Schlagwort: Literatur

  • In dieser Sackgasse

    (20.7.2012)

     

    Freie Übersetzung eines Gedichtes des iranischen Denkers Ahmad Shamloo (1925-2000) aus dem Jahr 1979.

     

    Sie riechen an deinem Mund,
    nicht dass du gesagt hättest, „ich liebe dich“,
    sie riechen an deinem Herzen,
    es ist eine seltsame Zeit, Liebling. 

    Und die Liebe
    peitschen sie aus
    an dem Balken der Straßensperre.
    Die Liebe sollte im Hinterzimmer des Hauses versteckt werden. 

    In dieser krummen Sackgasse,
    in diesen Windungen der Kälte
    entfachen sie das Feuer
    mit Gedichten und Liedern als Brennmaterial.
    Riskiere nicht das Nachdenken,
    es ist eine seltsame Zeit, Liebling. 

    Derjenige, der nachts an die Tür klopft,
    ist zum Auslöschen des Lichtes gekommen.
    Das Licht sollte im Hinterzimmer des Hauses versteckt werden. 

    Dort sind Schlächter
    am Straßenübergang platziert
    mit Blut beschmierten Schlagstöcken und Hackmessern.
    Es ist eine seltsame Zeit, Liebling. 

    Den Lippen schneiden sie das Lachen aus
    und dem Mund den Gesang.
    Die Freude sollte im Hinterzimmer des Hauses versteckt werden. 

    Kanarienvögel werden gebraten
    auf einem Feuer von Jasmin und Lilien.
    Es ist eine seltsame Zeit, Liebling. 

    Der Satan, des Sieges betrunken,
    feiert unser Begräbnis am Festtisch.
    Der Gott sollte im Hinterzimmer des Hauses versteckt werden.

  • Melk Benedictine Abbey Library (Wikipedia)
    Kloster Melk, Bendiktiner-Abtei, Bibliothek

    Library

    A library is a cemetery of the minds.
    A writing style is a manuscript of the soul.
    Today´s false society looks like a library in
    which the books are spread not by their internal contents ,
    but by the color and design of their covers.

     

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Die Bibliothek

    Eine Bibliothek ist ein Geistes-Friedhof.
    Ein Schreibstil stellt einen Handschrift der Seele dar.
    Die heutige falsche Gesellschaft sieht aus wie eine Bibliothek,
    in der die Bücher nicht nach dem Inhalt verteilt sind,
    sondern nach der Farbe und den Entwürfen der Hüllen.

     

  • Krankes und Morbides im Werk von Thomas Mann

     

    Das Wort Krankheit steht hier für bedrohliche pathologische Veränderungen am Patienten; das „Morbide“ setzt sich aus einer Gruppe von Befindlichkeitsstörungen zusammen, wie Hypochondrie, Resignation, Neurasthenie. Die Betroffenen erleben einen schleichenden Niedergang. Beide Erscheinungsformen, Krankheit und Morbides treten in den Erzählungen des Autors nebeneinander auf und  durchdringen einander, sowohl in demselben Text und auch innerhalb ein und derselben Person.

    Wir beginnen mit einer Erzählung, die unter den vielen Pathographien Thomas Manns als einzige von einer Krebserkrankung handelt.

     

    … betrauert von allen, die sie kannten.

    Ovarialcarcinom: (Die Betrogene, 1953)

    Eine Dame der Gesellschaft verliebt sich in den Englischlehrer ihres Sohnes, einen etwa 25 Jahre jüngeren Amerikaner. Der junge Ken ist zunächst an der so viel Älteren nur höflich interessiert, dann aber vom reizvollen Gegensatz immer stärker fasziniert. Kurz bevor sich die wieder erblühte Frau den drängenden Wünschen ihres Körpers ergeben kann, widerfährt ihr mit einer nächtlichen Massenblutung der Anfang vom Ende.

    Infektionskrankheiten

    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellten Seuchen eine ernsthafte Bedrohung dar. Man musste sich oft mit dem Lindern von Symptomen begnügen, und manche Chefärzte übertrugen hoffnungslose Fälle, die ihnen weder Ehre noch schnöden Mammon versprachen, lieber auf unbedeutende Assistenten. Die Rede ist von der Tuberkulose.

    Als Soldat und brav (Der Zauberberg, 1924)

    Joachim, ein junger Offiziersanwärter, kaschiert die Symptome so lange es irgend geht durch Sonnenbräune und militärische Haltung, während sein Vetter Hans das bleibt, was er in jeder Hinsicht ist, der „hübsche Bourgeois mit einer kleinen feuchten Stelle“. Nach dem missglückten Versuch, seinen Dienst wieder anzutreten, stirbt der Fahnenjunker an progredienter Laryngitis tuberculosa. Die Spur des anderen verliert sich in den Wirren des ersten Weltkriegs.

