Monat: Januar 2014

  • Hephaistos – ein hinkender Künstler und Gott

    Wenn es um die Behinderung des Hephaistos geht, sind die literarischen Quellen ebenso widersprüchlich wie die Zeugnisse der antiken Kunst.
    Hephaistos sagt von sich: „ [..] aber ich selber kam als Krüppel zur Welt“ (Od. 8, 310).

    In der Ilias 18, 393-398 geht er ins Detail:

    „Ihr antwortet drauf der hinkende Feuerbeherrscher:
    O, so besucht mein Haus die erhabene, würdige Göttin,
    die mich rettete einst nach dem schrecklichen Sturz in die Tiefe,
    als mich die [..] Mutter hinab warf, welche mich Lahmen
    wegzuschaffen beschloss. Trübseliges hätt’ ich erduldet,
    wenn des Okeanos Tochter [..] Thetis [..] mich nicht
    geborgen am Busen [..].
    Sprachs, der schnaufende Ries’, und erhob sich vom Ambossklotze
    hinkend, humpelte dann umher mit den schwächlichen Beinen [..]“
    (Il. 18, 410-411)

    Wamser-Krasznai-Relief Ostia

                                                Abb. 1: Relief Ostia, 2. Jh. n. Chr.

     

     

    Doch die einzige Darstellung, die wir von dem Sturzflug  besitzen, zeigt den unwillkommenen Sohn mit wohlgeformten Füßen. Es ist ein römisches Relief aus Ostia, das den Neugeborenen als verkleinerten Erwachsenen zeigt, mit den Attributen seiner späteren Tätigkeit, Hammer und Zange.

    Die Wiedergabe krankhafter Veränderungen an den Beinen beschränkt sich auf die archaische Zeit[1].

    Wamnser-Krasznai-korinthischer Amphoriskos

                               Abb. 2: korinthischer Amphoriskos, 600-580 v. Chr.

     

     

    In der Klassik wird das körperliche Gebrechen nicht mehr so drastisch vorgetragen; Hephaistos sitzt z. B. mit unterstützten Füßen seitlich auf einem Esel[2]. Am Ostfries des Parthenon in Athen deutet sich die Behinderung nur mehr durch einen unter die Achsel geklemmten Stock an:

    Wamnser-Krasznai-Hepaistos und Athena

                                     Abb. 3: Hephaistos und Athena, etwa 440 v. Chr.

     

     

     

     

     

     

    Wie kommt es eigentlich zu dieser Behinderung?

    Die homerischen Epen überliefern den Sturz aus dem Olymp zweimal, unter  verschiedenen Umständen. Im Homerischen Hymnus an Apollon zeigt Hera ihre Enttäuschung über den krummfüßigen Sohn und schildert ihre wenig mütterliche Tat:

    „Mein Sohn freilich, Hephaistos, den selbst ich gebar, ist ein Schwächling
    [..] mit krummen Füßen.
    Einst packt ich ihn grad an den Händen und warf ihn ins weite
    Meer; doch Thetis, die silberfüssige Tochter des Nereus,
    Fing ihn auf und versorgt ihn im Kreis ihrer Schwestern. “
    (Hom. h. Apollon 316-320)

    1. Liegt demnach eine angeborene Missbildung vor? Dabei denken wir vor allem an den Klumpfuß. Dazu passt die familiäre „Fußschwäche“, die von zwei Söhnen des Hephaistos überliefert ist. Palaemonios, einer der Argonauten, hinkt wie sein Vater Hephaistos, „mit verstümmelten Füßen“ (Apoll. Rhod. Argonautika 1, 202-204. Orph. Arg. 212). Periphetes,
    der Keulen tragende Sohn Vulcans (Ov. met. 7, 437; Paus. 2, 1, 4), wird von Theseus bei Epidauros erschlagen. Er war „schwach an den Füßen“ (Apollod. 1, 112  und 3, 16, 1)[3]. Auf den wenigen bildlichen Darstellungen der Hephaistos- Söhne findet sich jedoch kein Hinweis auf ein Gebrechen.

    Der zweite Sturz geht auf das Konto des Zeus. Er fasst den Hephaistos, der gegen ihn für Hera Partei ergriffen hatte, am Fuß und wirft ihn vom Olymp (Il.1, 590-594). Der Unglückliche ist
    halbtot, als ihn die Bewohner von Lemnos, die thrakischen Sintier[4], aufnehmen und soweit möglich gesund pflegen.

     

    2. Haben wir es also mit einer posttraumatischen Behinderung zu tun? Nach Apollodorus, Valerius Flaccus und Lukianus ist die Lahmheit eine Folge des Sturzes[5].

    Ein anderer Erklärungsversuch führt das Hinken des Hephaistos auf die Blessuren zurück, die sich dieser als Titan unter Titanen, im Kampf gegen die Olympier, zugezogen habe. Während die übrigen Titanen von Zeus in den Tartaros gestoßen wurden, habe Hephaistos in den Olymp zurückkehren dürfen. Zwar behalte er als Zeichen seines Sturzes die lädierten Beine, aber er werde eben doch Olympier[6]. Für diese Hypothese, die nicht ohne Reiz ist, fehlen allerdings bildliche und schriftliche Zeugnisse. Als einziger Hinweis auf die titanische Urgewalt des Gottes dient das stets betonte Missverhältnis zwischen den „schwächlichen Schenkeln“ und dem „stämmigen Nacken“ (z. B. Il. 18, 410-415).

     

    3. Im Gegensatz zur Schilderung von des Gottes armkräftiger Kampfgewandtheit und  „schnaubender“ Urgewalt wird er durch die Verbindung mit dem ägyptischen Ptah und den Patäken zum Zwerg, gar zu einem dysproportionierten, achondroplastischen[7] Zwerg (Hdt. 3, 37, 2). Eine seltene Darstellung zeigt den winzigen, hier allerdings wohlproportionierten Künstler- und Handwerkergott, kurz bevor er seine Mutter Hera von dem magischen Thronsessel befreit, den er als kleine Rache für ihre Lieblosigkeit konstruiert hatte[8]. Ist Hephaistos demnach ein hinkender Krüppelzwerg?

    Nach einer alten Begründung für die Lahmheit des göttlichen Kunsthandwerkers falle das Handwerk, das einem Helden nicht anstehe, den Krüppeln zu – eine wenig befriedigende Erklärung[9].

    4. Weitere Hypothesen verbinden Hephaistos mit den Schmiedegöttern und- Heroen anderer Zeiten und Kulturkreise[10], als man Sehnen gewaltsam durchtrennte, um geschickte  Handwerker am Ort zu festzuhalten.

    Ist es denkbar, dass man den Gott der Schmiede absichtlich verstümmelte?

    Auch Daidalos, nach der Genealogie ein Enkel des attischen Urkönigs Erechtheus, also ein Urenkel des Hephaistos[11], war ein begabter Zimmermann und Künstler, den König Minos auf Kreta festhielt. Von dort gelingt ihm die Flucht bekanntlich mittels seiner künstlichen, mit Wachs befestigten Flügel, während sein Sohn Ikarus der Sonne zu nahe kommt und sich zu Tode stürzt. Der Flug führt den Künstler unter anderem nach Sizilien, wo er seinen göttlichen Ahnherrn, Hephaistos/Vulcanus, trifft. Dieser ist besonders eng mit dem Feuer speienden Ätna und den liparischen Inseln verbunden. Überhaupt lasse der Himmelssturz des Gottes nach Roscher nur eine Deutung zu[12], nämlich das Herabkommen des Feuers im Blitz (Serv. Aen. 8, 414). Pindar bezieht die Ausbrüche des Ätna auf Hephaistos (Pind. P. 1, 25). Die mythische Doppelaxt ist ebenfalls ein Bindeglied zwischen dem göttlichen Ahnherrn und seinem Urenkel Daidalos. In den Darstellungen des Hephaistos als Helfer bei der Athenageburt spielt die Doppelaxt eine große Rolle. Niemals ist in diesem Zusammenhang eine Behinderung zu erkennen.

