Schlagwort: Medizin

  • Betrag zur Lesung „Werte und Wertewandel) beim BDSÄ-Kongress 2916

     

    Ganz verschiedene Werte und Wertungen

     

    Anstatt eine theoretische philosophische Abhandlung zu diesem wichtigen Thema zu schreiben, will ich an einigen knapp skizzierten Beispielen aus meinem Alltag zeigen, wie unterschiedlich Werte erlebt und geäußert werden.

     

    Der Patient in der Notfallpraxis sagt: „Gestern habe ich mir den Zeigefinger in der Tür geprellt. Da bin ich heute Nacht wegen der Schmerzen durch die Hölle gegangen.“

     

    Die fünfundzwanzigjährige Frau fährt im Elektrorollstuhl in das Behandlungszimmer. Ich frage, warum sie im Rollstuhl sitzt.

    Sie antwortet lachend: „Ich habe eine angeborene Zerebralparese und kann seit ein paar Monaten nicht einmal mehr stehen. Außerdem habe ich regelmäßig epileptische Anfälle. Jetzt komme ich wegen meiner fieberhaften Grippe. Aber mir geht´s gut.“

     

    Der dreijährige bis jetzt gesunde Junge sagt zu seiner Mutter: „Jetzt ist alles dunkel. Warum hast Du das Licht ausgemacht? Mach es wieder an!“ –

    Der Junge war plötzlich auf beiden Augen blind geworden. Wenige Stunden später sahen die Ärzte im Schädel-Comptertomogramm Metastasen im Kleinhirn und an der Kreuzung der Sehnerven.

     

    Eine Frau mit metastasierendem Bronchialkarzinom im Endstadium, die im Pflegeheim liegt, sagt zu mir: „Wenn Sie mich noch einmal besuchen wollen, müssen Sie es bald tun. Ich habe nicht mehr viel Zeit. Das schönste Erlebnis heute war, als die Schwester mir ein Glas warme Milch gebracht hat. Die Liebe, die ich hier empfange, ist ein großes Geschenk, für das ich unendlich dankbar bin.“

     

    Als Arzt in der Neurologischen Reha-Klinik nahm ich einen Patienten nach Schlaganfall auf meiner Station auf. Nach dem ausführlichen Gespräch mit Untersuchung fragte die Ehefrau: „Was kann ich noch für meinen Mann tun?“

    Ich legte mein Buch „Wenn das Licht naht – der würdige Umgang mit schwer kranken, sterbenden und genesenden Menschen“ auf den Tisch.

    Sie war verblüfft und lachte mich an. „Oh, Sie haben das geschrieben! – Dieses Buch hat mich auf der Intensivstation in München in den letzten Wochen am Bett meines Mannes am Leben gehalten. Eine Schwester hat es mir ausgeliehen.“

     

    Die zwanzigjährige Frau ägyptischer Abstammung sagt in der Sprechstunde: „Gottseidank bin ich nicht schwanger. Wenn mein Vater wüsste, dass ich einen Freund habe und mit ihm schlafe, würde er zuerst meinen Freund und dann mich umbringen.“

     

    Bei einem Hausbesuch in einer sehr wertvoll eingerichteten Villa werde ich in das ehemalige Arbeitszimmer des Hausherrn geführt. Jetzt ist es sein Schlafzimmer – mit Blick in den wunderbar gepflegten Garten. Der Mann liegt seit zwei Jahren nach Schlaganfall im Wachkoma und atmet spontan durch eine Kanüle in der Luftröhre, seine Augen sind geschlossen. Er reagiert nicht auf meinen Gruß.

    Seine Frau sagt: „Jeder Tag, den ich ihn hier pflegen darf, ist ein Geschenk für mich, für das ich jeden Tag dankbar bin. Und trotzdem hoffe ich, dass er bald friedlich einschlafen darf. Jeden Tag begrüße ich meinen Mann – und nehme ein bisschen Abschied.“

     

    In der Praxis habe ich eine Woche lang einen ägyptischen Mann behandelt, der seine in Leonberg verheiratete Tochter besuchte, nicht viel Geld hatte und schon die überstürzte Heimreise plante. Ich habe ihn dann kostenlos behandelt.

    Bei seinem letzten Besuch in der Praxis kniete seine Frau beim Abschied vor mir nieder, nahm meine beiden Hände und sagte etwas, was die Tochter übersetzte: „Ich bitte Gott, dass er mir zehn Lebensjahre nimmt und sie Ihnen schenkt.“

    Eine Frau mittleren Alters kam nach langem Krankenhausaufenthalt in die Sprechstunde, legte einen langen Arztbrief auf den Tisch und fragte, ob ich sie als neue Patientin annehme. Ich überflog den Brief und sah eine lebensbedrohliche Diagnose mit einigen Komplikationen und zwei Reanimationen.

    Ich sagte anerkennend: „Da haben Sie aber viel durchgemacht. Und die Ärzte haben Ihnen wirklich geholfen.“

    Die Frau antwortete wütend: „Das ist ein Scheiß-Krankenhaus!“

    „Wieso das denn?“

    „Da hat doch tatsächlich die Schwester an einem Morgen vergessen, mir einen Löffel zum Joghurt zu bringen!“

     

    Die Frau im Endstadium einer bösartigen Erkrankung wird von einem mir bekannten Hausarzt gefragt: „Was ist Ihnen denn noch wichtig? Gibt es etwas, was Sie unbedingt noch erleben wollen?“

    Die Frau sagt nach einiger Überlegung: „Der Haushalt muss aufgeräumt sein!“

     

    Mein Freund Nabil stammt aus Syrien. Nach dem Medizinstudium kam er mit seiner jungen Frau nach Deutschland und wurde Internist und Radiologe. Er hatte seit 1984 über viele Jahre seine Praxis im Haus neben meiner Praxis. Jetzt ist er wie ich Rentner, arbeitet in der Notfallpraxis weiter und leitet noch das Nuklearmedizinische Zentrum im Krankenhaus Sindelfingen. Häufig wird er als Übersetzer gebraucht, wenn Flüchtlinge aus den arabischen Ländern behandelt werden sollen. Nabil hat mir die beiden folgenden Geschichten erzählt.

    Ein 24-jähriger schlanker und gut aussehender Mann kommt mit nachhängendem rechtem Bein, spastischer Arm- und Handlähmung und Sprachstörung in die Klinik. Nach der Ursache seiner Lähmung gefragt berichtet er, ein ungarischer Grenzsoldat habe ihn bei der Flucht mit einem Elektroschockgerät mehrfach heftig auf die linke Schädel-seite geschlagen, dann habe es im Kopf geblutet. –

    Nabil fragt nach: „Wäre es nicht besser gewesen, wenn Sie in Syrien geblieben wären?“ –

    „Nein, ganz sicher nicht, die Regierungstruppen und die Rebellentruppen wollten mich zum Wehrdienst einziehen. Ich wollte nicht kämpfen. Wenn ich geblieben wäre, hätten Sie mich erschossen. Es ist alles gut. Ich bin hier und lebe!“

     

    Nabil machte von der Notfallpraxis aus einen Hausbesuch in einer Flüchtlingsunterkunft in Leonberg und traf dort eine junge Familie aus Syrien.

    Der Ehemann erzählte: „Wir wurden täglich mit Bomben beschossen, in unserer Straße stand kein Haus mehr. Wir hatten nichts mehr, wir konnten nichts anders tun, als zu Fuß zur türkischen Grenze zu wandern. Meine Frau war im neunten Monat schwanger, unser eineinhalbjähriger Sohn war bei uns. In der Türkei wurde unser zweites Kind im Lager geboren, es ist jetzt vier Wochen alt. Aber wir sind hier, und wir sind gesund und dankbar.“

    Neulich machte ich mitten in der Nacht von der Notfallpraxis aus einen Hausbesuch in Weissach in der Stadthalle, die als Flüchtlingsunterkunft umgebaut war. Nachdem ich den Patienten untersucht hatte, sagte die Angestellte vom Sicherheitsdienst: „Jetzt können Sie auch gleich noch mit dem Bürgermeister sprechen.“

    Ich war verblüfft: „Jetzt morgens um zwei Uhr ist der Bürgermeister hier?“

    Tatsächlich stand vor der Halle eine Gruppe junger Männer und unterhielt sich lebhaft. Ich stellte mich vor, und einer der Männer sagte: „Ich bin Daniel Töpfer, der Bürgermeister.“

    Ich lachte ihn an: „Das ist ja ungewöhnlich, nachts um die Zeit den Bürgermeister bei Flüchtlingen zu treffen? Was machen Sie hier?“

    Er lachte zurück: „Wir haben vier Partien Schach gespielt!“

    Da mischte sich einer der Flüchtlinge mit gutem Englisch ein und erzählte begeistert, dass sie oft Schach miteinander spielen, und das sei großartig, „but Daniel always wins, he is a champion!“

    In welcher Stadt in Deutschland nimmt sich ein Bürgermeister Zeit, um mitten in der Naht vier Partien Schach mit Flüchtlingen zu spielen?

    Meine Hochachtung, Herr Töpfer, für ihre meisterliche Bürger-Nähe!

     

    (Für die nicht Ortskundigen: Weissach ist eine Gemeinde mit etwa 7500 Einwohnern im Kreis Böblingen. Hier hat Porsche sein Entwicklungszentrum. Daniel Töpfer wurde 2014 im Alter von 25 Jahren mit 58% zum Bürgermeister gewählt.)

  • Wer das liest, von scharfen Strippern, Strings und Einsätzen im Beckenbereich, der denkt sicherlich an die Reeperbahn, St. Pauli und Rotlichtviertel. Und wer zur Kenntnis nimmt, dass scharfe Ringstripper aus Hygienegründen ausrangiert worden sind, der denkt an übertragbare Krankheiten, vielleicht an Tripper, Syphilis  oder noch Schlimmeres.

    Wir bewegen uns jedoch in ganz anderem Ambiente, gut ausgeleuchtet, Rot ist allerdings tatsächlich die dominierende Farbe.

    Wir blicken in ein eröffnetes arterielles Gefäß in der Leiste, umschlungen mit einem Bändchen, in dem ein Zylinder präpariert ist. Auf diesen wird nun ein Ringstripper aufgefädelt, der in der Beckenarterie günstigenfalls einen Gefäßverschluss ausschälen kann. Das gelingt nicht immer. Aber meistens. Manchmal, selten,  wird die Beckenarterie perforiert. Und weil das gefährlich ist, nannte man dieses Verfahren in den 80er Jahren „Hitchcock-Manöver“, als nämlich Hitchcock noch die bekannteste Krimiserie war und noch nicht „Großstadtrevier“ oder „Tatort“.

    Ein anderes Problem war, dass der Zylinder nicht immer dort durchtrennt werden konnte, wo man wollte, nämlich an der Abzweigung der inneren Beckenschlagader, sondern irgendwo abriss. Schlaue Leute armierten den Ringstripper deshalb mit einem Draht, der in einem Röhrchen verlief und das Ringmesser innen auskleidete. In korrekter Position konnte man dann am Draht, dem String,  ziehen und damit den Desobliterationszylinder durchschneiden. Das war der scharfe Ringstripper.

    Geniale Idee.

    Wenn man die Dinger nicht nach Gebrauch erstens wieder sauber machen musste und zweitens einen neuen Draht dort hineinpraktizieren musste. Weil das so schwierig war, wenn nicht gar unmöglich, wurde vor mehr als zehn Jahren deshalb der wiederholte Einsatz dieser Geräte verboten, und als Einmalinstrumente waren sie einfach zu teuer.

    Was passierte? Die Geräte landeten im Schrank.

    Mit der Etablierung der Ballondilatation und der Stents im Operationssaal als Hybridtechnik verlor der Ringstripper sowieso zunehmend an Bedeutung. Vergessen wurden sie nicht. Als wir nun aber unsere OP-Siebe durchgesehen haben, „reorganisiert“ heißt das im modernen Sprachgebrauch, wurden die Instrumente endgültig ausrangiert. Nicht ohne Wehmut.

    „Das waren noch Zeiten, als noch scharf strippt wurde“, flüsterte eine alternde Mitarbeiterin; nicht von der Reeperbahn, nein: aus Bremen.

    Copyright Prof. Dr. Heiner Wenk

  • Gemarterte Füße

    Unter dem Diktat der Schuhmode im Altertum

     

    Erinnern wir uns zunächst an die verschiedenen Fußtypen. Da gibt es den ägyptischen Fuß (Bild 1), bei dem die Zehen wie die Orgelpfeifen nebeneinander liegen.

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 1

                              

                               Bild 1. Figürliches Gefäß (Kreta?) um 600 v. Chr.

    Bonn, Akademisches Kunstmuseum. Photo: W. Wamser-Krasznai

     

    Beim griechischen Fuß dagegen ist die zweite Zehe am längsten (Bild 2).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 2

     

                         Bild 2. Fuß des Kaisers Constantin, Anf. 4. Jh. n. Chr.

    Nachbildung Trier. Photo: W. Wamser-Krasznai

                          

    Sind alle Zehen nahezu gleich lang dargestellt, dann sprechen wir salopp von einem „Quadratfuß“ (Bild 3). In der Natur ist er nicht leicht zu aufzutreiben; doch bleiben wir hier bei der antiken Kunst.

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 3

     

                            Bild 3.  Dame d’Auxerre, Paris, ca. 640/630 v. Chr.

    Nach Martini 1990, 47 Abb. 13

    Sie – die antike Kunst nämlich – ist überraschend reich an Darstellungen von  Füßen, die wir heute als krankhaft verändert, als deformiert oder leicht beschönigend als „von der Norm abweichend“ bezeichnen würden. Jeder Orthopäde kennt das Bild der verdickten schmerzhaften Ferse, die nach einem schwedischen Kollegen Haglund-Ferse oder Haglund-Exostose heißt (Bild 4).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 4

                                                       Bild 4. Haglundferse

    Nach Rössler – Rüther 2007, 331 f. Abb. 16.74 a

    Sie ist entweder die Folge einer Verknöcherungsstörung der Calcaneus-Apophyse im Wachstumsalter oder die einer überschießenden Verknöcherung am Ansatz der Achillessehne, die durch permanenten Druck der Fersenkappe bei einem Schuh von mangelhafter Passform entsteht. Da schon der bloße Anblick einer derartigen Ferse schmerzt, ist es verblüffend zu erfahren, dass ähnliche Höcker zu bestimmten Zeiten offenbar für besonders darstellenswert galten – etwa im Ägypten der Amarnazeit (Bild 5).

