanft wie die Toleranz 

    Schnee, rot, befleckt
    Fußspuren der Barbarei
    Hinterlassenschaft der Gier 

    Fenster, beleuchtet
    Wärme, Geborgenheit
    Zimmer, geschmückt
    Fest der Freude 

    Fenster, zerschlagen
    Kälte, Hass
    Zimmer, verlassen
    Sieg der Zerstörung 

    fern und nah
    ein Katzensprung
    ein Augenblick

    ֎֎֎

     

    Friedensnobelpreis 2009

    (14.12.2009) 

    nicht jedes schwarz ist schwarz
    nicht jedes weiß ist weiß
    nicht jedes rot ist rot
    nicht jedes gelb ist gelb 

    verfangen im netz der lügen
    gekettet mit zuckerbrot und peitsche
    ausgeschaltet durch den maulkorb der sachzwänge 

    haben wir die fähigkeit in uns
    tag für tag
    nacht für nacht
    stück für stück
    tropfen für tropfen
    schritt für schritt
    schlag für schlag
    tritt für tritt
    stich für stich
    aus uns
    austreiben lassen
    mit den augen zu hören
    mit den ohren zu riechen
    mit der nase zu schmecken
    mit der zunge zu atmen
    mit der lunge zu fühlen
    mit der haut zu denken
    mit dem gehirn zu schlagen
    mit dem herzen zu schenken 

    oh, du „krone der schöpfung“
    wie konntest du es zulassen
    dich so erbärmlich
    erbärmlich
    erbärmlich
    verkommen lassen

     

    Kleines Experiment

    (in Anlehnung an Erich Fried; 7. Dezember 2009) 

    Sieh dir
    den Amtsträger an
    ihn selbst
    oder sein Foto

    und die Gesandten
    die er in andere Länder schickt
    um deutsche Interessen

    überall zu verteidigen

    dann sage dir dreimal laut vor:
    „Es ist eine humanitäre Intervention
    Es geht um die Verteidigung der Menschenrechte
    Es gilt der Ausbreitung der Demokratie
    Es dient dem Frieden „

    wenn du das glaubst
    dann kannst du beruhigt weiter schlafen
    wenn du es jedoch bezweifelst
    und wagst Fragen zu stellen

    musst du bereit sein
    für eventuelle Schlussfolgerungen
    einen hohen Preis zu bezahlen

     

    Liebeserklärung

    (1.11.2009) 

    Du, Fee der Freiheit!
    Du, Engel der Gerechtigkeit!
    Du, Bote der Vernunft!
    Ihr, Dreieck des Friedens! 

    Euch im Sinn
    greife ich nachts nach den Sternen.
    Mit Hoffnung auf euer Erscheinen
    fange ich den neuen Tag an.
    Im Herbst der Farbenvielfalt
    von den prächtigen Bäumen inspiriert
    bereite ich in mühsamen Schritten
    eure Ankunft vor. 

    Verrückt vor Leidenschaft
    leidend und doch glücklich
    schlägt mein verliebtes Herz
    träumend Schmetterlingen folgend
    einem Kinde ähnelnd
    eurer Liebkosung entgegen. 

    Du, Fee der Freiheit!
    Du, Engel der Gerechtigkeit!
    Du, Bote der Vernunft!
    Ihr, Dreieck des Friedens!

    ֎֎֎

     

    Gegossenes Blei. Ein Jahr danach.*

    ( 28.12.2009) 

    Langer Atem dort?
    Kurzer Seufzer hier?
    War das einkalkuliert? 

    Große bunte Blasen
    sie kommen auf
    glänzen 

    Tiefe schmutzige Wunden
    sie klagen an
    stinken 

    Majestätische Bilder
    sie grinsen
    heucheln 

    Langer Atem dort
    kurzer Seufzer hier
    das war einkalkuliert.

    ֎֎֎

    * Die Einkesselung und Bombardierung des Gaza-Streifens durch Israel 2008/2009 wurde in Armeekreisen  „Gegossenes Blei“ genannt.

     

     

    Antlitz / Sima *

    (6.12.2009) 

    Schon der erste Blick
    hat verraten
    dass du eine Mutter bist
    besorgt
    fürsorglich
    schützend
    warm
    weise  

    Schon das erste Gespräch
    hat gezeigt
    dass du ein Mensch bist
    leidend
    und doch schöpferisch
    verletzt
    und doch kämpferisch
    beraubt
    und doch großzügig
    betrogen
    und doch vertrauend  

    Schon die erste Umarmung
    hat gezeigt
    dass du lieben kannst.

    ֎֎֎ 

    *  Das deutsche Wort ‚Antlitz‘ bedeutet auf Persisch ‚Sima‘. Dieses Gedicht ist Frau Sima Kassaie gewidmet.

     

     

    Agenda 2010

    Dieselbe Prozedur wie jedes Jahr!

    (Dezember 2009) 

    Frohes, neues Jahr, Püppchen!

    Auch im Jahr 2010 werde ich dir genügend Themen und Fragestellungen anbieten, mit denen du dich beschäftigen kannst. Vergiss jedoch nicht unsere grundsätzlichen Vereinbarungen aus den vergangenen Jahren: 

    Du darfst hören,
    jedoch mit Ohren, die ich betäube.
    Du darfst hören,
    jedoch das, was ich für dich bestimme und auswähle. 

    Du darfst sehen,
    jedoch mit Augen, die ich beneble.
    Du darfst sehen,
    jedoch das, was ich für sinnvoll erachte. 

    Du darfst fühlen,
    jedoch mit Sinnesorganen, die ich beeinflusse.
    Du darfst fühlen,
    jedoch nach meiner Anleitung. 

    Du darfst denken,
    jedoch in den von mir vorgegebenen Kategorien.
    Du darfst denken,
    jedoch meine Logik anwendend. 

    Du darfst planen,
    jedoch meinen Interessen entsprechend.
    Du darfst planen,
    jedoch nach meinen Vorgaben. 

    Du darfst handeln,
    jedoch mich nicht gefährdend.
    Du darfst handeln,
    jedoch nach meiner Regie. 

    Püppchen!
    Du darfst eine Marionette bleiben,
    jedoch mit der tiefen Überzeugung,
    frei von Strippen zu sein. 

    In diesem Sinne wünsche ich dir ein wahnsinniges, neues Jahr.

    ֎֎֎

      

    Ich möchte mich daran nicht gewöhnen.*

    (8.1.2010) 

    George Orwell: „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.“  

    Wer die Vergangenheit nicht kennt
    oder
    sie zwar kennen gelernt hat
    aber bewusst oder unbewusst
    verdrängt
    verkennt die Gegenwart.  

    Wer die Gegenwart verkennt
    oder
    sie zwar prinzipiell erkennen kann
    jedoch bewusst oder unbewusst
    eine kritische Auseinandersetzung damit vermeidet
    verbaut sich die Zukunft.  

    Wer regieren will
    und dabei
    mit den drei Grundsätzen
    Freiheit, Gerechtigkeit, und Vernunft
    in Widerspruch gerät
    wird die Regierten dazu verleiten
    die Vergangenheit zu vergessen
    die Gegenwart zu verkennen
    und somit
    die Zukunft zu verbauen.

    ֎֎֎

     

    * Dieses Gedicht ist anlässlich eines Gerichtsverfahrens Frau Dr. Sabine Schiffer gewidmet.

     Siko 2010*

    (6.2.2010)

     Eure Angst  ist begründet
    denn wir können immer noch denken
    mitten im Chaos
    das ihr ausweitet 

    Eure Brutalität ist begründet
    denn wir können immer noch lieben
    mitten in der Kälte
    die ihr verbreitet 

    Eure Verzweiflung ist begründet
    denn wir wollen immer noch leben
    mitten im Leben
    das ihr zerstört

    ֎֎֎

     

    * Anlässlich der so genannten Sicherheitskonferenz in München

    Mittelbau-Dora*

    (2010)

    In dieser beklemmenden Dunkelheit
    in dieser erlahmenden Kälte
    in dieser erstickenden Enge
    schreist du im Siegesrausch
    dass du ein Meister bist
    aus Deutschland
    der alles nimmt
    was sich nach Leben sehnt
    der alles vernichtet
    was nach Menschlichkeit riecht

    Du bist ein Meister
    nicht nur aus Deutschland
    und die Vergesslichkeit
    ist eine Volkskrankheit
    nicht nur in Deutschland
    und die Ignoranz
    ist eine Seuche
    nicht nur in Deutschland
    und eine mögliche Wiederholung
    ist eine Konsequenz
    nicht nur in Deutschland

    Vergiss jedoch nicht
    dass die Mutter Erde
    von unzählig vielen
    verehrt wird

    ֎֎֎ 

    * Nach dem Besuch des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora wurde dieser Text verfasst. Unter Leitung von Wernher Freiherr von Braun wurde dort das vernichtende Nazi-Raketenprogramm realisiert. Braun arbeitete später für die Raumfahrtentwicklung der USA. Ca. 20 000 Menschen starben im Zusammenhang mit diesem Konzentrationslager.

    ۞۞۞

    http://www.buchenwald.de/29/

    Mittelbau-Dora
    Ein Konzentrationslager des „Totalen Krieges“

    Mittelbau-Dora steht exemplarisch für die Geschichte der KZ-Zwangsarbeit und der Untertageverlagerung von Rüstungsfertigungen im Zweiten Weltkrieg. Mehr als 60 000 Menschen aus fast allen Ländern Europas, vor allem aus der Sowjetunion, Polen und Frankreich, mussten zwischen 1943 und 1945 im KZ Mittelbau-Dora Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie leisten. Jeder dritte von ihnen starb.

    Gegründet wurde „Dora“ als Außenlager des KZ Buchenwald im Sommer 1943 mit der Verlagerung der Raketenproduktion von Peenemünde in vor Luftangriffen geschützte Stollenanlagen bei Nordhausen. Später kamen weitere Rüstungsprojekte hinzu: Zehntausende KZ-Häftlinge mussten 1944/45 Zwangsarbeit beim Ausbau unterirdischer Flugzeug- und Treibstoffwerke leisten. Zu ihrer Unterbringung richtete die SS neue KZ-Außenlager ein, die im Herbst 1944 mit dem Lager Dora zum nunmehr selbständigen KZ Mittelbau zusammengefasst wurden. Dieses erstreckte sich am Ende mit fast 40 Lagern über den gesamten Harz.

    Heute ist Mittelbau-Dora ein europäischer Lern- und Gedächtnisort. Relikte im ehemaligen Lagergelände und im Stollen zeugen von den Verbrechen, aber auch vom wechselvollen Umgang mit der Geschichte. Wechselausstellungen regen zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit an. Die 2006 eröffnete Dauerausstellung präsentiert Mittelbau-Dora nicht nur als Modellfall von Zwangsarbeit und Untertageverlagerung, sondern auch als Beispiel für die enge Einbindung der Konzentrationslager in die deutsche Gesellschaft.

     

    Belanglose Banalitäten, banale Belanglosigkeiten?

    (20.3.2010)

    * Im Rahmen der Veranstaltung „Kultur des Friedens“ fand am 20.3.2010 in Essen eine Gesprächsrunde mit Vertretern von CDU, FDP, SPD, Grünen und Den Linken statt. Der einzige Lichtblick in dieser verdunkelnden Runde war der Moderator, der aufmerksam und aufdeckend handelte. Nach dieser Gesprächsrunde wurde dieses Gedicht verfasst.

    Friede, Freude, Eierkuchen!
    Zunächst nach den richtigen Zutaten suchen:

    Zwei Gläser voll Täuschung und Tarnung,
    anderthalb Gläser heuchelnde Warnung,
    ein beachtlicher Schuss suggerierte Dummheit,
    drei Esslöffel softe Weisheit,
    250 g weiche Wahrheit,
    eine gute Prise berechnende Vergesslichkeit,
    eine Hand voll bedachte Dreistigkeit.

    Dann mischen, kneten, knebeln, spalten,
    dass keine Systemgefahr aufkommt, darauf achten.
    Bald ist fertig der Friedensbrei.
    Lasst die Kritiker bellen, das macht frei.
    Macht, Geld und der Sitz im Bundestag,
    soll uns erhalten bleiben, Tag für Tag.

    Friede, Freude, Eierkuchen!
    Zunächst nach dem Unverbindlichen suchen!

    ֎֎֎

     

    Der Baum ohne Blätter

    (in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 2010) 

    Hast du, Baum, im Herbst die Blätter verloren
    oder bist du erlahmt von der klirrenden Kälte
    so besteht doch die Hoffnung
    dass die lebenspendenden Wolken im Frühling
    dir wieder eine Blättertracht anlegen

    Bald wird wieder eine morgendliche Brise
    deine belaubten Zweige liebevoll berühren
    und sie in Tanz versetzen
    beklage dann das Schicksal all der Blätter
    die von ihren Ästen getrennt worden sind

    ֎֎֎

    Vermisstenanzeige

    (in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 2010)

     

    Seit geraumer Zeit wird vermisst
    die Fee der Fröhlichkeit
    mit der folgenden Beschreibung
     

    Augen:
    dunkel, wie unsere Zeit
    glänzend, wie eine menschliche Vision
    viel versprechend, wie unsere Jugendlichen
     

    Haare:
    lang, wie die Leidensgeschichte der Geächteten
    wellig, wie das widerspruchsvolle Leben
     

    Lippen:
    Zärtlichkeit singend, wie eine Rosenknospe
     

    Gesamteindruck:
    anmutig, wie die bezaubernde Schöpfung
    warm, wie die aufgehende Sonne

    zuletzt wurde sie gesehen
    in einer Gegend
    begrenzt von dem Kaspischen Meer im Norden
    und dem Persischen Golf im Süden
     

    Informationen werden entgegen genommen
    durch offenherzige Wesen

    ֎֎֎

     

    Der Wein der Einsamkeit

    (in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 2010) 

    Unter anderen Umständen
    in anderen Ländern
    zu anderen Zeiten
    bist du ein Gotteslästerer
    ein Abtrünniger, ein Ketzer

    hier gelten dir andere Beschimpfungen
    Kommunist, unbelehrbarer Linker
    Sozialist, notorischer Hetzer
    Antisemit, Selbsthasser
    Volksfeind, naiver Christ
    Unruhestifter, böser Islamist

    solltest du fragen warum
    sage ich einfach summa summarum
    ein Mensch seiner Zeit voraus
    ist öfters ohne Heimat, ohne Haus
    trink aus den Wein der Einsamkeit
    tauch ein ins Meer der Redlichkeit
    sei dir bewusst dem Wandel, der Endlichkeit

    ֎֎֎

     

    Der Leuchtkäfer

    (in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 2010)

     

    Wie lange willst du noch
    im Schlamm dieser dunklen Nacht
    thronen
    bitte die Leuchtkäfer um Hilfe
    beleuchte deine Umgebung
    und dann
    versuch den aufrechten Gang

    ֎֎֎

     

    Mondschein

    (in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; April 2010) 

    Mitten in der dunklen Nacht
    singe ich das Lied der Sonne
    Schweig, schreit schrill der Friedhofswärter
    „Du bist ein verwirrter Übeltäter,
    ein naiver Überläufer,
    ein verdammter Verräter!“ 

    Überzeugt von Wärme und Licht
    frage ich mit Gelassenheit und Zuversicht
    wird der Mondschein etwa nass
    wenn er durch eine Pfütze wandert
    wenn es regnet, schneit oder hadert?

    ֎֎֎

     

    Das sonderbare Schachspiel

    (in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi‘i Kadkani; 2010)

     

    Knie dich nieder
    lautete der Befehl
    knie dich nieder
    vor das lederne Spielfeld
    spiel das Spiel deines Lebens 

    Was für eine Ironie
    ein ledernes Stück
    wurde früher eingesetzt
    früher
    als meine Vorfahren
    geköpft wurden
    zur Strafe bei Auflehnung
    zur Belehrung der Umgebung 

    die Spielfiguren
    waren bereits aufgestellt
    zu Ungunsten der schwarzen Partei
    das Ende war abzusehen
    das weiße Siegesgeschrei 

    Spiel mit den schwarzen Figuren
    du hast nur einen Zug
    wende mit ihm das Blatt um
    ansonsten hast du verloren
    dann ist deine Zeit um
    so waren die Vorgaben
    so waren die Regeln
    vorzüglich einschränkend
    verbindlich einengend 

    Und ich überlegte
    was für ein aussichtsloses Spiel
    was für eine schiefe Lage
    vergeblich war jede Klage 

    So stand ich auf
    in einem Schritt
    war das lederne Spielfeld
    mit all den Schachfiguren
    gründlich gewendet
    und das Spiel
    unwiderruflich beendet

    ֎֎֎

     

    Sonnenblume*

    (in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi’i Kadkani; 23.4.2010) 

    Deinen liebevollen Gesang
    den verzaubernden Geruch deines Atems
    deinen betörenden Anblick
    dein dem Wunder gleichenden Aufblühen
    habe ich wahrgenommen
    du, die Sonnenblume
     

    Vor der Morgendämmerung
    die Tanne, die Sterne im Schlaf
    bist du schon am Werke
    fleißig, bescheiden, still
    in Erwartung der aufgehenden Sonne
    geduldig, treu, voller Wonne
    du, die Sonnenblume

     Dein Geheimnis
    kennen sie nicht
    weder das Veilchen
    noch die Weide
    weder der Fenchel
    noch das Getreide 

    Unbemerkt von diesen
    mit unbegreiflicher Inbrunst
    mit bezaubernder Ausdauer
    lebst du jeden Tag
    deine tiefe Überzeugung
    du, die Sonnenblume:
    das Leben lebt
    von unseren Träumen
    von unserem ewigen
    Greifen nach den Sternen

     Ich, mit meiner Unrast
    der Befreiung wegen
    auch wenn nicht greifbar
    du, mit deiner Bewegtheit
    deiner Geliebten entgegen
    auch wenn nicht erreichbar 

    Schau richtig hin
    die Einheit der Liebenden
    mit der Geliebten
    hat ihr Symbol
    in dir gefunden
    du, die Sonnenblume
    schau richtig hin
    du bist selbst
    zur Sonne geworden
    du, die Sonnenblume

    ֎֎֎

     

    *Auch in meiner zweiten Heimat, Deutschland, gibt es eine Reihe von „Ein-Mann-Betrieben“. Sie werden hier unter anderem von Ellen Rohlfs, Erhard Arendt, Michael Schmid, Thomas Immanuel Steinberg und Wolfgang Kuhlmann am Leben gehalten. Sie sind wie das Salz in unserer Suppe, sie sind die Sonnenblumen unserer Gesellschaft.

     

    Neue Drohnen braucht das Land*

    2.4.2010 

    *Anlässlich der Ausbildung deutscher Soldaten durch Israel im Umgang mit Drohnen. 

    Es trafen sich die großen Menschenfreunde
    aus dem dunklen, deutschen Walde
    einst in der kalten Lichtung
    in der Nähe der blutroten Halde,
    es ging um eine große Sichtung. 

    Die infame Propaganda der Widersacher
    bezeichnete die Versammelten als Verbrecher.
    Es waren aber alle nur Lebensretter,
    ihre Namen echte Zungenbrecher:
    Schiebel Elektronische Geräte,
    HighKopter.de, Mavionics,
    AirRobot, EMT,
    Rheinmetall Defence Electronic,
    microdonres, EADS.
    Andere blieben unbenannt,
    so wollten sie es. 

    Die Schirmherrschaft dieser Demonstration,
    in der Zeit der heiligen Emanzipation,
    hatte erwartungsgemäß keine Mängel
    sie war eine echte Taube, ein Friedensengel.

    Die Dame kam aus der ehemaligen DDR.
    Keine doppelte Gleichberechtigung? Aber bitte sehr! 

    Zunächst eine chirurgisch präzise Ausschaltung
    der Feinde der Menschenrechte,
    dann kommt die gerechte Verwaltung,
    Nation Building für die befreiten Knechte.
    Zur Sicherung deutscher Interessen weltweit
    Drohnen braucht das Vaterland, seid ihr bereit?
    Unsere Responsibility to protect, sagte dann
    der wohl ernährte, so weise Vorsitzende,
    fange bei deutschen Soldaten an,
    sonst drohe uns das dicke Ende:
    Särge mit zugerichteten Toten
    bei aller Gleichschaltung der Vision
    sind weiterhin keine guten Boten
    für unsere gepriesene Friedensmission. 

    Für diese lukrative Feststellung
    gab es riesigen Beifall, stehenden Applaus.
    Die Lebensretter setzten fort ihre Sitzung
    mit Wonne, Weißwurst und Apfelschmaus.