     

    Wamser-Krasznai-Hepahistos mit Doppelaxt

                Abb. 4: Hephaistos mit Doppelaxt bei der Athenageburt, etwa 570 v. Chr.

     

     

     

     

    Athena wird aus dem Kopf ihres Vaters Zeus geboren. Sie hatte ihm heftige Schmerzen bereitet, bis Hephaistos die langwierige Entbindung durch einen Hieb mit der Doppelaxt beendet. In voller Kleidung und Rüstung entspringt die Jungfrau dem göttlichen Haupt (Pind. O. 7, 35-38;  Hom h. 28, 4-5). Als sich Hephaistos in die unnahbare Göttin verliebt, ist seine Verfolgung natürlich zum Scheitern verurteilt (Paus. 1, 14, 6. Hyg. Fab. 166); aber sein Samen fällt auf die Erde und befruchtet sie. So bringt Gaia/Ge den schlangenfüßigen Erichthonios hervor, den autochthonen Stammvater der Athener (Apollod. 3, 14, 6)[13]. Gaia übergibt ihn der Athena, die hier als Kourotrophos auftritt, zur Aufzucht[14]. In Attika sind die Göttin und Hephaistos,  verhinderte Partner in Punkto Liebe, gleichwohl Kultgefährten (Paus. 1, 14, 6). Sie werden im Tempel auf der Athener Agora gemeinsam verehrt. Athena ist ja nicht nur die Göttin der Weisheit und des Krieges, sondern wie Hephaistos auch Schützerin des Handwerks.

     

    5. In jüngerer Zeit versuchen manche Autoren das Hinken des Schmiedegottes naturwissenschaftlich zu erklären. Bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. arbeiteten die Schmiede nämlich mit Arsenbronzen. Beim Schmelzen von Arsenerzen mit Kupfer bildet sich schon bei 200 Grad der giftige Hüttenrauch, As2O3, der vor allem zu Lähmungen der Beine führt[15].
    Liegt hier gar eine arbeitsmedizinische Anamnese vor, und Hephaistos leidet an den Folgen einer Berufskrankheit? Auch zu dieser Hypothese schweigen die antiken Schriften. Nach Meinung von Schrade hätte Homer wenigstens ein Wort darüber gesagt, wenn er geglaubt hätte, dass die schwachen Beine eine Folge seiner Arbeit seien[16]. Einzelne bildliche Darstellungen sind dazu angetan, die Lähmungshypothese zu stützen. Der berühmte Fronçoiskrater in Florenz zeigt Hephaistos rittlings auf einem Maultier sitzend. Beide Füße sind regelrecht geformt, doch ist der linke nach vorn, der rechte nach hinten gerichtet[17] – ein Zeichen fehlender Muskelkontrolle?  Auf einer schwarzfigurigen Amphora in London ist der Gott mit auffallend schlaff herunterhängenden Füßen dargestellt[18], sodass ein Lähmungsspitzfuß denkbar wäre[19]. Trotzdem sind diese naturwissenschaftlichen Erklärungsversuche nicht ganz überzeugend. Vor allem stellt sich die Frage, warum ein berühmter, erfahrener Kunsthandwerker wie Hephaistos, wenn er denn gelähmt ist, nicht ein Paar Peroneusschienen (Fußheberschienen) konstruiert, er, der sich zu seiner Unterstützung sogar künstliche goldene Mädchen geschaffen hat?

    „ [..] nahm das Zepter, das dicke.
    Humpelnd ging er zur Tür hinaus, und goldene Mägde
    Stützten den Herrn von unten; sie glichen lebendigen Mädchen.
    Denn sie haben Verstand im Innern und haben auch Stimme
    Und auch Kraft und lernten von ewigen Göttern die Werke.
    Und sie keuchten als Stütze des Herrn; der humpelte aber
    Hin, wo Thetis war [..]“.

    (Il. 18, 416-423)

    Auf all die anderen wunderbaren Erfindungen und Erzeugnisse des göttlichen Schmiedes kann hier nicht eingegangen werden; von dem kostbaren, magischen Thron für seine Mutter Hera war schon die Rede. Wir wollen vielmehr, nach einem Exkurs, noch eine weitere Hypothese anfügen.

    6. Hephaistos ist eine mythische Gestalt. Schon deshalb können die rein naturwissenschaftlichen Erklärungen für seine Behinderung, wie Arsenvergiftung, nicht befriedigen. Die als Lähmungspitzfuß interpretierbaren Darstellungen sind selten und zweifelhaft. Archaische Vasenmaler geben den Gott mit gekrümmten Füßen wieder. Das passt nicht zu einer Parese, sondern eher zum Klumpfuß. In der klassischen Zeit wird die Gehbehinderung nur mehr angedeutet, schließlich verschwindet sie ganz.

    Mythologische Begründungen liegen näher.

    Wir haben es mit einem besonderen, einem fremden Gott zu tun. Sein Kult ist durch Linear B in Knossos für die kretisch- mykenische Zeit bezeugt; der Name des Hephaistos aber lässt sich aus dem Griechischen bisher nicht deuten. Möglicherweise geht er auf die Sprache seines ureigenen Volkes, der Sintier auf Lemnos (vielleicht waren es Thraker?) zurück[20], die ihn einst vor den Folgen seines Sturzes bewahrten.

    Als vorgriechische, besonders im ägäisch-anatolischen Grenzraum verehrte Gottheit ist er gemäß der Überlieferung mit dem Künstlergott Koschar von Ugarit[21] und dem ägyptischen Ptah von Memphis[22] verwandt. Im 7. Jh. v. Chr. kamen ionische und karische Söldner nach Ägypten und begannen, neben ihren eigenen auch die lokalen Götter zu verehren. Möglicherweise brachten sie ein Bild des Hephaistos mit, das diesen „noch ganz ursprünglich – als Krüppelzwerg – vorstellt“[23].

    Herodot 3, 37, 2-3 berichtet, es sei „die Kultstatue des Hephaistos im Heiligtum von Memphis [..] nämlich sehr ähnlich den phoinikischen Pataikos- Figuren, die von den Phoinikern am Bug ihrer Trieren mitgeführt würden. [..]. Sie sind das Abbild eines zwergenhaften Mannes [..]. Auch die [..] Statuen der Kabiren ähneln dem Hephaistos; man sagt, es seien seine Kinder“[24].

    Der Gott empfängt also Kult nicht nur in Attika und Westgriechenland, sondern auch in halb barbarischen Gegenden wie Lemnos, Kleinasien oder Memphis. Er ist ebenso im Olymp zu Hause wie in den Höhlen Feuer speiender Berge. Der Mythos vom Herunterstürzen des Gottes wird auch als das Niederfahren des himmlischen Feuers im Blitz gedeutet. In der Aenaeis ist von Behinderung nicht die Rede, umso mehr aber von der Beziehung des Meisters zum Feuer und dessen wandelbarer Gestalt.