     Wamser-Krasznai-Füße-Bild 5                             

     

                                Bild 5. 14. Jh. v. Chr.Berlin, Neues Museum

    Photo: W. Wamser-Krasznai

    Auch im antiken Griechenland, das der Schönheit und dem Ebenmaß geradezu leidenschaftlich ergeben war, ist die Wiedergabe einer Exostose keine Seltenheit. So weihte man gegen 500 v. Chr. eine Kore, die Statue eines Mädchens, auf die Athener Akropolis, in der Absicht, der Göttin Athena, Schutzpatronin der Stadt, ein kostbares Geschenk zu machen. Die Vorwölbung oberhalb des Calcaneus, des Fersenbeins, ist nicht zu übersehen (Bild 6). Was kann den Bildhauer veranlasst haben, den hinteren Abschnitt eines Mädchenfußes mit einer derartigen Protuberanz auszustatten, um nicht zu sagen: zu verunstalten?

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 6                           

     

                       Bild 6.  Spätarchaische Kore, Athen, Akropolis Nr. 682

    Nach Richter 1968, 71 f. Abb. 364

    Die Vorwölbung erscheint uns als pathologisch, mindestens aber als unschön. Ihre Wiedergabe ist keine Ausnahme und beschränkt sich weder auf das weibliche Geschlecht, noch auf die Zeit der Archaik oder Frühklassik (Bild 7).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 7

    Bild 7. Krieger vom Aphaia-Giebel West links, ca. 480/70 v. Chr.

    Glyptothek München. Photo: W. Wamser-Krasznai

    Sogar das Votiv-Bein auf einem Weihrelief an die Heilgötter Asklepios und Hygieia zeigt eine mäßige Verdickung am oberen Fersenrand (Bild 8).

      Wamser-Krasznai-Füße-Bild 8                                                                              

                                         

                             Bild 8. Weihrelief aus Melos, römische Kaiserzeit

    British Museum London. Photo: W. Wamser-Krasznai                              

                                        

    Was steckt hinter derartigen Äußerungen künstlerischer Gestaltung? Vermutlich war der Skulpteur durch ein lebendes Vorbild angeregt. Er mag es interessant, vielleicht nicht gerade „schön“, auf jeden Fall aber darstellenswert gefunden haben.

    Wodurch sind die Vorwölbungen verursacht?  Nun – sie entstanden und  entstehen auch heute noch durch den permanenten Druck eines Schuhwerks von mangelhafter Passform auf die empfindlichen Teile des Fußes. Damit ist nicht erklärt, weshalb der Höcker bei antiken Darstellungen zumeist etwas höher sitzt als die Fersenkappe eines heutigen Halbschuhs.

    Wie sieht das antike Schuhwerk aus, das einen Fuß zu quälen und krankhafte Reaktionen hervorzurufen vermag? Die Joch- und Netzwerksandalen des 6. und 5. Jhs. v. Chr. (Bild 9) eignen sich offensichtlich wenig dazu, den nötigen Druck zu erzeugen.

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 9

     

                      Bild 9.  Gefäß in Form eines Fußes mit Netzwerksandale

    Um 525-500 v. Chr. London, British Museum.
    Photo: W. Wamser-Krasznai

    Auch geschlossene Schuhe müssen nicht fußfeindlich sein, vorausgesetzt, sie bestehen aus einem schmiegsamen Material. Zwar ist die Ferse selbst (Bild 10) nicht zu sehen, doch lässt sich aus der Form des vorderen Schuhabschnitts auf einen weichen Stoff schließen. Ein Zusammenhang zwischen zeittypischem Schuhwerk und der Angabe eines Fersenhöckers am nackten Fuß ist hier nicht zu erkennen.

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 10

                                 

                           Bild 10. Füße der Nikandre, Athen, ca. 660 v. Chr.

    Nach Martini 1990, 92 Abb. 26

     Wenden wir uns noch einmal dem Fuß unserer Kore, und zwar dem vorderen Abschnitt, zu (Bild 11).

     Wamser-Krasznai-Füße-Bild 11                                                                                                      Bild 11. Kore Akropolis 682

    Nach Karakasi 2001, 172 Taf. 252 c

    Wir sehen, wie der Querriemen der zierlichen Sandale die kleine Zehe aus ihrer naturgewollten Stellung in die Adduktion drängt, d. h. an die vierte Zehe heranzieht. Das Martyrium hat begonnen. In allernächster Zeit wird ein schmerzhafter Kleinzehenballen entstehen, das Gegenstück zum Hallux valgus. Damit ist ein bedeutsames Stichwort gefallen.

    Sextus Pompeius Festus (2. Jh. n. Chr.) stellt hallux und hallestai= ἃλλεσθαι (hinaufspringen) sprachlich nebeneinander und beschreibt sie im Lateinischen als „pollex (pedis) scandens super proximum, dictus a saliendo“ – als großen Zeh, der über den nächsten steigt, weil er gleichsam auf diesen hinaufgesprungen scheint[1] (Bild 12).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 12

                                                 Bild 12. Hallux valgus

    Nach Rössler – Rüther 2007, 331-333 Abb. 16.76 a

    Dass die große Zehe im Gegensatz zu den anderen nur aus zwei Phalangen besteht, war schon Galen[2] bekannt und wurde von ihm als eine der tektonischen Voraussetzungen für die Stabilität des medialen Längstragbogens gesehen[3].

    Die Entwicklung der geradeaus nach vorn gerichteten Großzehe zum Hallux valgus lässt sich an Bildwerken der Antike verfolgen. Beginnen wir mit den Jahren um 570 v. Chr., zunächst in Attika, in der Gegend von Athen. Trotz der hohen Sohle ist die Welt für den Fuß noch in Ordnung (Bild 13).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 13

                          Bild 13. Detail der sog. Berliner Göttin, ca. 570 v. Chr.

    Photo: W. Wamser-Krasznai

    Wir bleiben ungefähr in dieser Zeit und bei demselben Sandalentypus, der von seiner Grundform her dem Fuß keine Gewalt antut, begeben uns aber nach Etrurien. Wie wir sehen, zieht der Sandalenriemen die große Zehe aus ihrer geraden Richtung nach außen gegen die 2. Zehe, nach lateral, wie wir sagen. Spreizfuß und Hallux valgus kündigen sich an (Bild 14). Bereits im Altertum müssen also negative Kräfte auf den Fuß eingewirkt haben, die stärker waren als dessen empfindlichste Teile.

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 14

     

    Bild 14. Detail einer Frauenstatuette aus Vulci/Etrurien, Anf. 6. Jh. v. Chr.

    Brit. Mus. London, nach Sprenger – Bartoloni 1977, 93 f. Abb. 46 b.

    Wir brauchen nicht weit zu suchen, um die Ursachen zu finden. Auch in der Antike gab es Zeiten, in denen es schick war, extrem spitze Schuhe zu tragen (Bild 15).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 15

                            Bild 15. Kore Akropolis 683, spätarchaische Zeit

    Nach Richter 1968, 77 f. Abb. 384

    Die junge Frau ist mit einem vollkommen „symmetrischen“ Halbschuh bekleidet. Bei diesen hochgradig fußfeindlichen Konturen hilft es nicht viel, wenn wir annehmen, dass es sich um einen „griechischen Fuß“ handelt, dessen längste Zehe, die zweite, sich bis in die Schuhspitze hinein ausstrecken kann. Der Hallux, die Zehe Nr. 1, wird ja trotzdem rigoros nach lateral, nach außen, gedrängt. Das ist aber nicht alles. Auch die kleinen Zehen, die vierte und  fünfte, geraten unter Druck, und zwar nach medial, zur Mitte hin. Alles im Dienste der Schönheit! Vollends in der Spätantike scheint ein handfester Spreizfuß dem Schönheitsempfinden nicht widersprochen zu haben. Wie hätte sonst ein Elfenbeinschnitzer es wagen können, eine Göttin, noch dazu Hygieia, die Göttin der Gesundheit, mit einem so ausgeprägten Hallux valgus darzustellen (Bild 16)?

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 16

                   Bild 16. Hygieia mit Spreizfuß, Elfenbeindiptychon ca. 400 n. Chr.

    Nach Simon 1990, 25 Abb. 22

    Modische Narrheit war auch in der Antike nicht auf das weibliche Geschlecht  beschränkt. Das Schuhwerk des karischen Satrapen Maussolos von  Halikarnassos drängt die große Zehe ebenfalls in die Valgisierung, d. h. nach außen, den armen gequetschten kleinen Zehen entgegen (Bild 17).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 17

                           Bild 17. rechter Fuß des Maussollos. Mitte 4. Jh. v. Chr.

    London, Brit. Mus. Photo: W. Wamser-Krasznai

    Was sagen die antiken Schriftsteller dazu? Von Plutarch ist die folgende Episode überliefert: Ein Römer, der von seinen Freunden getadelt wird, weil er seiner sittsamen, reichen und schönen Frau den Scheidebrief geschickt habe, streckt seinen Fuß vor und sagt: Auch dieser Schuh ist schön anzusehen und neu, aber niemand weiß, wo er mich drückt[4]. Pikanterweise sind es gerade die Füße des schönen Apollon vom Belvedere, die sich dazu eignen, einen solchen Text zu illustrieren (Bild 18). Die Art, wie der Sandalenrand die erste, zweite und fünfte Zehe beeinträchtigt und ihnen den notwendigen Spielraum nimmt, ist geradezu ein Musterbeispiel für das Martyrium des Fußes.

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 18

                             Bild 18. Linker Fuß des Apollon, 330/20 v. Chr.

    Nach Dohan Morrow 1985, 106 Abb. 96

    Aristophanes, der alte Spötter, legt einem Ehemann, der sich gern einmal ein Paar anständige Hörner aufsetzen lässt, die folgende Bitte in den Mund:

    „O Schuhmacher, meiner Frau quetscht der Schuh das kleine Fußzehchen zusammen, es ist ja so zart. Komm du zur Mittagszeit und weite ihn, auf dass er größer sei…“ (Lysistrate).

    Ein Exkurs ins Mittelalter zeigt, dass es dem vornehmen Ratsherren nicht genügte, Schuhe mit lang ausgezogenen Schnäbeln zu tragen, nein, er bindet sich noch ein Glöckchen an die Spitze, damit jedermann hören und sehen kann, wie er um der Mode willen einen Narren aus sich macht (Bild 19).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 19

     

                             Bild 19: Gotisches Schuhwerk im Miniaturformat,

    Meister Richard Fenchel, Butzbach. Photo: W. Wamser-Krasznai

    Auch missgebildete Götterfüße lässt die antike Bilderwelt ausnahmsweise zu. Beim Klumpfuß handelt es sich bekanntlich um ein angeborenes Leiden. Hephaistos, der Gott der Schmiede, sagt von sich, dass er „als Krüppel zur Welt“ kam[5], was ihn aber nicht hindert, Karriere als Kunsthandwerker zu machen und mit seinen Erzeugnissen weithin berühmt zu werden. Auf Bitten der Göttin Thetis schmiedet er die Waffen für ihren Sohn Achilleus (Bild 20), allerdings ohne diesen damit vor dem tödlichen Pfeilschuss in die Ferse, seine einzige verwundbare Stelle, retten zu können.

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 20

                    Bild 20: Hephaistos / Sethlans zwischen Thetis und Achill

    Etruskischer Karneolskarabäus, 530/520 v. Chr. nach  LIMC IV, 1988

                    

    „Dem Musiker Dorion, der einen Klumpfuß hatte, kam“, wie Athenaios berichtet[6], „bei einem Symposion der Schuh des behinderten Fußes abhanden“  – man streifte ja bekanntlich die Schuhe ab, bevor man sich zu Tische legte – Dorion also sagte, „Ich will dem Dieb nichts Schlimmeres wünschen, als dass ihm der Schuh passt“.

    Unsere Betrachtungen zur Diktatur der Schuhmode im Altertum blieben unvollständig ohne einen Blick auf ihre Auswüchse. Wer Schillers Balladen noch kennt, dem fallen zum hochsohligen Schuh des Schauspielers „Die Kraniche des Ibykus“ ein. Dort heißt es:

    So schreiten keine ird’schen Weiber,
    die zeugete kein sterblich Haus.
    Es steigt das Riesenmaß der Leiber
    Hoch über Menschliches hinaus.

    Wamser-KRasznai-Füße-Bild 21

                                         Bild 21: Römisches Mosaik, 3. Jh. n. Chr.

    Altes Museum Berlin. Photo: W. Wamser-Krasznai

    Häufig wird der Kothurn vorschnell mit dem stelzenartigen Schuh der römischen Kaiserzeit assoziiert. Doch seine Grundform war flach. Er hatte einen weichen, weiten Schaft und eine schnabelartige Spitze[7]. Ein solches Paar war symmetrisch geschnitten, sodass beide Schuhe jeweils an beide Füße passten[8]. Sie waren, um es mit Galen zu sagen, über einen Leisten geschlagen[9]. Die Erhöhung der Sohlen beginnt erst im Hellenismus und steigert sich weiter in der römischen Kaiserzeit (Bild 21).

    Neben den hohen Kothurnen gab es die sog. Tyrrhenischen Sandalen[10]. Sie hatten vergoldete Riemen und Sohlen von extremer Höhe.                                                 

    Mit der Aufforderung: Folge mir! versprechen die Abdrücke genagelter Schuhsohlen allerlei Liebesfreuden (Bild 22).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 23                                           

     

                                  Bild 22: Akolouthi! Folge mir! 2./3. Jh. n. Chr.

    Nach Lau 1967, 93 Abb. 19

    „Die Frauen treiben es so weit, dass sie mittels der Schuhnägel ihre Schuhsohlen…mit Liebesgrüßen…dekorieren…und dem Boden…wie mit einem Siegelstempel ihre Courtisanengedanken aufprägen“, klagt Clemens von Alexandria[11] .

