Schlagwort: Lebensweisheit

  • (5.3.2022)

    Jede Jahreszeit
    jede Tageszeit
    jedes Moment
    trägt Wunder in sich
    Allerdings sind Beine vonnöten
    zum Verlassen des selbstgemachten Käfigs
    empfindsame Sinne
    zur achtsamen Aufnahme der Geschehnisse
    und ein sonniges Herz
    zum wahrhaftigen Lieben

    ֎֎֎

  • Gefangen in Unwägbarkeit
    des eignen Tuns und Sollen,
    begrenzt durch unsre Lebenszeit,
    egal, was wir auch wollen.

    Gefangen in dem Glauben,
    die Welt sei gut und schön,
    verschließen wir die Augen,
    um nicht das Leid zu sehn.

    Gefangen in der Existenz
    Im Rahmen des Vermögens,
    erschließt ein Sinn  in Kontingenz
    vergebens sich, vergebens.

  • (2.10.2021)

    Zwei Jahre hast du noch zu leben
    sagte es und lächelte mitfühlend
    Ein Jahr hast du noch zu leben
    sagte es und lächelte warnend
    Deine Zeit ist ein für alle Mal um
    sagte es und lächelte fragend
    Jeden Tag dieser zwei Jahre
    habe ich offenherzig hingeschaut
    gelernt, das Gelernte umgesetzt, gelehrt
    gekämpft, genossen, geliebt, gelebt
    erwiderte ich gelassen
    und lächelte zufrieden

    ֎֎֎

  • One ancient fantasy describes an encounter between Fire, Water and Trust.                 As they walked through the woods The Fire said:

     “If I get lost, see if there is any smoke. Because where there is smoke, there is fire. „

    The Water replied, „If I get lost, look where there’s moisture, because where there’s moisture, there’s water.“

    The saddened Trust said: “If I get lost, don’t look for me. Once lost it is impossible to find me. „

    To consider:

    How often in life do we ignore smoke or moisture? Are we deluding ourselves that something is missing, in spite of realizing the signs?

    And how often we forget how hard it is to earn someone’s trust, and how easy it is to lose it irretrievably.

    Dr. med. André Simon © Copyright

    Credits: The sword lily was photographed by Dr. Dietrich Weller, who has agreed to illustrate this story. The author is grateful for this permission.

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Fantasie

    Eine alte Fantasiegeschichte beschreibt eine Begegnung zwischen Feuer, Wasser und Vertrauen. Auf ihrem Weg durch die Wälder sagte das Feuer:

    „Wenn ich verloren gehe, schau nach,  ob es irgendwo Rauch gibt. Denn wo es Feuer gibt, weht auch Rauch.“

    Das Wasser erwiderte: „Wenn ich verloren gehe, schau nach, wo es Feuchtigkeit gibt, denn wo Feuchtigkeit ist, gibt es auch Wasser.“

    Das betrübte Vertrauen sagte: „Wenn ich verloren gehe, sucht mich nicht. Wenn ich einmal verloren bin, ist es unmöglich, mich zu finden.“

    Zu bedenken:

    Wie oft im Leben beachten wir Rauch oder Feuchtigkeit nicht? Machen  wir uns selbst vor, dass etwas fehlt, statt die Zeichen zu erkennen?

    Und wie oft vergessen wir, wie schwierig es ist, das Vertrauen einer Person zu verdienen, und wie leicht es ist, es unwiederbringlich zu verlieren?

    Dank: Die Schwertlilie wurde von Dr. Dietrich Weller fotografiert. Der Autor dankt für die Genehmigung, diesen Text damit zu bebildern.

  •            

    This is a known story of a young man who visited an experienced elderly person asking for the help. He felt worthless because was mocked and ridiculed as stupid by the neighbors. The old man remarked: „I’m sorry to hear that. I will be happy to help you as soon as you can solve one of my problems.” Then he took one yellowish bowl and handed it to the youngster: “Walk to the city market. There, try to sell this bowl, but don’t accept less than one gold coin.”  

    The young man took the bowl and went to the market. There, he began to offer it to the merchants. When he mentioned the price of one gold coin, one merchant laughed, another one turned his heads, one offered him a silver coin …     The young man followed the instructions and left the market. When he reached the old man, he told him, that he had failed to get the gold coin for the bowl.

    The old man commented, “You are right, young man, how would an ordinary merchant recognize the true value of this bowl?  Go to the goldsmith, and just ask him how much he offers, but don’t sell it to him and then come back. „

    The young man went to the goldsmith. The goldsmith put the eye magnifier and expertly inspected the bowl proofed the authenticity, looked the hallmarks, weighed it, and then offered six gold coins. The young man was surprised, but remembering the instructions, he thanked and excitedly ran back. The old man listened to him and then gave the advice: “You are like this bowl, valuable and unique. But not everyone sees it. Why do you want to be appreciated by someone who is not able to recognize it?”