    ֎֎֎

     

    Schwelende Glut

    (in Anlehnung an Parvaz Homay; Mai 2010)

    Zeig Erbarmung diesen Menschen gegenüber
    lindere ihr Leiden
    erweis diesen Menschen Duldsamkeit
    erleichtere ihre Bürden
    hab Angst vor der schwelenden Glut
    unter der Asche

    Tausende kaiserliche Kronen
    Hunderte majestätische Throne
    sind bereits zerborsten in dieser Glut
    dieser mächtige Thron
    diese gewaltige Macht
    dauert nicht für die Ewigkeit
    hab Angst vor der schwelenden Glut

    das ist der Gang der Geschichte
    er macht keinen Halt
    weder vor den Kaisern
    noch vor den Geistlichen
    hab Angst vor der schwelenden Glut

             ֎֎֎

     

     

    Was ist das für eine Welt?

    (in Anlehnung an Parvaz Homay; Mai 2010) 

    Was ist das für eine Welt
    in der der Wein verpönt ist
    was ist das für ein Paradies
    in dem der Apfel verboten ist

    Sag mir aufrichtig, sag
    wo ist das gelobte Land
    wo ist dein Paradies
    sag mir aufrichtig, sag
    kann dort auch jeder
    schalten und walten wie er will
    so wie hier auf der Erde
     

    Du belehrst mich
    mit der Hölle drohend
    vor den Toren des himmlischen Gartens
    bei der Auferstehung
    bei dem Jüngsten Gericht
    werde ich danach gefragt werden
    auf dem Wege der Liebe
    wem gefolgt zu sein
    dem Jesus oder
    dem Zarathustra
    sag mir aufrichtig, sag
    wird dieses traurige Spiel
    sich auch in deinem Paradies fortsetzen
     

    Was habe ich nur gedacht
    was habe ich nur gesagt
    wegen dieser Gotteslästerung
    dieser unglaublichen Blasphemie
    wird man mich sicher zum Glück zwingen
    die Hände gefesselt
    die Beine in Ketten gelegt

    Nein, nein, nein, ich nehme alles zurück
    ihr habt wie immer Recht
    nein, nein, nein, ich bereue alles
    ihr habt sicher wieder Recht
    nein, nein, nein

    ֎֎֎

     

    Begegnung mit den Insassen der Hölle

    (in Anlehnung an Parvaz Homay; Mai 2010) 

    Wenn ihr mich beerdigt
    im Weinrausch verstorben
    denkt an meine letzte Predigt
    unter den Leichentüchern verborgen
    soll sein ein Krug voller Wein
    auf meiner Reise in die Hölle
    mit Gelassenheit und ohne Pein
    auskosten möchte ich den Riesling
    und pflanzt auf mein Grab
    einen prächtigen Weinsteckling

     Begegne ich den Insassen der Hölles
    o schenke ich ihnen klug
    an Blüten der Judasbäume denkend
    den mitgebrachten Krug
    trinkend, lachend, Wein schenkend
    wird alles nachgeholt
    auf der Erde versäumt
    von euch gehasst, verfolgt

    Wein, Kelch, Schenker und Schenken
    nur daran möchte ich stets denken
    vor Durst nach Liebe verglühen
    in vermeintlicher Hölle wieder aufblühen
    das Leben bejahen, in Freude versenken
    liebkosen, tanzen, Zärtlichkeit schenken

    ֎֎֎

      

    Fremdwörter
    (25.2.2011) 

    Für die Menschen
    die in den von uns entfachten Kriegen
    leiden und sterben
    kommt es nicht darauf an
    ob der Kriegsminister
    einen akademischen Grad
    oder andere Namenszusätze
    mit sich schleppt oder nicht
    sondern auf die einfache Frage
    ob Gehirn, Rückgrat und Herz
    bei uns
    Fremdwörter darstellen

    ֎֎֎

     

     

    Allen Unkenrufen zum Trotz

    (in Anlehnung an Abdollah Behzadi, 2011)

    Was für eine Herzensfreude,
    diese betörende Luft einatmen zu können,
    wenn wilde Tulpen und Narzissen sprießen.
    Zugvögel sind zurückgekehrt
    und zwitschern das Lied der Hoffnung.
    Das Lebenselixier strömt in den Pflanzenadern.
    Oh ja, der Glück bringende Frühling ist angekommen.
     

    Den Freunden und Bekannten,
    den zur Erneuerung Entschlossenen,
    den eine bessere Welt Erbauenden,
    all denjenigen, die mit dem Stift als Mittel
    den Verfall und das Elend
    überall auf dieser Welt aufdecken,
    soll der Frühling Glück bringen.
     

    Der Frühling wird unser Vorbild sein:
    den lähmenden Ketten der Kälte und Starre,
    der zermürbenden Last der Dunkelheit und Unwissenheit,
    der versklavenden Armut,
    in welcher Form auch immer,
    an welchem Ort auch immer,
    werden wir allen Unkenrufen zum Trotz,
    beharrlich, entschlossen und stolz
    ein Ende setzen.

    ֎֎֎ 

     

     

    Was alles auf der Strecke bleibt

    (5.3.2011)

     

    Der adlige Kriegsherr geht augenscheinlich fort
    der bürgerliche Kriegsminister setzt buchstäblich fort
    Menschenleben bleibt auf der Strecke
    käufliche Politiker regieren
    Militär und Rüstungsindustrie delegieren
    Kinderträume bleiben auf der Strecke 

    die Bundeswehr wird zweckdienlich umgebaut
    das brüchige Rechtsbewusstsein wird zunehmend abgebaut
    das Völkerrecht bleibt auf der Strecke
    das verführte Wahlvolk wird schlicht verschaukelt
    Humanität und Demokratie werden dreist vorgegaukelt
    Achtsamkeit und Gefühle bleiben auf der Strecke 

    aufdeckende Tatsachen werden bewusst verschwiegen
    Dunkelheit und Lügen sollen unumkehrbar siegen
    Vernunft und Redlichkeit bleiben auf der Strecke 

    korrumpierte Wissenschaftler verleiten und vertuschen
    ehemalige Friedensfreunde rechtfertigen und kuschen
    Rückgrat und Courage bleiben auf der Strecke 

    professionelle Söldner und freiwillige Soldaten morden
    öffentlich als Helden gepriesen werden diese Horden
    Menschlichkeit bleibt auf der Strecke

    ֎֎֎

     

     Die Gretchenfrage* aktualisiert

    (2011) 

    *Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
    Du bist ein herzlich guter Mann,
    Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.

    (J. W. Goethe: Faust. Eine Tragödie)

     

    Hinter diesem oder jenem Schleier
    verhüllt in unterschiedlichstem Gewande
    machen Furore auch heute die Geier
    unschuldiges Blut bleibt kleben im Sande 

    wirken Vaterland, Gott und Ehre nicht
    werden erfunden neue Begriffe
    so wird verdunkelt am Ende die Sicht
    verkauft werden Kriegsgeräte und –schiffe 

    ‘failed states’ und ‘humanitäre Intervention’
    rechtfertigen den Staatsterror, vertuschen die Intention
    mal nackte Gewalt, mal wirtschaftliche Sanktion
    am Ende steht hier und da eine neue Bastion 

    zur Teilnahme an dieser reichen Beute
    zur Regierungsfähigkeit nur eine Gretchenfrage
    stimmst für den Krieg du heute
    der Staat für dich die Sorge trage

    ֎֎֎

     

    Merke dir …

    (31.3.2011)

     

    In Erinnerung an die unzähligen Opfer der Kriege im Rahmen der neoliberalen Globalisierung in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen und anderswo

    Merke dir den Geruch der Hyazinthen
    wenn die Frühlingsbrise sie streichelt
    denn bald werden beladene Bombenbringer
    bar jeder Barmherzigkeit
    im Namen der Menschlichkeit
    einen verpesteten Teppich der Verwüstung ausrollen
     

    Merke dir den Gesang der Sperlinge
    unter dem meeresblauen Sternenzelt
    denn bald werden schwere Panzer
    prahlend, protzig
    ihr Geheul der Gräueltaten gellen
     

    Merke dir die morgendlichen Tauperlen
    auf der seidenen Haut der Spinnenbauten
    denn bald werden Söldner und Soldaten
    hochgerüstet und aufgetakelt wie Monster
    alles, was nach Leben schreit, niedertrampeln
     

    Merke dir die Lichtspiele beim Sonnengang
    wenn die Nacht und der Tag sich begrüßen
    denn bald werden bleierne Wolken
    den Horizont für eine Ewigkeit verdunkeln
     

    Merke dir den aufrechten Gang der Menschen
    verzaubert durch die Sehnsucht nach Gerechtigkeit
    denn bald werden zahlreiche Dichter und Denker
    sich als heilige Krieger huldigend
    die Vernunft, den Mut und die Liebe
    verraten, verjagen, vergraben

    ֎֎֎ 

     


    Am helllichten Tage
    (18.7.2011)

     

    Dieser Text wird den Opfern der „humanitären Intervention“ der NATO in Libyen gewidmet. Er wird jedoch für die Menschen in den NATO-Staaten geschrieben. Die Barbarei des Neoliberalismus, die sich bereits 1973 im Militärputsch gegen die Regierung von Salvador Allende offen zeigte, wird auch Europa, früher oder später, in grenzenloses Elend stürzen, wenn ihr kein Widerstand geleistet wird.


    Nein, es ist weder eine sternenlose Nacht,
    noch handelt sich um einen Neumond.
    Es bedecken weder dunkle Wolken den Himmel,
    noch ist eine Sonnenfinsternis eingetreten.
    Es passiert am helllichten Tage.
     

    Mehr als hundert Tage sind bereits vergangen,
    ein weiteres Land liegt in Schutt und Asche.
    Ein Ende dieser elenden Lügen,
    ein Ende dieses offenen Mordens
    ist nicht in Sicht.
    Es passiert am helllichten Tage.

    ۞۞۞

     

    The common thread: from Hiroshima to Fallujah. // Der rote Faden. Von Hiroshima nach Fallujah.

    (24.7.2011)

     

    Der Ausgang des Krieges war längst besiegelt
    die Tür zu Verhandlungen wurde jedoch verriegelt (1-5).
    Da brachte der brave Flugkapitän
    pflichtbewusst, sachgemäß und souverän
    am sechsten August 1945
    heilig gepriesen, voller Stolz und tüchtig
    dem überraschten Volk in Hiroshima
    ein schreckliches Gepäck aus Amerika.
    Und nannte es liebevoll
    „Little Boy“, wie grauenvoll.
    Drei Tage später schlug „Fat Man“ ein
    nun war der Tisch angeblich endlich rein.

    In der Folgezeit ging es makaber weiter
    Militär und Rüstungsindustrie wurden erst recht heiter
    mit „Agent Orange“, Phosphorgranaten und abgereichertem Uran
    in Vietnam, Fallujah und auf dem Balkan (6-12).

    Bei uns wird jetzt wieder feige zugeschaut
    und in Libyen der nächste Friedhof aufgebaut.

    ֎֎֎

     http://www.un.org/disarmament/special/poetryforpeace/poems/bahar/

     

    How the war would end, had long been determined (1-5),
    The door to negotiations was, however, shut.
    Then brought the brave little captain
    conscientious, objective and independent
    on the sixth day of August, in the year 1945
    highly praised, proud and determined,
    the surprised people in Hiroshima
    a horrific package from America.
    And full of tenderness he named it
    the „Little Boy“; how gruesome.
    Three days later the „Fat Man“ hit,
    and now the slate was supposedly clean.

    But then the horror continued;
    the generals and the weapon makers felt even more revived
    with „Agent Orange“, „Whisky Pete“, and Depleted Uranium
    in Vietnam, Fallujah and in the Balkans (6-12).

    And, cowardly, once again we are watching
    as the next cemetery is built in Libya.

    ֎֎֎

     

    (1) Hiroshima: Was it necessary? By Doug Long
    Part 1: http://www.doug-long.com/hiroshim.htm
    Part 2: http://www.doug-long.com/hirosh2.htm

    (2) Why World War II ended with Mushroom Clouds. 65 years ago, August 6 and 9, 1945: Hiroshima and Nagasaki. By Jacques R. Pauwels. August 6, 2010
    http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20478

    (3) The Moral Legacy of Hiroshima and Nagasaki. By Prof Rodrigue Tremblay. August 8, 2010
    http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20533

    (4) Hiroshima Day: America Has Been Asleep at the Wheel for 64 Years. By Daniel Ellsberg. August 6, 2009
    http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=14671

    (5) Public Papers of the President Harry S. Truman, 1945-1953. 97. Radio Report to the American People on the Potsdam Conference, August 9, 1945, delivered from the White House at 10 p.m.
    http://www.trumanlibrary.org/publicpapers/index.php?pid=104

    (6) A Question of Responsibility – the legacy of depleted uranium use in the Balkans. International Coalition to Ban Uranium Weapons: Resources / Publications. October 11, 2010
    http://www.bandepleteduranium.org/en/a/342.html

    (7) USA-Vietnam: Betr. Dioxin – eine neue Rechnung. Von Karl-Rainer Fabig
    http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Vietnam/fabig.html

    (8) Agent Orange
    http://en.wikipedia.org/wiki/Agent_Orange

    (9) War Crimes: „After Hiroshima and Nagasaki, there was Fallujah.“ The United States Takes the Matter of Three-Headed Babies Very Seriously. By William Blum. April 6, 2010
    http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=18520

    (10) US UK War Crimes: More leukemia in Iraq than after Hiroshima as result of depleted uranium, white phosphorus bombs and nerve gas. Parliamentary Motion in Scotland. September 22, 2010
    http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=21143

    (11) US War Crimes: Cancer Rate in Fallujah Worse than Hiroshima. By Tom Eley. July 23, 2010
    http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20241

    (12) Cancer, infant mortality and birth sex-ratio in Fallujah, Iraq 2005-2009.
    Busby C, Hamdan M, Ariabi E. Int J Environ Res Public Health. 2010 Jul;7(7):2828-37.
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2922729/pdf/ijerph-07-02828.pdf

      

     Morden

    (6.11.2011)

     

    Die Rüstungsindustrie entfachte das Morden professionell,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Der UN-Sicherheitsrat begründete das Morden parteiisch,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Parlamentarier rechtfertigten das Morden solidarisch,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Politiker ermöglichten das Morden pragmatisch,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Massenmedien machten das Morden hoffähig,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Geisteswissenschaftler beflügelten das Morden analytisch,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Juristen behandelten das Morden wortklauberisch,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Friedensforscher erklärten das Morden auftragsmäßig,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Journalisten berichteten über das Morden eingebettet,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Hilfsorganisationen beschäftigten sich mit dem Morden zivil-militärisch,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Soldaten vollstreckten das Morden befehlsmäßig,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Uniformierte und zivile Söldner erledigten das Morden präzise,
    die Völker zahlten die Zeche.
    Menschen wie du und ich entledigten sich des Mordens ignorierend
    und sie zahlten doch die Zeche.

    ֎֎֎

     

    Sonderbare Widersprüche
    (29.12.2011)

     

    Wir leben wahrhaftig
    in einer ungerechten Welt,
    die wegen sonderbarer Widersprüche
    im Bersten begriffen ist.

    Wenn ich aufgrund vielfältiger Tatsachen
    führende Personen der „Weltgemeinschaft“
    als Massenmörder bezeichne,
    erheben sich aus befreundeten Reihen
    warnende Stimmen,
    verängstigt,
    voller Skepsis.
     

    Wenn ich dabei von einem dieser Massenmörder,
    der gleichzeitig ein Friedensnobelpreisträger ist,
    als eine „terroristische Gefahr“ erachtet werde,
    kann er
    sich auf geltendes Landesgesetz berufend
    mein Verschleppen, Verhören und Foltern einleiten
    und letztendlich auch
    mein „gezieltes Töten“ veranlassen.

    Wenn derselbe Massenmörder,
    der besagte Friedensnobelpreisträger,
    neue Angriffskriege anzettelnd
    den präemptiven Einsatz von Atomwaffen androht
    und dabei den Tod unzähliger Menschen
    sowie die bleibende Verwüstung blühender Landschaften
    billigend in Kauf nimmt,
    bekommt er von der „Weltgemeinschaft“
    Applaus und Lobesgeschrei.
     

    Wir leben tatsächlich
    in einer durch und durch verzerrten Welt,
    die nach Veränderungen schreit.

    ֎֎֎

     

    Drei Jahre nach der Operation Cast Lead
    (30.12.2011) 

    Die verwaschene Sprache
    ist in der Medizin
    ein Hinweis auf ein neurophysiologisches Problem.
     

    Die verzerrte oder verzerrende Sprache
    ist in der Politik
    je nach dem Stand der Beteiligten
    ein Hinweis auf
    bewusstes, gezieltes Irreführen der Menschen,
    verängstigtes Verleugnen ungerechter Gegebenheiten,
    beschämtes Verdrängen unangenehmer Tatsachen,
    armseliges Verheimlichen der fatalen Unwissenheit,
    schmachvolles, feiges Ducken vor den Machthabern.
     

    Der Umgang mit der Operation Cast Lead
    ist ein Lackmustest für
    die Glaubwürdigkeit,
    die Aufrichtigkeit
    und den Wissensstand
    gesellschaftspolitischer Akteure.

    ֎֎֎

     Spiegel

    (3.6.2012) 

    (I)

    Wenn du auf der Suche nach meiner Seele bist,
    Du Geliebte, Du Schöne,
    komm zu mir herein, direkt und leichtfüßig.
    Und reinige den Körper von all dem Schmuck,
    verliere all die Rollen,
    beseitige Vortäuschungen und Schönfärbungen,
    damit du mir ein Spiegel bist,
    der das hinter dem Gesicht Stehende zeigt;
    damit ich dir ein Spiegel werde,
    fähig, lauter und ungetrübt.

    ֎֎֎

     

    (II; ein Echo)

    Wenn du meine Seele suchst,
    Geliebte, Schöne,
    komm herein zu mir,
    leicht und ohne Umweg.
    Leg ab den Schmuck,
    lass fallen den schöngefärbten Schein,
    vergiss, wer du sein willst.
    So bist du ein Spiegel für mich
    und ich für dich,
    ungetrübt,
    lebendig,
    wahr.

    ֎֎֎

     

    Freundschaft

    (in Anlehnung an Fereydoun Moshiri; 2012)

     

    Seit längerem spüre ich
    die die Überzeugung in mein Herz
    sich tiefer und tiefer verwurzelt
    die Freundschaft sei auch eine Pflanze
    streichelnd wie die Lotusblume
    zärtlich wie der Jasmin
    prächtig wie die Magnolie
    bezaubernd wie die Lilie
    nur ein versteinertes Herz
    kann es zulassen
    diese Pflanze niederzutreten 

    Am Anfang einer Bekanntschaft
    gleicht jedes ausgesprochene Wort
    jeder Gesichtsausdruck
    jeder Schritt
    einem Korn
    das ausgesät wird
    durstig nach Wasser
    Licht und Wärme
    durstig nach Liebe 

    Pflegst du die Freundschaft richtig
    so entsteht ein wunderbares Wesen
    bereichert dein Leben
    mit Zärtlichkeit
    mit Schönheit 

    Das Leben
    ist die Wärme der verbundenen Herzen
    wenn du immer noch
    ohne Freunde
    vor verschlossenen Türen
    in der Kälte stehst
    wenn der betörende Duft der Liebe
    die Wüste deiner Einsamkeit
    in keinen Rosengarten verwandelt hat
    so streu die Körner neu aus 

    Mit einem Blick
    schreiend vor Sehnsucht
    mit einem Gruß
    lachend vor Licht
    mit einem Händedruck
    warm vor Liebkosung
    lass uns zusammen gehen
    lass uns zusammen singen
    lass uns vor Freude glühen
    lass unsere Gärten aufblühen

    ֎֎֎

     

     

    Nachahmung

    (in Anlehnung an Fereydoun Moshiri; 2012)

    Wie atmet die Erde auf?
    Denken wir darüber nach!

    Was für eine klirrende Kälte
    schlug das Gesicht der Barmherzigkeit,
    zerquetschte das Herz der Erde,
    zerbrach den Mut des Gesteins.
    Die Vögel starben in Scharen,
    die Blumen der Wiese verschwanden auf ewig.
    Im Himmel, auf der Erde
    lauerte die Angst.
    In dem Engpass der Zeit
    hielt sich der Tod für eine Weile auf. 