     

    „ [..] früh erhebt sich des Feuers Beherrscher [..] und eilt in die Esse des Schmiedes.
    Neben Siziliens Küste und seitlich von Aeolus’ Insel, Lipari,
    hebt sich ein Eiland mit steilen, rauchenden Felsen,
    Unter ihm eine Höhle, die Aetnakluft der Kyklopen,
    [..] Hier ist das Heim des Vulkan, und Vulcano nennt sich die Insel.“
    (Verg. Aen. 8, 413-422)

    Die variantenreichen Darstellungen in Schriften und Kunst der Antike erscheinen als Ausdruck der verschiedenen Aspekte ein und desselben Gottes, dessen liebenswürdigste Charaktereigenschaften noch gar nicht zur Sprache gekommen sind: Gutmütigkeit, Hilfsbereitschaft und die Fähigkeit, andere Götter zum Lachen zu bringen, meist auf seine eigenen Kosten. Hephaistos nämlich ist bekanntlich der Urheber des sog. Homerischen Gelächters, gleich, ob er seine treulose Gemahlin Aphrodite in den Armen des Ares erwischt (Od. 8, 266) oder ob er anstelle der reizenden Hebe und des schönen Ganymed als eine Art Hofnarr den göttlichen Mundschenk spielt[25]:

    „ [..] es lächelte drob die weißellbogige Hera,
    Lächelnd nahm sie darauf mit der Hand vom Sohne den Becher,
    Rechtsum schenkte er nun auch all den anderen Göttern
    Süßen Nektar ein, mit der Kanne vom Kessel ihn schöpfend.
    Unauslöschliches Lachen entstand bei den seligen Göttern,
    Als sie Hephaistos sah’n, der durch die Gemächer umher schnob“.
    (Il. 1, 595-600)

    Ist im hinkenden Hephaistos etwa nichts anderes zu sehen als eine der vielen Erscheinungsformen eines „fremden“  Gottes, der im Olymp ebenso zu Hause ist wie auf Lemnos und in Kleinasien, Ägypten und Sizilien, – nicht zu vergessen in unseren nur halb zivilisierten römischen Provinzen diesseits und jenseits der Alpen?

     

    Bildnachweis:

    Für die freundliche Erlaubnis, die folgenden Abbildungen zu reproduzieren, danke ich Frau Prof. Dr. Erika Simon, Würzburg, sehr herzlich.

    Abb. 1: Sturz des Hephaistos, Relief aus Ostia, 2. Jh. n. Chr.

    Aus: E. Simon, Die Götter der Römer (München 1990) 254 Abb. 331. 332

    Abb. 2: Rückführung des Hephaistos, korinthischer Amphoriskos,  600-580 v. Chr.

    Aus: E. Simon, Die Götter der Griechen (München 1985) 219 Abb. 204

    Abb. 3: Hephaistos und Athena, Ostfries des Parthenon, Athen, um 440 v. Chr.

    Aus:  E. Simon, Die Götter der Griechen (München 1985) 228 Abb. 217

    Abb. 4: Hephaistos mit Doppelaxt bei der Athenageburt, Exaleiptron, um 570 v. Chr. Aus: E. Simon, Die Götter der Griechen (München 1985) 187 Abb. 166

     

    Literatur:

    L. Balensifen, Achills verwundbare Ferse, Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, 111, 1996, 82 Anm. 22

    E. Bazopoulou- Kyrkianidou, What makes Hephaestus lame? American Journal of Medical Genetics 72, 1997, 144-155

    F. Brommer, Hephaistos. Der Schmiedegott in der antiken Kunst (Mainz 1978)

    H.-G. Buchholz, Ugarit, Zypern und Ägäis (Münster 1999)

    A. Dierichs, Ein hinkender Gott: Hephaistos, in: dies., Von der Götter Geburt und der Frauen Niederkunft (Mainz 2002) 41-44

    M. Grmek – D. Gourevitch, Les pieds d’Héphaistos, in: Les maladies dans l’art antique (Poitiers 1998)

    G. Jobba, Mi okozhatta Héphaisztosz sántaságát? Communicationes de historia artis medicinae 117-120, 1987, 137-140

    L. Malten, Hephaistos, Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 27, 1912, 232-264

    S. Morenz, Ptah- Hephaistos, der Zwerg. Beobachtungen zur Frage der Interpretatio Graeca in der Ägyptischen Religion, in: Festschrift für Friedrich Zucker  zum 70. Geburtstage (Berlin 1954) 275-290

    A. Mozolics, Hephaistos sántasága. Communicationes de historia artis medicinae 78-79, 1976, 139-148

    M. Reitz, Hautkrebs bei alten Hochkulturen, in E. G. Jung (Hrsg.), Kleine Kulturgeschichte der Haut (Darmstadt 2007)

    E. Rosner, Die Lahmheit des Hephaistos, Forschungen und Fortschritte 29, 1955, 362f.

    W. H. Roscher, Hephaistos. Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie  I  2,  1965, 2050. 2066

    K. Schefold, Die Urkönige, Perseus, Bellerophon, Herakles und Theseus in der klassischen und hellenistischen Kunst (München 1988)

    H. Schrade, Der homerische Hephaistos, Gymnasium, 57, 1950, 38-55 und 94-112

    E. Simon, Die Götter der Griechen (München 1985)

    E. Simon, Die Götter der Römer (München 1990)

    E. Simon, Daidalos, in: Althellenische Technologie und Technik von der prähistorischen bis zur hellenistischen Zeit mit Schwerpunkt auf der prähistorischen Epoche (Ohlstadt/Obb. 2003) 195-209

    A. D. Trendall, Rotfigurige Vasen aus Unteritalien und Sizilien (Mainz 1989)

    J. Wiesner, Olympos. Götter, Mythen und Stätten von Hellas (Nieder-Ramstadt/Darmstadt 1960) 51-54

    J. Wiesner, Der Künstlergott Hephaistos und seine außergriechischen Beziehungen in kretisch-mykenischer Zeit, Archäologischer Anzeiger 1968, 167-173

     

     



    [1] bei der Rückführung z. B. Caeretaner Hydria, Wien, ca. 530-500 v. Chr., Brommer 1978, 203 Taf. 11, 2 sowie Taf. 11, 1 und 3; Hephaistos auf gekrümmten Füßen stehend, etruskische Version als Sethlans, LIMC IV (1988) 657 Nr. 18 a Taf. 405 s. v. Hephaistos/  Sethlans (I. Krauskopf).

    [2] s. Kelchkrater c. 460-450 v. Chr., LIMC IV (1988)  641 Abb. 149 Taf. 396 s. v.  Hephaistos (A. Hermary).

    [3] s. Bazopoulou- Kyrkianidou 1997, 144-155.

    [4] Wiesner 1960, 52.

    [5] Roscher 1965, 2050.

    [6] Schrade 1950, 108-109. Eine weitere Sage überliefere, dass Hephaistos hinke, weil er im Krieg mit seinem Pferd gestürzt sei, s. Morenz 1954, 284 und Anm. 66.

    [7] Morenz 1954, 282.

    [8] Apulische Amphora, ca. 320 v. Chr., Trendall 1989, 121 Abb. 264.

    [9] Malten 1912, 256.

    [10] Buchholz 1999, 210 und Anm. 638-639. Hier ist z. B. an die germanische Völundr- Wielandsage zu denken, s. Malten 1912, 259. Verbindung zur Gestalt des hinkenden Teufels in der ungarischen Mythologie: Jobba 1987, 137-140.

    [11] Simon 2003, 199-206, bes. 200 Abb. 4; Schefold 1988, 59.

    [12] Roscher 1965, 2050.

    [13] Für mündliche Informationen hierzu danke ich H.-G. Buchholz und E. Simon. Ferner Roscher 1965, 2064.

    [14] Stamnos des Hermonax, ca. 460 v. Chr., Simon 1985, 195 Abb. 178.

    [15] Buchholz 1999, 210; Mozsolics 1976, 139-148; Reitz 2007, 78-79 und Abb. 1; Rosner 1955, 362-363; Simon 1985, 213 Anm. 5; Wiesner 1960, 52-53.

    [16] Schrade 1950, 109. Ebenfalls aus heutiger Sicht wurde eine frühkindliche Poliomyelitis erwogen, Grmek – Gourevitch 1998, 285.