    Dr. med. André Simon © Copyright

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Sachverstand

    Dies ist eine bekannte Geschichte von einem jungen Mann, der eine ältere Person besuchte, um Rat zu erbitten. Er fühlte sich wertlos, weil er von den Nachbarn verspottet und als dumm verlacht wurde. Der alte Mann meinte: „Es tut mir leid, das zu hören. Ich werde dir glücklicherweise helfen können, sobald du eines meiner Probleme lösen kannst.“ Dann nahm er eine gelbliche Schale und händigte sie dem Jungen aus: „Gehe zum Dorfmarkt. Versuche dort, die Schale zu verkaufen, aber nimm nicht weniger als 1 Goldmünze.“

    Der junge Mann nahm die Schale und ging zum Markt. Dort begann er, sie den Händlern anzubieten. Als er den Preis einer Goldmünze nannte, lachte ein Händler, ein anderer drehte seinen Kopf weg, einer bot ihm eine Silbermünze an. Der junge Mann befolgte die Anordnung und verließ den Markt. Als er den alten Mann traf, berichtete er ihm, dass er es nicht geschafft hatte, die Goldmünze für die Schale zu erhalten.

    Der alte Mann erwiderte: „Du hast Recht, junger Mann, wie kann ein gewöhnlicher Händler den wahren Wert dieser Schale erkennen? Geh zum Goldschmied, und frag ihn, wieviel er bietet, aber verkaufe ihm die Schale nicht, und dann komm zurück.“

    Der Jüngling ging zum Goldschmied. Der Goldschmied nahm das Vergrößerungsglas, betrachtete die Schale sachverständig, bestätigte die Echtheit, schaute sich die Punzen (Prägemarken) an, wog sie, und bot ihm dann sechs Goldmünzen. Der junge Mann war überrascht, aber weil er sich an die Anordnungen erinnerte, bedankte er sich und rannte aufgeregt zurück. Der alte Mann hörte ihm zu und gab dann den Rat: „Du bist wie diese Schale, wertvoll und einmalig. Aber nicht jeder sieht das.  Warum willst du von jemandem geschätzt werden, der nicht in der Lage ist, das zu erkennen?“

  •                                      

    A psychologist was developing a group session, when he suddenly raised a glass of water. Everyone expected the classic question: „Is it half full or half empty?“ Instead, he asked: – How much does this glass weigh?  The answers varied between 200 and 250 grams. The psychologist replied:

    “Absolute weight is not important. It depends on how long I hold it in my hand. If I hold it for a minute, it won’t be a problem, but if I hold it for an hour, it will start to hurt my arm. If I hold it one day, my arm will numb first and then become paralyzed. The weight of the glass does not change, it is always the same. But the more I hold it, the heavier and harder it gets.

    Moral: this short story reminds us that the worries, negative thoughts, and resentment are like holding that glass of water. If we think about it, nothing happens. If we think about it all day, it starts to make us feel bad. And if we think about it all week, we will end up feeling paralyzed and unable to do anything. Therefore, we must learn to let go of anything that can harm us. Just as Roman philosopher   Mark Aurelius put it „It is my good luck that, although this has happened to me, I can bear it without getting upset, neither crushed by the present nor afraid of the future.“                                                                                                                          P.S.

    The neuroscientists made a trial by measuring of deposits of tau and beta amyloid, two proteins which cause Alzheimer’s disease. They have found, that negative thinking behaviors such as rumination produce more tau and beta amyloid buildup, worse memory and greater cognitive decline over a four-year period, compared to the people who were not worriers.                                                                    

    Dr. med. André Simon © Copyright

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Das Glas Wasser

    Ein Psychologe war dabei, eine Gruppensitzung zu entwickeln, als er plötzlich ein Glas mit Wasser hochhob. Jeder erwartete die klassische Frage: Ist es halb voll oder halb leer? Stattdessen fragte er: „Wieviel wiegt das Glas?“ – Die Antworten schwankten zwischen 200 und 250 g. Der Psychologe antwortete:

    „Das absolute Gewicht ist nicht wichtig! Es kommt darauf, wie lange ich es in der Hand halte. Wenn ich es eine Minute lang halte, ist es kein Problem, aber wenn ich es eine Stunde lang halte, wird mein Arm anfangen wehzutun. Wenn ich es einen Tag lang halte, wird mein Arm gefühllos, und dann wird er gelähmt. Das Gewicht des Glases ändert sich nicht, es ist immer gleich. Aber je länger ich es halte, umso schwerer und schwieriger wird es.

    Die wesentliche Aussage ist: Diese kurze Geschichte erinnert uns, dass all die Sorgen, negative Gedanken und Abneigungen ähnlich sind, wie wenn wir das Glas mit Wasser halten. Wenn wir darüber nachdenken, passiert nichts. Wenn wir aber den ganzen Tag darüber nachdenken, macht es uns schlechte Gefühle. Und wenn wir die ganze Woche lang darüber nachdenken, werden wir am Ende gelähmt sein und unfähig, irgendetwas zu tun. Deshalb müssen wir lernen, alles loszulassen, was uns schaden kann. Wie der römische Philosoph Marc Aurel es sagte: „Ich habe das große Glück, dass obwohl mir das passiert ist, ich es ertragen kann, ohne mich aufzuregen. Ich werde weder zerschlagen von der Gegenwart noch habe ich Angst vor der Zukunft.“

    PS.
    Die Neurowissenschaftler haben einen Versuch gemacht, indem sie die Ablagerungen der Tau- und Beta-Amyloide maßen, zwei Proteine, die die Alzheimer-Krankheit verursachen. Sie haben herausgefunden, dass die Angewohnheit des Negativ-Denkens wie Grübeln über einen Zeitraum von vier Jahren mehr Tau- und Beta-Proteinaufbau, schlechteres Gedächtnis und größeren kognitiven Abbau verursacht als bei Menschen, die keine Sorgenträger waren.

  • (15.5.2020)

    Jens Wernicke gewidmet

    Gerade in diesen Tagen
    Mutter Erde
    brauche ich deine tröstende Wärme
    Wenn ich schmerzhaft beobachte
    Mutter Erde
    wie bei meinen Mitmenschen
    in dieser weltweit inszenierten Belagerung
    durch Angst und Panik
    Wahrnehmungsstörungen
    Denkblockaden
    und Lähmungen entstehen
    wenn ich wahrnehme
    Mutter Erde
    wie in Windeseile
    sich Auflösungsprozesse ereignen
    wie die gesellschaftlichen Errungenschaften
    der Jahrzehnte langen Kämpfe
    für Weisheit und Gerechtigkeit
    tiefgreifend verletzt werden
    brauche ich deinen belebenden Atem
    Mutter Erde
    gerade in diesen Tagen

    ֎֎֎

  • Usually, being happy one remains silent in the fear that the situation changes, and the happiness disappear. However, the happiness and anxiety or fear do not go together.  The sensation of fear makes nobody happy.      

    It appears that, everybody is afraid to boast “I’m happy”, and instead of singing and praising God for this circumstance, everyone is hiding it. With no confidence and understanding of happiness, there is no joyfulness, and no feeling of stroke of luck. Life is set for our sensation of the happiness. During the life’ journey, we have sometimes painful conflicts, but those are temporary.

    Perhaps, I feel it in that way, because I learned from my mother the wisdom of the art of forgetting unpleasant memories. Perhaps, for this reason all the writers transform those memories into the cheerfulness, embedded in their stories.

     Why am I writing this? The reason for my confession is that, walking on this path in the autumn covered with red leaves, I start thinking of what I have done or missed to do, and I feel the sense of the sorrow for the time lost. Possibly, I try to remake or to repair. After so many years, I realize that the God has bestowed the feeling of happiness to us, and that it is the greatest gift, that people could have received.

    Dr. med. André Simon © Copyright

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Mein Weg

    Wenn wir glücklich sind, bleiben wir üblicherweise still aus Angst, dass sich die Situation verändert und das Glücksgefühl verschwindet. Aber Glücksgefühl und Furcht oder Angst passen nicht zueinander. Das Gefühl der Angst macht niemanden glücklich. Es scheint so, dass jeder sich fürchtet, sich mit „Ich bin glücklich“ zu brüsten, und statt zu singen und Gott zu preisen für die Umstände, verbirgt jeder das Gefühl. Ohne Vertrauen und Verstehen des Glücksgefühls gibt es keine Fülle der Freude und kein Gefühl eines Glückstreffers. Das Leben ist bereit für unsere Glücksempfindungen. Während unserer Lebensreise durchleben wir manchmal schmerzliche Konflikte, aber sie sind vorübergehend.

    Vielleicht spüre ich das so, weil ich von meiner Mutter die Weisheit der Kunst gelernt habe, unangenehme Erinnerungen zu vergessen. Vielleicht formen alle Schriftsteller deshalb diese Erinnerungen um in Heiterkeit, die sie in ihre Geschichten einbetten.

    Warum schreibe ich das? Der Grund für mein Bekenntnis besteht darin: Wenn ich im Herbst auf diesem mit roten Blättern bedeckten Weg gehe, fange ich an, darüber nachzudenken, was ich gemacht oder verpasst habe, und ich sorge mich um die Zeit, die ich verloren habe. Wenn möglich versuche ich es zu wiederholen oder auszubessern. Nach so vielen Jahren erkenne ich, dass Gott uns mit dem Glücksgefühl ausgestattet hat, und das ist das größte Geschenk, das wir Menschen erhalten konnten.