Schlagwort: Politik

  • Lehrer und Unterstützer

    (25.7.2019)

     

    Im alltäglichen Kampf gegen den Kapitalismus
    als eine Lebensweise im weitesten Sinne
    mit einer erbärmlichen Betrachtung des Daseins
    und einer verkümmerten Bedeutung der Liebe
    habe ich besondere Lehrer und Unterstützer:
    Das Storchenpaar auf der anderen Seite der Fulda
    in seinem Nest auf dem hohen Gestell
    die grauen Jungschwäne am Breitenbacher See
    die Fischreiher auf den Fuldawiesen
    die Obstbäume am Rande der Fahrradwege
    die Wiesen mit ihrer Blütenpracht
    die Kornfelder und Kleingärten
    Menschen, die ich therapeutisch begleite
    und Kinder mit ihren blühenden Phantasien

  • Nachkriegszeit – Was uns geprägt hat

     

    Nachkriegshunger, Rock‘n Roll
    Kartoffelsack gefunden, toll
    fremde Panzer, Lederhose
    Selbstbewusstsein gegen Null
    Man macht, man tut, die ganze Schose
    Nazideutschland, Sündenpfuhl
    betrifft uns nicht, zusammenhalten
    Untaten wir – nie! Das war‘n die Alten
    Kohle hab ich dir geklaut, verzeih
    Angst vor Mangel, Krieg und Polizei
    Lehrer prügeln, Hosenboden
    Für die Heizung Wälder roden
    Kindergarten Ringelreihen
    Taufe feiern, Kleider leihen
    sich in Suppenschlangen reihen
    muss den Sonntagsanzug schonen
    Spiel um Pfennige mit Bohnen
    Hüpfen auf den Gehwegplatten
    werfe Steine nach den Ratten
    Massenflucht kommt aus dem Osten
    leben hier auf unsre Kosten
    Flüchtling sein, das war ein Makel
    doch der Krieg war das Debakel
    Die Gesellschaft vaterlos
    Frauenleistung, grandios
    Mauerbau und Kuba-Krise
    Kalter Krieg war die Devise
    Wirtschaftswunder ließ vergessen
    Man konnte wieder richtig essen
    Die Gesellschaft aber blieb noch starr
    mit Schichten, Naziresten, sehr bizarr
    Die Studenten mit wirren Gedanken
    Begannen über Demokratie zu zanken
    Ist Kommunismus besser mit Ho-Chi-Minh
    Kommune oder Mao alles Widersinn?
    Gegen Kapital demonstriert und für Vietnam
    Gegen Reza Palavi kam‘s zum Melodram
    Die RAF begann zu morden
    Gewissensprüfung aller Orten
    Beatles, Stones, die Popmusik
    Stehblues, Röcke kurz und dusselig
    Diskoabende laut und anschmiegsam
    Im Lärm und Alkohol jedoch einsam
    Dann war das Studium zu Ende
    Fixiert im Kopf die Meinungsbände
    All das was uns geprägt
    uns heute emotional bewegt

  •  

    Der junge Fähnrich István Krazňai dient in der Leibgarde der Kaiserin Maria Theresia in Wien und sieht während eines Kontrollgangs, wie sich ein Frauenzimmer in lebhaftem Gespräch aus dem Fenster beugt. Das runde Hinterteil wölbt sich ihm verlockend entgegen, er kann nicht widerstehen und haut kräftig drauf. Die Gestalt fährt herum und  – o Schreck! – es ist die Kaiserin. Er bricht ins Knie und stammelt: „Majestät, wenn Ihr Herz ebenso hart ist wie Ihr Hintern, dann bin ich ein verlorener Mann.“  Aber sie: „So verloren sehen Sie mir gar nicht aus…kommen Sie doch mal…“. Von Stund‘ an tritt er in „innere Dienste“…

    Einem On dit zu Folge hatte Maria Theresia 16 Kinder von 18 Männern. Sie vergaß keinen von ihnen, die Geschichte geht weiter. Im Alter von etwa 60 Jahren, was damals wirklich alt war, ruft sie alle ihre Liebhaber zusammen. Sie trägt ein kostbares Gewand, das mit 18 Knöpfen aus Brillantsplittern besetzt ist. Im Nu öffnet sie alle Knöpfe, lässt ihr Kleid fallen und jeder der anwesenden Männer erhält einen Knopf. Sie tragen ihn in einem Ring am Finger und haben damit jeder Zeit Zutritt zur Kaiserin.