    [17] Klitiaskrater, ca. 560 v. Chr., Simon 1985, 219 Abb. 203.

    [18] Balensifen 1996, 82, Anm. 22; LIMC IV (1988) 642 Nr. 157 d Taf. 397 s. v. Hephaistos (A. Hermary).

    [19] Der Gott ist zwar  ikonographisch an Dionysos angeglichen, aber durch die Doppelaxt eindeutig als Hephaistos ausgewiesen.

    [20] Simon 1985, 215.

    [21] Wiesner 1968, 170.

    [22] Wiesner 1960, 51.

    [23] Morenz 1954, 285.

    [24] Dazu auch Grmek – Gourevitch 1998, 283-284.

    [25] Simon 1985, 214.

  • Diese Aphorismen wurden zum Abdruck im Almanach Deutschsprachiger Schriftstellerärzte 2015 eingesandt, überstiegen aber den dort abdruckbaren Umfang. Deshalb werden sie hier veröffentlicht.

    Stille Wasser gründen tief, aber sie begründen auch, dass man Verdacht schöpft und sie auslotet.

    Scheinheilige sind oft redselig, weil sie ihren Heiligenschein verteidigen wollen.

    Sprichwörtlich formuliert: Das Leben ist ein Laster, geht es doch nur um den Zaster!

    Kreativität ist die Phantasie des Machbaren.

    Ethik: Verantwortliches Tun.

    Weltanschauung: Die kleinste mögliche Sichtweise der Welt.

    Liebe: Wenn wir den Anderen gut riechen können, dann führt uns die Liebe nicht an der Nase herum!

    Weltverbesserer: Keiner davon fängt in der eigenen Welt an  –   was zu denken gibt.

    Beziehung: Erst himmelte sie ihn an, dann fiel sie aus allen Wolken und landete in Teufels Küche.

    Zu Silvester wünscht man den Beamten der Verwaltung ein geruhsames Neues Jahr.

    Es ist die Bürokratie, welche dem Staat ihren Stempel aufdrückt.

    Demütigungen machen Mut   –   zu revoltieren.

    Besonders angepasste und opportunistische Schafe heulen sogar mit den Wölfen im Schafsfell!

    Selbsteinschätzung: Viele nehmen sich für voll, aber wenige nehmen ihnen das ab.

    Von der Absurdität des Lebens enttäuscht, lachte er sich einen Ast und hing sich daran auf   –   man lachte sich tot darüber.

    Es gefiel ihr, ihm zu gefallen, und weil er daran Gefallen fand, tat er ihr auch den Gefallen, auf sie hereinzufallen, und zufällig fanden sie dann das Glück: Ein Glücksfall.

    Sein Himmel hing voller Geigen, aber er fand den Bogen nicht heraus   –   heute spielt er Gitarre.

    Meine Mutter schenkte mir das Leben. Später dachte ich öfter schon an eine Rückschenkung.

    Schönheit ist immer auch etwas Einmaliges, was lange andauern möchte, so wie es in der Kunst oft gelingt.

    Schicksalsschläge treffen immer, denn man ist ihnen ohne ausweichen zu können, wehrlos ausgeliefert.

    Leere Versprechen werden meist in Worthülsen verpackt, und kommen von Leuten, die den Mund zu voll nehmen.

    Vordenker werden erst beim Nachdenken als solche erkannt.

    In der Liebe kann der eine Partner zu kurz kommen, wenn der andere zu schnell kommt.

    Gefühle kann man zunächst gar nicht verstehen, und so kommt auch das Verständnis für die Folgen von Gefühlen oft zu spät.

    Er wollte den Ton angeben und immer ins gleiche Horn stoßen, aber andere waren damit nicht einverstanden und bliesen ihm den Marsch.

    Sie lag ihm, weil sie ihm nicht auf der Tasche lag.

    Aufschlussreicher Kurzschluss: Wenn ich von mir auf andere schließe.

    Unglückliche Menschen sind nicht selten gute Menschenkenner: Von nichts kommt nichts.

    Die Gedanken sind frei, und unsere Freiheit sind unsere Gedanken.

    Steinreich und ein Herz aus Stein: Damit kann man steinalt werden, aber nicht glücklich sein.

    Hobby: Manchmal ist Erfolg auf einem ganz anderen Gebiet notwendig, um Niederlagen im beruflichen Bereich verkraften zu können.

    Kann der graue Alltag mit einem blauen Montag beginnen?

    Bei einer heißen Liebe schmilzt man nur so dahin, weil der eigene Wille dann wachsweich ist.

    Wenn einem ein Licht aufgegangen ist, leuchtet einem so manches ein.

    Aktionismus: Viele unserer Beschäftigungen halten uns davon ab, etwas zu schaffen.

    Immer wenn man Federn lassen musste, sollte einen das beflügeln.

    Denke nicht, was hätte werden können, sondern werde, was du dir hättest denken können.

    Wer überholen will, muss neben der Spur spuren und spurten.

    Diejenigen, die ihre Gesundheit in die Pfanne hauen, lassen aber auch nichts anbrennen.

    Rechtslastig: Manche politische Gesinnung schließt politische Besinnung aus.

    Weniger ist oft mehr: Im Vergleich zum Zunehmen ist Abnehmen schwer.

    Besitz ist das, was wir wie besessen besetzt halten.

    Informationen können wir speichern, aber Bildung kann uns bereichern.

    Nur der Schlaf sollte uns die Zeit vertreiben   –   können.

    Gegen Langeweile hilft Kurzweiliges.

    Langeweile, verweile nicht lange in meinem Leben, sondern ab und zu nur eine kurze Weile.

    Wir alle leben länger   –   und das eine ganze Weile: Geht das ohne Langeweile?

    Der Aphoristiker: Um sich beim Schreiben nicht zu langeweilen, schrieb er nur kurze Zeilen.

    Viele Dummköpfe handeln kopflos, vor allem als Klugscheißer.

    In der Liebe und im Krieg denkt der Mann nur an den Sieg.

    Wer lange geht, weiß wo es gesundheitlich langgeht.

    Evolution: Leider war der aufrechte Gang mit einer unaufrichtigen Gangart verbunden.

    Was lange währt, ist eine gute Währung wert.

    Patentrecht: Die Pharma-Industrie sitzt auf einem Pulverfass, doch sie fürchtet keinen Pillenknick.

    Wenn ich in mich gehe, gehe ich mir auf den Geist.

    Motivation: Seine Triebfeder machte er zu seiner Schreibfeder.

    Wer sich die Zeit vertreibt, wundert sich, wenn ihm keine Zeit verbleibt.

    Wenn ich Federn lassen muss, komme ich mir wie gerupft vor und reagiere mit einer Gänsehaut.

    Wer in der Schule des Lebens nicht aus seinen Fehlern lernt, verlernt auch das Lernen.

    Er schleimte und kroch auf allen Vieren: Das tat seinem Rücken gut, aber nicht seinem Rückgrat.

    Wenn man vom Pech verfolgt wird, sollte man die Pechsträhne verfolgen, um an ihren Ursprung zu gelangen.

    Dem Elefanten im Porzellanladen können Scherben kein Glück bringen.

    Ein guter Rechtsanwalt bringt auch seine schwarzen Schäfchen ins Trockene.

    Das goldene Kalb, um das man tanzt, ist der Börsenbulle als heilige Kuh.

    Wenn einem dauernd der Kragen platzt, liegt es entweder an der eigenen Schilddrüse oder an der des Gesprächspartners.

    Eigentlich sollte man zwei Talente haben: Ein großes und ein kleineres, um das große früh genug zu entdecken.

    Der Clevere stellt sich dumm, der Klügere stellt sich dumm an.

    Engstirnigkeit fördert den Tunnelblick.