    Ist es der Weltuntergang?
    Darauf hatte der Himmel keine Antwort.
    Wird der Garten wieder lachen?
    Keiner war davon überzeugt.
    Es herrschte eine sonderbare Kälte. 

    Wie atmet die Erde auf?
    Lernen wir davon! 

    Es ist die Zeit des glorreichen Blühens.
    Beim Aufgehen der Frühlingssonne
    schmolz der Schnee dahin,
    Blumen erhoben den Kopf,
    Farben streichelten sich zärtlich durch. 

    Die Erde hat uns gelehrt,
    nicht zu resignieren,
    bevor das letzte Wort ausgesprochen ist.
    Sind wir der Erde ebenbürtig?
    Sie atmet wieder auf.
    Ahmen wir ihr nach?!

    ֎֎֎

     

    Ich liebe, deshalb bin ich!

    (in Anlehnung an Fereydoun Moshiri; 2012) 

    Von dem Wein des Sonnenkusses
    ist der Meereskelch
    überschwappend voll.
    Der Wald hat sich die ganze Nacht
    bis zur Morgendämmerung
    den Körper im Regen gewaschen
    und ist verzaubernd inspirierend.
    Jeder von uns ist betört,
    seiner Verfassung entsprechend,
    von dem Zauber dieses Weinkellers.
    Und in mir lebt das Gefühl:
    „Ich liebe,
    deshalb bin ich!“

    ֎֎֎

     

    Was ich möchte…

    (24.6.2012) 

    für Annice 

    Solltest du mich fragen,
    was ich eigentlich möchte,
    so werde ich dir sagen: 

    Ich möchte
    aus deinem Blickwinkel das Universum betrachten,
    mit deinem Gehör die Welt belauschen,
    in deiner Haut den Regen am Bergsee erleben,
    die Sprache deiner Augen lernen,
    die Geschichten deines Lebens aufmerksam anhören,
    jegliche Schwingung deiner Stimmung wahrnehmen,
    den Anlass deiner Tränen begreifen,
    dich unbekümmert lachen sehen,
    jede Sekunde unserer Entdeckungsreise auskosten,
    und einen bunten Strauß an Erinnerungen zusammenfügen,
    allerdings nur dann
    wenn diese Wünsche auf Gegenseitigkeit beruhen.

    ֎֎֎

     

    Ein Tanz, der Leben ist

    (27.6.2012)

    für Annice

    Das Schicksal bot uns eine Gelegenheit,
    und wir ergriffen sie.
    Ein flüchtiger Blick am ersten Tag:
    Neugier.
    Ein kurzes Gespräch am zweiten Tag:
    Sympathie.
    Und Gedankenaustausch beim nächsten Treffen:
    Faszination.
    Bezaubernde, tanz mit mir den Tanz, der Leben ist.

     

    Mal heranziehen,
    dann loslassen.
    Für ein Moment stürmisch sein
    wie der Regen im Frühling,
    danach zögerlich und bedenklich
    wie der Schneefall unterm Mondschein.
    Eine Weile das Hineinsehen ermöglichen,
    dann das Fenster vorübergehend schließen.
    Kurz das Umschlingen auskosten,
    anschließend sich abweisend zeigen.
    Schritt halten,
    den Rhythmus herausfinden,
    bange blicken,
    von Träumen leben,
    einen Menschen entdecken.


    Bezaubernde, tanz mit mir den Tanz, der Leben ist.

    ֎֎֎

     

    Zuhause*

    (1.7.2012)

     

    Du fragst mich,
    wo mein Zuhause ist?
    Das ist eine einfache Frage,
    und doch
    wühlt sie so sehr auf,
    erschüttert schmerzhaft,
    ruft so viel Unruhe hervor.
     

    Mein Zuhause ist
    überall und nirgendwo.
    Einerseits bin ich verwurzelt
    tief im Herzen der Geschichte,
    in den unzähligen Lebensgeschichten,
    und andererseits
    nicht gebunden an einem bestimmten Ort.
    Ich komme mit dem Regen
    und gehe mit dem Wind.
     

    Zuhause ist dort,
    wo ich meine Gedanken,
    nicht ausgereift,
    nicht verfeinert,
    Rat und Unterstützung suchend
    frei äußern kann.
     

    Zuhause ist der Ort,
    wo weder ein innerer
    noch ein äußerer Panzer vonnöten ist,
    wo ich nackt sein kann
    ohne Angst vor Verletzungen.
     

    Zuhause ist dort,
    wo ich Schultern vorfinde,
    um mich ausweinen zu können,
    und einen Trost spendenden Schoß
    zur Geborgenheit.
     

    Zuhause ist überall,
    wo wahre Freunde zu finden sind.

    ֎֎֎

    *Am 30.6.2012 wurde das Theaterstück „Der Junge mit dem Koffer“ nach einem Stück von Mike Kenny in Mannheim aufgeführt. Daraufhin entstand dieser Text.

     Eine Sonne

    (in Anlehnung an Siavash Kasra’i; 7.7.2012) 

    Die Tür ist geschlossen,
    ebenfalls das Fenster,
    die Vorhänge sind zugezogen.
    Selbst der Tür- und Fensterrahmen
    scheinen dicht zu sein.
    Und doch aus einer unbekannten Ecke,
    dem Auge unsichtbar,
    scheint die Sonne
    auf mein Haupt,
    mein Heft
    und die Vase.
     

    Sogar aus diesem eingeengten Winkel
    kann der zärtliche Gedanke
    durch die unsichtbare Lücke
    den Raum verlassen,
    sich zu einer Sonne entwickeln,
    weltweit erleuchten,
    mit Leidenschaft
    zart durchdringend,
    Wärme spendend
    zur Liebe aufrufen
    und zum Leben.

    ֎֎֎

     

    Trost

    (8.7.2012) 

    Vor nicht all so langer Zeit
    hast du
    meine Schmerzen lindernd
    geschrieben
    ich hätte solch einen Schatz an Poesie
    um Trost daraus zu schöpfen

    Dabei hast du bestimmt
    die inzwischen vorliegende Gegebenheit
    nicht voraussehen können
    dass ich aus dem erwähnten Schatz
    Trost schöpfe
    wegen der Fülle
    deiner anwesenden Abwesenheit

    ֎֎֎

     

     

    Begegnungen beheimaten

    (15.7.2012)

    für Lotte Hartmann-Kottek

    (1)
    Meinen Blick nahm ich mit
    in die helle Lichtung des Waldes
    und tauchte mit ihm ein
    in den berauschenden Bach
    überlaufend von kristallreinem Wasser.
    Dann ließ ich ihn schweben im Wind,
    beladen mit Düften aus nahen und fernen Feldern,
    und sich vollsaugen mit dem Licht
    der Sonne und der Sterne.

     

    (2)
    Diesen Blick nahm ich mit.
    Gereinigt-
    nicht berechnend wie ein Krämer,
    nicht bestimmend wie ein Tyrann,
    nicht verlangend wie ein Süchtiger,
    nicht bettelnd wie ein Schwacher,
    nicht fordernd wie ein Gläubiger,
    nicht verurteilend wie ein Richter,
    nicht beurteilend wie ein Käufer-
    öffnete er mir,
    suchend, fragend,
    fühlend, mitfühlend,
    erkennend, lernend,
    Fenster und Türen.

     

    (3)
    Begegnungen beheimaten,
    wenn die Betrachtung des anderen Wesens
    auf der Suche nach Erkenntnis
    sich versenkt
    in die Schönheit der Unvollkommenheit,
    in die Wertschätzung des Vergänglichen,
    in den Herzenstakt des Mitfühlens und Mitleidens,
    in Freude und Trost
    Schöpfen und Schenken.

                                                           ֎֎֎

     

    Von Bienen, Wellen und Flammen

    (5.12.2012)

     

    Tief in meinem verzauberten Herzen
    besingen seidene Stimmen,
    sich sehnsüchtig im Kreise drehend,
    durstig nach Lebenswärme siedend,
    das leidenschaftliche, zärtlich-liebevolle Leben
    der Bienen, Wellen und Flammen:

    „Wir sind wie die Wellen,
    die aufhören zu sein,
    wenn sie Stillstand erleiden.
    So reisen wir tanzend,
    in uns bedächtig ruhend,
    wie die fleißigen Bienen,
    die Blumen beharrlich bestäuben,
    wie Feuer und Flammen,
    die reinigen, wärmen und beleuchten,
    von Träumen und Sehnsüchten getrieben,
    nach Schönheit und Zärtlichkeit suchend,
    nach Wissen und Gerechtigkeit durstend.“

                                                           ֎֎֎

     

    Ausfahrten*

    (22.12.2012) 

    In Erinnerung an Wolfgang Kuhlmann, der beharrlich bis Januar 2012 durch seine FriedensTreiberAgentur (FTA) die Ausfahrten beleuchtete.

    Seit Jahrtausenden wurde der Weg beschritten.
    Seit Jahrtausenden wurde gegen den Weg gestritten.

    Grob umrissen nur war das ferne Ziel:
    eine Welt,
    die von den Menschen
    keinen Tod und keine Opfer verlangt;
    eine Welt
    mit tiefem Respekt vor dem Leben.

    Von diesem endlosen Weg,
    der durch Höhen und Tiefen,
    durch Flüsse und Schluchten,
    durch Wälder und Wüsten sich wand,
    führten unzählige Ausfahrten ab,
    alle beschriftet und beschildert:
    verständlich, versprechend,
    verlockend, verführend – verdunkelnd.

    Die Inschriften mancher Wegweiser
    waren einfach und trivial,
    wie „Brot und Spiele“,
    später tödlich zwingend,
    wie „Spiele um Brot“.
    Andere spreizten sich komplex
    und umschmeichelten die menschliche Eitelkeit
    sowie den Stolz auf eigenen Intellekt
    mit blendender Klugheit und Genialität.

    Doch nur einem Zweck dienten alle Ausfahrten,
    einem niederträchtigen:
    das Erreichen des hoffnungsfernen Ziels
    mit allen Mitteln zu verhindern
    und die Sehnsucht nach dem Guten zu ersticken.

    Allen Widerständen zum Trotz:
    seit Jahrtausenden wird der Weg erstritten.

    ֎֎֎ 

    * Die Idee mit den Ausfahrten verdanke ich dem sozial engagierten iranischen Physiker und Forscher, Fariborz Derakhshan.

     

     

    B.E.W.E.G.E.N

    von Afsane Bahar und Kassandra Pari Sideras

    (25.1.2013) 

     

    Aufrichtig Fragen stellen
    – kraft klaren Bewusstseins und aus tiefem Bedürfnis,

    vielschichtig die Antworten hinterfragen
    – kraft hart erarbeiteter Fähigkeit,

    redlich Schlussfolgerungen ziehen
    – kraft gestählter Ehrlichkeit sich selbst gegenüber,

    beherzt die eigene Feigheit und Trägheit überwinden
    – kraft mutiger Selbstkritik und errungener Selbsterfahrung,

    beharrlich das als richtig Erachtete umsetzen
    – kraft der Fähigkeit, Enttäuschungen zu überwinden,

    leidenschaftlich bewegen und sich bewegen lassen
    – aus Dank an das Leben und in ehrfürchtiger Liebe zu ihm.

    JA !

    ֎֎֎

     

    Anwesenheit

    (6.4.2013) 

    Jeder Atemzug
    ist so sehr
    voll von Deiner Anwesenheit
    dass es schmerzt
     

    Tausend Fenster öffnen sich

    zum unendlichen Raum
    der beflügelnden Eingebungen
    der ermunternden Vorstellungen
    der befreienden Erkenntnisse

    ֎֎֎

      

    Die Sprache des Imperiums*

    (20.5.2013)

     „Warum nun
    wird diesem Betrug,
    diesen Absurditäten und Entstellungen
    nicht nachgegangen,
    warum winken sogar Linke ab,
    wenn ihnen von diesen Dingen berichtet wird?“,
    fragen die Hellhörigen
    mit erfrischender Verwunderung. 

    Eine der Antworten lautet,
    dass der Preis vermutlich zu hoch ist,
    wenn aufgedeckt wird,
    wie die Herrschenden
    denken und handeln.


    Ohne Aufklärung nämlich
    kommen die zum Denken Befähigten
    nicht in die Zwickmühle,
    sich entscheiden zu müssen.
    Sie katapultieren sich allerdings
    stillschweigend
    in eine selbstverschuldete Unmündigkeit.

    ֎֎֎

     

    * „Die Sprache des Imperiums. Ein historisch-philospohischer Leitfaden“ ist der Titel eines Buches von Prof. Dr. phil. Domenico Losurdo. Die deutsche Ausgabe ist 2012 im Verlag PapyRossa erschienen.

     Zeichen setzen!

    (20.7.2013)

    in Erinnerung an Wolfgang Kuhlmann (Friendestreiberagentur)

     

    Zeichen setzen
    wie die Betörung der morgendlichen Brise im Frühling,
    wie der Flügelschlag der Schmetterlinge im Sommer,
    wie die Liebkosung der Blätter im Herbst,
    wie der Tanz der Schneeflocken im Winter,
    wie das Lächeln eines Fremden.

    Zeichen setzen
    mitten im stummen Gedränge der Verzweifelten,
    mitten in der besinnungslosen Trunkenheit der Gewalttätigen,
    mitten im betäubenden Siegesschrei der Todesbringer.

    Zeichen setzen
    fürs Leben.

    ֎֎֎

     

    Kleider

    (7.8.2013)

    Dank an Christa Ortmann


    Vor des Spiegels reinem Blick
    befreie ich mich Stück für Stück
    von dem Zwang der Kleider,
    geliehener Kleider,
    Kleider der Gesellschaft,
    Kleider der Zukunft,
    Kleider vergangener Leben,
    Kleider der Wünsche anderer Menschen,
    Kleider aus alten blinden Zeiten,
    manchmal mit Stolz, manchmal mit Gewalt getragen,
    bunter, das Herz streichelnder Kleider,
    Kleider von hohem Rang.

    Wie nackt bin ich und wie frei!

    Meinen späten Freund
    betrachte ich im Spiegel
    liebevoll,
    umgeben von abgelegten Kleidern.
    Mit der Stimme des Herzens
    rufe ich den Geliebten.

     

     

     Die Schönheit der Schöpfung

    (9.8.2013) 

    Wenn die Blütenblätter abgefallen sind,
    Blatt für Blatt,
    wenn der Wind Duft und Pollen verweht hat,
    dann betrachte genau
    die Schönheit der Schöpfung:
    Längst schon haben die Bienen
    neue Blüten entworfen.

    ֎֎֎

     

    Frage

    (13.9.2013)


    Was unternehme ich nicht alles,
    damit eine einzige Lippenknospe
    in meiner Nähe
    sich lächelnd öffnet!

    Was unternehme ich
    gegen die Kriege,
    die mit Lügen begründet,
    nah und fern,
    tausende Blumen vernichten?

    ֎֎֎

     

    Brücken

    (2.11.2013) 

    In diesem Universum,
    grenzenlos und strahlend,
    baue ich Brücken,
    kleine und große,
    zum Begreifen des Daseins,
    zur Würdigung des Lebens.

    ֎֎֎ 

     

    Metamorphose

    (28.11.2013) 

    Der Stift
    stand auf
    für Gerechtigkeit.
    Er verbreitete sich
    in der Welt.

    Das Papier
    schritt zur Aufklärung.
    Es bekam Flügel
    und stieg empor.

    Meine Hände
    eilten zur Liebe
    und blühten.
    Aus der einen
    wurde
    ein Ast wilder Rosen,
    voller Bienen und Schmetterlinge,
    aus der anderen
    eine Wasserquelle
    für Jungvögel.

    ֎֎֎

    Innere Sonne

    (Dezember 2013)

    für Sima


    Wald und Stadt
    lebendig und verborgen.
    Meer der Wolken
    ausgebreitet, still
    und so nah
    für zärtliche Berührung.
    Firmament
    im Sonnenspiel
    Quelle der Farben.
    Meine Augenlider
    senken sich
    federleicht, hoffnungsvoll.
    Das Lied
    der inneren Sonne
    durchdringt mich
    ganz.

    ֎֎֎

     

    Inbrunst

    (29.12.2013)

    in Erinnerung an Wolfgang Kuhlmann und seine FriedensTreiberAgentur
    Das Feuer in meiner Brust,
    Jahrtausende alt,
    schenke ich dir.

     In mir hat es
    eine junge Welt geboren. 

    Grünendes Leben und Dichtung
    fließen ineinander
    in diesem Feuer.
     

    Gib es weiter.

    ֎֎֎

      

    Heim(at)

    (31.1.2014)

    für Barbara F.-K.


    Auf den Flügeln der Erinnerung
    kehre ich zurück
    zur Ankunft
    in diesem
    einst so fremden Land.

    Kostbar und unvergänglich
    sind die Düfte
    wunderbarer Wesen,
    die selbstlos
    eine Bleibe schenken,
    Halt und Wärme.

    ֎֎֎

     

    Mitgefühl

     (in Erinnerung an den Vietnamkrieg; 20.2.2014) 

    Ich erzähle dir meine Geschichte,
    und du kannst das Zuhören
    nicht ertragen.

    Wie soll es mir gehen,
    der das alles
    an Leib und Seele erfahren hat.

    ֎֎֎

      

    Rückkehr / Return

    (16.5.2014) 

    ​ Rückkehr

    Der alte, neue Faschismus
    kam nicht
    auf leisen Füßen.
    Er kam
    mit Fackelzügen,
    Aufmärschen
    und bekannten Zeichen.
    Er kam
    mit dem Geruch
    verbrannten Fleisches.

    ֎֎֎


    Return

    The old, new fascism
    did not come
    on the quiet.
    It came
    with torchlight processions,
    marches
    and well-known signs.
    It came
    with the smell
    of burning flesh.

    ֎֎֎

      

    Gaza 2014

    (10.8.2014) 

    Umgeben von Verwüstung und Leid
    beginne ich wieder
    mit dem Lied des Wissens und der Liebe
    mit der Hymne des Schöpfens und der Lebensfreude

    ֎֎֎ 

     

    Solidarisch

    (23.9.2014) 

    Liebste! Wenn die Welt
    sich leise oder laut
    vielfältig wehrt,
    ist es gewiss
    einer Betrachtung wert:
    Wie, wann und wo
    kam der Kuchen zustande?
    Wer
    zahlte die Zeche so lang
    unter sichtbarem
    oder verdecktem Zwang?

    ֎֎֎

    Quittenbrücke

    (6.11.2014)

    Auch ein Quittenbaum
    dicht hinter einem Gartenzaun
    am Rande eines steilen Weges
    in einem hessischen Städtchen
    kann uns lehren
    mit offenen Augen
    und Herzlichkeit
    Brücken zu bauen
    mitten in einer Zeit
    in der aus Unterschieden
    trennende Mauern
    aufgebaut werden
    so dass die Menschlichkeit
    auf der Strecke bleibt

    ֎֎֎

    Erde

    (18.12.2014)

    für Maria Mies und Saral Sarkar


    In unseren Herzen
    tanzt das Licht,
    singt der Wind,
    liebkost der Regen.

    In unseren Herzen
    dichtet der Berg,
    malt der Wald,
    komponiert die Steppe.

    In unseren Herzen
    lobt die Quelle,
    lehrt der Fluss,
    liebt das Meer.

    In unseren Herzen
    lebt die Erde.

    ֎֎֎

     

    Biografie

    (8.1.2015)


    Wie Kerzen lebten wir,
    und die Sonne ging auf.

    Dem Wind schenkten wir des Lächelns Blume,
    und der Regen kam.

    Nachts streuten wir in der Kälte unsere Herzen,
    und der Frühling gedieh am nächsten Tag.

    ֎֎֎

      

    Paris, Januar 2015

    (14.1. 2015)

     

    Bei strahlender Sonne vernebelte Sicht, düster und kalt
    Marionetten sind wild in Bewegung, das Getöse hallt
    Die Oberen marschieren geschlossen! Geht ihre Rechnung auf?
    Sehnsucht nach Wahrheit beflügelt, ich gebe nicht auf

    ֎֎֎

     

    Erhabene Nacktheit

    (in Anlehnung an Mohammad Reza Shafi‘i Kadkani; 15.2.2015)

    Bäume habe ich betrachtet
    in unterschiedlichen Trachten,
    und keine war schöner
    als die blattlose Nacktheit
    in Erwartung des Frühlings.

    ֎֎֎

     

    Einblick

    (19.2.2015)

    für Heidi

     

    Das offene Fenster deiner Augen
    gestattete mir einen Blick.
    Der Einblick bekräftigte
    meine Ehrfurcht vor der Kraft des Lebens.֎֎֎

     

    Weißbuch

     (8.3.2015)

     

    Wieso weiß?
    Weiß
    Farbe des Friedens.
    Verschleiernde Sprache
    verkündet Elend und Verwüstung.