    Krazňai ist bis dahin nur Vítéz, ein frei Geborener, für dessen Unterhalt und Waffen die Königin sorgt (bekanntlich ist sie ja in Ungarn nicht Kaiserin sondern Königin, K. und K.). Jetzt beschenkt sie ihn mit einem namhaften Anwesen, das ihr – mit Verlaub – gar nicht gehört, im Niemandsland, gyepű, zwischen der Österreich-Ungarischen Monarchie und dem Kiewer Großherzogtum (Russland). Dazu erhält der Vitéz noch einen endlos langen gräflichen Namen, nach der Kraszna, einem Nebenflüsschen der Theiss, und einer gleichnamigen Burg auf einer höchst unzugänglichen Bergspitze. So aber lautet der Name: „Vitéz alsó-krasznai és felső-krasznai továbbá kraszna-horkai krasznai KRASZNAY“. Davon ist nach dem Sieg des Sozialismus nur noch ein schlichtes „Krasznai“ übrig.

    Selbst wenn die Geschichte erfunden wäre, hätte sie ihren Charme.

    Aber es gibt diese Knöpfe! Der jetzige Eigentümer Petúr Krasznai hat den seinen noch einmal neu und solide fassen lassen. Eines Tages hält er sich in einem überfüllten Warschauer Bus an der oberen Haltestange fest und neben seiner Hand mit dem funkelnden Ring wird die Stange von einer weiteren männlichen Hand, die ebenfalls mit einem Maria-Theresien-Ring geschmückt ist, umklammert. „Dann sind wir wohl verschwägert???!“

    Der Ring wird gewöhnlich an den ältesten Krasznai-Sohn weitergegeben. Petúr hat für seinen Knopf eine weit bedeutsamere zukünftige Verwendung gefunden, nämlich in einer Knopfsammlung, möglicherweise in einem Knopf-Museum, einer Initiative unserer Nichte, einer promovierten Juristin.

     

    Dr.med. Dr.phil. Waltrud Wamser-Krasznai

    Vereidigte Burgschreiberin „von und zu“ Kraszna-Horka

  • Die Gedankenfresser

    Victor ist nervös. Der ranghöchste Präsident der Welt wartet auf seinen Vortrag. »Sir, wir haben einige Fehlermeldungen, doch die mit Abstand Interessanteste ist diese hier.«

    »Nun erzählen Sie schon«, erwidert der Präsident ungeduldig.

    »Von allen Personen, die eine Mensch-Maschine-Schnittstelle nutzen, fallen exakt zwölf aus der Reihe.«

    »Aus der Reihe?«, echot Präsident Zabidar.

    »Sie erlauben keinen Zugriff auf ihre Gedanken«, erläutert der blutjunge Assistent, der seine Entdeckung eher als erschreckend befindet als darüber stolz zu sein.

    Der Präsident zuckt mit den Schultern, da ihm ganz offensichtlich die Tragweite der Aussagen unklar ist. »Was genau wollen Sie damit sagen?«

    »Unser Projekt wird ständig verbessert. Doch es scheint Nutzer zu geben, die unser top secret Anliegen nicht nur spüren, sondern sogar aktiven Widerstand leisten.«

    »Widerstand?« (mehr …)

  •  

    50 Jahre nach der Praxiseröffnung kehre ich zurück in den Ort, den ich damals so beschrieb: «In unserem Dorf praktizieren drei Ärzte: ein Chirurg, ein Internist und ich als Allgemeinpraktiker. Wir vertreten uns gegenseitig während der Ferien und leisten abwechslungsweise Wochenenddienste, auch im Spital, so dass wir über unsere Patienten eine gute Übersicht haben. Unser Gebiet ist zirka 25 km lang. Ungefähr die Hälfte unserer Patienten sind Bergbauern, die in den kälteren Jahreszeiten ihre Zipfelmützen tragen.» Jetzt gibt es zwar weniger Bergbauern, aber immer noch viele Bewohner tragen die «gäbigen» Zipfelmützen. Das Haus, in dem ich die Praxis hatte und im ersten Stock wohnte, ist schöner, stattlicher, aber nach 100 Jahren gibt es dort keine Arztpraxis mehr. Der Besitzer, mein Nachfolger, hat mit der Praxistätigkeit, die er nach dem Muster seines Vaters als Chirurg im Spital und praktizierender Arzt führte, aufgehört und im Erdgeschoss die Praxisräume in eine Wohnung für die Familie seiner Tochter umgebaut. Das ist nicht alles, nach der Blütezeit mit mehreren Ärzten, praktiziert im Dorf keiner mehr.

    Das schöne Spital, das ein Jahr nach Anfang meiner Praxistätigkeit eröffnet und mehrmals um- und ausgebaut wurde, wollten sie noch vor ein paar Jahren im Wahn der Liebe zu Grossspitälern schliessen. Nach heftigen Protesten der Einwohner, wie im ganzen Land bei solchen Vorhaben üblich, überlegten sie sich eines Besseren. Die Proteste wären vermutlich ins Leere gegangen, aber die verantwortlichen Politiker, die Vorsteher der kantonalen Gesundheitsdirektionen, die es durchsetzen wollten, wurden prompt abgewählt und ihre Parteien büssten bei den nächsten Wahlen jeweils Stimmen ein. Es zeigte die Stärke der direkten Demokratie. Darauf wurde nach längeren Diskussionen in der Standes- und allgemeinen Presse ein neues Modell des peripheren Spitals entwickelt, wie es auch hier jetzt bestens funktioniert. Es besteht aus einem Kreisssaal von Hebammen geführt, mit Zimmer für Wöchnerinnen, weiter einer geriatrischen Abteilung. Die Angehörigen der alten Patienten brauchen nicht weit das Tal runter zu fahren, um sie zu besuchen. Ähnlich ist es mit der Demenzabteilung. In der Pflegeabteilung werden Patienten, wenn nötig auf die Operationen in den grösseren Spitälern vorbereitet und nachher nachbehandelt, wie auch andere Patienten, die zwar nicht zu Hause betreut, aber auch nicht in einem grösseren, besser ausgerüsteten Spital versorgt werden müssen. Im Ambulatorium werden kleinere operative Eingriffe, Wundversorgungen vom Personal des Spitals durchgeführt, anspruchsvolle Endoskopien und Ultraschalluntersuchungen jedoch von auswärtigen Spezialisten, die jeweils dafür einreisen. Sie benützen dafür Geräte, die von den  Zentralspitälern aussortiert wurden.

    Die Medikamente für die einzelnen Patienten bereitet ein Roboter vor. Die Spitalapotheke hat auch einen Vorrat an Notfallmedikamenten für die Bevölkerung des Tales. Ihren normalen Bedarf beziehen sie über eine Versandapotheke, was für sie und ihre Versicherer günstiger ist. Die Dorfapotheke schloss bereits vor mehreren Jahren ihre Türe.  Die Patienten werden zum grossen Teil von Robotern auch gepflegt. Zuerst wagten es nur die Mutigen.  Als sie Gefallen an den ruhig summenden und arbeitenden Maschinen fanden, folgten ihnen weitere. Die pflegenden Menschen sind nicht verschwunden. Sie springen ein, wenn die Roboter überfordert sind, oder jemand sie ablehnt. Die Qualität der Patientenbetreuung hat enorm zugenommen: Die Patienten werden öfters gepflegt, gewendet, schneller, ohne lange warten zu müssen, gereinigt und genährt. Das Personal hat mehr Zeit, ihren Ängsten und Sorgen zuzuhören, und da manche dafür besonders geschult wurden, können sie auch in diesem Bereich besser helfen. Wegen der guten Spracherkennungssysteme und einheitlichen elektronischen Krankengeschichten verminderten sich die ungeliebten Schreibarbeiten, und es gibt mehr Zeit für die Uraufgabe, die Pflege und Betreuung der Patienten.       Dank Telemedizin braucht das Spital keine eigenen Ärzte. Als Unterricht für Studenten und junge Assistenten findet einmal pro Woche eine Visite mit einem erfahrenen Arzt, nicht selten einem Professor aus einem Zentrumsspital statt.

    In einer Zeit, in der es aus verschiedenen Gründen immer weniger Allgemeinärzte gab, wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass in Gebieten, wo sie vorhanden waren, die Gesundheit besser und die Sterblichkeit tiefer war. Dann steigerte man noch die Bemühungen, um mehr Allgemeinärzte zu haben. Es half nicht. In der Not besann man sich, dass eigentlich die Funktion, die Erfüllung der Aufgaben wichtig ist und in der Zeit der künstlichen Intelligenz, diagnostischen und therapeutischen Algorithmen, Telemedizin, auch weniger gründlich und weniger lange ausgebildete Personen ohne Hochschulabschluss es tun können. Schon seit längerer Zeit übernahm doch nichtakademisches, gut und speziell ausgebildetes Personal viele ehemalige ärztliche Aufgaben wie Diätberatung, Pflege der Wunden bei Diabetikern, Betreuung der Dementen, Versorgung einfacher Wunden. Nebst der Labormedizin, spielte die Anästhesiologie eine Vorreiterrolle. Bereits vor mehr als 60 Jahren war es  üblich, dass die Patienten von Pflegefachleuten narkotisiert wurden. Dieser Trend verstärkte sich unter dem Titel «Fachüberschreitende Zusammenarbeit». Die immer besseren Geräte für die bildgebenden Untersuchungen ermöglichten ihren Einsatz in der Röntgenologie und bei Endoskopien. Nach 50 Jahren seit der Eröffnung meiner allgemeinärztlichen Praxis werden die Patienten im Tal von besser und speziell ausgebildetem Spitexpersonal im Ambulatorium des Spitals betreut. Sie besuchen die Patienten selbstverständlich auch zu Hause. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass sie meistens ortsgebunden und ortskundig sind und damit weniger ihre Stellen wechseln. Ihre Arbeit ist interessant und sehr begehrt. Das Modell mit speziell ausgebildeten Plegepersonal aber ohne Besuchen übernahmen auch grosse zentrale Spitäler, um ambulante Patienten mit kleinen Wunden und banalen Krankheiten zu triagieren und zu versorgen.
    Durch diese Entwicklung sowohl im Spital- wie im ambulanten Bereich entschärfe sich in relativ kurzer Zeit der Mangel an Ärzten und Pflegepersonal. Ihre Zuwanderung aus Ländern mit einer schlechteren Belohnung wurde weitgehend aufgehalten. Diese Länder litten darunter mehr und begannen deswegen mit den beschriebenen Änderungen zuerst. Wie alle technischen Fortschritte führten sie zu einer grösseren Effizienz und kürzeren Arbeitszeiten.

  • FKK im Internet
    Wollen wir uns gründen
    Intime Daten, Geld und Bett
    Und all die Steuersünden

    Die mühsam virtuell mit List
    Häcker sich erschleichen.
    Schicken wir als public Mist
    Zu den Datenleichen.

    Spanner in der Hackerwelt
    Mögen googeln,  twittern,
    Was das Netz Geheimes hält
    Bringt uns nicht zum Zittern.

    FKK entspannt, befreit
    Von Ängsten, Scham und Sorgen
    Spyware wandelt Bit und Byte
    In Me too von Morgen.

    Böse Hacker können sich
    Zu Avatars verwandeln.
    Journalisten fürsorglich
    Fake News als wahr behandeln.

    Also dann:
    Zeige jeder, was er kann!
    FKK im Netz macht frei!
    Und Datenklau ist auch vorbei!

    Schließt Euch uns, Ihr Leute an
    Frei sei Web und Master!
    Dann surfen weder Frau noch Mann
    Beim Date in ein Desaster!

     

     

  • Ihr wollt mich nicht, Ihr weist mich ab!
    Ich sage, das wird euer Grab!