    Armleuchter wollen sich nur mit dem Ellenbogen durchboxen.

    Als Patient steht man nur dann im Mittelpunkt, wenn man  liegt, und die Ärzte kreisförmig um das Bett herumstehen.

    Der Plagiator schmückt sich mit fremden Federn, indem er das, was fremde Federn geschrieben haben, mit eigener Feder abschreibt.

    Mit ihrem Augen-Blick hatte sie ihn augenblicklich gewonnen: Alle anderen Frauen verlor er danach aus den Augen.

    Der frühe Vogel fängt den Wurm: Denn wer sich zu früh als Wurm zeigt, den bestraft das Leben.

    Der frühe Vogel fängt den Wurm: Morgenstund hat Gold im Mund!

    Das Rad der Geschichte wird immer wieder neu erfunden werden.

    Vertrauen ist die optimistische Form von Misstrauen.

    Immobiliengeschäfte sind in der Regel eigentümlich und besitzergreifend.

    Burn-out: Nicht jede Asche ist ein Nest für einen Phönix.

    Dem Vegetarier ist alles wurscht, was mit Fleisch zusammenhängt.

    Einem Menschen mit dickem Felle rückt man nicht so leicht auf die Pelle.

    Das Schöne ist nicht immer gut, aber das Gute ist immer schön   –   im Auge des Betrachters.

    Eigenliebe ist ein Irrtum, der sehr gesund ist.

    Man soll Sport treiben, ohne durch Übertreiben vom Sport getrieben zu werden.

    Infarkt: Sein Herz war gebrochen, denn dessen Gefäße waren hart wie Knochen.

    Augen auf, wenn man einem Menschen blind vertraut!

    Die Wunscherfüllung in der Liebe besitzt eine innere Ergriffenheit, möchte sich aber auch den äußeren Wunsch erfüllen, Besitz zu ergreifen.

    Nach atemberaubenden Küssen können beide zu Boden sinken: Oft beginnt die Liebe als Folge von Sauerstoffmangel.

    Am Beginn einer Beziehung fällt man sich in die Arme, am Ende einer Beziehung fällt man sich auf die Nerven.

    Mit leeren Händen kann nicht eine Hand die andere waschen.

    Wenn eine Hand die andere wäscht, sind zwar die Hände sauber, aber nicht immer die Geschäfte, die man so macht.

    Die Kunst der Liebe: Alle Tage da sein, ohne dabei Alltag zu sein.

    Innere Bewegung kann einen schnell erregen, doch das kann sich durch äußere Bewegung ebenso schnell wieder legen.

    Das Schweigen einer Frau ist für manchen Mann Goldgeschenke wert.

    Was die Liebe anbetrifft, so begnügen sich die Männer gerne nur mit dem Vergnügen.

    Hinterlistig: Er ließ anderen gerne den Vortritt, damit er sie besser in den Hintern treten konnte.

    Wer über seine eigenen Witze lacht, macht sich lächerlich.

    Toleranz: Man beugt sich, ohne sich verbiegen zu lassen; man beherrscht sich, ohne andere herrschen zu lassen.

    Toleranz ist die Gewähr dafür, dass ich andere gewähren lasse.

    Toleranz: Jedem seine Macke, sogar in einer Krone fehlt oft eine Zacke!

    Das Gewissen folgt uns auf Schritt und Fehltritt.

    Immer wurde ihm das Wort abgeschnitten: Und so kam er zu den kleinen Sätzen, die einige als Aphorismen schätzen.

    Wer im Geld schwimmt, bevorzugt den Kraulstil.

    Als Hanswurst lehnte er Vegetarier ab.

    Wer sich nicht frühzeitig die Hörner abstößt, bleibt sein Leben lang ein Hornochse.

    Es gibt aalglatte Menschen, die ein glänzender Beweis dafür sind, dass zumindest sie vom Lackaffen abstammen.

    Geld negiert die Welt   –   der Moral.

    Gegen Vorurteile habe ich Vorurteile, was nicht immer ein Nachteil sein muss.

    Wenn einem etwas unter die Nase gehalten wird, rümpft man zu recht die Nase.

    Bevor man mit dem Kopf durch die Wand geht, sollte man sich den Kopf zerbrechen.

    Menschen, die einem in den Hintern kriechen, können sicher sein, als abgestorbene Coli-Bakterien wieder ausgeschieden zu werden.

    Wer mir in den Hintern kriecht, wird angeschissen.

    Im Alter nimmt die eigene Wichtigkeit ab und das Eigengewicht zu: Beides wirkt sich ungesund aus.

    Der moderne Mensch braucht den Urlaub, damit seine Phantasie nicht ganz verloren geht.

    Wer keinen Biss mehr auf eine Sache hat, kann man auch keinen Zahn mehr zulegen und geht auf dem Zahnfleisch.

    Seitdem er nicht mehr lief, ließ er sich gehen  –  .

    Das Gegenteil von einer üblen Nachrede ist der Nachruf.

    Der Sturm im Wasserglas, das sind heute nur noch Brausetabletten als Vitamindusche.

    Er war mit allen Wassern gewaschen, weil bei seinen Geschäften immer eine Hand die andere wusch.

    Wenn eine Hand die andere wäscht, dann reibt man sich die Hände.

    Motivationsverlust: Man weiß zwar wo es lang geht, möchte aber nicht so lange gehen.

    Herzlose Menschen bekommen seltener einen Herzinfarkt.

    Ein Lyriker trägt sein Herz auf der Zunge    –   zu  Markte.

    Meine Gedanken fallen mir immer ins Wort.

    Er schrieb vor allem dann, wenn er in der Tinte saß.

    Wenn einem plötzlich die Worte fehlen    –     Verdacht auf Schlaganfall.

    Bei geteilter Meinung liegt die Wahrheit meist in der Mitte.

    Stichworte akupunktieren unser Gedächtnis.

    Memoiren sind Blätter, die die Welt bedeuten, aber nur für den Verfasser.

    Oft ist der letzte Wille gleichzeitig auch der erste.

    Eine kurze Weile Langeweile macht dem Denken wieder Beine.

    Wer viel geht, bringt auch mehr zuwege.

    Ein Tag ohne Hecheln ist kein verlorener Tag.

    Wenn Sehnsüchte geweckt werden, erwacht auch das Leiden.

    Gedankengänge: Beim Gehen kommen die Gedanken in Gang.

    Schlaflosigkeit: Unermüdlich versucht man zu schlafen.

    Liebe Deinen Nächsten wie der sich selbst.

    Wenn Träume Wirklichkeit werden, glaubt man, dass man träumt.

    Wer Anderen eine Grube gräbt, könnte sich selbst das Wasser abgraben.

    Lasse, was Du nicht kannst, aber tue wie ein Könner, was Du nicht lassen kannst.

    Erotik ist das Charisma von Sex.

    Theater: Die Bretter, die die Welt bedeuten, hat die Souffleuse vor dem Kopf.

    Verständnislose Menschen sind wie Flaschen: Sie kommen nicht auf den Trichter, selbst wenn man ihnen reinen Wein eingießt.

    Mit einem Hundeblick kann man nicht auf Augenhöhe sein.

    Wer hervorragend ist, sollte nicht zu sehr herausragen.

    Als Herzensbrecher wünschte er sich bei seinen Seitensprüngen Hals- und Beinbruch.

    Es schmerzte ihn unsäglich, dass er nichts zu sagen hatte.

    Seine Gedanken kamen mündlich zu Wort, schriftlich zur Sprache aber selten zur Sache.

    Über eine große Liebe wächst kein Gras, wenn sie gestorben ist.

    Was lange währt, ist einmal auch verjährt.

    Was lange währt, das gärt.

    Durch Nachdenken kann man sogar Vernunft von sich selbst annehmen.