    ֎֎֎

     

    Bei der Gestaltung des neuen strategischen Grundsatzdokumentes „Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ soll „neben Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen und Stiftungen auch die breite Öffentlichkeit intensiv miteingebunden werden“ [1]. Der folgende Text ist ein kleiner Beitrag gegen das Verbrechen, dem Krieg sowie dem faschistischen Gedankengut [2] 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges gesellschaftliche Akzeptanz zu verschaffen.


    Bemerkungen:

    [1] Weißbuch: https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2015/03/weic39fbuch.pdf

    [2] Bei der Verwendung dieses Begriffes berücksichtige ich die folgende Definition: „Der Faschismus an der Macht ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“

    Siehe hierzu:
    Kurt Pätzold: Kein Streit um des Führers Bart. Kontroversen um Deutschlands „dunkle Jahre“ 1933 bis 1945.
    2013, PapyRossa Verlag, Köln; Seite 117 bis 127

    Siehe auch
    Samir Amin: The return of fascism in contemporary capitalism.
    Monthly Review; Volume 66, Issue 04, September 2014
    http://monthlyreview.org/2014/09/01/the-return-of-fascism-in-contemporary-capitalism/

     

    Quelle des Glücks

    (10.3.2015)

     

    Leidenschaftlich die Wirklichkeit erfassen,
    liebevoll das Wissen einsetzen,
    bescheiden schenken und verändern.

    ֎֎֎

    Schönheitslehre

    (28.3.2015)

    den Krähen und Krokodilen gewidmet

     

    Wenn ich mit Liebe betrachte,
    finde ich eine Welt voller Schönheiten.
    Und mein Sein blüht auf.

    ֎֎֎

     

    Der Baum

    (12.6.2015)

     

    Tief in meinem Herzen
    pflege ich dein Geschenk,
    das Feuer der Lebensfreude.

    Mit gebeugtem Rücken,
    mit gebrochenem Arm,
    stets streckst du
    die Hände zum Licht.

    ֎֎֎

      

    Sehnsucht

    (25.7. 2015)

     

    Jedes Wasserteilchen meines Körpers
    ist voller Sehnsucht nach
    der geduldigen Arbeit im Gestein
    dem fröhlichen Tanz im Fluss
    der friedvollen Vereinigung im Ozean

    ֎֎֎

     

    Lass dich umarmen

    (28.7.2015)

    für die aufrecht Gehenden in erdrückenden Zeiten 

    Die Erde wird sich drehen
    gewiss auch ohne dich
    und tröstend gestehen
    sie brauche dich 

    Die morgendliche Brise wird sanft dich wachküssen
    Die Sonne wird betörend deinetwegen tanzen
    Der Wind wird dir behutsam tausend Lieder singen
    Der Regen wird zärtlich dich liebkosen
    Der Regenbogen wird frohlockend dir die Wege zeigen
    Der Mond wird warm deine Träume beleuchten 

    Die Erde wird sich drehen
    gewiss auch ohne dich
    und tröstend gestehen
    sie brauche dich

    ֎֎֎

     

     

    Mithra

    (16.9.2015)

     

    Ungerechtigkeit
    gibt es seit Jahrtausenden. 

    Den Verwüstern des Lebens
    sind Gebrochene,
    Gelähmte,
    Verbitterte,
    im Herzen Versteinerte 

    Einen Augenblick
    verweilst du auf dieser Erde.
    Vom Gerechtigkeitssinn erfüllt
    lebe,
    lebe mitten im Leben,
    lebe aufrecht und strahlend.

    ֎֎֎

      

    Gerade deswegen

     (November 2015) 

    Frohgemut und gelassen
    mir der eigenen Vergänglichkeit bewusst
    schöpfe ich mit allen Sinnen
    Stück für Stück Wissen
    zur Änderung und Erhaltung dieser einen Welt
    getrieben von der Notwendigkeit der Gerechtigkeit
    und der Empfänglichkeit für Schönheit

    ֎֎֎

     

    Schreiben

    (26.12.2015) 

    Schreiben
    nicht aus Angst, Schwäche, Eitelkeit
    mit Heuchelei, Scheinheiligkeit
    nicht des Geldes wegen
    oder mit der Herrschenden Segen 

    Schreiben
    aus Freude an Schönheit und Schöpfung
    als Bedürfnis zum Begreifen, zur Erkundung
    aus tiefem Wunsch zum Brücken-Bauen
    zu sich selbst und den Anderen

    ֎֎֎

    Leidenschaftlich und gelassen

    (17.1.2016)

    Wenn du die Augen schließt,
    fehlen hier zwei Sterne. 

    Beleuchte und behebe
    leidenschaftlich
    die tieferen Gründe
    dieser maßlosen Ungerechtigkeit
    in unserer bewegenden Zeit.
    Und pflege stets dabei
    das Feuer in deiner Brust.

    Wenn du die Augen schließt,
    fehlen mir zwei Sterne.

    ֎֎֎

     

    Für dich

    (31.1.2016)

    Heidi gewidmet

     

    Es gibt Momente im Leben,
    wo ich im Meer der Glückseligkeit badend
    mit tiefster Zufriedenheit denke,
    das Ende kann jetzt getrost kommen.
    Einen Strauß solcher Momente wünsche ich dir.

    ֎֎֎

     

    Licht und Schatten

    (19.2.2016)

    Es ist eine klare Nacht
    die Sterne zum Greifen nah
    ich lausche der Melodie der Stille
    genieße den Wein der Einsamkeit
    und denke an dich
    deine Kinder
    und Kindes Kinder 

    Es ist eine besondere Zeit
    uns Höhen und Tiefen zeigend
    zum Überdenken alter Gewohnheiten einladend
    zum Überprüfen bisheriger Überzeugungen
    uns zu Gratwanderungen ermunternd
    zum Springen über den eigenen Schatten 

    Es ist eine klare Nacht
    die Sterne zum Greifen nah
    ich rieche schon die Morgendämmerung
    und denke an dich
    deine Kinder
    und Kindes Kinder

    ֎֎֎

     

    Verständigung

    (9.3.2016) 

    Wenn ich Gefühle und Gedanken
    in meiner Muttersprache beschreibe
    und diese dann dir übersetze
    gehen gelegentlich
    Feinheiten verloren 

    So fühle mich sprechen
    mit meinen Augen
    mit meiner Haut
    mit meines Herzens Schlägen

    ֎֎֎

     

    Gefüge

    (9.3.2016) 

    Kraftvoll verankert in dieser Erde
    sehnsüchtig den Himmel betrachtend
    gelassen seelenverwandt mit dem Meer
    lebe ich fröhlich mit dir
    das Lied der Liebe

    ֎֎֎

     

    Straßenkinder

    (13.4.2016)

    Kennst du den Glanz der Tauperlen
    an Zweigen und Grashalmen
    beim Auftreten der ersten
    morgendlichen Sonnenstrahlen 

    Kennst du den Tanz der Spinnweben
    benetzt mit Schneesternen
    bei abendlicher Brise
    im schimmernden Mondschein 

    Kennst du den Zauber
    des Gesangs verliebter Stare
    mitten in der Zärtlichkeit
    des frischen Grüns im April 

    So könntest du ein Bild malen
    von meiner bewegenden Freude
    wenn das Wort Straßenkinder
    nur in Geschichtsbüchern vorkäme

     

     

    Für die in mir

    (April 2016)

    den Hebammen gewidmet

    Sei willkommen
    mit all deinen Tränen
    und dem belebenden Lachen 

    Bin ich der Berg, so sei du der Regen
    Bin ich der Regen, so sei du die Erde
    Bin ich die Erde, so sei du der Frühling
    Bin ich der Frühling, so sei du der Garten
    Bin ich der Garten, so sei du der Fluss
    Bin ich der Fluss, so sei du das Meer
    Bin ich das Meer, so sei du die Wolke
    Bin ich die Wolke, so sei du der Berg 

    Komm
    Setz dich zu mir
    mit all deinen Tränen
    und dem belebenden Lachen

    ۞۞۞

     

    Beheimatung im Herzen

    (17.4.2016)

    für Heidi

     

    Auf Lutherweg wandernd im Thüringer Walde
    Eine Schnecke fiel mir auf am Weges Rande
    Ihr Häuschen auf dem Rücken tragend sachte
    Mir kam Heimat in Sinn und mein Herz lachte
    Trage dein Zuhause in dir frei und unbeschwert
    Schmücke es frohgemut mit allem was liebenswert     

       

    ֎֎֎

    Gedichte

    (22.4.2016)

    Auf der Terrasse eine Vogeltränke
    und am Baum ein Vogelhäuschen 

    Meine Geschwister kommen angeflogen
    leichtfüßig, unbeschwert
    beschenken mich unermesslich
    zwitschern, plätschern
    berühren mein Herz
    nehmen ein paar Körnchen mit 

    Ich atme ihre Anwesenheit ein
    und denke glücklich
    wenn sie frei weiterziehen
    werden sie vielleicht
    andere auch beschenken 

    Solch eine Beziehung
    pflege ich
    auch zu meinen Gedichten

     

    Abruzzen

    (Juni 2016)

    Maria Mies gewidmet 

    Nun stehe ich hier
    dieses weite Land ehrfürchtig
    mit allen Sinnen aufnehmend
    weiß-rot, gelb-grün, blau, rosa 

    Den duftenden Wind tief einatmend
    das Meer am Horizont sehnsüchtig ahnend
    frage ich mich immer wieder
    wie wir den Verwüstern des Lebens trotzend
    mit Hilfe der Gelähmten, Betäubten, Verführten
    und doch tief im Herzen Bewegten
    die Geburt der keimenden Gesellschaftsformation
    ermöglichen können

    ֎֎֎

     

    Welle

    (17.7.2016)

    für Heidi, Ilona und Sima

     

    Wenn der Wind im Morgen-Land ankommt
    wird er die Wolken liebkosend
    den Duft unseres langen Atems besingen
    So wird die Steppe
    gerührt von Zärtlichkeit des Regens
    ein buntes Meer gebären
    voller Disteln, Ginster, Minzen und Mohnblumen

    ֎֎֎

      

    Solch eine Liebe

    (7.7.2016)

    Victoria und Farshin gewidmet 

     

    Fliege frei und unbeschwert
    Fliege hoch
    Betrachte aus anderen Blickwinkeln
    das Geschehene
    das Laufende
    das Folgende 

    Begreife mit all deinen Sinnen
    drei Bereiche
    Wissen
    Gerechtigkeitssinn
    Verbundenheit mit dieser Erde 

    Kehre zurück zu mir
    erhaben
    Singe mit mir
    frohgemut
    das Lied der Entwicklung
    das Lied des Gedeihens
    Fliege frei und unbeschwert

    ֎֎֎

     

    Die Schwalm*

    (24.7.2016)

    für Ulli, Wolfgang und Bella

     

    Staunend betrachte ich dich
    wie ein neugieriges Kind
    und höre begeistert zu
    wenn du Geschichten erzählst
    Dankend nehme ich an
    deine kristallklaren Geschenke
    im winterlichen Sonnenschein
    Ach, wenn auch andere Menschen
    deine Wunder wahrnähmen
    und dann voller Inbrunst
    in der vermeintlichen Kälte
    ihre eigenen hervorbrächten

    ֎֎֎

     

    * Die Schwalm ist der Hauptzufluss der Eder. Inspiriert durch Fotos, die eine Freundin an einem sonnigen Wintertag von den wunderbaren Eisgebilden an den Flussufern gemacht hatte, wurde dieser Text verfasst.

     

    Schmetterling

    (Juli 2016) 

    Wenn sich ein Element
    in einem System ändert
    dann folgen Anpassungen
    im ganzen Gebilde
    So sei der Schmetterling
    dessen feiner Flügelschlag
    den fernen Berg
    zum Beben bringt

    ֎֎֎

     

    Von Elfen und Elben

    (Juli 2016) 

    Wer bist du
    die ich so vertrauensvoll
    durch meine Landschaften führe
    die in meinen Träumen
    verzaubernd verweilt
    und bei der ich hautnah
    kraftvoll und schöpferisch
    Ruhe finde

    ֎֎֎

    Liebeslied 

    (28.7.2016) 

    Aus dem Fenster blickend
    die Morgenröte
    viele Schwalben
    mit dem Nachwuchs
    Fliegen übend
    Gerade in dieser Zeit
    der aufkeimenden Zärtlichkeit
    mitten im erlahmenden Getöse
    deiner Verwüster
    und dem betäubenden Schweigen
    deiner Bewohner
    schreibe ich für dich
    die einmalige Erde
    meine schönsten Liebeslieder

    ۞۞۞ 

     

    Zusammenhänge im großen Gefüge

    (4.8.2016) 

    Habe keine Angst, Liebste
    Lass dich nicht verwirren 

    Die Verächter des Lebens
    haben ein Heer
    von Wissenschaftlern, Forschern
    Psychologen, Ärzten
    Künstlern, Schriftstellern
    und Geistlichen aller Schattierungen 

    Lass dich nicht einschüchtern
    von ihrem allmächtigen Getue
    von ihrem allwissenden Gehabe
    Stelle einfache
    und entscheidende Fragen 

    Gelten die  angegebenen Maßstäbe
    für Freunde und Feinde
    Gelten die ersehnten Vorstellungen
    für alle Wesen dieser Erde
    oder nur
    für  einen auserwählten Menschenkreis 

    Lass dich nicht in die Irre führen
    mit dem törichten Geschwätz
    vom bösen Kern des Menschen
    Erforsche den umfassenden Rahmen
    und die Zusammenhänge
    im großen Gefüge
    in dem der Mensch zu dem wird
    was die Gegenwart zeigt 

    Habe Zuversicht, Liebste
    Betrachte das Laufende
    aus einem wesentlich weiteren
    zeitlichen Blickwinkel
    und denke dabei auch
    an das Wunder der Raupe

    ֎֎֎

     

    Meer der Morgenröte     

    (12.8.2016)

    Karin Leukefeld gewidmet                                                                                  

    Offenherzig tauche ich ein
    in das Meer der Morgenröte
    und nehme Stimmen wahr
    die der Berge, der Wälder
    der Wüsten, der Weizenfelder
    der Insekten, der Fische
    der Straßenkinder
    der Entrechteten
    der Verdammten
    der Schwach-Gehaltenen
    der Entwurzelten 

    Alle stellen dieselbe Frage
    nicht belehrend
    nicht vorwurfsvoll
    nur klärend 

    Angesichts deiner Möglichkeiten
    wirst du unsere Stimme sein
    im verschweigenden Getöse
    oder wirst du uns verbannen
    in das Land der Vergessenheit
    aufgrund deiner Ängste
    geführt von deiner Eitelkeit
    fliehend in Scheinheiligkeit 

    Aufrecht tauche ich auf
    aus dem Meer der Morgenröte 

    ֎֎֎

     

     

  •  

    Herbert Metzger, geboren 22.01.1924, gestorben 11.11.2016,

    metzger-portrait0002metzger-portrait0002

    Liebe Frau Metzger,
    liebe Familie von Herbert Metzger,
    liebe Trauergemeinde,

    mein Name ist Dietrich Weller. Ich bin als langjähriger literarischer Freund von Herbert Metzger hier und trauere mit Ihnen. Deshalb ist es mir nicht nur ein sehr persönliches Bedürfnis, zu Ihnen zu sprechen, sondern ich möchte als Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schriftstellerärzte BDSÄ und Herausgeber des Almanachs deutschsprachiger Schriftstellerärzte sein literarisches Werk würdigen. Dabei will ich freimütig gestehen, dass ich gar nicht alles kenne, was er geschrieben hat. Er war in allen Lebensphasen so stetig im Schreiben, so vielseitig in seiner ganz eigenen Gedankenwelt, dass auch ein fleißiger Leser kaum mit ihm Schritt halten konnte.

    Leider weiß ich nicht genau, seit wann er Mitglied im Bundesverband Deutscher Schriftstellerärzte war, weil es darüber keine Akten mehr gibt. Der älteste Vermerk seines Namens steht auf einer Anwesenheitsliste der Mitgliederversammlung von 1984.

    Wir lernten uns Ende der 1990-er-Jahre persönlich kennen, als Sie, liebe Frau Metzger mit Ihrem Mann zu einer Lesung nach Leonberg kamen, zu der meine Frau und ich baden-württembergische Mitglieder des BDSÄ eingeladen hatten.

    In den folgenden Jahren standen wir in regelmäßigem schriftlichem und telefonischem Kontakt. Leider war es ihm aus gesundheitlichen Gründen nie mehr möglich, an den Jahreskongressen des BDSÄ teilzunehmen.

    Herbert Metzger machte mich schon bei unserem ersten Treffen auf den Almanach deutschsprachiger Schriftstellerärzte aufmerksam, den ich damals noch nicht kannte. Das ist eine Sammlung von literarischen Texten in Gedicht- oder Prosaform, die von Ärztinnen und Ärzten verfasst werden und thematisch das gesamte Spektrum des menschlichen Alltags umfasst. Durchschnittlich sind jedes Jahr 55 Autoren auf 550 Seiten vertreten.

    Nachdem ich 2011 Herausgeber dieses Almanachs wurde und mich mein Herausgeber-Vorgänger bei den Übergabegesprächen ausdrücklich auf diesen besonderen Menschen und Schriftsteller aufmerksam gemacht hatte, traf ich Herbert Metzger in diesem Buch wieder. Seine frühesten Beiträge für den Almanachstehen im Almanach 1989. Herbert Metzger sandte seither jedes Jahr treu seine wertvollen, weil stilistisch und inhaltlich herausragenden Texte ein. Immer wieder überraschte er mich mit Notizen, mit Gedichten und Zeitungsausschnitten von seinen Lesungen, die er bis ins hohe Alter abhielt.

    Seine gestochen scharf und klein ziselierten Randbemerkungen voll Korrekturbereitschaft und Selbstzweifel sind mir gut im Gedächtnis. Ich erlebte einen Mann, dessen Bescheidenheit und Demut mich immer wieder beeindruckt haben. Sandra Pfäfflin von der Pforzheimer Zeitung beschreibt ihn in ihrem Nachruf sehr treffend als sanften, feinen Mann.

    Früh in unserer Bekanntschaft schenkte Herbert Metzger mir seinen autobiografischen Roman Unterwegs im Schicksalsraum Erde, der 2000 erschienen war und dessen Einband ein Bild ziert, das seine Tochter Iris Caren gemalt hatte. Ein Buch, das seine Lebensjahre 1942 bis 1945 umfasst. Ein Zeugnis, wie ein tief anthroposophisch denkender und fühlender Mensch mit den Kriegswirren hadert und sich mithilfe übergeordneter spiritueller Gedanken zu-recht-zu-finden sucht. Ich meine es wörtlich: Er wollte zum Recht finden und seinen Weg im Rahmen seiner Weltsicht erkennen und bewusst und rechtschaffen gehen.

    Dieses Buch ist nicht nur zeitgeschichtlich interessant für Nachkriegskinder wie mich. Es wirft uns auf Grundfragen der Existenz zurück und öffnet geistige Welten von unendlicher Dimension.

    Im Laufe seines langen Lebens veröffentlichte Herbert Metzger viele Bücher, darunter auch kleinere Schriften mit feingeistiger Lyrik und Prosa. Zeitklänge und Von Mensch zu Mensch führen den Leser von der irdischen Haftung in die spirituelle und ewige Dimension. Poetische Tagebücher und Vom Menschen und seinen Engeln sind nur zwei Beispiele seiner tief vom anthroposophischen Geist durchdrungenen Welt- und Weitsicht.

    Mir fällt ein Satz von Khalil Gibran ein, der hier und heute passt: Möglicherweise ist ein Begräbnis unter Menschen ein Hochzeitsfest unter Engeln.

    Herbert Metzgers geistige und schriftstellerische Aktivität entwickelte bei der ständigen Beschäftigung mit dem großen Spannungsfeld seine ganz ausgeprägte, für ihn charakteristische Sprache mit ungewöhnlichen Wortschöpfungen und Gedanken, die zum genauen Nach-Denken, zum einfühlsamen Nach-Spüren, zur bewussten Wort-für-Wort-Lektüre zwingen.

