Jahr: 2013

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    Der Biber platscht so gerne
    beim Schwimmen mit dem Schwanz.
    Das hörte aus der Ferne
    neugierig eine Gans.

    Sie kommt herbei geflogen,
    setzt sich zu ihm hin:
    Dein Schwanz ist nicht verbogen,
    meiner ist so klein und dünn.

    Der Biber sagt verlegen:
    Er ist halt groß und breit.
    Ich kann ihn gut bewegen.
    Ich komm mit ihm sehr weit.

    Er hilft mir tauchen, schwimmen,
    klatscht Wasser in mein Haus.
    Und beim Land erklimmen,
    ruh ich mich auf ihm aus.

    Die Gans hört das mit Staunen,
    schaut sich nach hinten um.
    ein Schwanz aus Federn, Daunen
    macht sich immer krumm

    beim Fliegen und im Winde
    beim Watscheln auf dem Land.
    Deinen Schwanz ich besser finde
    Wir tauschen, hier nimm meine Hand.

    So tauschten Gans und Biber
    die Schwänze aus, nur so:
    Biberschwanz am Gansgefieder
    Federschwanz am Biber Po.

    Die Gans konnte nicht mehr fliegen.
    Der Schwanz war viel zu schwer.
    Beim Biber Platsch – Spaß kriegen,
    und tauchen ging nicht mehr.

    Leise bat die Gans den Biber,
    Dein Schwanz passt nicht zu mir.
    Mein eigner ist mir lieber,
    den Großen schenk ich Dir.

    So tauschten Gans und Biber
    die Schwänze schnell zurück.
    Der Große war ihm lieber,
    der Kleine war ihr Glück.

     

    Copyright Prof. Dr. Dr. Kayser

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    Ein Rabe, ein Hase, ein Fuchs und ein Schwein,
    die fühlten sich einsam und so allein.
    Der Fuchs lud sie alle zum Feiern ein:
    den Raben, den Hasen, sich selbst und das Schwein.

    Was wollt ihr speisen, fragt er galant
    und reicht dem Schwein seine Vorderhand.
    Was ihr auch wollt, alles kommt frisch
    aus unseren Landen gekocht auf den Tisch.

    Der Hase nähert sich froh aus dem Feld.
    Ich hätte gern Bier und Salat bestellt.
    Gern, sagt der Fuchs, das mache ich Dir.
    So kommst Du als erster zum Fest zu mir.

    Der Rabe fliegt krächzend vom Schornstein herbei.
    Ich wünsche gebratenen Hasen mit Ei.
    Gern, sagt der Fuchs, ich bin schon dabei.
    Du bist mein Gast mit der Nummer zwei.

    Das Schwein grunzt: Vogel, gebacken in Teig,
    garniert und gepfeffert mit Thymianzweig.
    Das wäre ein Riesenfestessen für mich.
    Sag aber, Fuchs, was kochst Du für Dich?

    Tja, was sag ich Dir auch?
    Ich wünsche mir Wein, fetten Schweinebauch.
    Vielleicht auch ein Schnitzel, garniert mit viel Kohl,
    dann wär’s mir beim Feste so richtig wohl!

    Der Hase flüchtet zurück in das Feld
    Und denkt sich, ich bin für den Raben bestellt.
    Der Rabe krächzt, das ist so gemein,
    ich bin nur das Futter für das dämliche Schwein.

    Das Schwein meint, ich bin doch nicht dumm,
    geh zu dem Fest und der Fuchs bringt mich um!
    Alle rannten nach Haus und blieben allein:
    Der Hase, der Rabe, der Fuchs und das Schwein.

     

    Copyright Prof. Dr. Dr. Kayser

     

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    Es war einmal ein Eimer,
    den wollte wirklich keiner. 

    Man stieß ihn hin, man stieß ihn her,
    mal war er voll, mal war er leer.

    Mal stand er in der Ecke rum,
    mal haute man ihn einfach krumm.