    Engstirnigkeit korreliert oft mit einem breiten Grinsen.

    Die Hoffnung stirbt zuletzt und hinterlässt Asche für einen Phönix.

    Selbsterkenntnis: Gerade diese Erleuchtung hat auch ihre Schattenseiten.

    Das Fernsehen nimmt uns das Denken ab, wodurch dann wiederum das Denken abnimmt und das Fernsehen zunimmt.

    Als Arzt sollte man dem Patienten guten Rat erteilen, aber den Menschen in seiner Umgebung eindeutige Befehle erteilen.

    Der Kluge macht den Mund zu selten auf, der Dumme reißt ihn zu oft auf.

    Für die Liebe erwärmt man sich unter Abschaltung des Kopfes, wohingegen die Liebe abkühlt unter Einschaltung des Kopfes.

    Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, und Kommunikation ist Blech: Man findet so selten einen Draht zum Anderen.

    Die Macht der Gewohnheit ist die älteste Form von Training.

    Sich beugen ohne zu bücken, schont Rückgrat und Rücken.

    Manches Leben geht vorüber, indem es am Leben vorbei geht.

    Promis stehen immer im Mittelpunkt   –   der Quadratur eines falschen Freundeskreises und weniger in einem Kreis von richtigen Freunden.

    Wenn ich gehe, folgt mir meine Gesundheit auf dem Fuß, denn der kurze Weg zu einem langen Leben ist, kurz gesagt, täglich ein langer Fußweg   –   ein Leben lang.

    Wenn man wenig geht, folgt die Strafe auf dem Fuß: Die Gesundheit steht dann auf schwachen Füßen.

    Sporttreiben treibt einen an.

    Um bei einem Verlag landen zu können, muss man über das schreiben, was gerade in der Luft liegt und die Menschen bewegt.

    Der Klügere gibt nach, denn der andere könnte vielleicht noch klüger sein?

    Nicht jeder, der auf mich zugeht, geht mich was an.

    Wer in seinem Leben richtig geliebt hat, kann zeitweilig nicht falsch gelebt haben.

    Am Ende des Lebens sind wir alle Besserwisser.

    Er hatte immer nur kleine Brötchen gebacken   –    und auf diese Weise sein Leben versemmelt.

    Man sollte nicht lügen, außer: Man belügt sich selbst!

    Ein Satz als Damm gegen die Informationsflut: Was von all dem Wissenswerten ist wert, dass ich es wissen muss?

    Falsch empfundene Minderwertigkeit kann zu hochwertigen Leistungen führen: Es sind die Kleinen, die gerne an Größe gewinnen wollen und weit über sich hinauswachsen können!

    Zu Fuß mache ich meiner Gesundheit Beine.

    Seinen Patienten trat er auf die Füße, damit sie öfter gingen und ihre Beine bewegten.

    Viele Wege führen nach Rom: Der gesündeste ist jedoch der Fußweg.

    Der Gesundheit gefällt, wenn man viel von sich hält: Große Ehrungen und hohe Titel vertreiben den Arzt im weißen Kittel!

    Der Flinke und der Flotte kommen selten im Leben zu Potte!

     

    Copyright Prof. Dr. Dr. Gerhard Uhlenbruck

  • Es bleibt der Regen,
    der spendet Segen
    für Wald und Flur.
    Zum Nutzen der Natur.

    Es bleibt die Sonne,
    die schenkt uns Wonne
    durch Wärme und Licht,
    wenn der Tag anbricht.

    Es bleibt der Himmel mit den Sternen,
    den nahen, weiten und sehr fernen,
    die funkelnd erstrahlen am Firmament.
    Gar manche man mit Namen kennt.

    Es bleibt die Welt.
    die weiter zerfällt
    in arm und reich.
    Sind alle Menschen wirklich gleich?

    Es bleibt das Werk in seiner Zeit,
    das Mühen um Verständigkeit,
    das Zeugnis gibt  von dem Bestreben,
    die Welt zu bessern, zu erheben.

    Es bleibt der Eindruck personalisiert,
    wie der Mensch war, was er bewirkt,
    sein Schaffen bestimmt, sein Dasein geprägt.
    Das Füreinander belebt und bewegt.

    Die Welt, wie wir sie einst erlebt,
    ist von der Zeit hinfort geweht.
    Im steten Wandel wirkt die Kraft,
    die auf uns aufbaut, Neues schafft.

     

    Copyright Dr. Paul Kokott

  • Ignaz Fülöp Semmelweis ist am 1. Juli 1818 in Buda geboren.

    Die Familie stammte aus Szikra/Sieggraben im Burgenland, wo sie als Winzer tätig waren. Der Vater betrieb einen Gewürz- und Kolonialwarenhandel im alten Budaer Stadtteil Tabán, am Fuß der Burg. Sie waren angesehene, wohlsituierte Bürger.

    Wamser-Krasznai Semmelweis Bild 1

     Bild 1:  Geburtshaus in der heutigen Apród-utca, unten Geschäft, oben Wohnung

     

    Nach zwei Jahren Philosophiestudium  an der Pester Universität geht Ignaz Semmelweis 1837 für ein Jahr zum Jurastudium nach Wien. Dann beginnt er das Studium der Medizin in Wien und Pest. 1844 wird er in Wien mit dem Thema  „Tractatus de vita plantarum“ promoviert. Er absolviert einen Lehrgang in Geburtshilfe und wird Aspirant, ohne reguläre Stelle und ohne Salair, bei Prof. Klein an der Geburtshilflichen Klinik. 1846 ist er provisorischer Assistent bei Klein.

    Unter L. J. Boër als Leiter der Wiener Geburtsklinik hatte die Todesrate der Gebärenden und Wöchnerinnen 0,84% betragen. Die Hebammen übten nur an Phantomen. Semmelweis wird bald klar, dass Boër spontan, unausgesprochen, das Prinzip der Non-Infektion anwandte.

    Nach dessen Amtsenthebung 1822 – als eines Mannes „gegen den Zeitgeist“ – folgt ihm sein am wenigsten begabter Schüler Johann Klein im Amt nach. Infolge der modernen pathologischen Anatomie, die zum vermehrten Üben an Leichen führt, steigt die postpartale Mortalität auf  7,45%.

    1840 wird die Klinik geteilt. In der 1. Abteilung, der Ausbildungsstätte der Studenten (Prof. Klein), wird immer häufiger seziert. Die 2. Abteilung (Dr. Bartsch) bildet Hebammen aus, die seltener sezieren. 1841-1846 sterben in der 1. Abt. 9,92% der jungen Mütter, in der 2. Abt. nur 3,38%. Zu dieser Zeit hält man das Puerperalfieber für eine Epidemie und führt sie auf atmosphärische, kosmische oder tellurische Kräfte zurück.

    Semmelweis sammelt Daten. Er bemerkt, dass in Paris an der Maternité-Klinik, wo nur Hebammen ausgebildet werden, die aber regelmäßig sezieren, die Sterblichkeit ebenso hoch ist wie an der Ärzteklinik, und er beobachtet in Wien, dass Frauen, die zu Hause oder gar auf der Straße entbinden, weniger häufig erkranken als in der Klinik.

    Von 1844-1846 ist Semmelweis zuerst Aspirant, dann Assistent an der von Klein geleiteten Geburtsklinik. Es belastet ihn, dass während dieser Zeit die Zahl der an Kindbettfieber sterbenden Frauen sogar bis auf 15-18%  ansteigt. Schuld daran ist, wie er wenig später mit Entsetzen erkennt, seine eigene forcierte Sektionstätigkeit, die ihn ja eigentlich zu der Ursache dieser verheerenden Sterblichkeit hatte führen sollen.