    Seine tiefe anthroposophische Überzeugung und sein feinsinniges Gespür für kleinste Unterschiede bei Bedeutung und Wort sprechen aus jedem Text, sind Antrieb und Quelle seines Denkens und Fühlens, beflügeln seine konzentrierten Wortschöpfungen, seinen Drang, alles noch genauer und ausdrucksstärker zu formulieren. In den Gedichten empfinde ich es deutlicher als in den Prosatexten, weil er sich dort noch mehr zwang, dichter, ver-dichtet zu formulieren. Und wie schwierig ist es, konkrete Gedanken über Spirituelles in ein-deutige Worte zu prägen, die also nur eine einzige Deutung zulassen!

    Ich ließ mich einmal zu dem Satz hinreißen: „Herr Metzger, ich spreche Ihre deutsche Sprache nicht, ich kenne Ihr Vokabular nicht.“Das hat ihn so erschreckt, dass er auf mich sehr verunsichert wirkte. Jetzt muss ich gestehen, dass ich wahrscheinlich nur nicht genau genug hineingehört und –gespürt habe, was seine Worte sagen.
    Weil mir seine spirituelle Welt teilweise fremd war, bat ich ihn, für den Almanach (ehrlicherweise will ich sagen: auch für mich!) eine Zusammenfassung der anthroposophischen Lehre zu schreiben.

    „Trauen Sie mir das wirklich zu?“, fragte er überrascht. Das war keine Lob erheischende narzisstische Wendung, sondern Ausdruck eines Suchenden, der sich selbst und seine Sicht der Dinge immer neu infrage stellte.

    Der Text, den er mir nach einigen Wochen gab, war so lang und so intensiv durchgearbeitet, dass wir ihn auf zwei Jahrgänge aufteilten und im Almanach 2014 und 2015 veröffentlichten. Es ist eine reife Darstellung der anthroposophischen Philosophie, die ich glaube, mit seiner Hilfe jetzt besser zu verstehen.

    Herbert Metzger schickte seine letzten Beiträge zum Almanach 2016. Da konnte er die Korrekturblätter nicht mehr selbst bearbeiten. Seine Tochter übernahm die Mittlerrolle. Sie ist es auch, die auf Facebook eine Seite für den Vater eingerichtet hat und jetzt sein literarisches Werk aufbereiten will.

    Ich habe die folgenden Gedichte ganz bewusst als letzte in seinem Kapitel gesetzt, weil ich ahnte, dass dies sein finaler Beitrag ist.

    Zu erkennen: 

    Ein wahrer Segen ist es, wenn ein
    alt gewordener, am Leibe gebrechlicher
    Mensch seinen sterblichen Körper
    wieder verlassen kann.

    Diese Befreiung öffnet ihm die neue
    Erlebnis-Wege-Begehung ins
    andere Sein, das als ein
    seelisch-geistiges, unsterbliches
    Dasein bezeichnet wird.

    Dort begegnet ihm die Wahrheit,
    so wird berichtet – und der
    Sinn seines Lebensdurchgangs
    wird ihm bewusst gemacht nach
    dem Erkenntniszustand seines
    eigenen Selbstbewusstseinserwachens:
    Erhellung in der Prüfung wird ihm zuteil
    Und Begnadung führt ihn ins Weiternde.

    Sei es so, Mitmensch.

     

    Später 

    Aus der Gefangenschaft der Materie
    gibt es kein Entrinnen – es sei denn
    ER entlässt dich ins
    Freisein-Werdenwollende.

    Die Konsequenzen daraus
    Werden zu deinem Errungenen.

     

    Wir sehen: Herbert Metzger war sehr gut vorbereitet auf seinen Weg in die nächste Dimension, denn er hatte lange vor seinem körperlichen Ende in Frieden mit diesem Teil der Welt abgeschlossen und war bereit zur Weiterreise, die ihm jetzt im biblischen Alter gnadenvoll und schmerzfrei gewährt wurde.

    Mit seinem allerletzten im Almanach veröffentlichten Gedicht verabschieden wir uns in großer Dankbarkeit und Hochachtung von Herbert Metzger, der in weiser Vorahnung schon hinüber spricht in die neue Existenzform:

     

    Himmel, wie bin ich dir nahe gekommen,
    das Körpergefäß will Abschied nehmen.
    Ich danke seinem Dienst an mir.
    Eine Weiterung wird alles Zusammengehörige
    in einem andern Licht erscheinen lassen.

    Wohl dem Geistgefügten,
    das darinnen erwacht.

  • Beitrag zur Lesung „Geheimnisse“ bei dem BDSÄ-Kongress in Würzburg 2016

     

    Die Leiden des Philoktet und der Lessing’sche Laokoon  

    Zu meiner Schulzeit war es in der gymnasialen Mittelstufe noch üblich, am Tag vor Beginn der Ferien an die Tafel zu schreiben:

    “Es ist schon immer so gewesen – am letzten Tag wird vorgelesen.”

    Unser vorlesender Mitschüler machte das ausgezeichnet, und die Texte, die er zu Gehör brachte, waren unterhaltsam und erheiternd. Eines Tages hörten wir  “Der Besuch im Karzer”, eine Humoreske des Gießener Autors Ernst Eckstein. Sie spielt im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts  an einem Gießener Gymnasium. Der Direktor, ein jovialer Altphilologe mit besonderen Aussprache-Gepflogenheiten – er verwandelt die hellen Vokale samt und sonders in dunklere – liest mit Schülern der Oberstufe das Sophokles-Drama Philoktet. Der Heros ist mit den anderen Griechen nach Troja aufgebrochen und wird unterwegs von einer Schlange gebissen. Er empfindet den Schmerz als so unerträglich, dass er fortwährend und durchdringend schreit und ihn die Gefährten entnervt auf der Insel Lemnos zurücklassen.

     

    Wamser-Krasznai-Die Leiden des Philoktet-Bild1

     

    Bild 1: Rotfigurige Bauchlekythos NY ca. 430 v. Chr.

     

    Zum Jubel der Klasse verdeutscht der übersetzende Primaner das Wehgeschrei des Unglücklichen mit ai, ai, ai, ai… “ Da fällt ihm der Direktor in die Rede: Sagen Sä au, au, au, au. Das “ai” als Interjektion des Schmerzes äst sprachwädrig”. Auch den Einwurf „nun, umso besser“ verwandelt die eigentümliche Diktion des Pädagogen in:  “non, omso bässer”, natürlich ebenfalls zum Entzücken der Schüler. Ich muss es mir leider versagen, den Fortgang des Unterrichts und seine Folgen mit Ihnen zu genießen; denn wir haben es hier mit einem leidenden griechischen Helden zu tun.

    In seiner Abhandlung “Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie” bezeichnet Lessing subsummierend „die bildenden Künste überhaupt” mit dem Begriff  Malerei. So stellt er den hemmungslos mit weit aufgerissenem Mund schreienden Philoktet aus der Dichtung dem maßvollen Ausdruck des Schmerzes gegenüber, den die Bildhauer dem trojanischen Priester Laokoon und seinen Söhnen gegeben haben, obwohl alle drei in Kürze der tödlichen Umklammerung durch die gewaltigen Schlangen erliegen werden.

     

    Wamser-Krasznai-Die Leiden des Philoktet Bild 2.doc

    Bild 2: Laokoon, Vatikan

    Nach: W.-H. Schuchhardt, Die Kunst der Griechen, 1940, 440 Abb. 410

     

    Entgegen der Behauptung Winckelmanns, Laokoon leide wie der Philoktet des Sophokles, zeigt nun Lessing, dass es den Bildhauern gelang, beim Laokoon “unter den angenommenen Umständen des körperlichen  Schmerzes…auf die höchste Schönheit” hin zu arbeiten, wozu allerdings die entstellende Heftigkeit herabgesetzt, “Schreien in Seufzen” gemildert werden musste, “nicht weil das Schreien eine unedle Seele verrät, sondern weil es das Gesicht auf eine ekelhafte Weise” verzerrt. “Man reiße dem Laokoon in Gedanken“ einmal „den Mund auf und urteile”.

     

    Wamser-Krasznai-Die Leiden des Philoktet Bild 3.doc

    Bild 3: Was ist schon Sport ohne Schrei?

    Nur eine Darstellung, die “Schönheit und Schmerz zugleich” zeige, könne Mitleid  erregen, während der Anblick heftigen Schmerzes allein abscheulich sei und “Unlust erregt, ohne dass die Schönheit des leidenden Gegenstandes diese Unlust in das süße Gefühl des Mitleids verwandeln kann”[1].

    Was jedoch den schreienden Philoktet angeht, so ist der überwältigende, fast  unangemessene Schmerz nicht das einzige Übel, das ihn befallen hat. Die schlecht heilende Wunde entwickelt nämlich einen widerwärtigen Gestank, den Freunde und Kriegsgefährten nicht ertragen. Dieses in der Sekundärliteratur (z. B. DNP 9, 832 f. RE 1938, 2501[2]) durchweg geradezu genüsslich, manchmal sogar als einziges[3], beschriebene Symptom, spielt offenbar nicht in allen antiken Quellen eine vergleichbare Rolle. Im sog. Schiffskatalog im 2. Gesang der homerischen Ilias ist zwar von Schmerzen die Rede, nicht aber vom üblen Wundgeruch (Il. 2, 714-728). Auch Sophokles lässt Odysseus lediglich mitteilen:

    „Ihm fraß am Fuße eine Wunde, eitrig, nässend,
    und seine wilden Schmerzensschreie, Jammern, Stöhnen
    durchhallten unaufhörlich unser Heer und  machten
    uns Spenden, Opfer, jeden stillen Gottesdienst
    unmöglich.“ (Philoktetes 7-11).

    Später äußert sich der Betroffene selbst gegen Neoptolemos:

    „Du, edel nach Charakter wie nach Abstammung,
    mein Junge, fandest standhaft dich mit allem ab,
    mit meinen schrillen Schreien, meinem Pestgestank.“ (κακῂ ὀςμῂ).

    (Philoktetes 874-876).

    Die Ausdrucksweise der Weggefährten ist bemerkenswert zurückhaltend. Immerhin geht es um die Verletzungsfolgen eines befreundeten Kommandanten von sieben Schiffen mit Bogenschützen, den die Achäer schnöde vernachlässigen und auf einer unwirtlichen Insel zurücklassen[4]. Wollte Sophokles ein Geheimnis aus dieser unrühmlichen Tatsache machen? Oder hielt er – ein Priester des Heil-Heros Halon und Wegbereiter des Asklepioskultes in Athen, der wohl mit dem Medizinbetrieb einigermaßen vertraut gewesen ist – den Gestank einer eitrigen, nässenden Wunde für so selbstverständlich, dass er ihn nur nebenbei erwähnte? Wir heutigen Ärzte würden das Krankheitsbild als „feuchte infizierte, stinkende Gangrän“[5] bezeichnen. Werfen wir einen kurzen Blick auf andere retrospektive Differentialdiagnosen:

    1. Chronoblastomykose, eine Pilzinfektion der Wunde, geht auch bei eingetretener bakterieller Superinfektion gewöhnlich nicht mit derart heftigen Schmerzen einher[6].

    2. Gicht erklärt zwar exzessive Schmerzen, nicht aber die purulenten Exsudate[7].

    3. Aktinomykose, eine Mischinfektion, häufig durch Bakterien aus der Gruppe der Aktinomyzeten verursacht, führt nicht zu Schmerzen.

    4. Osteomyelitis – das Ausmaß der Schmerzen passt nicht dazu[8].

    5. Eine Anaerobierinfektion[9] wie Gasbrand hätte, ohne Antibiotika, wohl zu einem fatalen Ende geführt und kommt schon aus diesem Grund kaum in Betracht.

    6. Am wahrscheinlichsten ist eine chronische bakterielle Mischinfektion aus Aerobiern bzw. Anaerobiern mit der Folge einer Gangrän.

    In der Bibliothek Apollodors, einer vermutlich aus dem 1. Jh. n. Chr. stammenden Mythensammlung (Apollod. Epitome 3, 27), wird der Bezug zwischen Gestank und schmerzhafter Wunde klarer, und auch Hygin erwähnt in seiner Fabelsammlung (Hyg. fab. 102, 2. Jhs. n. Chr.) den ekelerregenden Geruch. Beide berufen sich vermutlich auf  ältere, für uns verlorene, Quellen wie den Philoktet des Aischylos oder des Euripides. Wir wissen zwar, dass die gleichnamige Tragödie des Euripides zusammen mit zwei anderen tragischen Stücken und einem Satyrspiel des Dichters an den Dionysien des Jahres 431 v. Chr. aufgeführt wurde, doch ihren Wortlaut kennen wir nicht[10]. Dies gilt auch für den früher entstandenen Philoktet des Aischylos[11]. Jener üble Geruch muss aber früh zum Philoktet-Mythos gehört haben, war er doch ein Argument, mit dem die Griechen ihr unmenschliches Verhalten – die Vernachlässigung eines kranken Gefährten – zu erklären suchten. Dass wir keine archaischen Darstellungen des Ausgesetzten haben, hängt vielleicht mit jenem ’schlechten Gewissen‘ zusammen. Als dann Aischylos und nach ihm Euripides und Sophokles die Tragik des Philoktet als Schicksal darstellten, trat er auch in der Bildkunst auf[12]. Doch während der Kranke in der Sophokles-Tragödie an der Grenze zum Wahnsinn einen regelrechten Schrei-Exzess absolviert[13], zeigen ihn die bisher bekannten bildlichen Darstellungen stets mit einem  geschlossenen, allenfalls nur leicht geöffneten Mund[14]. In ihrer dezenten Gestaltung bleiben sie sogar hinter dem maßvollen Ausdruck des Schmerzes zurück, der den Laokoon und seine Söhne kennzeichnet. Eine Wiedergabe ‚in Schönheit‘ siegte in klassischer Zeit allemal über tragischen Realismus[15].

    Philoktet aber wird, weil man ihn vor Troja braucht, später aus Lemnos abgeholt und durch die Söhne des Asklepios, Machaon und Podaleirios, von seinem Übel geheilt.

    Literatur:

    [1]Laokoon. Lessings Werke Band 3 (Stuttgart 1873) 69. 76 f.

    [2] Der Neue Pauly; Realezyklopädie der klassischen Altertumswissenschaften; dazu auch   M. Grmek – D. Gourevitch, Les maladies dans l’art antique (Paris 1998) 99. 109; E. Simon, Philoktetes – ein kranker Heros, in: H. Cancik (Hrsg.), Geschichte – Tradition  – Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum 70. Geburtstag (Tübingen 1996) 16; J. Söring, Das Schreien des Philoktet. Sophokles und Heiner Müller, in: J. Söring – O. Poltera – N. Duplain (Hrsg), Le théâtre antique et sa réception. Hommage à Walter Spoerri (Neuchâtel 1994) 154 f.  A. Thomasen,  Philoktet – ein Thema mit Variationen, Clio medica 18, 1983, 1.

    [3] So P. Blome, Der Mythos in der griechischen Kunst. Der troianische Krieg findet statt, in: Traum und Wirklichkeit Troia (Stuttgart 2001) 144; C. W. Müller, Das Bildprogramm der Silberbecher von Hoby, JdI 109, 1994, 321.

    [4] Simon a. O. 1996, 16 Anm. 8.

    [5] St. Geroulanos – R. Bridler, Trauma. Wund-Entstehung und Wund-Pflege im antiken Griechenland (Mainz 1994) 57 f.

    [6] H. A. Johnson MD, The foot that stalled a thousand ships: a controversial case from the 13th century BC, J R Soc Med 96, 2003, 507 f.

    [7] ders. a. O. 508.

    [8] ders. ebenda.

    [9] Geroulanos – Bridler a. O. 57 f.

    [10] Müller a. O. 322 Anm. 4.

    [11] Müller a. O. 340 Anm. 63 f.

    [12]Simon a. O. 18, dazu auch brieflich am 20.03.2016.

    [13]Soph. Phil. 735-816.

    [14] LIMC VII (1994) 376-385 Nr. 12-74 Taf. 321-326 s. v. Philoktetes ( M. Pipili); Simon a. O. 1996, 15 Anm. 4. 5.

    [15]Dazu W. Wamser-Krasznai, In Schönheit sterben, in; dies., Fließende Grenzen (Budapest 2015) 22-35.

    Copyright Dr. Dr. Waltrud Wamser-Krasznai

  • Nicht nur zum Waschen….

    Vom Wasser in der Antike

     

               Wamser-Krasznai -Wasser Bild 1

     

                    Bild 1: Salvom lavisse, bene lava – „Angenehmes Baden!“
    Mosaiken in Sabratha/Libyen. Photo der Verfasserin, 2009

    In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts kam ein Liedchen auf, dessen Refrain „Wasser ist zum Waschen da, falleri und fallera…..“ im Handumdrehen Karriere als Ohrwurm machte. Der ausführliche Text geht populär persiflierend auf einige der wichtigsten Aspekte des Wassers ein.

    Sehen wir uns daraufhin bei den antiken literarischen Quellen um, so lesen wir bei Platon von der Einteilung der Erdbewohner in solche, die innerhalb und andere, die außerhalb der Säulen des Herakles[1] leben (Plat. Kritias 108 e), nämlich die Einwohner von Attika und Atlantis. Dem ersteren, griechischen, Lande gab Zeus Jahr für Jahr reichlich Wasser, das aber nicht wie heute von der nackten Erde ins Meer abfloss, sondern vom Erdreich aufgenommen wurde und sich zusätzlich in Hohlräumen sammelte. Überall gab es „Ströme von Quellwassern und Flüssen. An ihren ehemaligen Quellen auch jetzt noch erhaltene Heiligtümer…“ (Plat. Kritias 111 d). Er geht dann zu den Verhältnissen in Atlantis über, einer Insel, die im Losverfahren dem Bruder des Zeus, Poseidon, zugefallen war. Auch dort quoll kaltes und warmes Wasser aus dem Boden, „wobei jedes von beiden nach Wohlgeschmack und Güte … für den Gebrauch wunderbar geeignet war … und sie schufen ringsum Wasserbassins, die teils unter freiem Himmel lagen, teils überdachte Winterbassins für die warmen Bäder, und zwar getrennt für die Könige und die Privatleute, ferner für die Frauen (sic!), weitere für Pferde und die übrigen Zugtiere…“ (Plat. Kritias 117 a. b).

    Wir hören vom Geschmack des Trinkwassers, von üppiger Vegetation und blühender Viehzucht in ihrer Abhängigkeit vom Wasser, aber auch von Badebecken mit kaltem und warmem Wasser, das nicht nur den Einwohnern, getrennt nach Geschlechtern und sozialem Stand, sondern auch den größeren Nutztieren zur Verfügung stand (Plat. Kritias 111 b. c). Zudem erfahren wir von den Kultorten in der Nähe der Quellen, wo man die Gottheiten, die das Leben spendende Wasser schenken[2], verehrt.

     

    Trinkwasser

    Qualvoll ist es, nicht trinken zu können, wenn man Durst hat. So übel ergeht es dem Frevler Tantalus, der zur Strafe im Tartaros unablässig am Trinken gehindert wird:

    „Dürstend stand er und konnte es doch nicht erreichen.
    Denn sooft er sich bückte, der Greis, im Wunsche zu trinken,
    zog sich das Wasser zurück und verschwand, und unter den Füßen zeigte sich schwarze Erde. Ein Dämon machte sie trocken.“ (Hom. Od. 583-586)

    Zu den frühen Schriften, die im Umkreis des Hippokrates entstanden, zählt die Abhandlung „Über Luft, Wasser und Orte“, auch „Über die Umwelt“ genannt. Darin wird dem in einer fremden Stadt Ankommenden empfohlen, genau zu „überlegen, …wie es mit den Gewässern steht, ob die Menschen sumpfiges oder weiches Wasser trinken oder hartes, das von felsigen Höhen fließt, oder salziges und schwerverdauliches…“[3].

    Keine Wasserart war in der Antike so hoch geschätzt wie das Quellwasser. Die Entnahmestelle, Krene, wurde durch eine Einfassung geschützt. Schöpf- und Laufbrunnen[4] entstanden. Man legte überdachte Reservoirs, Gefälleleitungen, steinerne Kanäle und Rohrleitungen an. Letztere bestanden  überwiegend aus Ton oder  Blei[5]. Trinkwasser für Rom und Italien war vor allem zur Zeit des Trajan (109-117 n. Chr.) ein kaiserliches Anliegen. Zum Teil musste das kostbare Nass mittels Aquaedukten über weite Strecken herangeführt werden. Es gab einen Wasserdirektor, den curator aquarum, und man feierte die Fontinalia zu Ehren des Quellgottes Fons, der in Rom Staatskult genoss[6].