    Einst diente er als Torwartpfahl –
    man ließ ihn steh’n, ihm war’s egal.

    Ein Auto fuhr ihn krachend platt.
    Da hatte er das Leben satt.

    Legte sich zerdrückt  zum Sterben –
    es gab für ihn auch keinen Erben,

    der an ihm Gefallen fand.
    So hat er sich an Gott gewandt:

    Wo ist, Herrgott, des Lebens Sinn?
    Gott sagt: im Eimer da, tief in Dir drin!

     

    Copyright Prof. Dr. Dr. Kayser

     

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    Es war einmal ein Floh,
    der stach in den Popo
    einer Dame mit strohgelben Haaren,
    die, in solchen Dingen erfahren
    einen Furz bös von sich gab.

    Die scheußlich stinkenden Gase
    gerieten dem Floh in die Nase.
    Frau, das wird mein Grab
    Schrak er und sprang davon.
    So ist des Stiches Lohn:
    Sind scheußliche Düfte gegeben,
    gibt’s keinen Spaß im Leben!

     

    Copyright Prof. Dr. Dr. Kayser

     

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    Es saß eine ältliche Dame
    auf dem Töpfchen und machte pi-pi.
    Da kam ein goldenes Hähnchen
    das sah sie und rief kikerie.
    Kikerikie rief das Hähnchen und lachte
    sich über die Dame tot.
    Da briet es die ältliche Dame
    in der Pfanne zum Abendbrot.

     

    Copyright Prof. Dr. Dr. Kayser

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    Es saß eine braune Bauernhose
    um den Bauernbauch, recht lose.
    Sprach zu ihr der Haltegürtel,
    wenn der Bauch doch nur ein Viertel

    weniger an Umfang hätte,
    das wäre eine Wirkungsstätte!
    So aber muss ich mich sehr plagen
    Dich um den dicken Bauch zu tragen.

    Sprach zu ihm die Bauernhose,
    Ach, gäbe es nur eine Rose,
    Könntest du sie rot mir geben,
    Glücklich wär’ mein Hosenleben.

    So aber musst du mich fest halten
    Auch bei dicken Bauchgewalten.
    Doch wenn Gefühle drängend wallen,
    dann lass mich bitte, lass mich fallen!

     

    Copyright Prof. Dr. Dr. Kayser

     

     

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    Soll Gott Dich ziehen aus dem Dreck
    Die Hand ihm hoch entgegen streck
    Und freundlich sollst Du ihn begrüßen
    drum strampel kräftig mit den Füßen.

    Weit fliegt der Dreck
    dann von Dir weg,
    mit jedem Stück
    ein neues Glück.

    Und bleibt er trotzdem an Dir kleben,
    Versuch’s noch mal – so ist das eben.

     

    Copyright Prof. Dr. Dr. Kayser

     

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    Unsere Seniorengruppe „Hirnjogging“ lässt ihre Mitglieder auch immer mal von Ausflügen oder Urlauben berichten, die sie gemacht haben.

    Wir treffen uns an jedem Donnertag. Die Leitung hat Frau Ziegenbein übernommen, die, wie ich finde, auch noch so aussieht wie sie heißt.

    Heute berichtete Frau Ziegenbein selbst von einem Ausflug am 1. Advent zum Weihnachtsmarkt nach Annaberg-Buchholz. Das liegt gleich hinter Chemnitz im Erzgebirge, wo vor ein paar hundert Jahren Silber gefördert wurde.

    Frau Ziegenbein besuchte auch die Kirche Sankt Annen und war von den dortigen Reliefs „Lebensalter“ ganz begeistert.

    Auf der einen Seite in der Kirche sind zehn Frauen abgebildet, die erste zehn  Jahre alt, die letzte 100 Jahre alt. Die Veränderung wurde alle zehn Jahre festgehalten. Und zu jedem Bild und Alter wurde noch ein Tier abgebildet.