    1847 erreicht die Mortalität sogar 18,27%. Wie ein Blitzschlag trifft ihn fast gleichzeitig der Tod seines Freundes Kolletschka, Professor der Gerichtsmedizin, der in Folge einer Fingerverletzung während einer Sektionsübung an einer Sepsis stirbt.

    Semmelweis vermutet die Zusammenhänge und schließt als Ursache der Septikaemie auf  zersetzte organische Stoffe, die zum Resorptionsfieber führen.

    Zwei Monate später, im Mai 1847, beginnt er vor jeder Untersuchung einer Gebärenden oder Wöchnerin seine Hände mit Chlorina liquida, später mit Chlorkalk, zu waschen. Zu diesen Waschungen hält er auch alle seine Schüler an. Zwei Augenzeugen, der Engländer Dr. Routh und der Ungar Lajos Markusovszky, berichten darüber. Schon im Juni sinkt die Todesrate der Mütter im Wiener Gebärhaus auf 2,23%. Es ist vor allem die Statistik, mit deren Hilfe Semmelweis der Krankheit beikommt.

    Leider publiziert er seine Erkenntnisse nicht. Zwar hält er 1850 vor der Wiener Gesellschaft der Ärzte drei Vorträge, im Übrigen aber verbreitet sich die Kunde nur durch seine Schüler, seine Korrespondenz und durch die nach Wien kommenden Gastärzte. Der Dermatologe Hebra und der Internist Skoda, der 1849 einen Vortrag über die Semmelweis`sche Entdeckung hält, sind für ihn tätig. Dagegen reagieren die in ihrer Ehre gekränkten Geburtshelfer erbost und beleidigt. Zum Teil führen sie sogar insgeheim die Prophylaxe ein, während sie Semmelweis offen bekämpfen. Man wirft ihm Ungehorsam und Pflichtvergessenheit vor. Unter den positiven Stimmen ist die des Kieler Geburtshelfers G. A. Michaelis. Diesem wird die Erkenntnis seiner eigenen Verantwortung für den Tod so vieler junger Frauen, darunter den seiner Cousine, derart unerträglich, dass er Selbstmord begeht.

    1850 übersiedelt Semmelweis, kaum dass er unter anderem auf Betreiben von Skoda die Ernennung zum Wiener Dozenten erhalten hat, nach Pest.

    Inzwischen besteht die Welt nicht ausschließlich aus Geburtshilfe und ihren tragischen Folgen. In der Revolution von 1848 hat Semmelweis entgegen anderslautenden, auf unsicheren Quellen beruhenden Behauptungen, keine besondere Rolle gespielt. Hätte er sich politisch fortschrittlich engagiert, so wäre ihm von seinen Feinden Klein und Rosas mit Sicherheit ein Strick daraus gedreht worden. Seit Mai 1851 ist er als Primararzt am Pester St.-Rochus-Spital tätig.

     

    Wamser-Krasznai Semmelweis Bild 2

     Bild 2: St. Rókus-Kórház

    Das Lehramt der theoretischen und praktischen Geburtshilfe an der Universität von Pest, das ihm nun angetragen wird, ist an die Beherrschung der ungarischen Sprache und an sein nachweislich politisch „günstiges“ Verhalten gebunden. Kaiser Franz Joseph bestätigt 1855 seine Berufung zum Universitätsprofessor.

    Erst 11 Jahre nach seiner epochemachenden Entdeckung, 1858,  erscheint endlich ein Artikel aus der Feder von Semmelweis in der ärztlichen Wochenzeitung/Orvosi Hetilap: „A gyermekágyi láz kóroktana“ (Ätiologie). Dann folgt in deutscher Sprache seine grundlegende Schrift: „Die Aetiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers“ (Pest, Wien und Leipzig 1861). Im Vorwort heißt es:

    „Vermöge meines Naturells jeder Polemik abgeneigt, Beweis dessen ich auf so zahlreiche Angriffe nicht geantwortet, glaubte ich es der Zeit überlassen zu können, der Wahrheit eine Bahn zu brechen [..]. Zu dieser Abneigung gegen jede Polemik kommt noch hinzu eine mir angeborne Abneigung gegen alles, was schreiben heißt. [..] Ich muss [..] nochmals vor die Öffentlichkeit treten, nachdem sich das Schweigen so schlecht bewährt [..] finde ich Trost in dem Bewusstsein, nur in meiner Überzeugung Gegründetes aufgestellt zu haben“.

    Trotz dieser Berufung auf sein pazifistisches Naturell wird er jetzt selbst polemisch. „Die überaus größte Anzahl von medizinischen Hörsälen wiederhallt noch immer [..] von Philippiken gegen meine Lehre [..] und es ist nicht abzusehen, wann der letzte Dorfchirurg und die letzte Dorfhebamme das letzte Mal infizieren werden.“

    Jetzt sind die Kollegen erst richtig erbost und nicht bereit, dem Befürworter der aseptischen Methode öffentlich zuzustimmen. Eher sollten die Mütter zugrunde gehen, bevor das Ansehen der Professoren beschädigt werde.

    In seinem 1862 „an sämtliche Professoren der Geburtshilfe“ gerichteten Offenen Brief, setzt Semmelweis noch gehörig eins drauf, attackiert seine Kontrahenten namentlich und beschuldigt sie expressis verbis des Mordens.

    Die Resultate seiner Prophylaxe sind durchgehend sehr eindrucksvoll. Seit 1859 liegt die Zahl der an Kindbettfieber Verstorbenen in Pest unter 1%. Bereits 1862 erlässt der Stadthalterrat in Ungarn für sämtliche Munizipalbehörden und die medizinische Fakultät eine Anordnung über die Durchführung der Asepsis nach den von Semmelweis vorgeschlagenen Maßregeln. Dieser findet nun aber auch für seine Anhänger kein gutes Wort mehr und greift 1863 die Ablehner seiner Lehre in fünf Nummern des „Orvosi Hetilap“ heftig an.

    1865 lockt man ihn auf einer Reise, die angeblich zu einem Erholungsaufenthalt weiter nach Gräfenberg führen soll, in die Landesirrenanstalt Wien. Dort endet sein Leben auf Grund einer Sepsis am 13. August 1865.

    Mehr als 100 Jahre später, 1977, erkämpft der in Frankfurt am Main lebende Frauenarzt Dr. Georg Silló-Seidl die Herausgabe der im Psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien archivierten Krankengeschichte und übergibt sie dem Semmelweis-Museum für Medizingeschichte in Budapest.

    Die Anamnese stammt noch von Prof. Bókai in Pest. Aus ihr geht hervor, dass der vorher geordnet und logisch denkende, allerdings in Sachen Kindbettfieber kompromisslose Mann seit einigen Jahren zeitweise von einer unerklärlichen Schlafsucht befallen sei. In den letzten fünf Wochen bemerke man eine zunehmende Wesensveränderung. Er vernachlässige sein Äußeres, mache obszöne Bemerkungen, sei verschwenderisch, unruhig und kritiklos. Er schwitze, sei unmäßig im Essen und Trinken und unzuverlässig im Hinblick auf seine Pflichten.

    Bei der Aufnahme zeige sich eine von den Pester Chirurgen nicht beschriebene dunkel blaurote Stelle am rechten Mittelfinger. Als Semmelweis die vergitterten Fenster bemerke und am Fortgehen gehindert werde, fange er an zu toben, sodass ihn sechs Wärter kaum  bändigen können. Sie legen ihm eine Zwangsjacke an und bringen ihn in die Dunkelkammer.

    Am nächsten Tag fallen gesteigerte Unruhe, Sprach- und Gangstörung sowie eine hohe Pulsfrequenz auf. Obwohl sich die Rötung und Schwellung des Fingers über den ganzen Handrücken ausgedehnt haben, äußere er keine Schmerzen. Es folgen Gangrän, Osteomyelitis, Sepsis, geistige Verwirrung und schließlich der Tod. Über die Entstehung der Fingerverletzung wird spekuliert. Die Wahrheit wisse niemand.