    Wann und wo begegnen uns antike Fuß-Darstellungen, die dem natürlichen Ebenmaß Rechnung tragen und frei sind von Anzeichen des Martyriums?

    Ein erfreuliches Beispiel geben manche Statuen von Kleinkindern (Bild 23).

    Wamser-Krasznai-Füße-Bild 24

     

                            Bild 23. Der kindliche Herakles als Schlangentöter

    Rom, Kapitolinische Museen. Photo: W. Wamser-Krasznai

    Beim Erwachsenen ist das ebenso selten wie in unserer heutigen, ach so zivilisierten Welt. Wir begeben uns auf die Insel Samos und gehen weit zurück, in die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. (Bild 24). Da schuf der Künstler die Bronzestatuette eines zierlichen Mädchens und umkleidete den „ägyptischen Fuß“  mit einem geschlossenen Schuh. Dabei ließ er den Zehen ihre naturgegebene Freiheit, ohne sie gewaltsam in eine andere Form zu pressen.

    Wamser-Krasznai-Bild 24-Korenstatuette aus dem HEraion

     

    Bild 24. Korenstatuette aus dem Heraion, um 550 v. Chr.

    Bronze. Berlin, Altes Museum. Photo: W. Wamser-Krasznai

    Nur – entspricht dies dem heutigen Schönheitsempfinden? Wohl kaum!

    Eher könnten wir uns mit der Form des Sandalengefäßes (Bild 1) befreunden. Auch da liegen die Zehen, wir sagten es schon, bequem nebeneinander „wie die Orgelpfeifen“.

    Es ist davon auszugehen, dass die antiken Künstler erstens ihre Anregungen aus dem Leben nahmen, und dass sie zweitens die kleineren und größeren Abweichungen von der physiologischen Norm in ihr und ihrer Zeitgenossen klassisch-hellenistisches Schönheitsideal aufnahmen. Weihgaben an die Gottheit oder gar Statuen von Göttern als unschön, hässlich, krankhaft darzustellen wäre verwerflich. Der Künstler hätte riskiert, nicht nur den Unmut der Gottheit hervorzurufen, sondern auch seine Auftraggeber zu verlieren. Die Wiedergabe verformter Füße wie im Fall von Hephaistos (Bild 20) stellt eine Ausnahme dar, die einen besonderen Gott auf besondere Art kennzeichnet[12]. So bleibt es nach allem, was wir gesehen haben, auch in der Antike bei der betrüblichen Tatsache: Wer schön sein will, muss leiden[13]. Um derart unangenehmen Wahrheiten zu entgehen, haben wir die Möglichkeit, das Symposion zu verlassen, nachdem wir uns die Schuhe haben bringen zu lassen[14], oder eleganter…

    wir schnallen uns Flügel an die Füße und gehen in die Luft! (Bild 25)

    Wamser-KRasznai-Füße-Bild 25

    Bild 25. Hermes mit geflügelten Schuhen, 500-490 v. Chr.

    Nach Zanker 1965, 31 Taf. 5 a

     

    Abgekürzt zitierte Literatur und Abbildungsnachweis:

    Bieber 1941: M. Bieber, Ne supra crepidam sutor iudicaret, AJA 45, 1941, 62f.

    Dohan Morrow 1985: K. Dohan Morrow, Greek Footwear and the Dating of Sculpture (Madison 1985)Bild 18

    Karakasi 2001: K. Karakasi, Archaische Koren (München 2001)  Bild 11

    Lau 1967: O. Lau, Schuster und Schusterhandwerk in der griechisch-römischen Literatur und Kunst (Bonn 1967)  Bild 22

    LIMC  IV 1988: LIMC IV (1988) 657 Nr. 18 a Taf. 405 s. v. Sethlans (I. Krauskopf)  Bild 20

    Martini 1990: W. Martini, Die archaische Plastik der Griechen (Darmstadt 1990) Bild 3. 10

    Michler 1986: M. Michler, Zum Hallux valgus in der Antike, in: W. Blauth (Hrsg.), Hallux valgus (Berlin – Heidelberg 1986) 1-18

    Richter 1968: G. M. A. Richter, Korai (London 1968)  Bild 6. 15

    Rössler – Rüther 2007: H. Rössler – W. Rüther, Orthopädie und Unfallchirurgie (München 2007) 331-333 Abb. 16.74 a und 16.76 a   Bild 4. 12

    Simon 1972: E. Simon, Das antike Theater (Heidelberg 1972)

    Simon 1990: E. Simon, Die Götter der Römer (München 1990)  Bild 16

    Sprenger – Bartoloni 1977: M. Sprenger – G. Bartoloni, Die Etrusker. Kunst und Geschichte (München 1977)  Bild 14

    Wamser-Krasznai 2005: W. Wamser-Krasznai, Wer schön sein will, muss leiden…oder Glanz und Elend des menschlichen Fußes, Orthoprof. 4/2005, 5-9

    Wamser-Krasznai 2013: W. Wamser-Krasznai, Hephaistos – ein hinkender Künstler und Gott, in: dies., Auf schmalem Pfad (Budapest 2013) 72-82.

    Zanker 1965: P. Zanker, Wandel der Hermesgestalt in der attischen Vasenmalerei (Bonn 1965)   Bild 25

     

    [1] Michler 1986, 2.

    [2] Griechischer Arzt, geb. ca. 130 n. Chr. in Pergamon, gest. nach 204 n. Chr. in Rom.

    [3] Gal., De usu partium lib. III, c.8; Michler 1986, 3 Anm. 11.

    [4] Plut. mor. conjung. praec. 141, 22.

    [5] Homer, Od. 8, 310-311.

    [6] Athen. Gelehrtenmahl 8, 338 a.

    [7] Simon 1972, 23 f.

    [8] Lau 1967, 128 f.

    [9] Gal., De sanitate tuenda lib. V, 11.

    [10] Dohan Morrow 1985, 183 mit Anm. 77. Eindrucksvolle Abbildung z. B. in: Pergamon. Panorama der antiken Metropole (Berlin 2011) 491 Nr. 4.3.

    [11] Paedagogus XI, 11.

    [12]Dazu: Wamser-Krasznai 2013, 72-82.

    [13]Wamser-Krasznai 2005.

    [14] Vorführungen durch Behinderte wurden von gewissen Zuschauern abgelehnt. Sie ließen sich „die Schuhe bringen“, um das Symposion zu verlassen, Pliniusbrief  9, 17.

  • „Und was haben die im Krankenhaus gefunden?“ „Ja, die haben bei mir ein vegetarisches Nervensystem entdeckt!“

    „Am meisten tun mir meine Kopfschmerzen immer im Kopf weh.“

    „… und dann haben sie mir diese eigenartigen Kobold-Bestrahlungen gegeben.“

    „Neulich haben sie beim Röntgenologen eine Monografie von meinem Busen gemacht!“

    „Ich möchte einen Termin zu einer Krebsvorhersage!“

    Eine alte Dame von etwa 70 Jahren: „In meinem Alter muss man damit rechnen, dass man immer älter wird.“

    „Immer wenn ich mal schneller gehe oder Treppen steige, denke ich, es ist meine Harnblase.“

    „Ich kann Ihnen mit gutem Gewissen sagen, dass es in meiner Familie keine Erbanlagen gibt.“

     

    Aus: „Ich bin mit meinem Alter schon seit Jahren nicht mehr einverstanden! Stilblüten aus der ärztlichen Sprechstunde“, Sigurd Göttlicher, Erich Weiß Verlag, 2015

    Mit freundlicher Genehmigung des Erich Weiß-Verlags, Bamberg

     

  • Nicht nur zum Waschen….

    Vom Wasser in der Antike

     

               Wamser-Krasznai -Wasser Bild 1

     

                    Bild 1: Salvom lavisse, bene lava – „Angenehmes Baden!“
    Mosaiken in Sabratha/Libyen. Photo der Verfasserin, 2009

    In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts kam ein Liedchen auf, dessen Refrain „Wasser ist zum Waschen da, falleri und fallera…..“ im Handumdrehen Karriere als Ohrwurm machte. Der ausführliche Text geht populär persiflierend auf einige der wichtigsten Aspekte des Wassers ein.

    Sehen wir uns daraufhin bei den antiken literarischen Quellen um, so lesen wir bei Platon von der Einteilung der Erdbewohner in solche, die innerhalb und andere, die außerhalb der Säulen des Herakles[1] leben (Plat. Kritias 108 e), nämlich die Einwohner von Attika und Atlantis. Dem ersteren, griechischen, Lande gab Zeus Jahr für Jahr reichlich Wasser, das aber nicht wie heute von der nackten Erde ins Meer abfloss, sondern vom Erdreich aufgenommen wurde und sich zusätzlich in Hohlräumen sammelte. Überall gab es „Ströme von Quellwassern und Flüssen. An ihren ehemaligen Quellen auch jetzt noch erhaltene Heiligtümer…“ (Plat. Kritias 111 d). Er geht dann zu den Verhältnissen in Atlantis über, einer Insel, die im Losverfahren dem Bruder des Zeus, Poseidon, zugefallen war. Auch dort quoll kaltes und warmes Wasser aus dem Boden, „wobei jedes von beiden nach Wohlgeschmack und Güte … für den Gebrauch wunderbar geeignet war … und sie schufen ringsum Wasserbassins, die teils unter freiem Himmel lagen, teils überdachte Winterbassins für die warmen Bäder, und zwar getrennt für die Könige und die Privatleute, ferner für die Frauen (sic!), weitere für Pferde und die übrigen Zugtiere…“ (Plat. Kritias 117 a. b).

    Wir hören vom Geschmack des Trinkwassers, von üppiger Vegetation und blühender Viehzucht in ihrer Abhängigkeit vom Wasser, aber auch von Badebecken mit kaltem und warmem Wasser, das nicht nur den Einwohnern, getrennt nach Geschlechtern und sozialem Stand, sondern auch den größeren Nutztieren zur Verfügung stand (Plat. Kritias 111 b. c). Zudem erfahren wir von den Kultorten in der Nähe der Quellen, wo man die Gottheiten, die das Leben spendende Wasser schenken[2], verehrt.

     

    Trinkwasser

    Qualvoll ist es, nicht trinken zu können, wenn man Durst hat. So übel ergeht es dem Frevler Tantalus, der zur Strafe im Tartaros unablässig am Trinken gehindert wird:

    „Dürstend stand er und konnte es doch nicht erreichen.
    Denn sooft er sich bückte, der Greis, im Wunsche zu trinken,
    zog sich das Wasser zurück und verschwand, und unter den Füßen zeigte sich schwarze Erde. Ein Dämon machte sie trocken.“ (Hom. Od. 583-586)

    Zu den frühen Schriften, die im Umkreis des Hippokrates entstanden, zählt die Abhandlung „Über Luft, Wasser und Orte“, auch „Über die Umwelt“ genannt. Darin wird dem in einer fremden Stadt Ankommenden empfohlen, genau zu „überlegen, …wie es mit den Gewässern steht, ob die Menschen sumpfiges oder weiches Wasser trinken oder hartes, das von felsigen Höhen fließt, oder salziges und schwerverdauliches…“[3].

    Keine Wasserart war in der Antike so hoch geschätzt wie das Quellwasser. Die Entnahmestelle, Krene, wurde durch eine Einfassung geschützt. Schöpf- und Laufbrunnen[4] entstanden. Man legte überdachte Reservoirs, Gefälleleitungen, steinerne Kanäle und Rohrleitungen an. Letztere bestanden  überwiegend aus Ton oder  Blei[5]. Trinkwasser für Rom und Italien war vor allem zur Zeit des Trajan (109-117 n. Chr.) ein kaiserliches Anliegen. Zum Teil musste das kostbare Nass mittels Aquaedukten über weite Strecken herangeführt werden. Es gab einen Wasserdirektor, den curator aquarum, und man feierte die Fontinalia zu Ehren des Quellgottes Fons, der in Rom Staatskult genoss[6].

     

    Wamser-Krasznai-Wasser Bild 2

     

    Bild 2:  Aquaedukt von Olbia Diokaisarea, Kilikien, 2. Jh. n. Chr.
    Aufnahme der Verfasserin, 2013

     

    Reinigendes Wasser

    Über die Wohltat des Bades ergeht sich Homer in ausführlichen Schilderungen. Dem staubigen, verschwitzten Gast bietet der Gastgeber neben Speise und Trank auch warme Bäder und frische Kleider.

    Und so

    „Stiegen sie ein zum Bad in die wohlgeglätteten Wannen.“ (Hom. Od. 4, 48)
    „Und eine Dienerin brachte in schöner goldener Kanne Handwaschwasser und netzte damit über silbernem Becken Ihnen die Hände….“ (Hom. Od. 4, 52 f.)

    Letzteres entsprach wohl eher einem Ritual als übertriebenem Reinlichkeitsbedürfnis. Auch die Fußwaschung, die das Behagen des Gastes erhöht, ist Teil des Begrüßungszeremoniells:

    „…Und die Alte ergriff die blinkende Wanne,
    Die zum Waschen der Füße diente, und füllte viel
    Kaltes Wasser hinein und schöpfte dann warmes dazu…“

    (Hom. Od. 19, 386-88)

     

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 3

                         Bild 3: Eurykleia bei der Fußwaschung des Odysseus
    Nach Furtwängler-Reichhold 1904, Taf. 142[7]

    Draußen erfreuen sich Nausikaa und ihre Freundinnen am fließenden Wasser:

    Und sie badeten sich und salbten sich mit dem Salböl

    …..bis die Gewänder vom Strahle der Sonne getrocknet (Hom. Od. 6, 96).

    Zuweilen entwickelt das Reinigungsbad geradezu therapeutische Eigenschaften:

    „Als das Wasser dann heiß im blanken erzenen Kessel,
    Setzte sie (Kirke) mich ins Bad und goss es aus mächtigem Dreifuß
    Mir mit duftenden Kräutern vermischt übers Haupt und die Schultern,Bis sie mir die verzehrende Mattheit nahm von den Gliedern.“

    (Hom. Od. 10, 360-365)

     

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 4

    Bild 4: aus Amathous/Zypern, 7./6. Jh. v. Chr.
    nach Karageorghis 1995, 140-142 Taf. 81, 1

     

    Noch deutlicher wird das in der Ilias:
    Nestor lässt ein Bad für Machaon richten:

    „Bis dass ein warmes Bad Hekamede mit kräftigen Flechten
    Für dich wärmt und abwäscht den blutigen Schorf von der Wunde.“

    (Hom. Il. 14, 6)[8].

    Achill lehnt zum Zeichen der Trauer die Wohltat des Bades ab,

    „Ehe Patroklos nicht ist verbrannt und das Mal ihm geschüttet“

    (Hom. Il. 23, 39-45)

    Erst danach erlauben die Gebräuche,
    „Einen Dreifuß ans Feuer zu stellen, um zu versuchen,
    Den Peliden rein zu waschen vom blutigen Schorfe.“

    Wasser in Mythos und Kult

    Berühmte Orakel gehen direkt von einer Quelle aus. Es… „befindet sich in den Trümmern von Hysiai (im Gebiet von Platiai / Böotien)…ein heiliger Brunnen; einst holte man sich …aus dem Brunnen durch Trinken Orakel“ (Paus. IX 2, 1). Auch an anderen Orten wird die Kraft der Weissagung durch einen Trunk aus einem Brunnen oder einer Quelle verliehen[9]. Hellseherische Begeisterung ist eine Gabe der Nymphen[10]. Die überwältigende Erfahrung der Ergriffenheit durch die Nymphen, der Nympholepsie, vermag die Menschen mitzureißen und in Verzückung zu versetzen. Als Folgen einer Erweiterung des Bewusstseins und geschärfter Wahrnehmung können sich besondere rhetorische Fähigkeiten[11]  und gesteigerte Ausdruckskraft einstellen[12]. Der schöne Jüngling Hylas freilich wird von den Nymphen in Persona ergriffen und in die Tiefe gezogen[13].

    Aus der engen Beziehung des göttlichen Geschwisterpaars Artemis und Apollon zur Reinheit ergibt sich deren Affinität zu allen strömenden Gewässern. Das begann bereits vor der Geburt der Zwillinge, da Leto, die von der eifersüchtigen Hera verfolgte werdende Mutter, die thessalischen Nymphen um Fürsprache beim Flussgott Peneios bat, damit dieser seine Fluten anhielt und ihr so die ruhige Geburt im Flussbett ermögliche (Kall. h. in del. 109). Später gehörten zahlreiche Nymphen zu den dienenden Begleiterinnen der Artemis[14]. Wasser ist heilig, da es jede Art von Befleckung wegzunehmen vermag[15]. Auch zu den Asklepieia[16] gehört die Nähe von Quellhäusern und Brunnenanlagen, denn: „Rein muss sein, wer in den duftenden Tempel tritt, rein sein ist aber, heilige Gedanken zu haben“[17]. Plutos (= der reiche Mann) begibt sich, nachdem er sich durch Baden im Meer gereinigt hat, mit seinen Begleitern in den heiligen Bezirk des Asklepios, wo die Opfer, Honigkuchen und anderes Backwerk, auf dem Heiligen Tisch deponiert werden (Aristoph. Plut. 660-663).

    Ein Trunk aus den Wassern der Lethe endlich lässt die Verstorbenen ihre Erdenschicksale vergessen, auf dass ihnen die Ruhe des Hades zuteilwerde[18].

    Wasser und Heilwässer zu therapeutischen Zwecken

    Frühe Spuren des Gebrauchs von Heilwässern finden sich in Griechenland und seinen westlichen Kolonien in den Gegenden, die über zahlreiche „gesunde Flüsse“ und natürliche, durch Calor, Odor und Color[19] auffällige Quellen verfügen[20].  „Am blauesten ist das Wasser, das ich an den Thermopylen sah, aber nicht alles, sondern nur das, das in das Schwimmbecken fließt, das die Einheimischen ‚Frauenwannen‘ nennen“ (Paus. IV, 35, 9).

    Auch Herodot wusste davon:

    „Im Westen der Thermopylen…gibt es warme Quellen, die die Einheimischen ‚Kochtöpfe‘ nennen“ (Hdt. VII, 176, 3)[21].

    In der Argolis steigt Süßwasser aus dem Meer auf (Paus. VIII, 7, 2), aber vor Dikaiarcheia (Puteoli=Pozzuoli) im Etruskerland“ gebe „es kochendes Wasser im Meer und eine künstliche Insel dafür, damit auch dieses Wasser nicht ungenutzt bleibe, sondern ihnen zu warmen Bädern diene“ (Paus. VIII, 7, 3).

    Doch Hippokrates warnt: „Wo warme Gewässer aus dem Boden kommen oder Eisen, Kupfer, Silber, Gold, Schwefel, Vitriol, Erdpech oder Natron vorhanden sind – solches Wasser halte ich zu jeder Verwendung für schlecht.“ (Hippokr. Schriften „Über Luft, Wasser und Ortslagen“)[22]. Bittere Erfahrung machte ein Athener, der an Pachydermie und Juckreiz litt: …„dabei war die Haut dick über den ganzen Körper und sah wie die Schuppenflechte (lepra) aus; an keinem Körperteil konnte man die Haut abheben wegen ihrer Dicke…“. Er „reiste nach Melos, wo die warmen Bäder sind; hier genas er vom Juckreiz und von der Dickhäutigkeit (pachydermia), starb aber an der Wassersucht“. (Hippokr. Schriften „Über die epidemischen Krankheiten“) [23]. Das ist nicht gerade  ermutigend. Mehr Hoffnung macht 500 Jahre später Pausanias:

    „In Samikon[24] ist eine Höhle nicht weit vom Fluss, die Höhle der anigridischen Nymphen genannt. Und wer mit der Weißfleckenkrankheit hineingeht, muss zuerst zu den Nymphen beten und ihnen ein Opfer geloben, und dann lösen sich die kranken Stellen des Körpers ab. Wenn er den Fluss durchschwimmt, lässt er jenen Schaden in seinem Wasser zurück und steigt gesund und mit gleichmäßiger Hautfarbe heraus“ (Paus. V, 5, 11).

    Die elischen Nymphen werden gleich göttlichen Ärztinnen verehrt:

    „Gegen 50 Stadien von Olympia entfernt liegt das elische Dorf Herakleia und dabei der Fluss Kytheros; eine Quelle ist da, die in den Fluss mündet, und ein Nymphenheiligtum an der Quelle. Jede der Nymphen hat ihren besonderen Namen“ (Paus. VI, 22, 7). Eine von ihnen trägt den sprechenden Namen Iasis, die Heilende. „Wenn man in der Quelle badet, erlangt man Heilung von Erschöpfung und verschiedenen Schmerzen…“

    Neben den zahlreichen Heilnymphen war es besonders Herakles, der Heros der Arbeit, den man als Schirmherrn der Heilquellen verehrte. Unter seinem Schutz (oder dem des Asklepios?)[25] steht wohl auch die Magnesium-Sulfat-Therme von Himera auf Sizilien. Noch heute sei das 42o C warme Wasser in Gebrauch[26]. Eine um 420 v. Chr. geprägte Münze zeigt die Ortsnymphe bei der Libation vor einem Altar[27] sowie einen Satyr, der seine linke Schulter dem scharfen Strahl  aus dem Löwenkopf-Wasserspeier aussetzt. Wir wollen für den kleinen Trabanten des Dionysos hoffen, dass er nicht an einer akuten Gelenkentzündung litt – dann könnte nämlich der Nutzen des „Blitzgusses“[28] leicht auf Seiten des behandelnden Arztes sein statt auf der des Patienten!

     

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 5

    Bild 5: Silbernes Tetradrachmon, 430/420 v. Chr.
    nach Franke 1964, 44 f. Taf. 22 a

    Ergötzliches Wasser. Baden als Lustgewinn

    In Rom wurde das Badewesen, das in republikanischer Zeit als moralisch nicht akzeptabel galt[29], zunächst mit Vorbehalt aufgenommen. Zwar hatte Scipio Africanus, der Sieger über Hannibal, in seiner Villa im kampanischen Liternum, in die er sich Anfang des 2. Jhs. v. Chr. zurückzog, ein kleines privates Bad, doch stand dieses in krassem Gegensatz zu dem Badeluxus, den man 250 Jahre später für selbstverständlich hielt[30]. 33 n. Chr. gab es in Rom bereits 170 öffentliche Bäder.

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 6

                Bild 6: Hypokausten in der Hafentherme in Leptis Magna/Libyen
    Aufnahme der Verfasserin, 2009

    Zu Zeit des Scipio erfreuten sich die Griechen bereits einer entwickelten Badekultur. Es gab Gemeinschaftsbäder mit Sitzwannen und Schwitzbad, Duschen und Becken, und auch ihre Sport- und Bildungsstätten, die Gymnasien, waren mit Badeanlagen ausgestattet. Durch Perfektionierung und Standardisierung der im griechisch-hellenistischen Kulturraum entwickelten Bodenheizungen und Badeanlagen[31] entstand ein Ambiente, das man sich ohne kostbare Marmorintarsien, Glasmosaiken und  Nachbildungen berühmter griechischer Skulpturen nicht vorstellen konnte: die römische Therme.

    Überkam den Badegast ein menschliches Rühren, so brauchte er einen angefangenen Dialog deshalb nicht zu unterbrechen. Latrinen waren Gemeinschaftsräume, Stätten der Kommunikation. Man konnte das WC, das von ständig fließendem Wasser durchspült wurde, in Gesellschaft betreten und,   immerfort diskutierend, alle notwendigen Geschäfte dabei erledigen.

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 7

                   Bild 7: Latrine in der Hafentherme von Leptis Magna/Libyen
    Photo der Verfasserin, 2009

    Für die Ableitung des Brauchwassers hatte man in Rom schon frühzeitig gesorgt, und zwar wie es die Überlieferung will durch die Ingenieure des etruskischen Königs Tarquinius Priscus, der die Cloaca maxima erbauen ließ. Aus dem unterirdischen Kanal wurde der flüssige Dreck – wohin wohl – natürlich direkt in den Tiber entsorgt. Das wird uns doch nicht überraschen? Betrachten wir nur einmal die Wasser der heutigen „schönen blauen Donau“ oder die des ebenso schönen Rheines!

    Wamser-Krasznai Wasser Bild 8

    Bild 8: Rom, Mündung der Cloaca maxima in den Tiber
    Zustand 1958, Photo der Verfasserin

    Übrigens handelt es sich bei der berühmten Bocca della verità in der römischen Kirche Santa Maria in Cosmedin möglicherweise um einen Kanaldeckel dieser Kloake[32].

    Bereits in der frühen Römischen Kaiserzeit wuchs die Neigung zu Luxuria atque avaritia, Luxus und Habgier. Ausgehend von der Hauptstadt verbreitete sie sich über die Villenvororte vor allem in der kampanischen Küstenregion, den „goldenen Strand der Venus“ (Mart. Epigrammata XI, 80)[33]. Dort entwickelte sich Baiae zu einem ebenso beliebten und „schicken“ Modebad wie sehr viel später Bad Ischl zur Zeit der Donaumonarchie. In mancher Hinsicht freilich dürfte das kampanische Seebad das k. und k. Landstädtchen im Salzkammergut übertroffen haben. Wenn wir Martial und seinen dichtenden und schriftstellernden Zeitgenossen glauben wollen, so geriet Baiae nicht nur zu einem Zentrum der Üppigkeit und Schwelgerei, sondern auch zu einem wahren „Sündenbabel“. Wohlanständige  Ehefrauen, die als keusche Penelope gekommen waren, verließen den Ort der Freuden nicht selten als kapriziöse Helena mit einem Paris im Gefolge (Mart. 1, 63) [34].

    „Ihr trinkt sogar verschiedenes Wasser!“ (Juv. V 52) geißelt Juvenal „die neumodische Verbindung von übertriebenem Luxus mit schmutzigem Geiz“. Es war nämlich durchaus üblich, die Teilnehmer am Gastmahl ihren sozialen Stellungen entsprechend zu bewirten. Sich selbst und erlesenen Freunden ließ der Gastgeber Delikatessen auftragen. Für geringere Freunde war eine einfachere Bewirtungsklasse vorgesehen und eine dritte noch schlichtere für die Freigelassenen (Plin. Epist. II 6, 2 und 6)[35]. Doch vor erfahrenen ‚Symposiums-Haien‘ und dickfelligen Schnorrern vermochte das System den vermögenden Gastgeber nicht zu schützen.

    Moderne Spa-Abteilungen und Wellness-Oasen in ehrgeizigen zeitgenössischen Hotels versuchen, sich dem Fluidum und den Attraktionen des „goldenen Strandes“ der römischen Kaiserzeit anzunähern, ganz im Gegensatz zu den heutigen Rehabilitations-Einrichtungen mit ihrer Atmosphäre von Ehrgeiz und Leistung. Übrigens bedeutet das Wort Spa weder eine Verstümmelung von Spa-ß-bad, noch handelt es sich um historisierende Abkürzungen wie „Sanus per Aquam, Salus per Aquam oder Sanitas per Aquam (Gesundheit durch Wasser). Das wäre zwar durchaus passend, aber nein, Spa hat seine Bezeichnung vom gleichnamigen belgischen Badeort, von dem ausgehend das Wort Spa seit dem 17. Jh. in Britannien für Mineralquellen und dann ganz allgemein als englisches Synonym für unser deutsches „Bad“ gebraucht wurde. Also nachgestellt, Bath Spa entsprechend Bad Nauheim?

    Antike Bade- und Tafelfreuden gingen Hand in Hand. Man ließ seinen Rausch im Schwitzbad verfliegen, holte sich dort neuen Durst oder verlegte das weitere Zechen gleich ganz in die Therme[36]. Kein Wunder, dass es das folgende Distichon[37] zur Grabinschrift brachte:

    Balnea, vina, venus corrumpunt corpora nostra,
    sed vitam faciunt balnea vina venus.

    „Die Bäder, die Weine, die Liebe: sie richten den Körper zugrunde.
    Doch sie sind auch das Leben: Die Bäder, die Liebe, der Wein“[38].

    Abgekürzt zitierte Literatur:

    Benedum 1985: J. Benedum, Physikalische Medizin und Balneologie im Spiegel der Medizingeschichte, Zeitschrift für Physikalische Medizin, Balneologie und Medizinische Klimatologie 14, 1985, 141-159, hier 144

    Benedum 1994: J. Benedum, Die Therapie rheumatischer Erkrankungen im

    Wandel der Zeit (Stuttgart 1994)

    Brödner 1983: E. Brödner, Die römischen Thermen und das antike Badewesen (Darmstadt 1983)

    De Haan 2007: N. de Haan, Luxus Wasser. Privatbäder in der Vesuvregion, in: R. Aßkamp – M. Brouwer – J. Christiansen – H. Kenzler – L. Wamser (Hrsg.), Luxus und Dekadenz. Römisches Leben am Golf von Neapel (Mainz 2007), 122-137

    Dierichs 2007: A. Dierichs, Am goldenen Strand der Venus, in: R. Aßkamp – M. Brouwer – J. Christiansen – H. Kenzler – L. Wamser (Hrsg.), Luxus und Dekadenz. Römisches Leben am Golf von Neapel (Mainz 2007), 31-41

    E. Diez, Quellnymphen, in: Festschrift Bernhard Neutsch (Innsbruck 1980) 103-108

    Franke 1964: P. R. Franke – M. Hirmer, Die griechische Münze (München 1964)

    Hähner-Rombach (Hrsg.), „Ohne Wasser ist kein Heil“. Medizinische und kulturelle Aspekte der Nutzung von Wasser (Stuttgart 2005)

    Heinz 1983: W. Heinz, Römische Thermen. Badewesen und Badeluxus (München 1983)

    Kapferer-Sticker 1934-39: R. Kapferer – G. Sticker (Hrsg.), Die Werke des Hippokrates. Die hippokratische Schriftensammlung in neuer deutscher Übersetzung (Stuttgart 1934-39)

    Karageorghis 1995: V. Karageorghis, The Coroplastic Art of Ancient Cyprus IV. The Cypro-Archaic Period. Small Male Figurines (Nicosia 1995)

    Klöckner 2001: A. Klöckner, Menschlicher Gott und göttlicher Mensch? Zu einigen Weihreliefs für Asklepios und die Nymphen, in: R. von den Hoff – St. Schmidt (Hrsg.), Konstruktionen von Wirklichkeit. Bilder im Griechenland des 5. Und 4. Jahrhunderts v. Chr. (Stuttgart 2001)121-136

    Krug 1985: A. Krug, Heilkunst und Heilkult (München 1985)

    Laser 1983: S. Laser, Medizin und Körperpflege, ArchHom S, 1983

    Ninck 1960: M. Ninck, Die Bedeutung des Wassers im Kult und Leben der Alten (Darmstadt 1960)

    Pfisterer-Haas 2009: S. Pfisterer-Haas, Ammen und Pädagogen, in: Alter in der Antike, Bonn 25.2.2009-7.6.2009, 69-80

    Rook 1992: T. Rook, Roman Baths in Britain (Buckinghamshire 1992)

    Simon 31985: E. Simon, Die Götter der Griechen (München 31985)

    Simon 2000: E. Simon, Römische Wassergottheiten, AW 3, 2000, 247-260

    Steger 2005: F. Steger, Wasser in Kult und Medizin des Asklepios, in: S. Hähner-Rombach (Hrsg.), „Ohne Wasser ist kein Heil“ (Stuttgart 2005) 36-43

    Tölle-Kastenbein 1990: R. Tölle-Kastenbein, Antike Wasserkultur (München 1990)

    Steudel 1960: J. Steudel, Heilbäder und Heiltempel der Antike, Münchener Medizinische Wochenschrift 102/11, 1960, 513-519

    Wamser-Krasznai 2006: W. Wamser-Krasznai, Frau „Kur“ und ihr Schatten, oder: Badelust von der Antike bis heute, Orthoprof 02/2006, 38-40

    Wamser-Krasznai 2012: W. Wamser-Krasznai, Wie man sich bettet…Lager und Lagern in antiken Heil-Heiligtümern, Les Études classiques 80, 2012, 55-72

    Wamser-Krasznai 2012/2013: W. Wamser-Krasznai, Wie man sich bettet…Lager und Lagern in antiken Heil-Heiligtümern, in: dies., Auf schmalem Pfad (Budapest 2012/2013) 55-71

    Wamser-Krasznai 2015: W. Wamser-Krasznai, Vom Alter im Altertum, in:  dies., Fließende Grenzen (Budapest 2015), 58-69

    Weeber, Baden 2007: K.-W. Weeber, Baden, spielen, lachen. Wie die Römer ihre Freizeit verbrachten (Darmstadt 2007)

    Weeber 2007: K.-W. Weeber, Luxuria, das „süße Gift“, in: R. Aßkamp – M. Brouwer – J. Christiansen – H. Kenzler – L. Wamser (Hrsg.), Luxus und Dekadenz. Römisches Leben am Golf von Neapel (Mainz 2007), 2-15

     

     

    [1] Der Felsen von Gibraltar und der Berg Dschebel Musa auf der gegenüber liegenden Seite in Marokko.

    [2] Diez 1980, 107.

    [3] Krug 1985, 46 Anm. 7.

    [4] Tölle-Kastenbein 1990, 21-37.

    [5] Dies. a. O. 84-92; anscheinend sind bereits Vitruv mögliche Gesundheitsschäden durch die Verwendung von Bleirohren aufgefallen, ders., de architectura VIII (de aquis) 6, 10 f.

    [6] Simon 2000, 255.

    [7] Pfisterer-Haas 2009, Abb. 25; Wamser-Krasznai 2015, 63 Bild 6.

    [8] Laser 1983, 138-143.

    [9] = Hydromantik, Tölle-Kastenbein 1990, 12 f.

    [10] Ninck 1960, 48.

    [11] Man denke an die Redegabe der Echo, Ov, met. 3, 356-369.

    [12] Klöckner 2001, 128; vgl. Plat. Phaidros 238 c. d.

    [13] Simon 2000, 255 Abb. 13, unter Hinweis auf Goethes Gedicht “Der Fischer”, dessen Schlusszeilen zum geflügelten Wort gerieten: “halb zog sie ihn, halb sank er hin und ward nicht mehr gesehn“.

    [14] Krause 1871, 143 f.

    [15] Simon 31985, 158 f.

    [16] Den Heiligtümern des Gottes Asklepios.

    [17] Porphyrius (De abstinentia 2, 19), für Epidauros überlieferte Inschrift, Krug 1985, 130; Wamser-Krasznai 2012, 66; dies. 2012/2013, 66; anders Steger 2005, 37: für Kos überliefert (?)

    [18] Ninck 1960, 104.

    [19] Wärme, Geruch, Farbe.

    [20] Benedum 1994, 125.

    [21] Benedum 1985, 147.

    [22] Kapferer-Sticker 1934-1939, Steudel 1960, 514; Benedum 1985, 144.

    [23] Kapferer-Sticker ebenda; Steudel ebenda;; Benedum 1985, 148.

    [24] In der Landschaft Elis, im Nord-Westen der Peloponnes.

    [25] Franke 1964, 44 f. Taf. 22 a.

    [26] Benedum 1985, 144.

    [27] Trankopfer.

    [28] Die mechanische und thermische Wirkung gezielter Wassergüsse wurde anscheinend seit 100 n. Chr. durch den Arzt Archigenes in größerem Umfang eingesetzt, Benedum 1985, 144. Diese Therapie hat, richtig angewendet, zwar noch heute ihren Stellenwert in der physikalischen Medizin, gehört aber längst nicht mehr zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen!

    [29] Rook 1992, 18.

    [30] Seneca, Epistulae morales ad Lucilium 86; De Haan 2007, 123-137.

    [31] Griechisches Hypokaustenbad 180-80 v. Chr., z. B. Brödner 1983, 8.

    [32] Tölle-Kastenbein 1990, 168 f. Abb. 107.

    [33] Dierichs 2007, 31.

    [34] Steudel 1960, 517.

    [35] Weeber, Baden 2007, 71-73.

    [36] Petr. 73, 3 ff.; Quint. inst. or. I 6, 44; Weeber, Baden 2007, 14 f.

    [37] Zweizeiler, aus einem Hexameter und einem Pentameter, die sich aus sechs bzw. fünf Hebungen zusammensetzen.

    [38] Nach CIL VI 15258 (Corpus lateinischer Inschriften).

     

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    Vom Alter im Altertum.
    Mit Texten und Bildern auf den Spuren einer „unheilbaren Krankheit“

     

    Zur Einstimmung seien ein paar Zeilen aus Elisabeth Herrmann-Otto, Die Ambivalenz des Alters[1], referiert:

    Während in Sparta, einem oligarchischen Staatswesen, den mächtigen Alten uneingeschränkte Anerkennung zuteil wurde, hing in Rom, sowohl unter republikanischer als auch monarchischer Führung, alles von der sozialen Schicht ab. Für den geistig gesunden Angehörigen der Oberschicht gab es gleitenden Ruhestand, private Altersversorgung und hohe Wertschätzung. Die Mitglieder der Unterschicht dagegen hatten weder Ruhestand noch Altersversorgung zu erwarten. Ihnen drohten Armut und Verachtung.

    Im demokratischen Athen dominiert der Kult der Jugend und der Männlichkeit, der die politische, soziale und ökonomische Marginalisierung der Alten, insbesondere der alten Frauen, zur Folge hat. Die unnützen Alten werden mit unzureichender Versorgung schutz- und fast rechtlos auf ihr nahendes Ende verwiesen. Zitat Ende.

    Es ist Seneca, der feststellt: Senectus enim insanabilis morbus est, das Alter nämlich ist eine unheilbare Krankheit[2]. Aristoteles sieht darin eine natürliche Krankheit – νόσος φυσική[3], eine Art Austrocknungsprozess, ähnlich dem Verwelken der Pflanzen.

     

    „Mir furchte bereits hier, da und dort
    tief meine Haut das Alter
    … weiß wurde das Haar,…
    …nicht tragen mich mehr die Knie
    …und tanzen so leicht wie Rehe.“

    klagt Sappho[4], die doch der Schönheit so leidenschaftlich zugetan ist, denn
    „…euch, ihr Schönen, wird sich mein Sinn und Fühlen niemals entfremden.“

    Wamser-Krasznai-Vom Alter -Bild 1 Die Greisin

     

    Bild 1. Die Baseler Greisin
    Antikenmuseum und Sammlung Ludwig (Photo Verf.[5])

     

    Auch der Spartaner Tyrtaios ruft aus: die Älteren, die schon keine flinken Knie mehr haben, lasst sie nicht im Stich….[6]                                

    Und noch einmal die Knie, die nicht nur den beiden lyrischen Poeten, sondern auch dem Epiker Homer als Sitz und Sinnbild der jugendlich-raschen Fortbewegung gelten; Agamemnon spricht zum greisen Nestor die geflügelten Worte:
    „Alter, würden doch so, wie dir der Mut in der Brust ist,
    Deine Knie auch folgen, und wäre die Kraft dir beständig!“[7]

    Wir bleiben bei der Ilias und hören die Klage des Priamos:
    „Dem Jüngling gereicht noch alles zur Zierde,

    jedoch das graue Haupt und das Kinn das ergraute,

    … das ist wohl das kläglichste Bild für die elenden Menschen.“[8]

     

    Nicht alle antiken Autoren äußern sich so negativ über das Alter. Für Salomo sind „Graue Haare … eine Krone der Ehre; auf dem Weg der Gerechtigkeit wird sie gefunden“[9]. Ebenfalls ermutigend klingt es bei Solon: „Wird auch silbern mein Haar, lern‘ ich doch immer noch vieles“[10].

    Sehen wir einmal, wem graue Haare zur Ehre gereichen. Da ist Nestor mit seinem vielfältig klugen Rat, der die Achäer, die im Zorn auf einander entbrennen, mit honigsüßer[11] Rede besänftigt.

     

    „Doch nicht alles zugleich gewähren die Götter den Menschen.

    War ich ein Jüngling vordem, so drückt mich heute das Alter.

    Aber auch so begleit‘ ich die Kämpfenden noch und ermahne

    Sie mit Worten und Rat, denn das ist das Vorrecht des Alters.“[12]

    Wamser-Krasznai - Vom Alter - Bild 2 - Die Greise Nestor und Phoinix

     

    Bild 2. Die Greise Nestor und Phoinix finden den toten Aias

    (nach Simon[13]1981, 51 f. Abb. 28)

     

    Auch der Gegner im troianischen Krieg, König Priamos, wird als würdiger Greis dargestellt. Gebeugt stützt er sich auf seinen Stab; das schüttere Haar ist grau.

    Wamser-Krasznai - Bild 3 - Kriegers Abschied

    Bild 3. Kriegers Abschied (nach Simon 1981, 101 Abb. 112)

     

    Seine Gemahlin Hekabe, die ihm gegenüber steht, prangt in jugendlicher Schönheit. Sie ist es auch, die ihrem Abschied nehmenden Sohn Hektor die Waffen reicht.

    Bekanntlich unterliegt Hektor im Zweikampf dem Griechen Achilleus.

    Zuvor jedoch war Patroklos im Kampf gegen Hektor gefallen. Maßlos in seiner Trauer um den geliebten Freund lässt Achill sich nicht damit genügen, den Feind getötet zu haben.

     

    Er „… ersann dem göttlichen Hektor schmähliche Dinge.

    Denn er durchbohrte ihm hinten an beiden Füßen die Sehnen

    Zwischen Knöchel und Ferse …

    Band am Wagen sie fest und ließ den Kopf dabei schleifen.…“[14]

     

    Zum unaussprechlichen Schmerz des Elternpaares Priamos und Hekabe, die von den Zinnen Trojas auf die unwürdige Szene blicken, schleift der Sieger den Toten von der Stadt bis zu den Zelten der Griechen. Dann liegt der Leichnam unter der Kline des zechenden und schmausenden Achilleus. Um den Sohn würdig bestatten zu können, erniedrigt sich der greise Priamos so weit, daß er sich, vom Götterboten  Hermes geleitet, mit Wagenladungen voll Lösegeld dem Feind demütig bittend naht. Wen wundert es, daß Christa Wolf ihre Kassandra stereotyp wiederholen lässt: „Achill das Vieh“[15]

    Wamser-Krasznai - Bild 4 - Priamos vor Achill

    Bild 4. Priamos vor Achill (nach Simon 1981, 112 f. 146)

     

    Doch endlich „sich des grauen Hauptes erbarmend und Kinnes, des grauen,“[16]

    gibt Achilleus den Leichnam frei, sodaß ihn der Vater bestatten kann.

     

    Ein Beispiel rührender Sohnesliebe gibt der Troianer Aenaeas[17], der seinen greisen Vater schulternd und den Sohn an der Hand führend die brennende Stadt verlässt.

    Wamser-Krasznai -Bild 5 - Terrakottagruppe aus Pompeji

    Bild 5.  Terrakottagruppe aus Pompeji

    (nach von Rohden 1880, 48 f. Taf. 37 a)

     

    Wir haben gesehen, dass Alterszüge einer hochgestellten Frau wie Hekabe, der Gemahlin des Priamos, nicht zukommen. Auch Heroen altern nicht. Während Homer wortreich schildert, wie die Göttin Athena den Odysseus aus taktischem Kalkül in einen alten Mann verwandelt,

     

    „Sprach‘s und berührte ihn mit dem Zauberstabe, Athene,

    Und ließ schrumpfen die schöne Haut der geschmeidigen Glieder,

    Tilgte am Haupte die braunen Haare und legte dann ringsum

    Ihm um all seine Glieder die runzlige Haut eines Greises.

    Und sie machte die Augen ihm trüb, die früher so schönen;

    dass du unansehnlich erscheinst“ …[18]

     

    behält der Heros in der bildlichen Darstellung sein jugendliches Aussehen.

    Wamser-Krasznai - Bild 6 -Eurykleia bei der Fußwaschung

                                    Bild 6. Eurykleia bei der Fußwaschung

    (nach Furtwängler – Reichhold 1904, Taf. 142; Pfisterer-Haas 2009, Abb. 25)

    Die Amme Eurykleia ist seit der Abreise des Odysseus ebenfalls um 20 Jahre gealtert. Graues Haar und ein faltiger Hals legen Zeugnis davon ab. Darstellungen von Alterszügen, die man bei Heroen möglichst vermeidet, sind bei Dienerinnen statthaft. Während der Fußwaschung erkennt Eurykleia ihren Herrn an einer alten Narbe. Odysseus kann sie gerade noch daran hindern, in ihrer Begeisterung sein Inkognito zu verraten.

     

    „Mütterchen, willst du mich denn verderben? Du hast mich an deiner

    Brust doch selber gestillt; nach viel überstandenen Mühen

    Kam ich im zwanzigsten Jahr zurück ins Land meiner Väter.“[19]

     

    Frauen, die von ihrer Hände oder anderer Körperteile Arbeit leben, wurden ohne Weiteres realistisch, als hässlich, alt, verkommen, dargestellt. Unter den negativ konnotierten Eigenschaften, die man alten Frauen – und zwar nicht nur Hetären und Dienerinnen, sondern auch alten Bürgerinnen[20] – zuschrieb, war am häufigsten die übermäßige Liebe zum Wein, ein beliebter Topos seit  spätarchaischer Zeit bis in die Spätantike, sowohl in der Literatur als auch in der darstellenden Kunst[21]. Schilderungen weiblicher Trunksucht erregten gleichermaßen Heiterkeit und Verachtung.

    „Von jenem Myron, der als Bronzebildner berühmt ist, steht eine alte Betrunkene (anus ebria) in Smyrna“[22]. Das hellenistische Werk des 3. Jhs. v. Chr. ist in römischen Kopien des 1. und 2. Jhs. n. Chr. überliefert.

    Wamser-KRasznai - Bild 7 - Trunkene Alte Rom                   Wamser -Krasznai - Vom Alter -Bild 8 -Trunkene Alte München                                                                                                                                                                                                              

    Bild 7. Trunkene Alte, Rom                            Bild 8. Trunkene Alte, München

    Kapitolinische Museen                                              Glyptothek

    (Photos Verf.)

    Die alte Frau hockt auf der Erde, eine bauchige Weinflasche (Lagynos) liebevoll, als wäre sie ein Kind, in den Armen haltend. Der angehobene Kopf ist haltlos zur Seite gesunken, der Mund – lallend vermutlich – geöffnet. Tiefe Furchen durchziehen die schlaffen Wangen. Mit unbarmherzigem Verismus[23] hat der Bildhauer Muskelstränge, Schlüsselbeine und Rippen unter der papierdünnen Haut des abgezehrten Körpers wiedergegeben. Die umfangreiche Flasche und das Niedersitzen am Boden deuten möglicherweise auf eine Teilnehmerin an den Lagynophorien hin[24]. Eine Efeuranke, die als plastisches Relief die Schulter des Gefäßes schmückt, weist in den Bereich des Weingottes. War die alte Säuferin in ihren besseren Jahren eine Priesterin des Dionysos[25] oder eine betagte Nymphe, „das heißt eine dionysische Amme“[26]? Im Haltungsmotiv einen Rückgriff auf den Typus des spreizbeinig hockenden Satyrn zu sehen[27] kann im Hinblick auf die beiden großplastischen Marmorfiguren nicht befriedigen, denn die Sitzende hält trotz der verlorenen Kontrolle über Mimik und Halsmuskulatur ihre Beine schicklich gekreuzt (Bild 7). Anders als die zahlreichen Terrakottastatuetten und figürlichen Gefäße, die lediglich das beliebte Thema der trunksüchtigen Vettel reflektieren, lassen die Marmorstatuen weitere bedeutsame Details erkennen: das sorgfältig geknüpfte Kopftuch und die elegante Drapierung der fein gefältelten stoffreichen Gewänder. Der herabgeglittene Träger, ein aphrodisisches Entblößungsmotiv[28], legt jedoch statt einer wohlgeformten, die Sinne stimulierenden Rundung von Schulter und Busen den kachektischen Oberkörper einer völlig heruntergekommenen Alten frei (Bild 8).

    Für Dichter und Philosophen sind Zeichen des Alters und der Hässlichkeit kein Manko. Sie treten bereits in klassischer Zeit in Form von Stirnglatze, Runzeln und schlaffen Hautpartien auf. Wir begnügen uns mit dem Beispiel des sog. Hesiod und seinem faltigen Hals.

    Wamser-Krasznai - Vom Alter -Bild 9 - Hesiod

    Bild 9. „Hesiod“,  Neues Museum Berlin

    (Photo Verf.)

    Welches Kraut ist gegen das Alter gewachsen? Medea, die Zauberin aus Kolchis, weiß Rat. Sie demonstriert die Verjüngung eines Widders und verführt damit die Töchter des Pelias, ihren Vater zu zerstückeln und zu kochen, damit er mit Hilfe ihrer magischen Kräuter dem Kessel als ein Jüngerer entsteige. Die Tragödie nimmt ihren Lauf.

    Wamser-Krasznai - Bild 10 - Vom Alter- Marmorrelief

    Bild 10.  Marmorrelief um 100 v. Chr. Berlin (Photo Verf.)

     

    Aristoteles betrachtet, wie wir gehört haben, das Phänomen des Alterns als eine Art Austrocknungsprozess. Folgerichtig behandelt später Galen mit befeuchtenden und wärmenden Mitteln. Dazu gehöre der Wein, der für alte Menschen das Beste sei (V 5). Wichtig sind diätetische Maßnahmen und die Ausfuhr (V 9), auch körperliche Übungen und sogar Stimmübungen (V 10). In den hippokratischen Schriften wird, wenn die Menschen die 50 überschritten hätten, vor plötzlicher Sonneneinstrahlung oder Abkühlung gewarnt. Dies alles sind prophylaktische Ratschläge. Als Therapie taugen sie wenig, allenfalls tragen sie ein wenig zur Linderung bei. Gegen den Tod und das Alter ist nicht anzukommen. So wie heute versucht man auch damals, die Jugend mit Hilfe der Kosmetik festzuhalten. Aus dem Orient stammen Duftstoffe. Falten werden mit Bleiweiß und  Schminke abgedeckt[29].

    Es ist bereits angeklungen, dass man die unnützen Alten auf ihr nahendes Ende verwies. Dazu gab es gelegentlich sehr direkte Beihilfe, zu allen Zeiten und an allen Orten. Der Zoologe Ilja Ilijitsch Metschnikoff, der 1865 in Gießen die intrazelluläre Verdauung, später die Phagozytose entdeckte, zählt 1908 in seinen Beiträgen über das Altern[30] verschiedene ersprießliche Lösungen auf: In Melanesien ist es gebräuchlich, unnütze alte Menschen lebendig zu begraben. In Feuerland würden bei Hungersnot zuerst die alten Frauen getötet und verspeist, danach die Hunde, denn diese fangen Robben, die alten Weiber aber nicht. Er verweist auch auf Dostojewskis Roman Schuld und Sühne, in dem ein altes dummes, böses Weib, das keinem Menschen das Geringste bedeute, ohne irgendwelche Gewissensbisse ermordet und beraubt werden dürfe.

    Greise laufen nicht nur Gefahr, ermordet zu werden; sie entschließen sich auch leichter, ihr Leben vorzeitig zu beenden. Wie eine Statistik aus Kopenhagen ausweise, seien die Alten mit mehr als 63% an der Zahl der Suicide beteiligt[31]. Seneca, dem mit etwa 65 Jahren von seinem Kaiser und früheren Schüler Nero der Selbstmord befohlen wurde, hatte sich rechtzeitig mit diesem Thema auseinandergesetzt. Er begrüßt die Möglichkeit, das Ende selbst herbeizuführen: und “danken wir dem Gott, dass niemand im Leben festgehalten werden kann“[32].

    Wamser-Krasznai - Bild 11 - Vom Alter - Seneca

    Bild 11.  Büste des Seneca, Neues Museum Berlin

    (Photo Verf.)

     

    Eine Doppelbüste zeigt ihn zusammen mit Sokrates, der ebenfalls von Staats wegen, im demokratischen Athen, den Schierlingsbecher leeren musste.

    Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf Kindheit und Jugend, den frühen Stufen des Alters.

    Wamser-Krasznai -Vom Alter- Bild 12- Herakles                                      Wamser-Krasznai- Vom Alter -Bild 13 - Der Ganswürger

    Bild 12. Der kleine Herakles als Schlangentöter          Bild 13. Ganswürger

    Rom, Kapitolinische Museen                                             München, Glyptothek                                                                                                                                                                                                                                                           (Photos Verf.)

    Berechtigen diese kleinen Lieblinge nicht zu den schönsten Hoffnungen?

    Abgekürzt zitierte Literatur und Bildnachweis:

    Alter in der Antike 2009: Alter in der Antike. Die Blüte des Alters aber ist die Weisheit. Katalog zur Ausstellung  im LVR-LandesMuseum Bonn 25.2.2009-7.6.2009

    De Beauvoir 1978: S. de Beauvoir, Das Alter  (Reinbek bei Hamburg  1978)

    Brandt 2002: H. Brandt, Wird auch silbern mein Haar. Eine Geschichte des Alters in der Antike (München 2002)

    Furtwängler – Reichhold 1904: A. Furtwängler – K. Reichhold, Griechische Vasenmalerei. Auswahl hervorragender Vasenbilder (München 1904)

    Gutsfeld – Schmitz 2009: A. Gutsfeld – W. Schmitz (Hrsg.), Altersbilder in der Antike. Am schlimmen Rand des Lebens? (Göttingen 2009)

    Herrmann-Otto 2004: E. Herrmann-Otto (Hrsg.), Die Kultur des Alterns (St. Ingbert 2004)

    Kunze 1999: Chr. Kunze, Verkannte Götterfreunde, Römische Mitteilungen 106, 1999, 69-77

    Lippold 1950: G. Lippold, Die griechische Plastik. Hellenistische Periode, Hochblüte des 3. Jahrhunderts, Handbuch III 1(München 1950) 322

    Neugebauer 1951: K. A. Neugebauer, Die griechischen Bronzen der Klassischen Zeit und des Hellenismus (Berlin 1951)

    Pfisterer-Haas 2009: S. Pfisterer-Haas, Ammen und Pädagogen, in: Alter in der Antike, Bonn 25.2.2009-7.6.2009, 69-80  Bild 6

    Von Rohden 1880: H. von Rohden, Die Terrakotten von Pompeji (Stuttgart 1880)  Bild 5

    Salomonson 1980: J. W. Salomonson, Der Trunkenbold und die Trunkene Alte, BaBesch 55, 1980, 65-106 Taf. 107-135

    Simon 1981: E. Simon, Die griechischen Vasen (München 1981)  Bild 2-4

    Simon 2004: Kourotrophoi, in: S. Bergmann – S. Kästner – E.-M. Mertens (Hrsg.), Göttinnen, Gräberinnen und gelehrte Frauen (Münster – New York – München – Berlin 2004)

    Wrede 1991: H. Wrede, Matronen im Kult des Dionysos, Römische Mitteilungen 98, 1991, 163-188

    Zanker 1989: P. Zanker, Die Trunkene Alte. Das Lachen der Verhöhnten (Frankfurt am Main 1989)

     

    Antike Literatur:

    Il.: Homer, Ilias. Übers. R. Hampe (Stuttgart 22007)

    Od.: Homer, Odyssee. Übers. R. Hampe (Stuttgart 22007)

    Plin. nat.: C. Plinius secundus d. Ä. Naturkunde Buch 26, 1-5. Lateinisch-deutsch (München 1979)

    Sappho: Sappho, Lieder, griechisch und deutsch (M. Treu Hrsg. München 1958)

    Verg. Aen.: Vergil, Aeneis. Übersetzt und herausgegeben von W. Plankl, unter Verwendung der Übertragung Ludwig Neuffers (Stuttgart 32005)

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    [1] Herrmann-Otto  2004, 14.

    [2] Seneca, Brief 108, an Lucilius 28; den Hinweis verdanke ich Prof. Dr. K. D. Fischer, Mainz.

    [3] De generatione animalium V 4.784 b 32-34, zit. nach G. Wöhrle, Der alte Mensch im Spiegel der antiken Medizin, in: Herrmann-Otto 2004, 19-31.

    [4] Sappho 4, 65 a D. 13-15; 1, 12 D.

    [5] Abbildung mit freundlicher Erlaubnis von Frau Dr. E. van der Meijden Zanoni, Basel.

    [6] Zit. nach Brandt 2002, 33.

    [7] Il. 4, 313.

     

    [8] Il. 22, 71-75.

    [9] Sprüche Salomonis Kap. 16 Vers 31, nach dem Hinweis bei S. de Beauvoir 1978, 79 und 95.

    [10] Solon Frgm. 22,7,  Diehl, zit. bei Brandt 2002, 37.

    [11] Il. I, 249.

    [12] Il. 4, 320-323.

    [13] Für wiederholt erteilte Abbildungserlaubnis bin ich Frau Prof. Dr. Erika Simon, Würzburg, von Herzen dankbar.

    [14] Il. 22, 395 f.

    [15] Christa Wolf, Kassandra (Frankfurt am Main 2008) 33. 51. 69. 86. 87. 88. 93. 97. 117.124.125.127.129.142.

    [16] Il. 24, 515.

    [17] Verg. Aen. 2, 705-725.

    [18] Od. 13, 429-433.

     

    [19] Od. 19, 482-484.

    [20] Pfisterer-Haas 1989, 78.

    [21] Pfisterer-Haas 1989, 78; Salomonson 1980, 94-97; s. sprechende Namen wie οινοϕίλη für das Bild einer Alten mit Weinschlauch auf einem attischen Gefäß in London, Pfisterer-Haas 78, oder „Silenis“ in einem Spott-Epigramm, Salomonson 96, bekunden die Nähe zu Trunk und dionysischem Gefolge.

    [22] Plin. nat. 36, 33; zu Myron, möglicherweise ein hellenistischer Meister, der denselben Namen trägt wie der berühmte Skulpteur des 5. Jhs. v. Chr.: Zanker 1989, 82; zur etl. fehlerhaften Überlieferung des Künstlernamens Salomonson 1980, 96 Anm. 171.

    [23] Neugebauer 1951, 71.

    [24] Ein Fest, das von Ptolemaios IV in Alexandria eingerichtet worden war, Kunze 1999, 72 f; Pfisterer-Haas 1989, 83..

    [25] Lippold 1950, 322; Salomonson 1980, 96 Anm. 170; Wrede 1991, 173.

    [26] Simon 2004, 72 f. Abb. 1-2.

    [27] Kunze 1999, 77.

    [28] Zanker 1989, 61.

    [29] Alter in der Antike 2009, 173 f.

    [30] E. Metschnikoff, Beiträge zu einer optimistischen Weltauffassung (München 1908) 9-12.

    [31] Metschnikoff a. O.

    [32] Seneca, De senectute 12, 10, zit. nach Brandt 2002, 195.

    Der Aufsatz ist erschienen in dem Buch Wamser-Krasznai: Fließende Grenzen – Zwischen Medizin, Literatur und (antiker) Kunst), Minerva Verlag, Budapest, 2015. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

     

  • Dieser Text wurde vorgetragen beim Jahreskongress des BDSÄ 2015 in Bremen in der Lesung mit dem Thema „Bremer Stadtmusikanten“

     

    Eine wichtige Botschaft aus dem Märchen „Bremen Stadtmusikanten“ ist für mich, dass wir uns durch unvorhergesehene, abwegige, verrückte, unpassende, vielleicht auch laute Ereignisse und Anforderungen nicht aus dem Gleichgewicht bringen oder gar in die Flucht schlagen lassen dürfen.

    Ein Beispiel dafür habe ich neulich erlebt mit zwei Begegnungen der besonderen Art in einer Nacht.

    Ich war gerade in meinem Dienstzimmer eingeschlafen, wo wir Ärzte uns ausruhen können, wenn wir Nachtdienst in der Notfallpraxis haben. Da rief mich die Arzthelferin in die Praxis zurück. Auf dem Weg über den Flur machte ich mir zum soundsovielten Mal klar, dass ich jetzt trotz meiner Müdigkeit freundlich und aufmerksam sein musste.

    Es gibt ja tatsächlich Patienten, die nachts in die Notfallpraxis kommen und wirklich ein Notfall sind. Ich meine mit Notfall, was ein Arzt darunter versteht: eine frisch aufgetretene Notsituation, die den Patient akut bedroht und in der er sofort Hilfe benötigt. Oft habe ich den Eindruck, dass die Notfallpraxis für manche Menschen eine Bedürfnisbefriedigungsanstalt ist, zu der sie gehen, wenn sie gerade Zeit haben, ein schon längeres Bedürfnis zu stillen oder eine unangenehme Sache zu klären. Außerdem muss man in unserer Notfallpraxis auch selten lang warten, jedenfalls nicht länger als in so mancher Arztpraxis. Die Patienten wissen das genau und nützen es aus. Ich komme mir manchmal vor wie ein Angestellter bei McDonald´s oder an der Tankstelle. Aber jetzt, heute Nacht, bin ich der Verantwortliche in einer richtigen Arztpraxis.

    Auf der Rezeption steht eine halb volle Sprudelflasche. Die junge Frau weint, als wir einander begrüßen. Eine Begleitperson sitzt still im Eck.

    „Was gibt´s denn?“, frage ich.

    Die Patientin schaut mich durch ihre Tränen an und fragt mit weinerlicher Stimme:

    „Können Sie mir sagen, warum mein Mund seit heute Abend keine Spucke mehr produziert?“

    Ich bin verblüfft und versuche, meinen Ärger zu besänftigen.

    „Und das fragen Sie mich jetzt um halb zwei morgens?“

    „Ja, das möchte ich jetzt wissen, ich werde fast verrückt. Ich trinke und trinke, und ich habe trotzdem einen furztrockenen Mund.“

    Da greift die Arzthelferin ein: „Sie müssen dem Herrn Doktor aber schon die ganze Geschichte erzählen!“

    „Und was ist die ganze Geschichte?“

    „Ja, wissen Sie, ich habe mir Anfang der Woche ein Zungenpiercing-Loch erweitern lassen, da schwillt die Zunge an, das ist ja in Ordnung, und das ist auch schon wieder vorbei, aber jetzt habe ich keine Spucke mehr! Es macht mich wahnsinnig!“

    Ich bin drauf und dran, der Frau zu empfehlen, jetzt sofort mitten in der Nacht ihren Piercer anzurufen und um Rat zu fragen. Aber ich halte mich zurück und sage: „Na, über Piercing habe ich sicher eine andere Meinung als Sie! Kommen Sie ins Sprechzimmer, ich schau mir das mal an.“

    Ich untersuche die Mundhöhle und sehe kein Piercingloch, keinen Zungenstecker und einen auch sonst völlig gesunden Mund.

    Dann zucke ich mit den Schultern: „Ich weiß nicht, warum Sie keine Spucke haben. Haben Sie denn Medikamente genommen, die als Nebenwirkung einen trockenen Mund machen können?“

    „Nein, ich nehme gar keine Medikamente!“ –

    Die Frau wird etwas ruhiger, wahrscheinlich, weil sie merkt, dass ich sie doch wenigstens ernst nehme.

    „Dann erzählen Sie mir mal genau, was Sie heute Abend gemacht haben. Vielleicht komme ich dann drauf, was Ihr Problem verursacht hat.“

    Sie schildert einen unauffälligen Verlauf des Abends, dann kommt der entscheidende Satz:

    „Nach dem Zähneputzen habe ich noch eine Mundspülung gemacht, richtig lang und gründlich, damit es ja keine Infektion in dem Piercingloch gibt!“

    Ich bin erleichtert:

    „Ja, dann ist doch alles klar. Kennen Sie den Begriff adstringierende Wirkung?“

    „Nein.“

    „Das Mundspülmittel zieht die Schleimhaut zusammen und schließt damit auch die Ausführungsgänge der Speicheldrüsen. Das ist sehr lästig und völlig harmlos!“

    Die Frau schaut mich verblüfft an. „Und jetzt? Was mach ich jetzt?“

    Ich lächle sie an: „Ruhig bleiben, weiter trinken, bis die Wirkung nachlässt. Dann machen die Speicheldrüsen wieder auf. Im Lauf des Vormittags ist wieder alles in Ordnung!“

    Die junge Frau kann es kaum glauben, verlässt aber dann einigermaßen beruhigt die Praxis.

    Ich gehe zurück in mein Dienstzimmer und lege mich wieder hin. Nach einer weiteren Stunde im Halbschlaf werde ich erneut in die Praxis gerufen.

    Das steht ein Mann etwa Mitte vierzig und sagt: „Ich habe seit sechs Wochen Schmerzen an der linken Fußsohle. Können Sie da was machen?“

    Ich bemühe mich, nicht zu explodieren. Diese Situation habe ich oft erlebt: Ein völlig unangemessener Wunsch zur Unzeit und dann noch mit einer ebenso unpassenden Anspruchshaltung auf Sofort-Wunderheilung. Ich weiß, dass ich ruhig bleiben muss. Also sage ich nur mit gebremster Freundlichkeit und so, dass der Patient merkt, wie er bei mir auf ein roten Knopf gedrückt hat:

    „Also, seit sechs Wochen haben Sie das, und da kommen Sie mitten in der Nacht? Was sagt der Hausarzt?“

    Der Patient erwidert ganz ruhig: „Ich war bei keinem Arzt!“

    Ich bleibe auch ruhig – äußerlich wenigstens: „Da fühle ich mich aber ganz schön verschaukelt von Ihnen und ausgenützt! Haben Sie gelesen, dass da draußen auf dem Schild Notfallpraxis steht? Sie sind ganz bestimmt, ganz sicher nie und nimmer ein Notfall. Ist Ihnen das bewusst?“

    Der Patient zuckt mit der Schulter: „Nein, aber heute Abend hat´s weh getan. Und jetzt bin ich da. Was machen wir jetzt?“

    Ich weiß ja, dass ich den Patient versorgen muss, also schlucke ich meinen Ärger runter und sage: „Zeigen Sie mir mal den Fuß.“

    Ich untersuche den Fuß gründlich, denn auch ein nächtlicher Nicht-Notfall-Patient kann ja mal krank sein. Die Fußsohle zeigt keine Entzündung, keine Verletzung, keine Druckschmerzen, keine Bewegungsschmerzen, keine Hautauffälligkeiten, es ist wirklich eine völlig normale Fußsohle.

    Mit ernster Miene sage ich: „Das ist ein eindrucksvoller Befund!“

    „So, was ist das?“

    „Eine völlig normale Fußsohle!“

    Nach dieser Verblüffung überlegt der Patient: „Ja, können Sie die Glasscherbe jetzt rausmachen?“

    Jetzt bin ich überrascht: „Glasscherbe? Wie kommen Sie denn auf Glasscherbe?“

    „Ja wissen Sie, vor sechs Wochen habe ich im Urlaub am Strand Volleyball gespielt, und da habe ich mir wahrscheinlich eine Glasscherbe reingetreten. Die können Sie doch jetzt rausoperieren!“

    Ich hole Luft: „In so eine gesunde Fußsohle wird kein vernünftiger Chirurg reinschneiden, schon gar nicht, wenn er nicht sieht und tastet und Sie nicht wissen, wo die Glasscherbe ist!“

    „Aber Sie können doch jetzt ein Röntgenbild machen!“

    „Ich mache jetzt ganz sicher mitten in der Nacht kein Röntgenbild, auch deshalb nicht, weil man eine normale Glasscherbe im Röntgenbild nicht sieht. Nur wenn Sie schwören, dass es ein Bleiglas war, – und das können Sie nicht -, dann kann man die Scherbe im Röntgen sehen.“

    Der Patient lässt nicht locker.

    „Aber Sie können doch jetzt eine Computertomografie machen!“

    „Wenn es ein lebensbedrohlicher Notfall wäre, zum Beispiel ein Schlaganfall, könnte man jetzt ein CT machen, da haben Sie Recht. Aber die Sache hatte jetzt sechs Wochen Zeit. Dann muss ich nicht notfallmäßig auch noch die Röntgenassistentin aus dem Bett holen. Ich denke, das sollten Sie mal in Ruhe in der ganz normalen Sprechstunde mit Ihrem Hausarzt besprechen. Der kann Sie dann immer noch, wenn er es für nötig hält, zum Röntgen oder zum Chirurgen überweisen.“

    „Ja, und was soll ich jetzt machen?“

    „Jetzt machen Sie es wie in den letzten sechs Wochen auch. Gehen Sie nach Hause. Und wenn Sie je wieder Schmerzen haben – jetzt haben Sie ja keine Schmerzen -, dann nehmen Sie ein Schmerzmittel. Gute Nacht!“

    Copyright Dr. Dietrich Weller

  • Frau  Holle

    Denk ich zurück an Kindertage,
    da fällt mir die Frau Holle ein.
    Du wolltest stets die Tüchtige sein,
    doch lässt dich heute noch bedienen.
    Ist da nicht etwas schief gelaufen?
    Du konntest dir stets alles kaufen.
    Bekamst das Gold noch obendrein.

    Copyright Dr. Uta-Christine Breitenstein

    aus dem Buch Alles hat seine Zeit, deutscher lyrik verlag

     

     

  • Falscher Ehrgeiz

    Von klein auf hörte sie die Worte:
    Für mich, da musst du anders sein.
    Einmal zu dünn
    und dann zu blass.
    Der Gang war falsch,
    die Schuh zu flach
    und dann zu dick,
    es fehlt der Schick.
    Und später, als sie älter wurde,
    da fand sie keine Bilder mehr.
    Und sah sie in den Spiegel dann,
    erkannte sie sich nicht.
    Da packte sie den Spiegel ein
    und macht` sich auf den Weg.
    Tauchte tief in ihre Seele ein:
    Erkannte sich,
    weiß, das bin ich,
    eine andere wollt` ich niemals sein.

     

    Copyright bei Dr. Uta-Christine Breitenstein

    aus dem Buch Alles hat seine Zeit, deutscher lyrik verlag

     

     

  • Die Darstellung echter Krankheitszeichen bei antiken Bildwerken ist eine Rarität, lange nicht so häufig, wie wir Ärzte, Medizinhistoriker und manchmal auch Archäologen mit unserer retrospektiven Diagnostik es gern hätten. Gleichwohl begegnen uns gelegentlich Darstellungen, die wir vorsichtshalber nicht pathologische Befunde, sondern

    1. Abweichungen von der Norm

    nennen wollen. Da gibt es die

    a. numerische Aberration, also eine quantitative Abweichung von der Norm.

    Wamser-Krasznik Linker Vorfuß Abb 1

                                  Abb. 1  Linker Vorfuß, Corvaro/Latium, 3./2. Jh. v. Chr.

    (nach L. Capasso 1999, 31 Abb. E 0.2)

    Hier ist ein Fuß mit sechs Zehen wiedergegeben. Hat der Koroplast (Tonbildner) wirklich eine Polydaktylie darstellen wollen[1], oder handelt es sich um ein Versehen, eine Unachtsamkeit des Kunsthandwerkers? Liegen rituelle Gründe vor? Haben wir es mit dem  Fragment einer Figur oder eines Votivfußes zu tun? Viele offene Fragen!

    Etwas anders liegt der Fall bei einem Fuß aus Praeneste, dem heutigen Palestrina. Die überzählige sechste Zehe ist deutlich kürzer und offenbar nicht vollständig von der fünften getrennt. Man gewinnt den Eindruck, daß es dem Koroplasten, der etwas Ähnliches aus eigener Anschauung am Lebenden gekannt haben mag, tatsächlich um die Darstellung einer Normabweichung ging.

    Wamser-Kraszinik Preneste Abb 2

    Abb. 2  Praeneste/Palestrina, frühe römische Kaiserzeit

    (nach M. Grmek – D. Gourevitch 1998, 289 f. Abb. 227)

    Noch weniger häufig ist die

    b. qualitative Aberration.

    Ein um 2000 v. Chr. auf Kreta entstandenes Terrakottafigürchen zeigt eine  beträchtliche Umfangsvermehrung des linken Beines.

    Wamser-Krasznik Lipödem Abb.3

    Abb. 3 Lipoedem (?) aus einem Höhenheiligtum auf Kreta, um  2000 v. Chr.

    (nach M. Grmek – D. Gourevitch 1998, 293 Abb. 230)

    Offensichtlich ist die Veränderung einseitig. Man denkt an ein Krankheitsbild aus dem Umkreis Lymphoedem, Lipoedem, Elephanthiasis, Papillomatosis cutis lymphostatica, die allerdings an den Beinen häufiger doppelseitig auftreten. So läßt sich denn auch ein „Ausreißer“, eine Fehlform, wie sie in jeder Werkstatt passieren können, nicht völlig ausschließen.

    Im 7. Jh. v. Chr. konnten die Pferdemenschen, Kentauren, sowohl mit männlichen als auch mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen dargestellt werden; nicht als Dokumentation eines hermaphroditischen Irrwegs der Natur, sondern als Ausdruck des Dämonischen, das all diesen Mischwesen innewohnt.

    Wamser-Krasznik Pferdemensch Abb 4

    Abb. 4  Ayia Irini/ Zypern 7. Jh. v. Chr.  Meddelhavsmuseet Stockholm

    (nach V. Karageorghis 2003, 164 f. Nr. 190)

    2. Abstraktionen und Stilisierungen

    Naturgetreue Formen können landschaftsspezifisch abstrahiert oder zeitbedingt stilisiert sein. Den bewußten Abweichungen von der physiologischen Anatomie des Menschen kommt bisweilen nicht der geringste Krankheitswert zu. Die Angabe eines zusätzlichen vierten Gliedes am fünften Finger ist durchaus nicht als pathologisch zu verstehen, sondern als eine

    a. spezifisch regionale Gestaltungsweise[2].

    Man bediente sich ihrer bei den Kouroi, überlebensgroßen marmornen Jünglingsfiguren archaischer Zeit, und zwar ausschließlich in der Landschaft Attika. Streng parallel und ganz naturwidrig liegen die Finger nebeneinander. Es ist eine reine Kunstform.

    Wamser-Krasznik Sunion Abb 5

    Abb. 5  Sunion, Kuros A , frühes 6. Jh. v. Chr. (nach W. Martini 1990, 130 Abb. 37)

    Auch andere Körperteile hat man vorsätzlich verändert, abstrahiert. Die Ohrmuschel des  Kouros A ist vollkommen vertikal gegeben, mit ornamentalen Windungen, parallel verlaufender Helix und Anthelix und einem übergroßen kugelrunden Tragus[3].

    Wamser-Krasznik Sunion Abb 6

    Abb. 6  Sunion, Kuros A , frühes 6. Jh. v. Chr. (nach W. Martini 1990, 18. 204 Abb. 3

    b. zeitgebundene Stilisierung

    Nicht auf Attika beschränkt ist die Vermehrung der naturgegebenen vier Abdominalmuskel-Kompartimente auf sechs bei archaischen Männerfiguren. Beim attischen Kuros A von Sounion wirkt die lineare Sechsteilung der Bauchwand vollkommen graphisch.

    Wamser Krasznik Sunion Abb 7

    Abb. 7   Sounion, Kouros A, frühes 6. Jh. v. Chr. (nach W. Martini 1990, 118 f. Abb. 34) 

    Dagegen stellt der Koroplast aus einer Werkstatt in Tarent (Westgriechenland) die sechs Kompartimente des geraden Bauchmuskels als plastisch gewölbte, durch tiefe Einziehungen von einander abgesetzte, ‚Kissen‘ dar.

    Wamser-Krasznik Tarentiner Symposiast Abb 8

    Abb. 8  Tarentiner Symposiast, Neapel (nach A. Levi 1924, 26 f. Abb. 28)

    Die ebenfalls noch in archaischer Zeit entstandene Terrakottafigur zeigt einen Symposiasten, einen zum Bankett gelagerten jungen Mann[4].

    Mehr als eine Generation später, in klassischer Zeit, halten sich die Skulpteure eher an die anatomischen Gegebenheiten. Eine römische Kopie der um 440/430 v. Chr. geschaffenen Statue des Diomedes lässt das Relief der vorderen Bauchwand mit den vier durch Faserplatten verbundenen Kompartimenten des Musculus rectus abdominalis erkennen.

    Wamser KRasznik Statue Abb 9

    Abb. 9   Statue ca. 440 v. Chr. (nach A. Benninghoff – K. Goerttler 1957, 162 Abb. 102)

    Der Kuriosität halber folgen einige Beispiele von retrospektiven Diagnosen, die nur als

    3. Fehlinterpretationen bezeichnet werden können.

    Wamser Krasznik Reibfinger Abb 10

    Abb. 10  Reibfinger aus Marmor (nach E. Holländer 1912, 306 f. Abb. 198)

    Die Beugestellung des Fingers verlockt dazu, an eine Kontraktur des Mittelgelenks oder an einen schnappenden Finger, digitus saltans, zu denken. Doch sind diese beiden Krankheitsbilder nicht gravierend und nicht häufig genug, um eine solche Fülle von Darstellungen erwarten zu lassen wie die Ausgrabungen im gesamten Mittelmeerraum ergaben. Mitfunde von Reibschalen unterstützen die Deutung als Reibfinger, eine Art von kleinen Mörserkeulen, in der „üblichen, einem gebogenen Daumen ähnlichen“ Form[5]. Sie bestehen aus Basalt, Marmor oder Kalkstein und wurden zum Reiben von Salben, Schminke und dergleichen verwendet.

                                                  

     Abb. 11   Terrakottafigur aus Ayia Irini/Zypern, Anf. 6. Jh. v. Chr.

    (nach V. Karageorghis 1993, 27 Nr. 66 Taf. 18, 1) 

    Für einen angehenden Unfallchirurgen ist es gewiss verlockend, in der zyprischen Männerstatue einen Soldaten zu sehen, „der seinen gebrochenen Arm mittels eines Bandes um den Hals in rechtwinkliger Beugung im Ellenbogengelenk hält, wobei der Unterarm in einer Mittelstellung zwischen Pronation und Supination steht“[6]. Dieser „Soldat“ ist jedoch kein Einzel-‚Fall‘. Er gehört zur großen Gruppe männlicher Gewandfiguren aus Kalkstein oder Ton, die auf Zypern seit der Mitte des 7. Jhs. und im 6. Jh. v. Chr. in Heiligtümer geweiht wurden[7]. Für das Motiv des gebeugt eingehüllten rechten Armes, verbunden mit dem Gestus der zur Faust geballten Hand hat man bisher noch keine wirklich überzeugende Deutung gefunden[8]. Die Interpretation als Gebets- oder Verehrungsgestus[9] kann schon deshalb nicht völlig befriedigen, weil es auch männliche Statuen mit dem traditionellen Gruß- oder Gebetsgestus gibt, nämlich dem erhobenen rechten Unterarm und der nach vorn gerichteten offenen Hand[10].

    Einen besonders reizvollen ‚Fall‘ versuchte man in die „Statue eines jungen, bildschönen armverletzten römischen Mädchens“ hineinzudeuten[11]. Doch der Mantelbausch, der den linken Arm umhüllt, sollte nicht als Armtragetuch mißverstanden werden. Es handelt sich vielmehr um ein Gewandmotiv, das die jugendliche Anmut und die kokette Haltung des sitzenden  Mädchens vom Kapitol wirkungsvoll unterstreicht.

    Wamser Krasznik Sitzendes Mädchen Abb 12 

                   Abb. 12   Sitzendes Mädchen, Rom, Kapitolinische Museen, Anf. 3. Jh. v. Chr.

    (nach Bulle 1922, 123 Abb. 171)

    Bildnachweis und abgekürzt zitierte Literatur:

    Benninghoff – Goerttler 1954: A. Benninghoff – K. Goerttler, Lehrbuch der Anatomie des Menschen 1 (München – Berlin – Wien 1957) Abb. 9

    Bulle 1922: H. Bulle, Der schöne Mensch im Altertum (München 1922) Abb. 12

    Capasso 1999: L. Capasso, Le terrecotte votive come fonti di informazioni paleopatologiche, in: G. Baggieri (Hrsg.), „Speranza e sofferenza“ nei votivi anatomici dell’Antichità  (Rom 1999)  Abb. 1

    Grmek – Gourevitch 1998: M. Grmek – D. Gourevitch, Les maladies dans l’art antique (Poitiers 1998) Abb. 2 und 3

    Holländer 1912: E. Holländer, Plastik und Medizin (Stuttgart 1912) Abb. 10

    Karageorghis 1993: V. Karageorghis, The Coroplastic Art of Ancient Cyprus III (Nicosia 1993) Abb. 11

    Karageorghis 2003: V. Karageorghis, The Cyprus Collections in the Medelhavsmuseet (Nicosia 2003) Abb. 4

    Levi 1924: A. Levi, Le Terrecotte figurate del Museo Nazionale di Napoli (Florenz 1924) Abb. 8

    W. Martini 1990: W. Martini, Die archaische Plastik der Griechen (Darmstadt 1990) Abb. 5-7

    Mylonas 2003: D. Mylonas, Ikonographie und Typologie der kyprischen archaischen Kalksteinplastik, in: V. Karageorghis – S. Rogge (Hrsg.), Junge zyprische Archäologie (Münster – New York – München – Berlin 2003) 51-71

    Papaxenopoulos 1981: A. Papaxenopoulos, Zypriotische Medizin in der Antike, Diss. Universität Würzburg 1981

    Schadewaldt u. a. 1966: H. Schadewaldt – L. Binet – Ch. Maillant – I. Veith, Kunst und Medizin (Köln 1966) 64 f.

    Schmidt 1968: G. Schmidt, Kyprische Bildwerke aus dem Heraion von Samos (Bonn 1968)

    Senff 1993: R. Senff, Das Apollonheiligtum von Idalion (Jonsered 1993)

    Wamser-Krasznai 2013: W. Wamser-Krasznai, Für Götter gelagert. Studien zu Typen und Deutung Tarentiner Symposiasten (Budapest  2013)

    Wiegand – Schrader 1904: Th. Wiegand – H. Schrader, Priene (Berlin 1904



    [1] Capasso 1999, 31 Abb. E 0.2.

    [2] W. Martini, Die archaische Plastik der Griechen (Darmstadt 1990) 130. 203 f. Abb. 37.

    [3] Martini 1990, 204.

    [4] Levi 1924, 26 f. Abb. 28; Wamser-Krasznai 2013, 182 Nr. 437 Abb. 83.

    [5] Wiegand – Schrader 1904, 393.

    [6] Papaxenopoulos 1981, 21 f. Abb. 1.

    [7] Senff 1993, 25. 30  Taf. 3 f. 51 d-f.

    [8] […] „verschiedene kultische Gesten, die sich seit frühesten Zeiten herauskristalisiert haben […] Die Armhaltung […] ist als bestimmter religiöser Gestus zu definieren“ […], Mylonas 2003, 54 f.; […] Der Gestus […] „einer dienenden Bereitschaft“, Schmidt 1968, 103; […] „der rechte (Arm) in einer Mantelschlaufe mit geballter Faust vor die Brust genommen“ […] Senff 1993.

    [9] Senff 1993, 25 Anm. 204.

    [10] Senff 1993, 34 Taf. 12 g-i und 13 e-g.

    [11] H. Schadewaldt – L. Binet – Ch. Maillant – I. Veith, Kunst und Medizin (Köln 1966) 64 f. Abb. 46, fälschlich  „Vatikan.  Museen“.

    Copyright Frau Dr. Dr. Waltrud Wamser-Krasznai