    Habe gelitten, war in Not
    Und sicher auch ganz nah dem Tod.

    Mit Vaters Segen, letzter Kraft
    Und Geld hab ich mich aufgerafft

    Wie es mir Allah stets gebot
    Schaffe den Hungernden das Brot.

    Ich habe Euer Herz geglaubt.
    Mitleid, Verstand sind Euch geraubt

    Schreckt nur vor Macht der Diktatur
    Vergesst Gewalten der Natur.

    Wie, meint Ihr denn, kann ich zurück
    Als Bote für das Missgeschick?

    Kann töten meine Träumerein
    Der Einladung zum Glücklichsein?

    Ihr handelt wie ein Teufelsschwein!
    Ich komme wieder, ich allein

    Opfere mich für Allahs Macht.
    Ich sprenge Euch in seine Nacht

    Und lebe dort in seinem Reich
    Als treuer Diener, Herr zugleich.

    Dort sag ich Euch, wer bleibt, wer geht
    Wenn Ihr zertrümmert vor mir steht.

     

     

     

     

     

     

     

  • Der aufrecht Gehende

    (1.7.2019)

     

    Im Hain meiner Träume tauchen tausend Leuchtkäfer auf
    wenn über dich ehrfürchtig gesprochen wird
    Der Garten meiner Gedichte gedeiht glanzvoll
    wenn über dich sehnsüchtig nachgedacht wird
    Dann werden die Straßen meiner lebendigen Stadt
    mit den schönsten Blumen der Zuversicht geschmückt
    Und die Menschen verhalten sich so
    als wäre es der erste Frühlingstag voller betörender Düfte
    Im Himmel ihrer Herzen funkeln frohlockende Sterne
    Ihre Worte schmecken nach frischem Quellwasser
    Wenn du erscheinst, fliegen die Vögel verzaubert
    die schönsten Gesänge im Sinn
    Und die mit trächtigen Träumen bewässerten Bäume
    zaubern ein Meer ihrer besten Früchte hervor
    Dort, wo du wirkst, lodert das Lebensfeuer

  •  

    Römer und Germanen, Italiener und Deutsche sind von alters her verbunden in Freud und Leid, in Freundschaft und Feindschaft, in Herablassung und Bewunderung. Was dem Deutschen sein Fleckerl-Teppich (Sachsen-Weimar-Eisennach, Reuß jüngere Linie, Löwenstein-Wertheim-Freudenberg) ist dem Italiener sein Campanilismo. Germanicus war ein Beiname derjenigen römischen Feldherren und Kaiser, denen es gelang, die Scharte der verlorenen Varusschlacht auszuwetzen und sich – vorübergehend – ein namhaftes Stück Germanien einzuverleiben.

    Anfangs bestehen die römischen Militärlager aus Erdwällen mit hölzernen Palisaden, die Unterkünfte aus ledernen Zelten[1]. Im Jahre 2 n. Chr. beschreibt der Geometer Hygin (Hyginus Gromaticus) wie ein Castrum entsteht. Vermessungs-Ingenieure stecken die beiden Hauptachsen, den Cardo und den Decumanus, ab. Für rechte Winkel benutzt man eine Kombination aus Lot und Visiergerät, die  Groma[2]. Das Haupttor, die Porta praetoria, öffnet sich in Marschrichtung, gegen den Feind, An der höchsten Stelle des Lagers befindet sich die Porta decumana. In der Mitte liegen die Stabsgebäude/Principia, mit dem Fahnenheiligtum und dem Bildnis des Kaisers[3], das Praetorium, der Sitz des Kommandanten und die Mannschaftsbaracken/Centuriae. Vorratsgebäude, Werkstätten und Lazarett/Valetudinarium, schließen sich an. Letzteres gehört, wie wir aus Xanten/Vetera wissen, zu den ersten unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) aus Stein errichteten Bauwerken[4], deren Identifizierung mit Hilfe der dort gefundenen medizinischen Instrumente gelingt. Im Valetudinarium  wurden die Soldaten sowohl ambulant als auch stationär behandelt. Ihre Gesundheit zu erhalten ist erstrangig. Über Aquädukte wird frisches Wasser  herangeführt.

     

    Abb. 1: Pont du Gard bei Nîmes, Provence,  Aufnahme der Verfasserin

    Die Badegebäude/Thermen liegen meist vor den Kastell-Mauern. Mittels  Fußbodenheizungen/Hypokausten werden die Warmbäder/ Caldarien erwärmt.

     

    Abb. 2: Hypokausten, Leptis Magna/Libyen, 2. Jh. n. Chr., Aufnahme der Verfasserin (2009)

     

    Wie die Stabs- und Mannschaftsgebäude verfügen auch Thermen über Gemeinschafts-Toiletten/Latrinen. Viele sind mit einer ständigen Wasserspülung ausgestattet.

    Abb. 3: Latrine in der Hafentherme von Leptis Magna / Libyen, Aufnahme der Verfasserin (2009)

     

    Die Therapie ist nicht in jedem Fall unangenehm. In Aquincum erhält die Legio Secunda Adiutrix zollfreien Wein für das Lazarett. Der griechische Arzt Dioskourides (1. Jh. n. Chr.) empfiehlt Wein gegen Husten. Arzneien werden häufig mit Wein gemischt[5].

    Vor der Einstellung des Rekruten steht eine körperliche Untersuchung.  Ungeeignete werden ausgesondert. Exerzieren ist an der Tagesordnung.  Marschübungen im Laufschritt bezeichnet man als ambulatus – Spaziergang[6]!

    Militärärzte sind im Allgemeinen Unfreie, oft griechische Kriegsgefangene. Sie bekleiden keinen besonders hohen Rang, bringen es allenfalls zum Hauptmann, oft nur zum Sanitätsgefreiten; doch da sie die medizinische Versorgung der Truppen gewährleisten, verleiht ihnen bereits Caesar im Jahr 46 v. Chr. das römische Bürgerrecht[7].

    Müssen Rekruten wegen schwerer Verletzungsfolgen oder körperlicher bzw. geistiger Gebrechen vorzeitig ausgemustert werden, so entspricht das der ehrenhaften Entlassung. Sie durften dann heiraten und erhielten ein Stück Land[8].

    Seit Augustus gilt für dienstverpflichtete Soldaten das Eheverbot. Erst mit der ehrenvollen Entlassung, also nach wenigstens 25-jähriger Dienstzeit, erhalten sie das Recht auf Eheschließung. Das ändert sich unter Septimius Severus (193-211), der auch den aktiven Soldaten die Heirat gestattet. Vorher waren Soldatenehen und die vielen eheähnlichen Verhältnisse rechtsunwirksam; sogar  eine vorher geschlossene Ehe begann mit dem Eintritt des Rekruten ins Heer zu ruhen. Die zahlreichen Kinder „ex castris“ hatten vor allem erbrechtliche Nachteile. Darüber wissen wir aus den erhaltenen Militärdiplomen:

    „Der Imperator Caesar………..gibt denjenigen Reitern und Fußsoldaten………deren Namen unten angegeben sind, ihren Kindern und Nachkommen das Bürgerrecht und das Eherecht mit den Frauen, die sie zu diesem Zeitpunkt schon hatten, oder wenn sie Junggesellen sind, mit denen, die sie später nehmen, jedoch nur mit einer.“

    Dass die Sorge des Kaisers für seine Soldaten noch in anderer Weise über den Zeitpunkt der Dienstentlassung hinaus gehen konnte, besagt die Bauinschrift an einem Balneum in Singidunum/Moesia superior (Belgrad): Dieses Bad steht  ausschließlich „in usum emeritis quondam Alexandriae“, dem Gebrauch durch die Veteranen der 4. Legion Severiana Alexandrina zur Verfügung[9]. Aus dem Namen der Legion geht der des Kaisers Severus Alexander hervor. Wir befinden uns in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr.

    Die Kleidung des Soldaten besteht gewöhnlich in einer kurzärmeligen Tunica, einem Mantel und den Caligae[10] für die Füße. Der Feldzeichenträger/Signifer (Abb. 4) ist mit einer langärmeligen Tunicaa mancata bekleidet. Sein Haarschnitt entspricht dem des Kaisers, Traianus.

     

    Abb. 4: Grabrelief, Aquincum/Pannonien, 2. Jh. n. Chr., Aufnahme der Verfasserin

     

    Gefangene Barbaren (Chatten?) stellt man spärlich bekleidet, mit grobschlächtigen Körpern und strähnigen Haaren dar (Abb. 5). Sie sind schmachvoll  aneinander gekettet, die Hände hinter dem Rücken gefesselt[11].

     

    Abb. 5:  Sockelrelief aus Mainz-Kästrich, 2. Jh. n. Chr., Aufnahme der Verfasserin

     

    Als Schutzgötter verehren die Soldaten Diana, Merkur, Kastor und Pollux,  aber auch die Heilkundigen, Asklepios und Hygieia/Salus. Die Auxiliartruppen behalten ihre Stammesgötter wie die keltische Pferdegöttin Epona. In einem Militär-Schwimmbad in Bu-Ngem/Tripolitana fand sich ein aus dem Jahr 203 n. Chr. entstandenes Weihgedicht an die Göttin Salus, verfasst von dem Zenturionen Q. Avidius Quintianus[12], der einerseits die glückliche Rückkehr des Heeres und andererseits die Wohltat des Wassers in der Gluthitze des Südens preist.

    Am germanischen Limes liegen im Abstand von 15 bis 20 km die durch Wachtürme kontrollierten Auxiliar-Kastelle. Einen florierenden kleinen Grenzverkehr bezeugen noch heute die lange vor dem Einmarsch unserer Befreier aus dem Westen genetisch fixierten klassischen Nasen und das dunklere Hautkolorit meiner Cousinen!

    Joseph Victor von Scheffel (1826-1886)  hat es in unnachahmliche Verse gegossen:

    Ein Römer stand in finst’rer Nacht
    Am deutschen Grenzwall Posten…
    An eine Jungfrau Chattenstamms
    Hat er sein Herz vertandelt,
    Er war ihr oft im Lederwams
    Als Kaufmann zugewandelt…

     

     

    Abgekürzt zitierte Literatur:

    Busch 1999: St. Busch, Versus Balnearum (Stuttgart und Leipzig 1999)
    Johnson 1987: A. Johnson, Römische Kastelle (Mainz 1987)
    Junkelmann 82000: M. Junkelmann, Die Legionen des Augustus (Mainz 82000)
    Selzer 1988: W. Selzer, Römische Steindenkmäler. Mainz in römischer Zeit (Mainz 1988)
    Steger 2004: F. Steger, Asklepiosmediin. Medizinischer Alltag in der römischen Kaiserzeit (Stuttgart 2004)
    [1] Die älteste ausführliche Beschreibung stammt von Polybios aus der Mitte des 2. Jh. v. Chr. Pol. VI.
    [2] Johnon 1987, 54 f. Abb. 22.
    [3] Tac. Hist. III, 13; An. IV, 2.
    [4] Johnon 1987, 257.
    [5] Johnson 1987, 182.
    [6] Vegetius I, 27; III, 2; Johnson a. O. 179.
    [7] Steger 2004, 49 und Anm. 207.
    [8] Steger 2004, 69.
    [9] Busch 1999, 266 f.
    [10] Junkelmann 82000, 96 Taf. 25. 158-161 Abb. 9.
    [11] Selzer 1988, 69. 241 Kat. 263 Abb. 47.
    [12] Busch 1999, 560-563.

  • Törichte Teilhabe

    (3.5.2019)

     

    Nun, Machthaber der Zeit!
    Für mich ist es nicht entscheidend
    wie euer Reichtum zustande kommt
    Hauptsache ich bin daran beteiligt
    auch wenn im Sinne von Brosamen 

     So denken im trügerischen Paradies
    erhobenen Hauptes und guten Gewissens
    nicht wenige Menschen
    die angeblich für eine bessere Welt eintreten
     dabei geduldet-gefördert
    festgelegte Fragen aufwerfen
    sich in zugewiesenen Gewässern bewegen
    und täuschend Teilaspekte eines Systems angehen
    das auf Verelendung gebaut ist