    István Benedek: [..] “és az akkori brutális ápolási ‚módszerek‘- től szenvedett sérülésből kialakult szeptikus állapot vezetett korai halálához“ [..].

    Bei der Autopsie bestätige sich als Krankheitsursache eine durch Lues bedingte Paralyse. Darüber habe man aus falsch verstandener Diskretion mehr als 100 Jahre geschwiegen. Noch 1978 lehnt Silló-Seidl, der sich so sehr um die Beschaffung der Semmelweis‘ schen Krankengeschichte verdient gemacht hatte, diese Diagnose ab.

    Auch in Ungarn herrscht 25 Jahre lang tiefes Schweigen. Die Familie  magyarisiert 1879 ihren Namen in Szemerényi, was sie nach dem Einsetzen des Semmelweis-Kultes gern rückgängig gemacht hätte. Dies gelang jedoch nur den Nachkommen der Tochter Antonia, die seit 1894 den Doppelnamen Lehhoczky-Semmelweis tragen.

    1882 hatte der Freiburger Geburtshelfer Alfred Hegar eine ebenso sachliche wie positive Darstellung des Lebens und der Lehre von Ignaz Fülöp Semmelweis gegeben. Dem war 1885 eine grundlegende Biographie in ungarischer  Sprache gefolgt.

    1891 werden die sterblichen Überreste des nun endlich berühmt gewordenen Sohnes der Stadt nach Budapest überführt. Mit einem Spendenaufruf  am 22. April 1894, unter dem Titel Anyák mentője, iniziiert Jenő Rákosi, Chefredakteur des „Budapesti Hírlap“, den später weltweit üblichen Ausdruck „Retter der Mütter“.

    1906 wird die von Alajos Stróbl geschaffene Marmorgruppe enthüllt, die Semmelweis zusammen mit einer dankbaren Mutter darstellt. Sie hat heute ihren Platz vor seiner einstigen Wirkungsstätte, dem Rókus-Korház/ St.-Rochus-Spital.

    Wamser-Krasznai Semmelweis Bild 3  

    Bild 3: Statue von A. Stróbl

    Die Újvilág utca, wo sich die Gebärklinik befunden hatte, heißt jetzt Semmelweis utca. Unter dem Straßennamen trägt ein sprechendes Relief die Inschrift „anyák megmentője“.

     Wamser-Krasznai Semmelweis Bild 4

     Bild 4:  Semmelweis-utca, „Retter der Mütter“

    Das Jahr 1965 wird, 100 Jahre nach seinem Tod, von der UNESCO zum Semmelweis-Jahr erklärt. In das restaurierte Geburtshaus zieht das Medizinhistorische Museum ein.

    Wamser-Krasznai Semmelweis Bild 5

     Bild 5: Hof des Museums mit einer Mütter-Statue aus dem fortgeschrittenen 20. Jahrhundert

    Heute spricht man in der angelsächsischen Literatur vom „Semmelweis-Reflex“, wenn  jemand kritiklos eine These oder eine Person ablehnt, die vielleicht nur ihrer Zeit allzu weit voraus ist. Unter der Semmelweis-Doktrin dagegen verstehen wir die Prävention und Non-Infektion durch die Verpflichtung zum Händewaschen mit einem desinfizierenden Mittel, seiner Zeit mit Chlorkalk. Seit 1969 trägt die Budapester Medizinische Universität den Namen von Ignaz Philipp  Semmelweis.

    Wamser-Krasznai Semmelweis Bild 6

     Bild 6: Statue im Hof der Gynäkologischen Klinik Budapest

     Medizinhistorischer Exkurs:

    Vier Jahre vor Semmelweis‘ Einführung der Prävention, 1843, hatte Oliver Wendell Holmes aus Cambridge/Massachusetts einen Vortrag in der Bostoner Ärztevereinigung gehalten, der in demselben Jahr unter dem Titel „The Contagiousness of Puerperal Fever“ gedruckt wurde. Darin heißt es: „The physician and the disease entered, hand in hand, into the chamber of the unsuspecting patient“ , also: Hand in Hand betraten der Arzt und die Krankheit das Zimmer des ahnungslosen Patienten. Er warnte davor, dass ein Arzt, der sich mit Geburtshilfe beschäftigt, jemals an der Obduktion einer an Kindbettfieber verstorbenen Frau teilnehme. Wenn der Arzt aber eine solche Person seziert oder ein Erysipel behandelt habe, müsse er sich gründlich reinigen, die Kleidung wechseln und dürfe mindestens 24 Stunden lang keine Wöchnerin anfassen. Nach dem Krankheitserreger forschte er nicht.

    Semmelweis sah die Ursache der Krankheit in einem zersetzten organischen Stoff, der zum Resorptionsfieber führe. Seit 1847 forderte er als Prävention die Non-Infektion und die Chlorwaschungen. Er schreibt in seiner „Ätiologie“ (S. 266): „Da es [..] sicherer ist, den Finger nicht zu verunreinigen, als den verunreinigten wieder zu reinigen, so wende ich mich an sämtliche Regierungen mit der Bitte um die Erlassung eines Gesetzes, welches jedem im Gebärhause Beschäftigten [..] verbietet, sich mit Dingen zu beschäftigen, welche geeignet sind, seine Hände mit zersetzten Stoffen zu verunreinigen.“ Damit fordert er eindeutig die Asepsis. Nach dem Krankheitserreger forschte auch er nicht.

    Über die Priorität ist natürlich gestritten worden, doch zeigt sich im Grunde nur, dass diese Erkenntnisse gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts förmlich in der Luft lagen. Dasselbe gilt für die Entdeckung der Krankheitserreger (Keime, Germina, Mikroben, Bazillen).

    Nachdem schon Varro, ein Zeitgenosse Julius Caesars, in seinem Buch zur  Landwirtschaft (1, 12, 2) über die in sumpfigen Gegenden lebenden winzigen Tierchen, die man mit den Augen nicht wahrnehmen kann, die aber schwere Krankheiten verursachen, philosophiert hatte, rissen die zum Teil durchaus erfolgreichen Versuche, Mikroorganismen nachzuweisen, nicht mehr ab. Antoni van Leeuwenhoek gelang 1674 mit einem selbst gebauten Mikroskop der Nachweis von Protozoen und Bakterien. Donné wies 1837 Vibrionen nach, Lucas Schönlein 1839 einen Pilz als Erreger des Favus scutularis. Dann kam Louis Pasteur, 1857, mit der Entdeckung der Milchsäurebakterien. Drei Jahre später gelang es ihm, die Mikroben durch Erhitzen auf 60-90 Grad (das Pasteurisieren!) unschädlich zu machen. Semmelweis dürften die einschlägigen Publikationen bekannt gewesen sein, doch hielt er es mit dem Gießener Chemiker Justus von Liebig, der den Kontakt faulender Stoffe mit gesunden für ausreichend hielt, um Krankheiten zu verursachen, und der die Erklärung des Zerfalls organischer Stoffe durch das Einwirken von Bakterien verspottete. 1863 konnte ein Bazillus als Erreger des Milzbrandes, Anthrax, nachgewiesen werden. All dies ereignete sich noch zu Semmelweis‘ Lebzeiten.

    In seinem Todesjahr, 1865, begann sich in Glasgow Joseph Lister mit dem Problem der Wundinfektion zu beschäftigen. Die Verwendung der Karbolsäure leitete die antiseptische Chirurgie ein. Als Ursache der Infektion betrachtete Lister die von Louis Pasteur so genannten lebenden Krankheitserreger, die Keime. