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Beiträge zum Kongress in Würzburg 2016 (Eberhard Grundmann)

Bitteres Ende

Was lange ihre Heimstatt war,
wo sie gelebt in ganzen Horden,
wo sie gehaust seit Tag und Jahr,
das ist zur Falle jetzt geworden.

Verhängnisvoll war just der Platz,
den sie erwählt für ihr Zuhause –
hat jemand erst mal einen Schatz,
zerstört ihn auch schon ein Banause.

Allhier in Wennemanns Salon,
da hatten sie Quartier genommen,
doch Wennemann kennt kein Pardon,
ist ihnen auf die Spur gekommen.

Mit einem Sauger sog er sie
heraus aus ihrem trauten Hort,
nur zwei entkamen, wer weiss wie,
und sie verkrochen sich vor Ort.

Doch Wennemann voll List und Arg
hat alle Ritzen abgedichtet
und so den beiden einen Sarg
der ganz besondren Art errichtet.

Dort schleppt sich nun mit letzter Kraft
verzweifelt, abgekämpft und leise,
auf dass der Tod Erlösung schafft,
der Ameisbock zu der Ameise.

Den letzten ihres Volkes ist
ein Denk- und Mahnmal hier errichtet,
das Aberach voll Lust und List
den Nachgeborenen gedichtet.

(20.07.2013) © E W Grundmann

 

Lüge

Die Lüge dringt
überall ein
und
überall durch,
sie ist so
geschmeidig
und klein
und hat ganz
kurze Beine.

(21.03.2005) © E W Grundmann

 

Fettsucht

Er lebte
von der Hand in den
Mund und daran
starb er auch,
denn seine
Rechte wusste nicht, was
seine Linke tat

(03.04.2005)© E W Grundmann

 

Augen

Die Rätselfrage, welche Augen
zum Sehen überhaupt nicht taugen,
sei leicht, sagst du, und glaubst, es sind
die Hühneraugen, welche blind.

Ich muss dir aber widerstehen,
weil nämlich Hühner prächtig sehen –
und weisst du auch, womit sie’s tun?
Mit Hühneraugen sieht das Huhn!

(20.12.2013 0100)© E W Grundmann

 

Greifswald

Als die Wissenschaft zur Erden
sprach, du sollst zur Kugel werden,
da war Greifswald einmal schneller,
und es blieb so flach wie’n Teller.

Dieses schuld’ ich, sprach es eilig,
meinen Türmen, die mir heilig,
dass sie sich nicht seitwärts neigen
und verschiedne Himmel zeigen.

Da stehn sie nun jahrein jahraus,
Maria, Jakob, Nikolaus,
wo die Erde ewig bleibe
eine schöne platte Scheibe.

Und ich weise es dir gerne:
Nahst du dich der Stadt von ferne,
siehst du, niemand kann’s verhehlen,
alle drei in Parallelen.

(05.04.2015 0245)© E W Grundmann

 

Erkenntnis

Will ich die Welt betrachten,
muss ich auch mich selbst beachten.

Doch seh’ ich, was ich sehe,
stets aus meiner Augenhöhe.

Demzufolge sehe ich
beinah alles, nur nicht mich,

denn niemand ist es eigen,
selber sich zu übersteigen,

um dort, wie soll ich’s nennen,
ausserhalb sich zu erkennen.

Es bleibt nach diesem Gleichnis
in mir selbst die Welt Geheimnis.

(08.09.2004) © E W Grundmann

 

Epithalamium

Das Wunder
bleibt ein
Geheimnis
du kannst es
erfahren
aber nicht
erklären
du kannst
es empfangen
und verschenken
aber nicht
erzwingen
hüten kannst du es
oder
zerstören
es weilt nur
wo Wahrheit ist
und Freiheit.

Menschen zugedacht
nicht
von Menschen gemacht
ist Liebe.

(für Karen und Christian 08.04.2000)© E W Grundmann

 

Klarwasser

Einst wandert ich durch dunkles kaltes Tal,
tief eingeschnitten und geheimnisschwer,
es war das sagenhafte Digital.

Darinnen floss ganz schnell ein Fluss daher,
so schnell, dass er nicht war zu sehen, hören,
zu riechen oder fühlen, aber er,

der Fluss, der Digi hiess, ich kann es schwören,
riss alles mit sich, was man wissen wollte,
um an dem Ufer jeden zu betören.

Und wenn dann einer tat, was er nicht sollte,
klammheimlich ohne Angelschein zu fischen,
dann ging das leidlich, bis dass die Revolte

der ehrenhaften Fischer ihn erwischen
und in die ferne Wüste schicken würde.
Genauso ist es auch geschehn inzwischen.

Der Digifluss trägt eine schwere Bürde:
das klare Wissen für der Menschen Leben,
und er benötigt eine sichre Hürde,

ihm gegen Unrat, Missbrauch Schutz zu geben,
damit an seinen Ufern Früchte wachsen.
Ihr Leute, danach, danach müsst ihr streben.

(19.12.2013 0435) (Terzinen)© E W Grundmann

 

Virtuelles

Will Herr Wennemann spazieren gehen,
mag er nicht aus seinem Fenster sehen,
sondern fragt TV und Internet,
was es heute für ein Wetter hätt’.

In den meisten Fällen bleibt er hängen,
weil ganz andre Themen ihn bedrängen
oder weil die Technik wieder zickt –
Abend wird’s, bis er sich durchgeklickt.

Bestenfalles sieht er Leute wandern,
er versetzt sich dann in diese andern,
und so verwandelt sich ganz auf die Schnelle
sein Spaziergang in das Virtuelle.

Manchmal wünscht er sich, dass an der Türe
Aberach, der Freund, stünd’ und entführe
ihn zu einem Rundgang um den Block,
dass er nicht nur in der Stube hock’.

Da erfand der Fortschritt – welch ein Hohn –
das verflixte Bildertelefon.
Wennemann hat’s um so mehr beweint,
als der Freund nur noch am Schirm erscheint.

(05.02.2013) © E W Grundmann

 

Teppich

Frau Grote erbte einen Teppich
und sprach zu sich, sie sagte nebbich,
wie hoch kann man das Stück bewerten?
Ich frage besser den Experten.

Der Fachmann hat nach zehn Sekunden
neunhundert für genug befunden.
Die Freude war die allergrösste,
als neunzehntausend sie erlöste.

Schon bald ihr Glücksgefühl entschwindet,
just als ihr Käufer einen findet,
der ihm den Teppich wird entlohnen
mit sieben Komma zwei Millionen.

So wird die Wirklichkeit gemessen
an unsern Plänen und Int’ressen.
Uns stimmt nur alles das zufrieden,
was wir nach unserm Willen schmieden.

Doch haben wir es dann bekommen,
wird es uns wieder abgenommen,
und sei es nur, weil Wünsche schwanken
und dauernd sich um andres ranken.

(27.01.2012)© E W Grundmann

 

Werte

Kinderstube:
Du sollst es einmal besser haben.
Du sollst alles haben.
Haben.
Nimm dir.
Iss, soviel du kannst.
Wenn du nicht mehr kannst,
nimm Naschwerk.
Etwas geht immer.
Nie hörst du die Worte:
– Das tut man nicht.
– Das musst du verantworten.
– Das ist deine Pflicht und Schuldigkeit.

Später:
Sei Knallhart.
Sei tough,
gnadenlos erfolgreich,
schlagkräftig,
schlage kräftig.
Maximiere den Gewinn.
Du hast nichts zu verschenken.
Du kannst alles kaufen.
Mitnehmen und abräumen.
Abstauben, dass es staubt.
Was nicht verboten ist,
das ist erlaubt.

(05.03.2008) © E W Grundmann

 

Evolution

Wennemann hat seinen Laden
gut geführt und ausgestaltet
mit Qualität in hohen Graden,
hochmodern und nicht veraltet.

Dann verkaufte er an einen
jüngeren und hoffnungsfrohen
Mann vom Fach, so wollt’ es scheinen.
Die Erwartung ist entflohen,

als der Neue alle Werte
konterte und demontierte
und mit ungerechter Härte
die Angestellten schikanierte.

Alles, was an gutem Standard
Wennemann hat eingerichtet,
hat der Neue voller Hoffart
abgeschafft und glatt vernichtet.

Wennemann gerät ins Grübeln,
ob abgesehn vom Einzelfalle
sich die Menschheit je von Übeln
aufschwingt hin zur Ruhmeshalle,

oder ob, was wir Entwicklung
nennen, nicht ein Kreisgang sei,
der in ewiger Verstrickung
angepflockt im Einerlei.

Aberach versucht zu trösten:
Fortschritt bei den Qualitäten
stosse immer auf die grössten
Hindernisse und da täten

Vor- und Rückschritt alternieren
so, dass man erst nach Äonen
kann die Frage ventilieren
nach den Evolutionen.

Wennemann seufzt hörbar auf:
Wie soll ich da noch hoffen,
denn mein kurzer Lebenslauf
lässt ja alle Fragen offen.

(30.03.2013)© E W Grundmann

 

Republikflucht

Im Namen des Volkes
ergeht folgendes Urteil.
Der Republikflucht wird
für schuldig befunden
die Deutsche Demokratische Republik
(im Folgenden „DDR“).

Urteilsbegründung

Die DDR hat sich am 3. Oktober 1990 verflüchtigt.
Sie erfüllt den Straftatbestand
der Republikflucht (§213 StGB) in Tateinheit
mit Landesverräterischer Nachrichtenübermittlung (§99),
Ungesetzlicher Verbindungsaufnahme (§219)
Zusammenschluss zur Verfolgung gesetzwidriger Ziele (§218)
Zusammenrottung (§217),
Wahlbehinderung (§210),
Wahlfälschung (§211)
Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses (§202),
Nachrichtenunterdrückung (§203),
Verbrecherischer Beschädigung sozialistischen Eigentums (§164)
Unterlassung der Anzeige (§225).

Straferschwerend ist zu würdigen
die planvolle Absicht bei der Straftat,
das Zurücklassen Schutzbefohlener,
Kollaboration mit dem Klassenfeind.

Im Strafmass wird auf lebenslänglich erkannt.

Bewährung ist ausgeschlossen.
Es ist sicherzustellen, dass von deutschem Boden
nie wieder Sozialismus ausgeht,
ob braun, ob rot oder sonstiger Couleur.
Die Kosten des Verfahrens tragen die üblichen Dummen.

(1.5.2010) © E W Grundmann

 

Der Ort des Seins

ist
HIER und JETZT und SO.

Ein Gefängnis
wäre er,
stünde er nicht
in der Spannung
zu
GESTERN und MORGEN,
ANDERSWIE und ANDERSWO.

Das Haus des
Wirklichen
ist unbewohnbar
ohne den Garten
des Möglichen.

(09.05.2004)© E W Grundmann

 

Die fünf Leben der Zwiebel

Aus Samen zieht der Gärtner Giebel
zunächst die kleine Steckezwiebel.

Bald drauf wird Hausfrau Helga Ranzen
die Zwiebel in den Garten pflanzen,

und schon nach ein paar kurzen Wochen
nascht von dem Schlot ihr Stiefsohn Jochen.

Die ganze Zwiebel isst dann später
ihr zweiter Sohn, der kleine Peter.

Zuletzt nach Durchgang beider Söhne
gibts von der Zwiebel Duft und Töne.

( ~20.08.1995)© E W Grundmann

 

Garten

Ein schöner Garten schwebt dir vor
mit edlen Pflanzen hinterm Tor,
wobei alleine solches zählt,
was du dir selber auserwählt.

Du ackerst und du sähst und eggst
und sorgst, dass alles prächtig wächst,
du freust dich, wenn die Triebe sprossen,
denn fleissig hast du sie begossen.

Doch schon nach ein paar Tagen siehst
du, dass viel Ungebetnes spriesst –
selbst, wenn du rodest, wenn du jätest,
und wenn du Tag und Nacht es tätest,

und wenn du zupfst mit Stiel und Stumpf:
das Unkraut feiert den Triumph –
nur deine Kandidaten kranken,
statt, wie gewünscht, empor zu ranken.

Das Elend kann man nur beenden,
wenn sich die Perspektiven wenden,
wenn Unkraut du zu Kraut erhebst
und dann im Gegenzug erlebst,

dass nun die Kräuter dich auch adeln,
und statt als Unmensch dich zu tadeln,
sie dich zum Menschen nun erheben
und fortan friedlich mit dir leben.

Sei schlau und greif zu dieser List:
Lass die Natur so wie sie ist,
sonst wird sie wieder, wie sie war.
Ist das jetzt endlich allen klar?

(05.02.2010) © E W Grundmann

 

Frischluft

Aberach, ein Feind von allen Düften,
ist in seinem Hause stets am Lüften,
Fenster hält er offen auch bei Frosten,
ebenso bei Schneesturm aus dem Osten,
selbst die Gartentüre lässt er offen,
um sich bessre Lüftung zu erhoffen.

Wennemann, der zu Besuch gekommen,
hat die Scheiben heimlich rausgenommen
und verkauft, um Aberach zu testen.
Dieser findet jetzt die Luft am besten.

(23.01.2013) © E W Grundmann

 

Heckenschnitt

Wennemann benimmt sich wie die tote
sagenhafte Kunstfigur Quijote.
Einst vor Jahren liess er um den ganzen
Rand des Gartens eine Hecke pflanzen.

Leider, was er damals nicht bedachte,
hat der Gartenbauer, der es machte,
überwiegend Stacheln und auch Dornen
angepflanzt zur Rache für die Nornen,

die den Wennemann nun stachen, schnitten,
ritzten. Viel hat Wennemann erlitten,
bis er sich zum Kampf entschloss und Waffen
für den Krieg begann sich anzuschaffen.

Seither sieht man ihn in Schweiss und Blut
gebadet und mit Inbrunst, Glut und Wut,
mit Motorsäge, Häcksler, Beil und Schere
kämpfen, so als gelte es die Ehre.

(18.04.2013)© E W Grundmann

 

wetter

er bedaure
sagte der kommentator
das schlechte wetter

der garten
frohlockte
über den milden regen

das wetter ist immer schlecht
irgendwo
und immer gut
irgendwo
für irgendwen
und auch hier
irgendwann

(11.05.2013)© E W Grundmann

 

New Blue

Eine Woche Sturm und Grau –
heute wieder himmlisch blau,
alle Wolken sind gewichen
und der Himmel frisch gestrichen.

Die wir verloren längst geglaubt,
von bösen Mächten schnöd geraubt,
sie spiegelt sich, die Sonne,
in der vollen Regentonne.

(02.06.2010 Neuendorf / Hiddensee)© E W Gr

Published inGedichte

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