    Auf der anderen Seite in der Kirche ist das ebenso mit den Männern gemacht.

    „Was meinen Sie denn: Welches Tier würden Sie aussuchen für einen Mann von sechzig Jahren?“

    Die Männer der Gruppe empörten sich. Zuerst sollten die Frauenbilder besprochen werden.

    Frau Ziegenbein und die Frauen hatten nichts dagegen.

    „Mit Sechzig“, sagte Richard Beerenbeißer zögerlich, „ja, eine Taube ist, glaube ich, nicht richtig. Die Zeit ist wohl vorbei.“

    „Na“, sagte Wilhelm Dörsingmann, „da kommt es mit einer Glucke schon eher hin.“

    „Oder mit einer Eule“, grinste Friedrich Schlaftrinker.

    „Dann kannst du auch gleich eine Fledermaus nehmen“, meinte Paul Trostbeutel.

    „Vielleicht ist eine Elster das Richtige“, vermutete Heinz Tiefschneider, „von wegen Schmuck und so.“

    Emil Heißbaum dachte an Singvögel: „Ich bin für eine Krähe oder Amsel.“

    Doktor Pötter hatte lange überlegt: „Eine Gans könnte zutreffen.“

    Die Frauen waren mit den ganzen Vögeln nicht so richtig einverstanden.

    Doktor Pötter wiederholte: „Das kann nur eine Gans sein. Mit den Nachtigallen ist es doch wohl schon lange vorbei.“

    Frau Ziegenbein: „Und warum gerade eine Gans?“

    „Naja,“ meinte Doktor Pötter, „eine Gans ist doch ein schönes Tier. Sie ist niedlicher als Gössel und gibt einen guten Braten zu Weihnachten ab. Sie schnattert gerne mit anderen Gänsen, ist aber auch bissig, kennt die Gefahren und schlägt Alarm. Die ältere Frau wärmt mit ihrer Erfahrung die Kinder und Kindeskinder wie die Gans mit ihren Federn, die uns jede Nacht zudecken.“

    „Ja, das klingt gut“, sagte Paul. „Als Braten, hat meine Großmutter gesagt, ist die Gans ein närrischer Vogel: Für eine Person ist das zuviel, für zwei zu wenig.“

    „Mit den Federn und dem Bett hast du recht“, überlegte Emil. Vor den Gänsen muss man den Hut ziehen. Sie haben schon mehr Menschen kuriert als alle Doktoren zusammen.“

    „Und sie haben Plattfüße wie die Menschen“, machte sich Heinz bemerkbar.

    „Sehr schöne Gedanken“, lobte Frau Ziegenbein. „Eine Gans ist auch richtig. Na, wer sollte das wohl nicht heraus bekommen, wenn nicht unser Nervendoktor Pötter.“

    „Was fällt Ihnen denn sonst noch ein, wenn sie Gänse und Menschen in Verbindung bringen?“

    Nun riefen alle durcheinander.

    „Wenn einer auf der Geige übt, heißt es: Die Wildgänse schreien.“

    „Besser als gar nichts, sagte der Fuchs, und lag am Gänsestall.“

    „Gänsewein ist der beste Wein.“

    „Zwei Weiber und eine Gans machen zusammen schon einen Jahrmarkt aus.“

    „Das ist eine schlechte Gans, die nicht zum Ganter geht.“

    „Nun ist es genug“, sagte Frau Ziegenbein. „Oder hat noch einer einen ganz wichtigen Beitrag? Ja, Sie Herr Dörsingmann?“

    „Ich habe noch ein Rätsel für Kinder: Auf welcher Seite hat die Gans die meisten Federn? Antwort: Auf der Außenseite.“

    „Hm“, machte Frau Ziegenbein. Wir kommen nun zu den Männern mit sechzig. Welches Tier passt wohl dazu?“

    „Ja“, fing Erna Leisefeder an, da fällt mir ein Esel ein.“

    „Es kann auch ein Ochse sein“, meinte Gertrud Weinschäfer.