     

    Wamser-Krasznai-Wasser Bild 2

     

    Bild 2:  Aquaedukt von Olbia Diokaisarea, Kilikien, 2. Jh. n. Chr.
    Aufnahme der Verfasserin, 2013

     

    Reinigendes Wasser

    Über die Wohltat des Bades ergeht sich Homer in ausführlichen Schilderungen. Dem staubigen, verschwitzten Gast bietet der Gastgeber neben Speise und Trank auch warme Bäder und frische Kleider.

    Und so

    „Stiegen sie ein zum Bad in die wohlgeglätteten Wannen.“ (Hom. Od. 4, 48)
    „Und eine Dienerin brachte in schöner goldener Kanne Handwaschwasser und netzte damit über silbernem Becken Ihnen die Hände….“ (Hom. Od. 4, 52 f.)

    Letzteres entsprach wohl eher einem Ritual als übertriebenem Reinlichkeitsbedürfnis. Auch die Fußwaschung, die das Behagen des Gastes erhöht, ist Teil des Begrüßungszeremoniells:

    „…Und die Alte ergriff die blinkende Wanne,
    Die zum Waschen der Füße diente, und füllte viel
    Kaltes Wasser hinein und schöpfte dann warmes dazu…“

    (Hom. Od. 19, 386-88)

     

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 3

                         Bild 3: Eurykleia bei der Fußwaschung des Odysseus
    Nach Furtwängler-Reichhold 1904, Taf. 142[7]

    Draußen erfreuen sich Nausikaa und ihre Freundinnen am fließenden Wasser:

    Und sie badeten sich und salbten sich mit dem Salböl

    …..bis die Gewänder vom Strahle der Sonne getrocknet (Hom. Od. 6, 96).

    Zuweilen entwickelt das Reinigungsbad geradezu therapeutische Eigenschaften:

    „Als das Wasser dann heiß im blanken erzenen Kessel,
    Setzte sie (Kirke) mich ins Bad und goss es aus mächtigem Dreifuß
    Mir mit duftenden Kräutern vermischt übers Haupt und die Schultern,Bis sie mir die verzehrende Mattheit nahm von den Gliedern.“

    (Hom. Od. 10, 360-365)

     

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 4

    Bild 4: aus Amathous/Zypern, 7./6. Jh. v. Chr.
    nach Karageorghis 1995, 140-142 Taf. 81, 1

     

    Noch deutlicher wird das in der Ilias:
    Nestor lässt ein Bad für Machaon richten:

    „Bis dass ein warmes Bad Hekamede mit kräftigen Flechten
    Für dich wärmt und abwäscht den blutigen Schorf von der Wunde.“

    (Hom. Il. 14, 6)[8].

    Achill lehnt zum Zeichen der Trauer die Wohltat des Bades ab,

    „Ehe Patroklos nicht ist verbrannt und das Mal ihm geschüttet“

    (Hom. Il. 23, 39-45)

    Erst danach erlauben die Gebräuche,
    „Einen Dreifuß ans Feuer zu stellen, um zu versuchen,
    Den Peliden rein zu waschen vom blutigen Schorfe.“

    Wasser in Mythos und Kult

    Berühmte Orakel gehen direkt von einer Quelle aus. Es… „befindet sich in den Trümmern von Hysiai (im Gebiet von Platiai / Böotien)…ein heiliger Brunnen; einst holte man sich …aus dem Brunnen durch Trinken Orakel“ (Paus. IX 2, 1). Auch an anderen Orten wird die Kraft der Weissagung durch einen Trunk aus einem Brunnen oder einer Quelle verliehen[9]. Hellseherische Begeisterung ist eine Gabe der Nymphen[10]. Die überwältigende Erfahrung der Ergriffenheit durch die Nymphen, der Nympholepsie, vermag die Menschen mitzureißen und in Verzückung zu versetzen. Als Folgen einer Erweiterung des Bewusstseins und geschärfter Wahrnehmung können sich besondere rhetorische Fähigkeiten[11]  und gesteigerte Ausdruckskraft einstellen[12]. Der schöne Jüngling Hylas freilich wird von den Nymphen in Persona ergriffen und in die Tiefe gezogen[13].

    Aus der engen Beziehung des göttlichen Geschwisterpaars Artemis und Apollon zur Reinheit ergibt sich deren Affinität zu allen strömenden Gewässern. Das begann bereits vor der Geburt der Zwillinge, da Leto, die von der eifersüchtigen Hera verfolgte werdende Mutter, die thessalischen Nymphen um Fürsprache beim Flussgott Peneios bat, damit dieser seine Fluten anhielt und ihr so die ruhige Geburt im Flussbett ermögliche (Kall. h. in del. 109). Später gehörten zahlreiche Nymphen zu den dienenden Begleiterinnen der Artemis[14]. Wasser ist heilig, da es jede Art von Befleckung wegzunehmen vermag[15]. Auch zu den Asklepieia[16] gehört die Nähe von Quellhäusern und Brunnenanlagen, denn: „Rein muss sein, wer in den duftenden Tempel tritt, rein sein ist aber, heilige Gedanken zu haben“[17]. Plutos (= der reiche Mann) begibt sich, nachdem er sich durch Baden im Meer gereinigt hat, mit seinen Begleitern in den heiligen Bezirk des Asklepios, wo die Opfer, Honigkuchen und anderes Backwerk, auf dem Heiligen Tisch deponiert werden (Aristoph. Plut. 660-663).

    Ein Trunk aus den Wassern der Lethe endlich lässt die Verstorbenen ihre Erdenschicksale vergessen, auf dass ihnen die Ruhe des Hades zuteilwerde[18].

    Wasser und Heilwässer zu therapeutischen Zwecken

    Frühe Spuren des Gebrauchs von Heilwässern finden sich in Griechenland und seinen westlichen Kolonien in den Gegenden, die über zahlreiche „gesunde Flüsse“ und natürliche, durch Calor, Odor und Color[19] auffällige Quellen verfügen[20].  „Am blauesten ist das Wasser, das ich an den Thermopylen sah, aber nicht alles, sondern nur das, das in das Schwimmbecken fließt, das die Einheimischen ‚Frauenwannen‘ nennen“ (Paus. IV, 35, 9).

    Auch Herodot wusste davon:

    „Im Westen der Thermopylen…gibt es warme Quellen, die die Einheimischen ‚Kochtöpfe‘ nennen“ (Hdt. VII, 176, 3)[21].

    In der Argolis steigt Süßwasser aus dem Meer auf (Paus. VIII, 7, 2), aber vor Dikaiarcheia (Puteoli=Pozzuoli) im Etruskerland“ gebe „es kochendes Wasser im Meer und eine künstliche Insel dafür, damit auch dieses Wasser nicht ungenutzt bleibe, sondern ihnen zu warmen Bädern diene“ (Paus. VIII, 7, 3).

    Doch Hippokrates warnt: „Wo warme Gewässer aus dem Boden kommen oder Eisen, Kupfer, Silber, Gold, Schwefel, Vitriol, Erdpech oder Natron vorhanden sind – solches Wasser halte ich zu jeder Verwendung für schlecht.“ (Hippokr. Schriften „Über Luft, Wasser und Ortslagen“)[22]. Bittere Erfahrung machte ein Athener, der an Pachydermie und Juckreiz litt: …„dabei war die Haut dick über den ganzen Körper und sah wie die Schuppenflechte (lepra) aus; an keinem Körperteil konnte man die Haut abheben wegen ihrer Dicke…“. Er „reiste nach Melos, wo die warmen Bäder sind; hier genas er vom Juckreiz und von der Dickhäutigkeit (pachydermia), starb aber an der Wassersucht“. (Hippokr. Schriften „Über die epidemischen Krankheiten“) [23]. Das ist nicht gerade  ermutigend. Mehr Hoffnung macht 500 Jahre später Pausanias:

    „In Samikon[24] ist eine Höhle nicht weit vom Fluss, die Höhle der anigridischen Nymphen genannt. Und wer mit der Weißfleckenkrankheit hineingeht, muss zuerst zu den Nymphen beten und ihnen ein Opfer geloben, und dann lösen sich die kranken Stellen des Körpers ab. Wenn er den Fluss durchschwimmt, lässt er jenen Schaden in seinem Wasser zurück und steigt gesund und mit gleichmäßiger Hautfarbe heraus“ (Paus. V, 5, 11).

    Die elischen Nymphen werden gleich göttlichen Ärztinnen verehrt:

    „Gegen 50 Stadien von Olympia entfernt liegt das elische Dorf Herakleia und dabei der Fluss Kytheros; eine Quelle ist da, die in den Fluss mündet, und ein Nymphenheiligtum an der Quelle. Jede der Nymphen hat ihren besonderen Namen“ (Paus. VI, 22, 7). Eine von ihnen trägt den sprechenden Namen Iasis, die Heilende. „Wenn man in der Quelle badet, erlangt man Heilung von Erschöpfung und verschiedenen Schmerzen…“

    Neben den zahlreichen Heilnymphen war es besonders Herakles, der Heros der Arbeit, den man als Schirmherrn der Heilquellen verehrte. Unter seinem Schutz (oder dem des Asklepios?)[25] steht wohl auch die Magnesium-Sulfat-Therme von Himera auf Sizilien. Noch heute sei das 42o C warme Wasser in Gebrauch[26]. Eine um 420 v. Chr. geprägte Münze zeigt die Ortsnymphe bei der Libation vor einem Altar[27] sowie einen Satyr, der seine linke Schulter dem scharfen Strahl  aus dem Löwenkopf-Wasserspeier aussetzt. Wir wollen für den kleinen Trabanten des Dionysos hoffen, dass er nicht an einer akuten Gelenkentzündung litt – dann könnte nämlich der Nutzen des „Blitzgusses“[28] leicht auf Seiten des behandelnden Arztes sein statt auf der des Patienten!

     

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 5

    Bild 5: Silbernes Tetradrachmon, 430/420 v. Chr.
    nach Franke 1964, 44 f. Taf. 22 a

    Ergötzliches Wasser. Baden als Lustgewinn

    In Rom wurde das Badewesen, das in republikanischer Zeit als moralisch nicht akzeptabel galt[29], zunächst mit Vorbehalt aufgenommen. Zwar hatte Scipio Africanus, der Sieger über Hannibal, in seiner Villa im kampanischen Liternum, in die er sich Anfang des 2. Jhs. v. Chr. zurückzog, ein kleines privates Bad, doch stand dieses in krassem Gegensatz zu dem Badeluxus, den man 250 Jahre später für selbstverständlich hielt[30]. 33 n. Chr. gab es in Rom bereits 170 öffentliche Bäder.

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 6

                Bild 6: Hypokausten in der Hafentherme in Leptis Magna/Libyen
    Aufnahme der Verfasserin, 2009

    Zu Zeit des Scipio erfreuten sich die Griechen bereits einer entwickelten Badekultur. Es gab Gemeinschaftsbäder mit Sitzwannen und Schwitzbad, Duschen und Becken, und auch ihre Sport- und Bildungsstätten, die Gymnasien, waren mit Badeanlagen ausgestattet. Durch Perfektionierung und Standardisierung der im griechisch-hellenistischen Kulturraum entwickelten Bodenheizungen und Badeanlagen[31] entstand ein Ambiente, das man sich ohne kostbare Marmorintarsien, Glasmosaiken und  Nachbildungen berühmter griechischer Skulpturen nicht vorstellen konnte: die römische Therme.

    Überkam den Badegast ein menschliches Rühren, so brauchte er einen angefangenen Dialog deshalb nicht zu unterbrechen. Latrinen waren Gemeinschaftsräume, Stätten der Kommunikation. Man konnte das WC, das von ständig fließendem Wasser durchspült wurde, in Gesellschaft betreten und,   immerfort diskutierend, alle notwendigen Geschäfte dabei erledigen.

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 7

                   Bild 7: Latrine in der Hafentherme von Leptis Magna/Libyen
    Photo der Verfasserin, 2009

    Für die Ableitung des Brauchwassers hatte man in Rom schon frühzeitig gesorgt, und zwar wie es die Überlieferung will durch die Ingenieure des etruskischen Königs Tarquinius Priscus, der die Cloaca maxima erbauen ließ. Aus dem unterirdischen Kanal wurde der flüssige Dreck – wohin wohl – natürlich direkt in den Tiber entsorgt. Das wird uns doch nicht überraschen? Betrachten wir nur einmal die Wasser der heutigen „schönen blauen Donau“ oder die des ebenso schönen Rheines!

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 8

    Bild 8: Rom, Mündung der Cloaca maxima in den Tiber
    Zustand 1958, Photo der Verfasserin

    Übrigens handelt es sich bei der berühmten Bocca della verità in der römischen Kirche Santa Maria in Cosmedin möglicherweise um einen Kanaldeckel dieser Kloake[32].

    Bereits in der frühen Römischen Kaiserzeit wuchs die Neigung zu Luxuria atque avaritia, Luxus und Habgier. Ausgehend von der Hauptstadt verbreitete sie sich über die Villenvororte vor allem in der kampanischen Küstenregion, den „goldenen Strand der Venus“ (Mart. Epigrammata XI, 80)[33]. Dort entwickelte sich Baiae zu einem ebenso beliebten und „schicken“ Modebad wie sehr viel später Bad Ischl zur Zeit der Donaumonarchie. In mancher Hinsicht freilich dürfte das kampanische Seebad das k. und k. Landstädtchen im Salzkammergut übertroffen haben. Wenn wir Martial und seinen dichtenden und schriftstellernden Zeitgenossen glauben wollen, so geriet Baiae nicht nur zu einem Zentrum der Üppigkeit und Schwelgerei, sondern auch zu einem wahren „Sündenbabel“. Wohlanständige  Ehefrauen, die als keusche Penelope gekommen waren, verließen den Ort der Freuden nicht selten als kapriziöse Helena mit einem Paris im Gefolge (Mart. 1, 63) [34].

    „Ihr trinkt sogar verschiedenes Wasser!“ (Juv. V 52) geißelt Juvenal „die neumodische Verbindung von übertriebenem Luxus mit schmutzigem Geiz“. Es war nämlich durchaus üblich, die Teilnehmer am Gastmahl ihren sozialen Stellungen entsprechend zu bewirten. Sich selbst und erlesenen Freunden ließ der Gastgeber Delikatessen auftragen. Für geringere Freunde war eine einfachere Bewirtungsklasse vorgesehen und eine dritte noch schlichtere für die Freigelassenen (Plin. Epist. II 6, 2 und 6)[35]. Doch vor erfahrenen ‚Symposiums-Haien‘ und dickfelligen Schnorrern vermochte das System den vermögenden Gastgeber nicht zu schützen.

    Moderne Spa-Abteilungen und Wellness-Oasen in ehrgeizigen zeitgenössischen Hotels versuchen, sich dem Fluidum und den Attraktionen des „goldenen Strandes“ der römischen Kaiserzeit anzunähern, ganz im Gegensatz zu den heutigen Rehabilitations-Einrichtungen mit ihrer Atmosphäre von Ehrgeiz und Leistung. Übrigens bedeutet das Wort Spa weder eine Verstümmelung von Spa-ß-bad, noch handelt es sich um historisierende Abkürzungen wie „Sanus per Aquam, Salus per Aquam oder Sanitas per Aquam (Gesundheit durch Wasser). Das wäre zwar durchaus passend, aber nein, Spa hat seine Bezeichnung vom gleichnamigen belgischen Badeort, von dem ausgehend das Wort Spa seit dem 17. Jh. in Britannien für Mineralquellen und dann ganz allgemein als englisches Synonym für unser deutsches „Bad“ gebraucht wurde. Also nachgestellt, Bath Spa entsprechend Bad Nauheim?

    Antike Bade- und Tafelfreuden gingen Hand in Hand. Man ließ seinen Rausch im Schwitzbad verfliegen, holte sich dort neuen Durst oder verlegte das weitere Zechen gleich ganz in die Therme[36]. Kein Wunder, dass es das folgende Distichon[37] zur Grabinschrift brachte:

    Balnea, vina, venus corrumpunt corpora nostra,
    sed vitam faciunt balnea vina venus.

    „Die Bäder, die Weine, die Liebe: sie richten den Körper zugrunde.
    Doch sie sind auch das Leben: Die Bäder, die Liebe, der Wein“[38].

    Abgekürzt zitierte Literatur:

    Benedum 1985: J. Benedum, Physikalische Medizin und Balneologie im Spiegel der Medizingeschichte, Zeitschrift für Physikalische Medizin, Balneologie und Medizinische Klimatologie 14, 1985, 141-159, hier 144

    Benedum 1994: J. Benedum, Die Therapie rheumatischer Erkrankungen im

    Wandel der Zeit (Stuttgart 1994)

    Brödner 1983: E. Brödner, Die römischen Thermen und das antike Badewesen (Darmstadt 1983)

    De Haan 2007: N. de Haan, Luxus Wasser. Privatbäder in der Vesuvregion, in: R. Aßkamp – M. Brouwer – J. Christiansen – H. Kenzler – L. Wamser (Hrsg.), Luxus und Dekadenz. Römisches Leben am Golf von Neapel (Mainz 2007), 122-137

    Dierichs 2007: A. Dierichs, Am goldenen Strand der Venus, in: R. Aßkamp – M. Brouwer – J. Christiansen – H. Kenzler – L. Wamser (Hrsg.), Luxus und Dekadenz. Römisches Leben am Golf von Neapel (Mainz 2007), 31-41

    E. Diez, Quellnymphen, in: Festschrift Bernhard Neutsch (Innsbruck 1980) 103-108

    Franke 1964: P. R. Franke – M. Hirmer, Die griechische Münze (München 1964)

    Hähner-Rombach (Hrsg.), „Ohne Wasser ist kein Heil“. Medizinische und kulturelle Aspekte der Nutzung von Wasser (Stuttgart 2005)

    Heinz 1983: W. Heinz, Römische Thermen. Badewesen und Badeluxus (München 1983)

    Kapferer-Sticker 1934-39: R. Kapferer – G. Sticker (Hrsg.), Die Werke des Hippokrates. Die hippokratische Schriftensammlung in neuer deutscher Übersetzung (Stuttgart 1934-39)

    Karageorghis 1995: V. Karageorghis, The Coroplastic Art of Ancient Cyprus IV. The Cypro-Archaic Period. Small Male Figurines (Nicosia 1995)

    Klöckner 2001: A. Klöckner, Menschlicher Gott und göttlicher Mensch? Zu einigen Weihreliefs für Asklepios und die Nymphen, in: R. von den Hoff – St. Schmidt (Hrsg.), Konstruktionen von Wirklichkeit. Bilder im Griechenland des 5. Und 4. Jahrhunderts v. Chr. (Stuttgart 2001)121-136

    Krug 1985: A. Krug, Heilkunst und Heilkult (München 1985)

    Laser 1983: S. Laser, Medizin und Körperpflege, ArchHom S, 1983

    Ninck 1960: M. Ninck, Die Bedeutung des Wassers im Kult und Leben der Alten (Darmstadt 1960)

    Pfisterer-Haas 2009: S. Pfisterer-Haas, Ammen und Pädagogen, in: Alter in der Antike, Bonn 25.2.2009-7.6.2009, 69-80

    Rook 1992: T. Rook, Roman Baths in Britain (Buckinghamshire 1992)

    Simon 31985: E. Simon, Die Götter der Griechen (München 31985)

    Simon 2000: E. Simon, Römische Wassergottheiten, AW 3, 2000, 247-260

    Steger 2005: F. Steger, Wasser in Kult und Medizin des Asklepios, in: S. Hähner-Rombach (Hrsg.), „Ohne Wasser ist kein Heil“ (Stuttgart 2005) 36-43

    Tölle-Kastenbein 1990: R. Tölle-Kastenbein, Antike Wasserkultur (München 1990)

    Steudel 1960: J. Steudel, Heilbäder und Heiltempel der Antike, Münchener Medizinische Wochenschrift 102/11, 1960, 513-519

    Wamser-Krasznai 2006: W. Wamser-Krasznai, Frau „Kur“ und ihr Schatten, oder: Badelust von der Antike bis heute, Orthoprof 02/2006, 38-40

    Wamser-Krasznai 2012: W. Wamser-Krasznai, Wie man sich bettet…Lager und Lagern in antiken Heil-Heiligtümern, Les Études classiques 80, 2012, 55-72

    Wamser-Krasznai 2012/2013: W. Wamser-Krasznai, Wie man sich bettet…Lager und Lagern in antiken Heil-Heiligtümern, in: dies., Auf schmalem Pfad (Budapest 2012/2013) 55-71

    Wamser-Krasznai 2015: W. Wamser-Krasznai, Vom Alter im Altertum, in:  dies., Fließende Grenzen (Budapest 2015), 58-69

    Weeber, Baden 2007: K.-W. Weeber, Baden, spielen, lachen. Wie die Römer ihre Freizeit verbrachten (Darmstadt 2007)

    Weeber 2007: K.-W. Weeber, Luxuria, das „süße Gift“, in: R. Aßkamp – M. Brouwer – J. Christiansen – H. Kenzler – L. Wamser (Hrsg.), Luxus und Dekadenz. Römisches Leben am Golf von Neapel (Mainz 2007), 2-15

     

     

    [1] Der Felsen von Gibraltar und der Berg Dschebel Musa auf der gegenüber liegenden Seite in Marokko.