    Wenn es Tuberkeln sind, so muss man sich ergeben (Buddenbrooks, 1901)

    Clara Buddenbrook, ein ernstes, strenges Mädchen, hatte schon als Jugendliche an Gehirnschmerzen gelitten, sie traten neuerdings periodisch in fast unerträglichem Grade auf. Manchmal führt sie eine Hand zum Kopfe, denn dort schmerzt es. Nach geraumer Zeit erliegt sie einer Gehirntuberkulose.

    An einem Zahne … (Buddenbrooks)

    Um die Gesundheit des Thomas Buddenbrook ist es nicht gut bestellt. Während seiner Volontärzeit in Amsterdam erleidet er einen Blutsturz und unterzieht sich einer Luftkur  in Südfrankreich. Frostige Blässe, bläuliches Geäder und eine Neigung zum Schüttelfrost sind ständige Begleiter als er in jungen Jahren bereits…Chef des großen Handelshauses wird. Seine Grundkrankheit ist zwar die Tuberkulose, aber die Ursache seines allzu frühen Todes ist sie nicht… Senator Buddenbrook war an einem Zahne gestorben, hieß es in der Stadt. Man denkt an eine Apoplexie oder man behilft sich mit der gängigen Formel für Fälle, in denen man es nicht so genau weiß: „Verstorben unter den Zeichen des Herz-und Kreislaufversagens“.

    Die junge Frau litt an der Luftröhre…und Gott sei Dank, dass es nicht die Lunge war: (Tristan,1902)

    …kaum vom Wochenbette erstanden … äußerst verarmt an Lebenskräften, als sie beim Husten ein wenig Blut aufgebracht hatte …  es war, wie gesagt, die Luftröhre, ein Wort, das … eine überraschend tröstliche, beruhigende, fast erheiternde Wirkung auf alle Gemüter ausübte … Manchmal hüstelte sie. Hierbei führte sie ihr Taschentuch zum Munde und betrachtete es alsdann.

    Das Ende kommt rasch, nicht ohne dass Thomas Mann den Kontrast zwischen Gabrieles ätherischem Wesen und ihrem stämmigen Gatten, mehr noch: ihrem pausbäckigen, prächtigen und wohlgeratenen Sohn gehörig herausarbeitet hätte.

    Andere Infektionskrankheiten nehmen im Werk des Autors weniger  Raum ein. 

    Mit dem Typhus ist es folgendermaßen bestellt: (Buddenbrooks)

    Die Diagnose ist gelegentlich durch besondere Umstände erschwert, wenn nämlich die Anfangssymptome, Verstimmung, Mattigkeit, Appetitlosigkeit, unruhiger Schlaf, Kopfschmerzen, schon vorher bei anscheinend völliger Gesundheit vorhanden sind. Von völliger Gesundheit kann allerdings kaum die Rede sein, doch geraten wir hier an die Grenze zum Morbiden, von dem später noch zu reden sein wird.

    Seit mehreren Jahren schon hatte die indische Cholera eine verstärkte Neigung zur…Wanderung an den Tag gelegt: (Der Tod in Venedig, 1911)

    Möglicherweise infiziert sich der Schriftsteller Gustav Aschenbach mit rohem Obst, das er vor einem kleinen Gemüseladen kauft, Erdbeeren, überreife und weiche Ware. Die nur halb körperlichen Symptome, die ihn wenig später befallen, sind Schwindel und eine heftig aufsteigende Angst … Und noch desselben Tages empfing eine respektvoll erschütterte Welt die Nachricht von seinem Tode.

    Bevor wir uns dem „Morbiden“ zuwenden, müssen wir uns noch mit einer weiteren durch Infektion in Gang gesetzten Krankheit beschäftigen, der Syphilis.

    Krankheit, und nun gar anstößige, diskrete, geheime Krankheit … (Doktor Faustus 1947)

    Progressive Paralyse:

    Die Lues oder Syphilis wird gern als der „Affe unter den Krankheiten“ bezeichnet, da sie „alle“ Symptome nachahmen könne. Sie hat eine besondere Affinität zum Nervensystem. Adrian Leverkühn, ein hochbegabter Musiker und Komponist aus wohlsituiertem bürgerlichen Hause, handelt sich bei einer reizvollen Werktätigen im ältesten Gewerbe der Welt einen Primäraffekt ein, der scheinbar nach einer Therapie durch zwei Dermatologen spurlos verschwindet. Doch die Behandlung bleibt unvollständig, da der erste Arzt aus unbekannter Ursache plötzlich verstirbt und der zweite unter ebenso unklaren Umständen verhaftet wird – Teufelswerk, wie Adrian später erfährt. Nachdem er sich den Mächten der Finsternis überantwortet hat, erlebt er eine Steigerung seiner mentalen Fähigkeiten und Phasen höchster Seligkeit, schafft unerhörte  musikalische Werke. Nun hat seine Spirochaeta pallida eine Passion für das zarte Parenchym der Kopfregion. Zunächst leidet der Künstler nur an Schwindelerscheinungen und Migräne, wird aber volle vierundzwanzig Jahre post infectionem in tiefster Verzweiflung und Rettungslosigkeit, von unerträglichen Schmerzen gepeinigt, mit allen Anzeichen einer progressiven Paralyse enden.  

    Ebenso einprägsam schildert Thomas Mann die Zeichen der Tabes dorsalis.

    Mehrere Herren mit entfleischten Gesichtern werfen auf  jene unbeherrschte Art ihre Beine, die nichts Gutes bedeutet. Sobald sie in Gabrieles Nähe kommen, lächeln dieselben Herren und versuchen angestrengt, ihre Beine zu beherrschen (Tristan, 1902).

    Das Morbide

    Bei den Buddenbrooks wandert das Übel in Form von Neurasthenie, einer reizbaren Nervenschwäche, als schleichende Familienkrankheit über vier Generationen hinweg, um die beiden letzten Vertreter gänzlich zu zerstören. Eine Schwächung des „Selbst“ macht die Betroffenen unfähig, ihre Arbeits- und Lebenswelt sinnvoll zu strukturieren. Die veraltete Bezeichnung Neurasthenie ersetzen wir heute gern durch die des allgegenwärtigen Syndroms „burnout“.

    Buddenbrooks

    Thomas, der Firmenchef, empfindet, obwohl er kaum siebenunddreißig Jahre zählt, ein Nachlassen der Spannkraft, eine raschere Abnützbarkeit, die mit Rastlosigkeit und einem übertriebenen Hang zur persönlichen Sauberkeit und äußeren Perfektion einhergeht. Er wird sich darüber klar, dass oft die … sichtbarlichen und greifbaren Zeichen und Symbole des Glückes und Aufstieges erst erscheinen, wenn in Wahrheit alles schon wieder abwärts geht. An seinem Bruder Christian missfallen ihm Dinge, die er schon an sich selbst mit Abscheu bemerkt hat, nämlich eine ängstliche, eitle und neugierige Beschäftigung mit sich selbst, die zerfahren, untüchtig und haltlos macht. Aber wir sind bloß einfache Kaufleute … unsere Selbstbeobachtungen sind verzweifelt unbeträchtlich.

    Christian bietet die Zeichen einer schweren hypochondrischen Störung. Er ist ein liebenswürdiger Taugenichts, alles andere als dumm, aber unfähig zu ernsthafter Arbeit. Während er sich als begabter Imitator und geistreicher Unterhalter betätigt, ergeht er sich andererseits in abstoßenden, detaillierten Beschreibungen seiner Qual. Haltlos und bar jeder Selbstkontrolle wird er schnell zum Spielball anderer „Suitiers“ und einer Frau von zweifelhafter Lebensführung. Als seine Ehefrau betreibt sie schließlich unter Berufung auf Wahnideen und Zwangsvorstellungen seine Entmündigung und die Einweisung in eine Anstalt.

    Hanno, der jüngste und letzte Buddenbrook-Spross, still und kränklich, leidend und mitleidend, taugt gewiss nicht zum Kaufmann, allenfalls zum Künstler. Seine Spannungen entladen sich in musikalischen Phantasien bis zur Kakophonie. Die bläulichen Schatten in den tief liegenden Augenwinkeln hat er von seiner Mutter Gerda, und dass sie schon bei dem Neugeborenen auftreten, kleidet, wie Thomas Mann bemerkt, ein vier Wochen altes Gesichtchen nicht zum besten.

    Tristan

    In geringer Abwandlung erscheinen das blaue Äderchen über dem Auge und die tiefen Schatten zu beiden Seiten der Nasenwurzel als Leitmotiv auch bei Tristans Gabriele. Für die Beschreibung ihrer Ankunft in Einfried  findet Thomas Mann ironisierende Sätze, da die beiden Braunen [Pferde] … mit rückwärts gerollten Augen angestrengt diesen ängstlichen Vorgang verfolgen, voll Besorgnis für soviel schwache Grazie und zarten Liebreiz. Wie pathetisch aber wird erst der Neurastheniker Spinell, den die Mitpatienten geschmackvoll den verwesten Säugling nennen! Er schwärmt die junge Frau an, die doch aus einem alten Geschlecht stamme, zu müde bereits und zu edel zur Tat [sic!] und zum Leben, … das sich gegen das Ende seiner Tage noch einmal durch die Kunst verklärt.

    Der Zauberberg

    Hans Castorp, Hospitant und weicher Neuling, bringt es auf dem Berghof mit Fiebermessen und anderen Bemühungen endlich dahin, dass er sich fast wie ein ‚richtiger‘ Patient fühlen darf.

    Der Tod in Venedig

    Gustav Aschenbach erliegt zwar am Ende der Cholera, doch auf der Basis eines Gefühls der Ausweg- und Aussichtslosigkeit, nachdem er sich, ein betörter Liebhaber, im Traum der Raserei des Untergangs ergeben hat und es auch im wachen Zustand gegen die Mahnung seines Gewissens unterlässt, die polnische Adelsfamilie vor den Gefahren der verseuchten Stadt zu warnen, damit er nicht auf den Anblick des leidenschaftlich Begehrten verzichten muss – Man soll schweigen! Man soll das verschweigen!  und:  Ich werde schweigen!

    Meisterhaft versteht es Thomas Mann, seinen Protagonisten stets solche Krankheiten aufzuerlegen, die längst durch das Morbide in ihnen vorbereitet sind und sich schon beim scheinbar Gesunden in persönlichen Eigenschaften und als Symptome einer reizbaren Nervenschwäche äußern.

     

    Lit. bei der Verfasserin.

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     ARS  MEDICI

     

             

    In an amazing colourful dream, two legendary masters of the healing arts appeared to me. Longing for enlightenment, I humbly asked them to share their knowledge with me. In front of the complex patients’ problems, what should be taught a student of the healing arts?

    Qi: The young practitioner of the healing arts finds only basic answers in the books. However, a more successful method is to attempt to learn from many sources. The practitioners of the healing arts start by searching the clarity and decency in their heart. Subsequently, they improve their techniques and enhance their skills. Our lives are limited, but knowledge is not.

     Hi: Life is short, and art is long. A learned physician must not only be prepared to do what he knows is right, but the art of healing involves gaining the trust and cooperation of the patient. How can a student of the healing arts find the best teacher ever?

    Qi: We cannot grow in medicine until we grow in experience. From the ancient times on, students of the healing art have travelled great distances in order to reach teachers who are able to impart their knowledge based on their experiences.

    Hi: Living on an island, students are used to travel over the sea only to attend my lectures. If you are thirsty, isn’t it best to drink closest to the source of water? Likewise, students are keen on learning here ashore, close to the source of medical science. The teaching of healing arts is possible in many places. Why should the students consider attending particularly your lecture?

    Qi: Only one thread pulled out of a silk gown, has no meaning at all. However, woven with other threads into to gown, it is transformed on the whole. Each patient is unique, but the treatment requires more than taking care of various singular components.

    Hi: The curative approach is based on the healing power of the nature. The diseases are regarded as a whole and have natural causes. What are fundamentals of medical practice?

     Qi: We regard medicinal herbs and the food as the highest, most serious of matters. This is an aspect of our culture – to understand the power that herbs and food hold in our medicine.

    Hi: An illness may require to keep to a strict diet until the complete healing. Medicine should be kind to the patient and treatment gentle.

    Awaken from the dream, I realized, that the legendary masters in my dream were: Hippocrates (Hi) and QiBo 岐伯 (Qi). According to the Chinese Mythology, Qi-Bo was enlightened by an ethereal being from heavens with knowledge of traditional medicine.

    The amazing dream provided me with a glimpse into the legendary master’s insights, and opens an imaginary door between classical and traditional Chinese medicine.

     

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Ars Medici  –  Die Kunst des Arztes

    In einem überraschend bunten Traum erschienen mir zwei legendäre Meister der Heilkünste. Weil ich mich nach Erleuchtung sehnte, bat ich sie demütig, ihr Wissen mit mir zu teilen. Was sollte angesichts der komplexen Patientenprobleme einem Student der Heilkünste gelehrt werden?

    Qi: Die jungen Ausübenden der Heilkünste finden nur grundlegende Antworten in den Büchern. Eine erfolgreichere Methode ist jedoch, aus vielen Quellen zu lernen. Die Anwender der Heilkünste beginnen, indem sie nach Klarheit und Anstand in ihren Herzen suchen. Danach verbessern sie ihre Techniken und steigern ihre Fähigkeiten. Unsere Leben sind begrenzt, aber das Wissen nicht.

    Hi: Das Leben ist kurz, die Kunst währt lang. Ein ausgebildeter Arzt muss nicht nur vorbereitet sein, das zu tun, wovon er weiß, dass es richtig ist, sondern die Heilkunst schließt auch ein, das Vertrauen und die Mitarbeit des Patienten zu gewinnen. Wie kann ein Student der Heilkünste den allerbesten Lehrer finden?

    Qi: Wir können erst im Wissen wachsen, wenn wir an Erfahrung wachsen. Von altersher sind Studenten der Heilkünste große Entfernungen gereist, um Lehrer zu erreichen, die fähig sind, ihr Wissen zu teilen, das auf ihren Erfahrungen basiert.

    Hi: Wenn Studenten auf einer Insel wohnen, sind sie gewöhnlich über das Meer gereist, nur um meine Vorlesungen zu hören. Wenn du durstig bist, ist es dann nicht am besten, aus der nächsten Wasserquelle zu trinken? Ganz ähnlich sind Studenten begierig, hier an Land zu lernen, nahe an der Quelle der medizinischen Wissenschaft. Heilkünste zu lehren ist an vielen Orten möglich. Warum sollten die Studenten in Betracht ziehen, ausgerechnet deine Vorlesungen zu besuchen?

    Qi: Wenn man nur einen Faden aus einem Seidenmantel zieht, hat das überhaupt keine Bedeutung. Aber weil er mit anderen Fäden in den Mantel hinein verwoben ist, wird das Ganze umgeformt. Jeder Patient ist einmalig, aber die Behandlung erfordert mehr, als sich um verschiedene einzelne Bestandteile zu kümmern.

    Hi: Der heilenden Ansatz begründet sich auf der Heilkraft der Natur. Die Krankheiten werden als Ganzes betrachtet und haben natürliche Ursachen. Welches sind die Grundlagen der medizinischen Praxis?

    Qi: Wir betrachten medizinische Kräuter und Nahrung als die höchste und ernsthafteste Materie. Das ist ein Gesichtspunkt unserer Kultur – die Kraft zu verstehen, die Kräuter und Nahrung in unserer Medizin enthalten.

    Hi: Eine Krankheit mag erfordern, bis zur vollständigen Heilung eine strikte Diät einzuhalten. Die Medizin sollte freundlich zum Patienten sein und die Behandlung sanft.

    Als ich aus dem Traum erwacht war, erkannte ich, dass die legendären Meister in meinem Traum Hippokrates (Hi) und QiBo岐伯 (Qi)waren. Der chinesischen Mythologie entsprechend war Qi-Bo mit Wissen um die traditionelle Medizin durch ein ätherisches Wesen erleuchtet.

    Der erstaunliche Traum bescherte mir einen kleinen Einblick in die legendären Einsichten der Meister und öffnet eine bildhafte Tür zwischen klassischer und traditioneller chinesischer Medizin.

     

     

     

  • HEALING WORDS

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    The healing art known as bibliotherapy (βιβλίων Θεραπεία), or the healing power of the books is an old concept, first mentioned by Greek historian Diodorus (90 B.C-30 B.C). A phrase written above the entrance to the royal chamber ψγxhσ iatpeion, where books were stored by Pharaoh Ramses II ,   could be translated as: „medicine for the soul“.

    Roman physician Galen (~129–216) maintained a medical library used not only by himself but by the staff of the Sanctuary Asklepion a Roman spa famous for its therapeutic waters, and considered to be one of the first hospital centres in the world.

    Today is bibliotherapy praised as the new service offering solace to everybody, but especially to the exhausted souls. In the world are published ca.one million new books every year (almost every 30 seconds). Therefore, there are qualified bibliotherapist who choose an appropriate book for the treatment. In her recent book a French bibliotherapist Régine Detambel (1963- ) emphasizes that the books take care of us as a creative bibliotherapy. „Through the rhythm and musicality of their sentences, the sensual touch of their paper, the books heal and calm us “

    The appropriate book allows us to elaborate or restore a space to ourselves.                                                     A room without books is like a body without a soul “ Marcus Tullius Cicero 106 BC-43 BC  roman philosopher and statesman )

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Heilende Worte

    Die als Bibliotherapie (βιβλίων Θεραπεία[1]), bekannte Heilkunst oder die Heilkraft der Bücher ist ein altes Konzept, zuerst erwähnt von dem griechischen Historiker Diodorus (90-30 v.Chr.). Eine Inschrift, die über den Eingang der Königskammer ψγxhσ iatpeion geschrieben wurde, wo Bücher von Pharao Ramses II. gelagert wurden, kann übersetzt werden mit „Medizin für die Seele“.

    Der römische Arzt Galen (129-216 n. Chr.) pflegte eine medizinische Bibliothek, die nicht nur von ihm selbst benützt wurde, sondern auch von dem Personal der Kultstätte Asklepion, einem römischen Bad, das berühmt war für seine therapeutischen Wasser und als eines der ersten Krankenhauszentren der Welt betrachtet wird.

    Heute wird die Bibliotherapie als der Dienst gelobt, der Trost für jedermann spendet, aber ganz besonders den erschöpften Seelen. Weltweit werden jährlich etwa eine Million Bücher veröffentlicht (fast alle dreißig Sekunden). Deshalb gibt es ausgebildete Bibliotherapeuten, die zur Therapie ein passendes Buch auswählen. In ihrem neuesten Buch hat die französische Bibliotherapeutin Regine Detambel (* 1963) betont, dass die Bücher sich um uns kümmern wie eine kreative Bibliotherapie.

    „Durch den Rhythmus und die Musikalität der Sätze und die empfindsame Berührung des Papiers heilen und beruhigen uns die Bücher.“

    Das passende Buch erlaubt uns, einen Raum in uns zu finden oder wiederherzustellen.

    „Ein Zimmer ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele“ (Marcus Tullius Cicero, 106-43 v. Chr, römischer Philosoph und Staatsmann)

     

    Nachsatz des Übersetzers:

    Frau Prof. Dr. med. Silke Heimes ist Ärztin, Poesietherapeutin, Autorin und Professorin für Journalistik an der Hochschule Darmstadt. Sie ist auch Gründerin des Instituts für Kreatives und Kreatives Schreiben (IKUTS). Sie hat 2017 das Taschenbuch Lesen macht gesund – Die Heilkraft der Bibliotherapie, Vandenhoek&Ruprecht, ISBN 978-3-525-46276-8, 142 Seiten, veröffentlicht. Darin beschreibt sie neben der Geschichte und wissenschaftlichen Darstellung auch detailliert viele Wirkungen der Bibliotherapie, die sie anhand einer Fragebogen-Umfrage unter über dreißig Ärzten, Psychologen, Apothekern, Psychologen, Pädagogen, Autoren und Journalisten ermittelt hat. Der Fragbogen ist am Ende des Buchs abgedruckt und stellt eine Art Lesebiografie dar.

    [1] Biblion = Buch, therapeia= zu Diensten sein)

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    Silent Poem

    You ask for what reason I stay on the green mountain,
    I smile, but do not answer, my heart is at leisure.

    Peach-blossom is carried far off by flowing water,
    Apart, I have heaven and earth in the human world.

    Poems dash like the lovely birds towards the heaven.
    Between the idle clouds Silence
    welcomes new arrivals.
    When the rainbow strokes the celestial vault,
    a silent poem is born.

    Every poem dreams to unite with Silence.
    Only then, it is accepted with a joy,
    in the realms towards the sunrise,
    and the realms towards the sunset. »

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Stilles Gedicht

    Du fragst, warum ich auf dem grünen Berg bleibe.
    Ich lächle, aber antworte nicht, mein Herz ist voll Muße.

    Die Pfirsichblüte wird weit weg getragen vom fließenden Wasser.
    Entfernt davon erlebe ich Himmel und Erde in der menschlichen Welt.

    Gedichte schnellen wie liebliche Vögel himmelwärts,
    zwischen den trägen Wolken die Stille
    heißt Neuankömmlinge willkommen.
    Wenn der Regenbogen den himmlischen Tresor streichelt,
    wird ein stilles Gedicht geboren.

    Jedes Gedicht träumt, mit Stille zu vereinen.
    Nur dann wird es mit Freude angenommen
    in den Reichen hin zur Sonne
    und den Reichen hin zum Sonnenuntergang.

     

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    Books

    Books are like oysters. To enjoy them, one needs to open them.
    Occasionally, we find a pearl or two.  However, all books contain so-called; “pearls of wisdom”.

    The “pearls of wisdom” embellish and explain the written messages.
    The universal goal   of the “pearls of wisdom” is to shape our thinking.

    Each time that one caresses the “pearls” and enjoy their splendor the authors like the Sages, communicate on many different levels. They draw one’s mind to the favourite places, and their intellectual spark, received from heaven, illuminate the world around us.

    Let’s be grateful to the authors for their gifts.

    They are the thoughtful gardeners who make our souls bloom.

    They open the “doors of the spirit “which enables us to learn, and achieve even more, by living our lives like them.

    The way the Sages live is like poetry.

    Copyright Dr. André Simon

     

    Übersetzung von Dr. Dietrich Weller

    Bücher

    Bücher sind wie Austern. Um sie zu genießen, muss man sie öffnen. Gelegentlich finden wir eine Perle oder zwei.

    Allerdings enthalten alle Bücher sogenannte Weisheitsperlen.

    Die Weisheitsperlen verzieren und erklären die geschriebenen Botschaften.

    Das universelle Ziel der Weisheitsperlen besteht darin, unser Denken zu formen.

    Jedes Mal, wenn wir zärtlich zu den Perlen sind und ihren Glanz genießen, kommunizieren ihre Autoren wie die Weisen auf vielfältigen Ebenen mit uns.

    Sie lenken unseren Geist auf Lieblingsplätze, und ihr intellektueller Glanz, der vom Himmel empfangen wurde, erleuchtet die Welt um uns herum.

    Lasst uns dankbar sein für ihre Geschenke.

    Sie sind die bedachtsamen Gärtner, die unsere Seelen blühen lassen.

    Sie öffnen die Türen des Geistes, die uns ermöglichen zu lernen und sogar zu erreichen, unser Leben so zu führen wie sie.

    Die Art wie Weise zu leben, ist Poesie.

     

  • Ich meine
    dass ich sage
    was ich meine
    aber ich weiß
    das ich nicht immer
    meine
    was ich sage
    und auch nicht sage
    was ich meine
    Manchmal erkenne
    ich erst wenn ich etwas sage
    was ich wirklich meine…
    In der Kluft zwischen
    meinen und sagen
    erscheint mein Spiegelbild
    ich erkenne mich
    wie sich Narziss erkannte
    – wenn er sich denn wirklich erkannte –
    beim Blick in das Wasser
    Ich hoffe nur
    dass sich das was ich sage
    aber nicht meine
    nicht zur echten Lüge entwickelt

    Das ist gar nicht so einfach, habe ich inzwischen durch die Duplizität eines Vorfalles erkannt. Ich muss dazu etwas ausholen. Also: ich nehme an zwei Arbeitsgruppen teil, die sich regelmäßig treffen. Inhalt und Art der Arbeit ist fast identisch, die TeilnehmerInnen sind es nicht. Auf eine Gruppe freue ich mich schon im Voraus, was mich nicht hindert, fernzubleiben, wenn ich zu müde oder anderweitig beschäftigt bin. Die andere Gruppe: reine Pflichterfüllung, auch wenn ich einzelne Teilnehmer gerne sehe und hinterher immer etwas „herauskam“. Ich weiß nicht, warum das so ist und anscheinend habe ich deshalb ein schlechtes Gewissen. Einmal wurde es schlussendlich ganz stark, als nämlich das Treffen abgesagt wurde. Ich… freute mich! Wahrscheinlich, um das schlechte Gewissen zu kompensieren, sagte ich: “Oh je, wie schade!“ Ich dachte, ich höre nicht richtig! Der Ton, in dem ich es sagte, war pure Heuchelei! Ich habe nicht nur nicht gesagt, was ich meine, sondern… ich habe gelogen. Lügen finde ich schlimm! Ich muss besser wahrnehmen, was ich eigentlich meine, wenn ich etwas sage! Ich benutzte meine gerne-bei-ihr-sein-Gruppe als Übungsfeld. Auch hier passierte es, dass ein Treffen verschoben wurde. Was sagte ich? „Toll, dass ihr als neuen Termin einen ausgesucht habt, wo ich schon besetzt bin. So habe ich einen Abend frei!“ Alle verstanden es nicht nur, sondern waren im Gegenteil froh, dass mein Bedauern nicht so groß war, dass wir nun neu auf Terminsuche gehen mussten. Und sie meinten wirklich, was sie sagten!

     

    Helga Thomas

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    KRANK? GESUND? HOCHSENSIBEL?

    Zwischen normal und krank. . . Nein, da befindet sich nicht der Zustand des Gesundseins… Gesund und krank sind Gegensätze – auch dazwischen befindet sich nicht das Normale. Ist denn das Normale a priori gesund? Oder: ist das aus der Norm Gefallene denn krank?

    Zwischen normal und krank befindet sich die ganz einzigartige Individualität, sie kann krank sein, auch gesund, nur normal ist sie nun einmal nur bis zu einem bestimmten Punkt. Beziehungsweise wenn diese Individualität noch nicht sehr gekräftigt ist, legt sie sich die Maske, die Rolle (im Jungschen Sinne Persona) des Normalen an, ein Schutz wie ein Regenmantel bei Regenwetter…

    Je weiter  entwickelt diese Individualität ist, um so weniger ist sie normal. Aber ist sie deshalb krank? Ja ist das nicht der Irrtum vom vorletzten und letzten Jahrhundert? Wenn der individualisierte Mensch erfolgreich ist, akzeptiert man es, spricht nicht mehr von Krankheit, sondern… von Genialität! Genie und Wahnsinn! Nein, kein Wahnsinniger a priori ist ein Genie und wenn das Genie nicht der Norm entspricht, ist es nicht unbedingt wahnsinnig. Doch darüber mag ich  jetzt nicht nachdenken, denn sonst packt mich der Zorn denn… wie viele Jugendliche, Kinder, junge Erwachsenen wurden wegen dieser Anschauungen nicht nur in ihrer Entwicklung gehemmt, sondern krank gemacht!

    Wer in zwei Welten beheimatet ist (sei es sein eigener Innenraum, sein Unbewusstes, die geistige Welt, die Anderswelt, die Zwischenwelt), wird zwangsläufig zum Grenzgänger ohne im psychiatrischen Sinne ein Borderline zu sein. Wer mit seinem inneren Du spricht, ist nicht unbedingt schizophren, wer immer wieder zum Quell des schöpferischen Werkes zurückkehrt, schaut, nachdenkt, nachspürt, nach innen lauscht, weil er es noch nicht richtig gestalten kann so, dass der unbekannte, unsichtbare Auftraggeber zufrieden ist, ist nicht unbedingt ein Narziss. Vielleicht ist er ja von all diesen Beschäftigungen erschöpft, aber nicht unbedingt depressiv! Ich als Psychotherapeutin möchte gerne leidenden Menschen (gleich ob sie krank sind oder nicht) zu besserer Lebensqualität verhelfen (wie toll, wenn sie ihren Weg wieder finden, vielleicht sogar den Sinn des Umwegs verstehen), vor allem möchte ich den gesunden Kern in jedem individuellen Menschen entdecken und… dann dem ganz Außergewöhnlichen, dem nicht Normalem zum Durchbruch verhelfen. Selbst wenn es destruktiv sein sollte, wer stark ist, erkennt es selbst, kann es zurückhalten oder wandeln, ohne krank, verrückt zu werden. Das ist meine Hoffnung, ich habe es erlebt und erlebe es immer wieder.

    Als ich diese Überlegungen niederschrieb, hatte ich noch nicht bemerkt, dass sie sich als Einführung eignen für meine Beschäftigung mit dem Thema der Hochsensibilität.

    Gehören vielleicht die folgenden Überlegungen auch dazu?

    Was ist der Grund, dass wir, und auch Fachleute, so schnell unseren Mitmenschen, aber auch uns selbst, Diagnosen anheften, die oft kränkend und damit krank machend sind? Ich will nicht bagatellisieren , denn ich gehöre durchaus zu den Menschen, die für Prophylaxen sind, also gerne auf Nummer sicher gehen und nicht erst aktiv werden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Wer könnte aus welchem Grund so schnell (und ungeprüft) Diagnosen bereit haben? Aus Angst, Unsicherheit? Wie der Verbraucher, der das eingeschweißte Nahrungsmittel am Tag des letzten Verkaufstages entsorgt, ohne daran zu denken, dass es noch weitere (mindestens) drei Tage ohne Gesundheitsgefährdung verzehrt werden kann? Ich habe mich das oft gefragt – manchmal wirken die Diagnosen (ich spreche von psychiatrischen Diagnosen) wie ein Gefälligkeitsgutachten, vor allem, wenn sie den Angehörigen gegenüber geäußert werden. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht und jetzt hatte ich die Idee einer möglichen Erklärung:
    Je besorgniserregender die Diagnose, um so kranker unsere Mitmenschen (wollen wir ihn bestrafen oder beschützen, indem wir ihn fast unmündig machen?), aber umso großartiger ist auch der Therapeut, der ihn von dieser Krankheit heilt! Kann das wirklich ein Grund sein oder . . . bin ich heute besonders boshaft?

     

     

     

     

     

     

  • Wenn das Gestern
    und der Tag davor
    noch zu meinem Jetzt gehören
    wie auch das Morgen
    und der Tag danach
    dann ist das meine Gegenwart

    Wenn ich mich an vorgestern erinnere
    und wieder das Jetzt von dort
    betrachte
    und die Zukunft von damals
    die inzwischen schon vergangen ist
    dann spüre ich
    den Hauch der Ewigkeit
    und im gedanklichen Tun
    kann mein Engel
    sich mir nahen

    ***

    Ein Tropfen
    auf dem Boden des Zimmers
    ein Tropfen aus Wasser
    kein Tautropfen
    kein Regentropfen
    ein Tropfen vom Giessen der Pflanzen
    oder…

    Sichtbar gewordene Träne
    eines unsichtbaren Wesens?

    ***

    Gedichte sind …

    Gedichte –
    gewandeltes Leid

    Erkenntnisfrucht
    nach langer Suche

    Antwort der Engel
    auf die ungestellte Frage

    Botschaft aus fremden Welten
    Auftrag
    Von wem?

    Ruf deines Du
    oder der Ruf nach ihm?

    Strandgut am Morgen
    aus dem Nachtmeer