    „Oder ein Bock“, überlegte Marie Steinschlaf. „Aber mit sechzig? Das ist wohl schon zu alt, jedenfalls für einen guten Bock.“

    Emma Sauerfeldt konnte sich mit einem Fuchs anfreunden. Der ist klug, vorsichtig, aber auch hinterlistig und verschlagen. Er kann seine Kräfte richtig einteilen. „Also ein Fuchs.“

    Ida Wurzelnass war abwägend. „Ein Fuchs ist nicht schlecht. Aber noch mit sechzig? Ich glaube, ein Wolf passt besser. In diesem Alter hat er es zu etwas gebracht. Und das verteidigt er mit Mut, Kraft und Klugheit. Er ist auch zu Geld gekommen, wenn die Inflation ihm das nicht wieder nimmt. Es stellt sich natürlich auch die Frage, ob er abgeben kann von dem, was er besitzt. Er ist nicht mehr so bissig wie vor zwanzig Jahren, aber noch nicht so angepasst wie ein Hund.“

    Frau Ziegenbein: „Ja, Wolf ist richtig. Was fällt Ihnen dazu noch so ein?“

    „Wenn Neumond ist, hat der Wolf den Mond aufgefressen.“

    „Wo der Wolf liegt, dort beißt er nicht.“

    „Auch, wenn du die Schafe gezählt hast, beißt der Wolf sie trotzdem.“

    „Wer sich zum Schaf macht, den frisst der Wolf.“

    „Die alten Propheten sind tot. Und die neuen frisst der Wolf.“

    „Beim Ringwechsel soll der Mann still zu sich sagen: Ich der Wolf, du das Schaf. Dann führt er das Regiment.“

    „Wenn man sich einen Wolf gelaufen hat, soll man sich an der Stelle einen Salzhering durchziehen.“

    Das war nun der Punkt, wo Frau Ziegenbein sich wieder einklinkte.

    „Da haben wir doch allerhand Gedanken zusammen bekommen. Und das waren erst die Tiere für die Sechzigjährigen. Wir könnten uns also, wenn wir wollten und die Zeit dazu hätten, glatt zehn Stunden mit dem Thema befassen.“

    Ida fragte: „Welches Tier ist denn da in der Kirche für die Siebzigjährigen vorgesehen?“

    „Ja, meine Damen“, sagte Frau Ziegenbein und holte tief Luft, „das ist für die Frauen ein Geier.“

    Die Männer riefen im Chor: „Und für uns?“

    „Für Sie ist das ein Hund.“

    „Und für achtzig?

    „Eule und Katze“.

    „Und für neunzig?“

    „Fledermaus und Esel.“

    „Und für hundert?“

    „Da gibt es keinen Unterschied mehr: Sensenmann für Frau und Mann. Bei hundert sind wir am Ende angelangt.“

    Doktor Pötter murmelte: „Oder am Anfang.“

     

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    1.

    Wohin man sich auch wendet, man trifft immer wieder auf Lehrer. Es gibt kein Entrinnen.

    Meine ersten Lehrer waren Frau Barth und Herr Möller in einem kleinen Dorf nahe einer kleinen Kreisstadt. Wir schrieben das Jahr 1947. Sie unterrichteten die erste und zweite Klasse in einem Raum, insgesamt wohl etwa 60 Schüler. Wenn sie der ersten Klasse etwas beibrachten, beschäftigten sie die zweite Klasse zum Beispiel mit Schreiben. Und umgekehrt. Die guten Schüler der ersten Klasse beherrschten dann am Ende des Schuljahres auch den Lehrstoff der zweiten Klasse. Und die guten Schüler der zweiten Klasse langweilten sich, weil sie ja schon alles wussten.

    Frau Barth war alleinstehend. War ihr Mann im Krieg geblieben? Ab und zu kaufte sie bei meiner Großmutter Eier. Solche Beziehungen, sagte meine Mutter, würden mir nur nutzen können.