    [2] Diez 1980, 107.

    [3] Krug 1985, 46 Anm. 7.

    [4] Tölle-Kastenbein 1990, 21-37.

    [5] Dies. a. O. 84-92; anscheinend sind bereits Vitruv mögliche Gesundheitsschäden durch die Verwendung von Bleirohren aufgefallen, ders., de architectura VIII (de aquis) 6, 10 f.

    [6] Simon 2000, 255.

    [7] Pfisterer-Haas 2009, Abb. 25; Wamser-Krasznai 2015, 63 Bild 6.

    [8] Laser 1983, 138-143.

    [9] = Hydromantik, Tölle-Kastenbein 1990, 12 f.

    [10] Ninck 1960, 48.

    [11] Man denke an die Redegabe der Echo, Ov, met. 3, 356-369.

    [12] Klöckner 2001, 128; vgl. Plat. Phaidros 238 c. d.

    [13] Simon 2000, 255 Abb. 13, unter Hinweis auf Goethes Gedicht “Der Fischer”, dessen Schlusszeilen zum geflügelten Wort gerieten: “halb zog sie ihn, halb sank er hin und ward nicht mehr gesehn“.

    [14] Krause 1871, 143 f.

    [15] Simon 31985, 158 f.

    [16] Den Heiligtümern des Gottes Asklepios.

    [17] Porphyrius (De abstinentia 2, 19), für Epidauros überlieferte Inschrift, Krug 1985, 130; Wamser-Krasznai 2012, 66; dies. 2012/2013, 66; anders Steger 2005, 37: für Kos überliefert (?)

    [18] Ninck 1960, 104.

    [19] Wärme, Geruch, Farbe.

    [20] Benedum 1994, 125.

    [21] Benedum 1985, 147.

    [22] Kapferer-Sticker 1934-1939, Steudel 1960, 514; Benedum 1985, 144.

    [23] Kapferer-Sticker ebenda; Steudel ebenda;; Benedum 1985, 148.

    [24] In der Landschaft Elis, im Nord-Westen der Peloponnes.

    [25] Franke 1964, 44 f. Taf. 22 a.

    [26] Benedum 1985, 144.

    [27] Trankopfer.

    [28] Die mechanische und thermische Wirkung gezielter Wassergüsse wurde anscheinend seit 100 n. Chr. durch den Arzt Archigenes in größerem Umfang eingesetzt, Benedum 1985, 144. Diese Therapie hat, richtig angewendet, zwar noch heute ihren Stellenwert in der physikalischen Medizin, gehört aber längst nicht mehr zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen!

    [29] Rook 1992, 18.

    [30] Seneca, Epistulae morales ad Lucilium 86; De Haan 2007, 123-137.

    [31] Griechisches Hypokaustenbad 180-80 v. Chr., z. B. Brödner 1983, 8.

    [32] Tölle-Kastenbein 1990, 168 f. Abb. 107.

    [33] Dierichs 2007, 31.

    [34] Steudel 1960, 517.

    [35] Weeber, Baden 2007, 71-73.

    [36] Petr. 73, 3 ff.; Quint. inst. or. I 6, 44; Weeber, Baden 2007, 14 f.

    [37] Zweizeiler, aus einem Hexameter und einem Pentameter, die sich aus sechs bzw. fünf Hebungen zusammensetzen.

    [38] Nach CIL VI 15258 (Corpus lateinischer Inschriften).

     

  • Die Darstellung echter Krankheitszeichen bei antiken Bildwerken ist eine Rarität, lange nicht so häufig, wie wir Ärzte, Medizinhistoriker und manchmal auch Archäologen mit unserer retrospektiven Diagnostik es gern hätten. Gleichwohl begegnen uns gelegentlich Darstellungen, die wir vorsichtshalber nicht pathologische Befunde, sondern

    1. Abweichungen von der Norm

    nennen wollen. Da gibt es die

    a. numerische Aberration, also eine quantitative Abweichung von der Norm.

    Wamser-Krasznik Linker Vorfuß Abb 1

                                  Abb. 1  Linker Vorfuß, Corvaro/Latium, 3./2. Jh. v. Chr.

    (nach L. Capasso 1999, 31 Abb. E 0.2)

    Hier ist ein Fuß mit sechs Zehen wiedergegeben. Hat der Koroplast (Tonbildner) wirklich eine Polydaktylie darstellen wollen[1], oder handelt es sich um ein Versehen, eine Unachtsamkeit des Kunsthandwerkers? Liegen rituelle Gründe vor? Haben wir es mit dem  Fragment einer Figur oder eines Votivfußes zu tun? Viele offene Fragen!

    Etwas anders liegt der Fall bei einem Fuß aus Praeneste, dem heutigen Palestrina. Die überzählige sechste Zehe ist deutlich kürzer und offenbar nicht vollständig von der fünften getrennt. Man gewinnt den Eindruck, daß es dem Koroplasten, der etwas Ähnliches aus eigener Anschauung am Lebenden gekannt haben mag, tatsächlich um die Darstellung einer Normabweichung ging.

    Wamser-Kraszinik Preneste Abb 2

    Abb. 2  Praeneste/Palestrina, frühe römische Kaiserzeit

    (nach M. Grmek – D. Gourevitch 1998, 289 f. Abb. 227)

    Noch weniger häufig ist die

    b. qualitative Aberration.

    Ein um 2000 v. Chr. auf Kreta entstandenes Terrakottafigürchen zeigt eine  beträchtliche Umfangsvermehrung des linken Beines.

    Wamser-Krasznik Lipödem Abb.3

    Abb. 3 Lipoedem (?) aus einem Höhenheiligtum auf Kreta, um  2000 v. Chr.

    (nach M. Grmek – D. Gourevitch 1998, 293 Abb. 230)

    Offensichtlich ist die Veränderung einseitig. Man denkt an ein Krankheitsbild aus dem Umkreis Lymphoedem, Lipoedem, Elephanthiasis, Papillomatosis cutis lymphostatica, die allerdings an den Beinen häufiger doppelseitig auftreten. So läßt sich denn auch ein „Ausreißer“, eine Fehlform, wie sie in jeder Werkstatt passieren können, nicht völlig ausschließen.

    Im 7. Jh. v. Chr. konnten die Pferdemenschen, Kentauren, sowohl mit männlichen als auch mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen dargestellt werden; nicht als Dokumentation eines hermaphroditischen Irrwegs der Natur, sondern als Ausdruck des Dämonischen, das all diesen Mischwesen innewohnt.

    Wamser-Krasznik Pferdemensch Abb 4

    Abb. 4  Ayia Irini/ Zypern 7. Jh. v. Chr.  Meddelhavsmuseet Stockholm

    (nach V. Karageorghis 2003, 164 f. Nr. 190)

    2. Abstraktionen und Stilisierungen

    Naturgetreue Formen können landschaftsspezifisch abstrahiert oder zeitbedingt stilisiert sein. Den bewußten Abweichungen von der physiologischen Anatomie des Menschen kommt bisweilen nicht der geringste Krankheitswert zu. Die Angabe eines zusätzlichen vierten Gliedes am fünften Finger ist durchaus nicht als pathologisch zu verstehen, sondern als eine

    a. spezifisch regionale Gestaltungsweise[2].

    Man bediente sich ihrer bei den Kouroi, überlebensgroßen marmornen Jünglingsfiguren archaischer Zeit, und zwar ausschließlich in der Landschaft Attika. Streng parallel und ganz naturwidrig liegen die Finger nebeneinander. Es ist eine reine Kunstform.

    Wamser-Krasznik Sunion Abb 5

    Abb. 5  Sunion, Kuros A , frühes 6. Jh. v. Chr. (nach W. Martini 1990, 130 Abb. 37)

    Auch andere Körperteile hat man vorsätzlich verändert, abstrahiert. Die Ohrmuschel des  Kouros A ist vollkommen vertikal gegeben, mit ornamentalen Windungen, parallel verlaufender Helix und Anthelix und einem übergroßen kugelrunden Tragus[3].

    Wamser-Krasznik Sunion Abb 6

    Abb. 6  Sunion, Kuros A , frühes 6. Jh. v. Chr. (nach W. Martini 1990, 18. 204 Abb. 3

    b. zeitgebundene Stilisierung

    Nicht auf Attika beschränkt ist die Vermehrung der naturgegebenen vier Abdominalmuskel-Kompartimente auf sechs bei archaischen Männerfiguren. Beim attischen Kuros A von Sounion wirkt die lineare Sechsteilung der Bauchwand vollkommen graphisch.

    Wamser Krasznik Sunion Abb 7

    Abb. 7   Sounion, Kouros A, frühes 6. Jh. v. Chr. (nach W. Martini 1990, 118 f. Abb. 34) 

    Dagegen stellt der Koroplast aus einer Werkstatt in Tarent (Westgriechenland) die sechs Kompartimente des geraden Bauchmuskels als plastisch gewölbte, durch tiefe Einziehungen von einander abgesetzte, ‚Kissen‘ dar.

    Wamser-Krasznik Tarentiner Symposiast Abb 8

    Abb. 8  Tarentiner Symposiast, Neapel (nach A. Levi 1924, 26 f. Abb. 28)

    Die ebenfalls noch in archaischer Zeit entstandene Terrakottafigur zeigt einen Symposiasten, einen zum Bankett gelagerten jungen Mann[4].

    Mehr als eine Generation später, in klassischer Zeit, halten sich die Skulpteure eher an die anatomischen Gegebenheiten. Eine römische Kopie der um 440/430 v. Chr. geschaffenen Statue des Diomedes lässt das Relief der vorderen Bauchwand mit den vier durch Faserplatten verbundenen Kompartimenten des Musculus rectus abdominalis erkennen.

    Wamser KRasznik Statue Abb 9

    Abb. 9   Statue ca. 440 v. Chr. (nach A. Benninghoff – K. Goerttler 1957, 162 Abb. 102)

    Der Kuriosität halber folgen einige Beispiele von retrospektiven Diagnosen, die nur als

    3. Fehlinterpretationen bezeichnet werden können.

    Wamser Krasznik Reibfinger Abb 10

    Abb. 10  Reibfinger aus Marmor (nach E. Holländer 1912, 306 f. Abb. 198)

    Die Beugestellung des Fingers verlockt dazu, an eine Kontraktur des Mittelgelenks oder an einen schnappenden Finger, digitus saltans, zu denken. Doch sind diese beiden Krankheitsbilder nicht gravierend und nicht häufig genug, um eine solche Fülle von Darstellungen erwarten zu lassen wie die Ausgrabungen im gesamten Mittelmeerraum ergaben. Mitfunde von Reibschalen unterstützen die Deutung als Reibfinger, eine Art von kleinen Mörserkeulen, in der „üblichen, einem gebogenen Daumen ähnlichen“ Form[5]. Sie bestehen aus Basalt, Marmor oder Kalkstein und wurden zum Reiben von Salben, Schminke und dergleichen verwendet.

                                                  

     Abb. 11   Terrakottafigur aus Ayia Irini/Zypern, Anf. 6. Jh. v. Chr.

    (nach V. Karageorghis 1993, 27 Nr. 66 Taf. 18, 1) 

    Für einen angehenden Unfallchirurgen ist es gewiss verlockend, in der zyprischen Männerstatue einen Soldaten zu sehen, „der seinen gebrochenen Arm mittels eines Bandes um den Hals in rechtwinkliger Beugung im Ellenbogengelenk hält, wobei der Unterarm in einer Mittelstellung zwischen Pronation und Supination steht“[6]. Dieser „Soldat“ ist jedoch kein Einzel-‚Fall‘. Er gehört zur großen Gruppe männlicher Gewandfiguren aus Kalkstein oder Ton, die auf Zypern seit der Mitte des 7. Jhs. und im 6. Jh. v. Chr. in Heiligtümer geweiht wurden[7]. Für das Motiv des gebeugt eingehüllten rechten Armes, verbunden mit dem Gestus der zur Faust geballten Hand hat man bisher noch keine wirklich überzeugende Deutung gefunden[8]. Die Interpretation als Gebets- oder Verehrungsgestus[9] kann schon deshalb nicht völlig befriedigen, weil es auch männliche Statuen mit dem traditionellen Gruß- oder Gebetsgestus gibt, nämlich dem erhobenen rechten Unterarm und der nach vorn gerichteten offenen Hand[10].

    Einen besonders reizvollen ‚Fall‘ versuchte man in die „Statue eines jungen, bildschönen armverletzten römischen Mädchens“ hineinzudeuten[11]. Doch der Mantelbausch, der den linken Arm umhüllt, sollte nicht als Armtragetuch mißverstanden werden. Es handelt sich vielmehr um ein Gewandmotiv, das die jugendliche Anmut und die kokette Haltung des sitzenden  Mädchens vom Kapitol wirkungsvoll unterstreicht.

    Wamser Krasznik Sitzendes Mädchen Abb 12 

                   Abb. 12   Sitzendes Mädchen, Rom, Kapitolinische Museen, Anf. 3. Jh. v. Chr.

    (nach Bulle 1922, 123 Abb. 171)

    Bildnachweis und abgekürzt zitierte Literatur:

    Benninghoff – Goerttler 1954: A. Benninghoff – K. Goerttler, Lehrbuch der Anatomie des Menschen 1 (München – Berlin – Wien 1957) Abb. 9

    Bulle 1922: H. Bulle, Der schöne Mensch im Altertum (München 1922) Abb. 12

    Capasso 1999: L. Capasso, Le terrecotte votive come fonti di informazioni paleopatologiche, in: G. Baggieri (Hrsg.), „Speranza e sofferenza“ nei votivi anatomici dell’Antichità  (Rom 1999)  Abb. 1

    Grmek – Gourevitch 1998: M. Grmek – D. Gourevitch, Les maladies dans l’art antique (Poitiers 1998) Abb. 2 und 3

    Holländer 1912: E. Holländer, Plastik und Medizin (Stuttgart 1912) Abb. 10

    Karageorghis 1993: V. Karageorghis, The Coroplastic Art of Ancient Cyprus III (Nicosia 1993) Abb. 11

    Karageorghis 2003: V. Karageorghis, The Cyprus Collections in the Medelhavsmuseet (Nicosia 2003) Abb. 4

    Levi 1924: A. Levi, Le Terrecotte figurate del Museo Nazionale di Napoli (Florenz 1924) Abb. 8

    W. Martini 1990: W. Martini, Die archaische Plastik der Griechen (Darmstadt 1990) Abb. 5-7

    Mylonas 2003: D. Mylonas, Ikonographie und Typologie der kyprischen archaischen Kalksteinplastik, in: V. Karageorghis – S. Rogge (Hrsg.), Junge zyprische Archäologie (Münster – New York – München – Berlin 2003) 51-71

    Papaxenopoulos 1981: A. Papaxenopoulos, Zypriotische Medizin in der Antike, Diss. Universität Würzburg 1981

    Schadewaldt u. a. 1966: H. Schadewaldt – L. Binet – Ch. Maillant – I. Veith, Kunst und Medizin (Köln 1966) 64 f.

    Schmidt 1968: G. Schmidt, Kyprische Bildwerke aus dem Heraion von Samos (Bonn 1968)

    Senff 1993: R. Senff, Das Apollonheiligtum von Idalion (Jonsered 1993)

    Wamser-Krasznai 2013: W. Wamser-Krasznai, Für Götter gelagert. Studien zu Typen und Deutung Tarentiner Symposiasten (Budapest  2013)

    Wiegand – Schrader 1904: Th. Wiegand – H. Schrader, Priene (Berlin 1904



    [1] Capasso 1999, 31 Abb. E 0.2.

    [2] W. Martini, Die archaische Plastik der Griechen (Darmstadt 1990) 130. 203 f. Abb. 37.

    [3] Martini 1990, 204.

    [4] Levi 1924, 26 f. Abb. 28; Wamser-Krasznai 2013, 182 Nr. 437 Abb. 83.

    [5] Wiegand – Schrader 1904, 393.

    [6] Papaxenopoulos 1981, 21 f. Abb. 1.

    [7] Senff 1993, 25. 30  Taf. 3 f. 51 d-f.

    [8] […] „verschiedene kultische Gesten, die sich seit frühesten Zeiten herauskristalisiert haben […] Die Armhaltung […] ist als bestimmter religiöser Gestus zu definieren“ […], Mylonas 2003, 54 f.; […] Der Gestus […] „einer dienenden Bereitschaft“, Schmidt 1968, 103; […] „der rechte (Arm) in einer Mantelschlaufe mit geballter Faust vor die Brust genommen“ […] Senff 1993.

    [9] Senff 1993, 25 Anm. 204.

    [10] Senff 1993, 34 Taf. 12 g-i und 13 e-g.

    [11] H. Schadewaldt – L. Binet – Ch. Maillant – I. Veith, Kunst und Medizin (Köln 1966) 64 f. Abb. 46, fälschlich  „Vatikan.  Museen“.

    Copyright Frau Dr. Dr. Waltrud Wamser-Krasznai

  • Hephaistos – ein hinkender Künstler und Gott

    Wenn es um die Behinderung des Hephaistos geht, sind die literarischen Quellen ebenso widersprüchlich wie die Zeugnisse der antiken Kunst.
    Hephaistos sagt von sich: „ [..] aber ich selber kam als Krüppel zur Welt“ (Od. 8, 310).

    In der Ilias 18, 393-398 geht er ins Detail:

    „Ihr antwortet drauf der hinkende Feuerbeherrscher:
    O, so besucht mein Haus die erhabene, würdige Göttin,
    die mich rettete einst nach dem schrecklichen Sturz in die Tiefe,
    als mich die [..] Mutter hinab warf, welche mich Lahmen
    wegzuschaffen beschloss. Trübseliges hätt’ ich erduldet,
    wenn des Okeanos Tochter [..] Thetis [..] mich nicht
    geborgen am Busen [..].
    Sprachs, der schnaufende Ries’, und erhob sich vom Ambossklotze
    hinkend, humpelte dann umher mit den schwächlichen Beinen [..]“
    (Il. 18, 410-411)

    Wamser-Krasznai-Relief Ostia

                                                Abb. 1: Relief Ostia, 2. Jh. n. Chr.

     

     

    Doch die einzige Darstellung, die wir von dem Sturzflug  besitzen, zeigt den unwillkommenen Sohn mit wohlgeformten Füßen. Es ist ein römisches Relief aus Ostia, das den Neugeborenen als verkleinerten Erwachsenen zeigt, mit den Attributen seiner späteren Tätigkeit, Hammer und Zange.

    Die Wiedergabe krankhafter Veränderungen an den Beinen beschränkt sich auf die archaische Zeit[1].

    Wamnser-Krasznai-korinthischer Amphoriskos

                               Abb. 2: korinthischer Amphoriskos, 600-580 v. Chr.

     

     

    In der Klassik wird das körperliche Gebrechen nicht mehr so drastisch vorgetragen; Hephaistos sitzt z. B. mit unterstützten Füßen seitlich auf einem Esel[2]. Am Ostfries des Parthenon in Athen deutet sich die Behinderung nur mehr durch einen unter die Achsel geklemmten Stock an:

    Wamnser-Krasznai-Hepaistos und Athena

                                     Abb. 3: Hephaistos und Athena, etwa 440 v. Chr.

     

     

     

     

     

     

    Wie kommt es eigentlich zu dieser Behinderung?

    Die homerischen Epen überliefern den Sturz aus dem Olymp zweimal, unter  verschiedenen Umständen. Im Homerischen Hymnus an Apollon zeigt Hera ihre Enttäuschung über den krummfüßigen Sohn und schildert ihre wenig mütterliche Tat:

    „Mein Sohn freilich, Hephaistos, den selbst ich gebar, ist ein Schwächling
    [..] mit krummen Füßen.
    Einst packt ich ihn grad an den Händen und warf ihn ins weite
    Meer; doch Thetis, die silberfüssige Tochter des Nereus,
    Fing ihn auf und versorgt ihn im Kreis ihrer Schwestern. “
    (Hom. h. Apollon 316-320)

    1. Liegt demnach eine angeborene Missbildung vor? Dabei denken wir vor allem an den Klumpfuß. Dazu passt die familiäre „Fußschwäche“, die von zwei Söhnen des Hephaistos überliefert ist. Palaemonios, einer der Argonauten, hinkt wie sein Vater Hephaistos, „mit verstümmelten Füßen“ (Apoll. Rhod. Argonautika 1, 202-204. Orph. Arg. 212). Periphetes,
    der Keulen tragende Sohn Vulcans (Ov. met. 7, 437; Paus. 2, 1, 4), wird von Theseus bei Epidauros erschlagen. Er war „schwach an den Füßen“ (Apollod. 1, 112  und 3, 16, 1)[3]. Auf den wenigen bildlichen Darstellungen der Hephaistos- Söhne findet sich jedoch kein Hinweis auf ein Gebrechen.

    Der zweite Sturz geht auf das Konto des Zeus. Er fasst den Hephaistos, der gegen ihn für Hera Partei ergriffen hatte, am Fuß und wirft ihn vom Olymp (Il.1, 590-594). Der Unglückliche ist
    halbtot, als ihn die Bewohner von Lemnos, die thrakischen Sintier[4], aufnehmen und soweit möglich gesund pflegen.

     

    2. Haben wir es also mit einer posttraumatischen Behinderung zu tun? Nach Apollodorus, Valerius Flaccus und Lukianus ist die Lahmheit eine Folge des Sturzes[5].

    Ein anderer Erklärungsversuch führt das Hinken des Hephaistos auf die Blessuren zurück, die sich dieser als Titan unter Titanen, im Kampf gegen die Olympier, zugezogen habe. Während die übrigen Titanen von Zeus in den Tartaros gestoßen wurden, habe Hephaistos in den Olymp zurückkehren dürfen. Zwar behalte er als Zeichen seines Sturzes die lädierten Beine, aber er werde eben doch Olympier[6]. Für diese Hypothese, die nicht ohne Reiz ist, fehlen allerdings bildliche und schriftliche Zeugnisse. Als einziger Hinweis auf die titanische Urgewalt des Gottes dient das stets betonte Missverhältnis zwischen den „schwächlichen Schenkeln“ und dem „stämmigen Nacken“ (z. B. Il. 18, 410-415).

     

    3. Im Gegensatz zur Schilderung von des Gottes armkräftiger Kampfgewandtheit und  „schnaubender“ Urgewalt wird er durch die Verbindung mit dem ägyptischen Ptah und den Patäken zum Zwerg, gar zu einem dysproportionierten, achondroplastischen[7] Zwerg (Hdt. 3, 37, 2). Eine seltene Darstellung zeigt den winzigen, hier allerdings wohlproportionierten Künstler- und Handwerkergott, kurz bevor er seine Mutter Hera von dem magischen Thronsessel befreit, den er als kleine Rache für ihre Lieblosigkeit konstruiert hatte[8]. Ist Hephaistos demnach ein hinkender Krüppelzwerg?

    Nach einer alten Begründung für die Lahmheit des göttlichen Kunsthandwerkers falle das Handwerk, das einem Helden nicht anstehe, den Krüppeln zu – eine wenig befriedigende Erklärung[9].

    4. Weitere Hypothesen verbinden Hephaistos mit den Schmiedegöttern und- Heroen anderer Zeiten und Kulturkreise[10], als man Sehnen gewaltsam durchtrennte, um geschickte  Handwerker am Ort zu festzuhalten.

    Ist es denkbar, dass man den Gott der Schmiede absichtlich verstümmelte?

    Auch Daidalos, nach der Genealogie ein Enkel des attischen Urkönigs Erechtheus, also ein Urenkel des Hephaistos[11], war ein begabter Zimmermann und Künstler, den König Minos auf Kreta festhielt. Von dort gelingt ihm die Flucht bekanntlich mittels seiner künstlichen, mit Wachs befestigten Flügel, während sein Sohn Ikarus der Sonne zu nahe kommt und sich zu Tode stürzt. Der Flug führt den Künstler unter anderem nach Sizilien, wo er seinen göttlichen Ahnherrn, Hephaistos/Vulcanus, trifft. Dieser ist besonders eng mit dem Feuer speienden Ätna und den liparischen Inseln verbunden. Überhaupt lasse der Himmelssturz des Gottes nach Roscher nur eine Deutung zu[12], nämlich das Herabkommen des Feuers im Blitz (Serv. Aen. 8, 414). Pindar bezieht die Ausbrüche des Ätna auf Hephaistos (Pind. P. 1, 25). Die mythische Doppelaxt ist ebenfalls ein Bindeglied zwischen dem göttlichen Ahnherrn und seinem Urenkel Daidalos. In den Darstellungen des Hephaistos als Helfer bei der Athenageburt spielt die Doppelaxt eine große Rolle. Niemals ist in diesem Zusammenhang eine Behinderung zu erkennen.

     

    Wamser-Krasznai-Hepahistos mit Doppelaxt

                Abb. 4: Hephaistos mit Doppelaxt bei der Athenageburt, etwa 570 v. Chr.

     

     

     

     

    Athena wird aus dem Kopf ihres Vaters Zeus geboren. Sie hatte ihm heftige Schmerzen bereitet, bis Hephaistos die langwierige Entbindung durch einen Hieb mit der Doppelaxt beendet. In voller Kleidung und Rüstung entspringt die Jungfrau dem göttlichen Haupt (Pind. O. 7, 35-38;  Hom h. 28, 4-5). Als sich Hephaistos in die unnahbare Göttin verliebt, ist seine Verfolgung natürlich zum Scheitern verurteilt (Paus. 1, 14, 6. Hyg. Fab. 166); aber sein Samen fällt auf die Erde und befruchtet sie. So bringt Gaia/Ge den schlangenfüßigen Erichthonios hervor, den autochthonen Stammvater der Athener (Apollod. 3, 14, 6)[13]. Gaia übergibt ihn der Athena, die hier als Kourotrophos auftritt, zur Aufzucht[14]. In Attika sind die Göttin und Hephaistos,  verhinderte Partner in Punkto Liebe, gleichwohl Kultgefährten (Paus. 1, 14, 6). Sie werden im Tempel auf der Athener Agora gemeinsam verehrt. Athena ist ja nicht nur die Göttin der Weisheit und des Krieges, sondern wie Hephaistos auch Schützerin des Handwerks.

     

    5. In jüngerer Zeit versuchen manche Autoren das Hinken des Schmiedegottes naturwissenschaftlich zu erklären. Bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. arbeiteten die Schmiede nämlich mit Arsenbronzen. Beim Schmelzen von Arsenerzen mit Kupfer bildet sich schon bei 200 Grad der giftige Hüttenrauch, As2O3, der vor allem zu Lähmungen der Beine führt[15].
    Liegt hier gar eine arbeitsmedizinische Anamnese vor, und Hephaistos leidet an den Folgen einer Berufskrankheit? Auch zu dieser Hypothese schweigen die antiken Schriften. Nach Meinung von Schrade hätte Homer wenigstens ein Wort darüber gesagt, wenn er geglaubt hätte, dass die schwachen Beine eine Folge seiner Arbeit seien[16]. Einzelne bildliche Darstellungen sind dazu angetan, die Lähmungshypothese zu stützen. Der berühmte Fronçoiskrater in Florenz zeigt Hephaistos rittlings auf einem Maultier sitzend. Beide Füße sind regelrecht geformt, doch ist der linke nach vorn, der rechte nach hinten gerichtet[17] – ein Zeichen fehlender Muskelkontrolle?  Auf einer schwarzfigurigen Amphora in London ist der Gott mit auffallend schlaff herunterhängenden Füßen dargestellt[18], sodass ein Lähmungsspitzfuß denkbar wäre[19]. Trotzdem sind diese naturwissenschaftlichen Erklärungsversuche nicht ganz überzeugend. Vor allem stellt sich die Frage, warum ein berühmter, erfahrener Kunsthandwerker wie Hephaistos, wenn er denn gelähmt ist, nicht ein Paar Peroneusschienen (Fußheberschienen) konstruiert, er, der sich zu seiner Unterstützung sogar künstliche goldene Mädchen geschaffen hat?

    „ [..] nahm das Zepter, das dicke.
    Humpelnd ging er zur Tür hinaus, und goldene Mägde
    Stützten den Herrn von unten; sie glichen lebendigen Mädchen.
    Denn sie haben Verstand im Innern und haben auch Stimme
    Und auch Kraft und lernten von ewigen Göttern die Werke.
    Und sie keuchten als Stütze des Herrn; der humpelte aber
    Hin, wo Thetis war [..]“.

    (Il. 18, 416-423)

    Auf all die anderen wunderbaren Erfindungen und Erzeugnisse des göttlichen Schmiedes kann hier nicht eingegangen werden; von dem kostbaren, magischen Thron für seine Mutter Hera war schon die Rede. Wir wollen vielmehr, nach einem Exkurs, noch eine weitere Hypothese anfügen.

    6. Hephaistos ist eine mythische Gestalt. Schon deshalb können die rein naturwissenschaftlichen Erklärungen für seine Behinderung, wie Arsenvergiftung, nicht befriedigen. Die als Lähmungspitzfuß interpretierbaren Darstellungen sind selten und zweifelhaft. Archaische Vasenmaler geben den Gott mit gekrümmten Füßen wieder. Das passt nicht zu einer Parese, sondern eher zum Klumpfuß. In der klassischen Zeit wird die Gehbehinderung nur mehr angedeutet, schließlich verschwindet sie ganz.

    Mythologische Begründungen liegen näher.

    Wir haben es mit einem besonderen, einem fremden Gott zu tun. Sein Kult ist durch Linear B in Knossos für die kretisch- mykenische Zeit bezeugt; der Name des Hephaistos aber lässt sich aus dem Griechischen bisher nicht deuten. Möglicherweise geht er auf die Sprache seines ureigenen Volkes, der Sintier auf Lemnos (vielleicht waren es Thraker?) zurück[20], die ihn einst vor den Folgen seines Sturzes bewahrten.

    Als vorgriechische, besonders im ägäisch-anatolischen Grenzraum verehrte Gottheit ist er gemäß der Überlieferung mit dem Künstlergott Koschar von Ugarit[21] und dem ägyptischen Ptah von Memphis[22] verwandt. Im 7. Jh. v. Chr. kamen ionische und karische Söldner nach Ägypten und begannen, neben ihren eigenen auch die lokalen Götter zu verehren. Möglicherweise brachten sie ein Bild des Hephaistos mit, das diesen „noch ganz ursprünglich – als Krüppelzwerg – vorstellt“[23].

    Herodot 3, 37, 2-3 berichtet, es sei „die Kultstatue des Hephaistos im Heiligtum von Memphis [..] nämlich sehr ähnlich den phoinikischen Pataikos- Figuren, die von den Phoinikern am Bug ihrer Trieren mitgeführt würden. [..]. Sie sind das Abbild eines zwergenhaften Mannes [..]. Auch die [..] Statuen der Kabiren ähneln dem Hephaistos; man sagt, es seien seine Kinder“[24].

    Der Gott empfängt also Kult nicht nur in Attika und Westgriechenland, sondern auch in halb barbarischen Gegenden wie Lemnos, Kleinasien oder Memphis. Er ist ebenso im Olymp zu Hause wie in den Höhlen Feuer speiender Berge. Der Mythos vom Herunterstürzen des Gottes wird auch als das Niederfahren des himmlischen Feuers im Blitz gedeutet. In der Aenaeis ist von Behinderung nicht die Rede, umso mehr aber von der Beziehung des Meisters zum Feuer und dessen wandelbarer Gestalt.

     

    „ [..] früh erhebt sich des Feuers Beherrscher [..] und eilt in die Esse des Schmiedes.
    Neben Siziliens Küste und seitlich von Aeolus’ Insel, Lipari,
    hebt sich ein Eiland mit steilen, rauchenden Felsen,
    Unter ihm eine Höhle, die Aetnakluft der Kyklopen,
    [..] Hier ist das Heim des Vulkan, und Vulcano nennt sich die Insel.“
    (Verg. Aen. 8, 413-422)

    Die variantenreichen Darstellungen in Schriften und Kunst der Antike erscheinen als Ausdruck der verschiedenen Aspekte ein und desselben Gottes, dessen liebenswürdigste Charaktereigenschaften noch gar nicht zur Sprache gekommen sind: Gutmütigkeit, Hilfsbereitschaft und die Fähigkeit, andere Götter zum Lachen zu bringen, meist auf seine eigenen Kosten. Hephaistos nämlich ist bekanntlich der Urheber des sog. Homerischen Gelächters, gleich, ob er seine treulose Gemahlin Aphrodite in den Armen des Ares erwischt (Od. 8, 266) oder ob er anstelle der reizenden Hebe und des schönen Ganymed als eine Art Hofnarr den göttlichen Mundschenk spielt[25]:

    „ [..] es lächelte drob die weißellbogige Hera,
    Lächelnd nahm sie darauf mit der Hand vom Sohne den Becher,
    Rechtsum schenkte er nun auch all den anderen Göttern
    Süßen Nektar ein, mit der Kanne vom Kessel ihn schöpfend.
    Unauslöschliches Lachen entstand bei den seligen Göttern,
    Als sie Hephaistos sah’n, der durch die Gemächer umher schnob“.
    (Il. 1, 595-600)

    Ist im hinkenden Hephaistos etwa nichts anderes zu sehen als eine der vielen Erscheinungsformen eines „fremden“  Gottes, der im Olymp ebenso zu Hause ist wie auf Lemnos und in Kleinasien, Ägypten und Sizilien, – nicht zu vergessen in unseren nur halb zivilisierten römischen Provinzen diesseits und jenseits der Alpen?

     

    Bildnachweis:

    Für die freundliche Erlaubnis, die folgenden Abbildungen zu reproduzieren, danke ich Frau Prof. Dr. Erika Simon, Würzburg, sehr herzlich.

    Abb. 1: Sturz des Hephaistos, Relief aus Ostia, 2. Jh. n. Chr.

    Aus: E. Simon, Die Götter der Römer (München 1990) 254 Abb. 331. 332

    Abb. 2: Rückführung des Hephaistos, korinthischer Amphoriskos,  600-580 v. Chr.

    Aus: E. Simon, Die Götter der Griechen (München 1985) 219 Abb. 204

    Abb. 3: Hephaistos und Athena, Ostfries des Parthenon, Athen, um 440 v. Chr.

    Aus:  E. Simon, Die Götter der Griechen (München 1985) 228 Abb. 217

    Abb. 4: Hephaistos mit Doppelaxt bei der Athenageburt, Exaleiptron, um 570 v. Chr. Aus: E. Simon, Die Götter der Griechen (München 1985) 187 Abb. 166

     

    Literatur:

    L. Balensifen, Achills verwundbare Ferse, Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, 111, 1996, 82 Anm. 22

    E. Bazopoulou- Kyrkianidou, What makes Hephaestus lame? American Journal of Medical Genetics 72, 1997, 144-155

    F. Brommer, Hephaistos. Der Schmiedegott in der antiken Kunst (Mainz 1978)

    H.-G. Buchholz, Ugarit, Zypern und Ägäis (Münster 1999)

    A. Dierichs, Ein hinkender Gott: Hephaistos, in: dies., Von der Götter Geburt und der Frauen Niederkunft (Mainz 2002) 41-44

    M. Grmek – D. Gourevitch, Les pieds d’Héphaistos, in: Les maladies dans l’art antique (Poitiers 1998)

    G. Jobba, Mi okozhatta Héphaisztosz sántaságát? Communicationes de historia artis medicinae 117-120, 1987, 137-140

    L. Malten, Hephaistos, Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 27, 1912, 232-264

    S. Morenz, Ptah- Hephaistos, der Zwerg. Beobachtungen zur Frage der Interpretatio Graeca in der Ägyptischen Religion, in: Festschrift für Friedrich Zucker  zum 70. Geburtstage (Berlin 1954) 275-290

    A. Mozolics, Hephaistos sántasága. Communicationes de historia artis medicinae 78-79, 1976, 139-148

    M. Reitz, Hautkrebs bei alten Hochkulturen, in E. G. Jung (Hrsg.), Kleine Kulturgeschichte der Haut (Darmstadt 2007)

    E. Rosner, Die Lahmheit des Hephaistos, Forschungen und Fortschritte 29, 1955, 362f.

    W. H. Roscher, Hephaistos. Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie  I  2,  1965, 2050. 2066

    K. Schefold, Die Urkönige, Perseus, Bellerophon, Herakles und Theseus in der klassischen und hellenistischen Kunst (München 1988)

    H. Schrade, Der homerische Hephaistos, Gymnasium, 57, 1950, 38-55 und 94-112

    E. Simon, Die Götter der Griechen (München 1985)

    E. Simon, Die Götter der Römer (München 1990)

    E. Simon, Daidalos, in: Althellenische Technologie und Technik von der prähistorischen bis zur hellenistischen Zeit mit Schwerpunkt auf der prähistorischen Epoche (Ohlstadt/Obb. 2003) 195-209

    A. D. Trendall, Rotfigurige Vasen aus Unteritalien und Sizilien (Mainz 1989)

    J. Wiesner, Olympos. Götter, Mythen und Stätten von Hellas (Nieder-Ramstadt/Darmstadt 1960) 51-54

    J. Wiesner, Der Künstlergott Hephaistos und seine außergriechischen Beziehungen in kretisch-mykenischer Zeit, Archäologischer Anzeiger 1968, 167-173

     

     



    [1] bei der Rückführung z. B. Caeretaner Hydria, Wien, ca. 530-500 v. Chr., Brommer 1978, 203 Taf. 11, 2 sowie Taf. 11, 1 und 3; Hephaistos auf gekrümmten Füßen stehend, etruskische Version als Sethlans, LIMC IV (1988) 657 Nr. 18 a Taf. 405 s. v. Hephaistos/  Sethlans (I. Krauskopf).

    [2] s. Kelchkrater c. 460-450 v. Chr., LIMC IV (1988)  641 Abb. 149 Taf. 396 s. v.  Hephaistos (A. Hermary).

    [3] s. Bazopoulou- Kyrkianidou 1997, 144-155.

    [4] Wiesner 1960, 52.

    [5] Roscher 1965, 2050.

    [6] Schrade 1950, 108-109. Eine weitere Sage überliefere, dass Hephaistos hinke, weil er im Krieg mit seinem Pferd gestürzt sei, s. Morenz 1954, 284 und Anm. 66.

    [7] Morenz 1954, 282.

    [8] Apulische Amphora, ca. 320 v. Chr., Trendall 1989, 121 Abb. 264.

    [9] Malten 1912, 256.

    [10] Buchholz 1999, 210 und Anm. 638-639. Hier ist z. B. an die germanische Völundr- Wielandsage zu denken, s. Malten 1912, 259. Verbindung zur Gestalt des hinkenden Teufels in der ungarischen Mythologie: Jobba 1987, 137-140.

    [11] Simon 2003, 199-206, bes. 200 Abb. 4; Schefold 1988, 59.

    [12] Roscher 1965, 2050.

    [13] Für mündliche Informationen hierzu danke ich H.-G. Buchholz und E. Simon. Ferner Roscher 1965, 2064.

    [14] Stamnos des Hermonax, ca. 460 v. Chr., Simon 1985, 195 Abb. 178.

    [15] Buchholz 1999, 210; Mozsolics 1976, 139-148; Reitz 2007, 78-79 und Abb. 1; Rosner 1955, 362-363; Simon 1985, 213 Anm. 5; Wiesner 1960, 52-53.

    [16] Schrade 1950, 109. Ebenfalls aus heutiger Sicht wurde eine frühkindliche Poliomyelitis erwogen, Grmek – Gourevitch 1998, 285.

    [17] Klitiaskrater, ca. 560 v. Chr., Simon 1985, 219 Abb. 203.

    [18] Balensifen 1996, 82, Anm. 22; LIMC IV (1988) 642 Nr. 157 d Taf. 397 s. v. Hephaistos (A. Hermary).

    [19] Der Gott ist zwar  ikonographisch an Dionysos angeglichen, aber durch die Doppelaxt eindeutig als Hephaistos ausgewiesen.

    [20] Simon 1985, 215.

    [21] Wiesner 1968, 170.

    [22] Wiesner 1960, 51.

    [23] Morenz 1954, 285.

    [24] Dazu auch Grmek – Gourevitch 1998, 283-284.

    [25] Simon 1985, 214.