    Herr Möller hatte im Krieg ein Bein verloren. Nun hatte er ein Holzbein als Ersatz, womit er humpelte. Er hat uns das Holzbein nie gezeigt. Dabei waren wir doch neugierig, wie so etwas funktioniert.

     

    2.

    Frau Barth war eine kluge Frau. Als sie einmal zum Eierholen kam, fragte sie mich, ob ich denn wüsste, was mein Name, Rogge, eigentlich bedeutet. Na ich konnte es mir denken:

    „Das kommt von Roggen, dem Korn, das bei uns wächst”.

    „Ja”, erklärte sie mir, “da hast du recht. Weißt du denn auch, dass man die ersten Roggenehren, die man im Sommer sieht, durch den Mund ziehen soll? Das hilft gegen Fieber.”

    Ich wusste das nicht, aber ich fragte: “Haben Sie schon einmal den Roggenfuchs und den Roggenwolf gesehen?”

    Frau Barth verneinte.

    “Der Roggenfuchs sitzt in der letzten Garbe und der Roggenwolf ist das Tier, das man in den Wellen des wogenden Korns sehen kann.”

    “Woher weißt du das denn”.

    “Von meiner Oma. Sie hat es mir bei der letzten Roggenernte erzählt”.

    “Ein kluger Junge”, sagte Frau Barth zu meiner Mutter.

    “Ja”, antwortete diese.

    Und ich musste an den ersten Schultag denken, als meine Mutter gesagt hatte: “Wie komme ich nur zu diesem Kind!”

    Wir sollten auf der Schiefertafel Kreise zeichnen, was mir nicht so gelang, wie ich einen Kreis kannte, nämlich rund.

     

    3.

    In späteren Jahren habe ich nachgelesen, dass man Hexen dann erkennen kann, wenn man drei heile Roggenkörner in einem Brot findet. Das ist mir nie gelungen.

    Und dass man eine Warze mit drei Roggenähren bestreichen soll, habe ich auch nicht gewusst. Diese hängt man dann in den Schornstein. Dann würde die Warze weggehen. Dieses Verfahren praktizierte ich mit Erfolg.

    Und meine Oma legte drei Roggenähren unter das Butterfass. Das half gegen Verhexung.

    Unsere Butter schmeckte immer besonders gut.

    Und meine Tante Marie erzählte, dass eine junge Frau eine doppelte Roggenehre nicht pflücken soll, sonst bekommt sie Zwillinge. Das habe ich Brigitte erzählt, meiner Freundin in der ersten und zweiten Klasse.

    Sie wollte aufpassen.

     

    4.

    Nachdem Frau Barth mir klar gemacht hatte, dass alle Namen eine Bedeutung haben, fragte ich sie, was denn ihr Name, also Barth, bedeutete. Hatte das was mit dem Bart der Männer zu tun?

    “Ja”, berichtete sie. “Der Bart der Männer gehört zu ihnen wie der Schwanz zum Hund. Er ist in seinen verschiedenen Formen Schmuck, Nistplatz, Speisekammer und Tarnung. Manche Männer bringen sich hinter ihm in Deckung. Ein langer Kinnbart ist ein Zeichen von Alter und Lebenserfahrung. So heißt es denn auch: Der muss etwas wissen; dessen Bart ist durch einen steinernen Tisch gewachsen. Und von sinnlos Betrunkenen sagt man: Der kann nicht mehr über den Bart spucken. Wenn man jemandem schmeichelt, geht man ihm um den Bart.”

    “Aber warum haben Frauen keinen Bart?”

    “Weil sie den Mund nicht so lange still halten können, wie das Beschneiden des Bartes dauert. Ein Mann, der ein Mädchen zum Kuss auffordert, kann schon mal sagen: Mädchen, komm und jag mir die Flöhe aus dem Bart. Und wenn ein Mann bartlos ist, heißt es: Der hat einen Bart wie ein nacktes Gössel.”

    Ich dachte an Brigitte und fragte: “Kratzt oder sticht denn so ein Bart nicht, wenn man sich einen Kuss gibt?”

    Frau Bart lachte: “Wenn der Kuss nicht schmeckt nach Priem und Bart, hat die ganze Küsserei keine Art.”

    Ich fragte weiter: “Kann man am Bart denn sehen, ob jemand klug oder dumm ist?”

    Frau Bart: “Auch den Dummen wächst der Bart. Sonst würde man sie gleich erkennen.”

    “Eine Frage habe ich noch”, sagte ich. “Es gibt doch aber Männer, die keinen Bart haben, wie kommt denn das?

    Die Antwort von Frau Bart war: “Wenn ein Junge mit dem selben Taufwasser getauft wurde, wie vor ihm ein Mädchen, bekommt er keinen Bart.”

    Das habe ich Brigitte weiter gesagt.

     

    5.

    “ Wenn alle Namen eine Bedeutung haben”, sagte ich, “dann bedeutet der Name von unserem Lehrer Möller, dass es sich um einen Müller handelt.

    “Ja”, antwortete Frau Barth, “das besprechen wir beim nächsten Mal, ich muss noch den Unterricht vorbereiten”. Komisch, erst erzählt sie lang und breit, und dann hat sie plötzlich keine Zeit.

    Ich wollte aber doch mehr wissen zum Namen von Herrn Möller.

    So fragte ich erst meine Mutter und dann meine Oma, aber die hatten auch keine Zeit. Also ging ich zu meiner Tante Marie, sie wohnte gegenüber von der Schule.

    “Tja”, sagte sie, “die Müller gelten, natürlich nicht alle und nicht der aus unserem Dorf, als unehrlich. Sie werden Mehldiebe genannt.”

    “Aber warum?”

    Da gibt es verschiedene Ansichten. Es heißt zum Beispiel, dass der Müller von der Katze die Milch aufgesogen hat. Dadurch hat er das Mausen gelernt.”

    Und plötzlich lachte Tante Marie. “Weißt du, warum der Storch nicht auf der Mühle baut? Weil er Angst hat, dass der Müller ihm die Eier stiehlt.”

    “Da hat Herr Möller aber keinen schönen Namen”, erklärte ich.

    “Es kommt nicht auf den Namen an”, sagte Tante Marie, “sondern auf den Menschen, der ihn trägt. Ich meine, ob er ein guter oder ein böser Mensch ist. Dein Lehrer hat ein gutes Herz. Er hat im Krieg ein Bein verloren und beklagt sich nicht. Er zeigt euch, dass man trotz Schwachstellen Gutes vollbringen kann.

    Und: Lehrer sind auch nur Menschen”.

     

  • Denn Alles ist nur relativ

    Die Dinge laufen hin und wieder
    dem Plan der Ausführung zuwider.
    Manches gelingt und Vieles nicht,
    betrachtet man es recht bei Licht.
    Doch bleib entspannt, läuft etwas schief,
    denn Alles ist nur relativ.


    Ob Reichtum, Macht, ob Gut und Geld;
    Allein das Leben wirklich zählt.
    Lass nicht betören Dich vom Schein,
    bestimmend ist Dein Selbst, Dein Sein.
    Nur dies ist solide und konstitutiv,
    denn Alles ist nur relativ.


    Ob schlecht, ob gut, arm oder reich;
    für Gott sind alle Menschen gleich.
    Das Bessersein wollen, Besserwissen,
    lässt wahre Menschlichkeit vermissen.
    Verhalte Dich redlich, nicht konspirativ,
    denn Alles ist nur relativ.


    Hohes Amt und große Würden
    sind verknüpft mit manchen Bürden.
    Schaut man hinter die Kulissen
    wird man echten Glanz vermissen.
    Vieles davon bleibt fiktiv,
    denn Alles ist nur relativ.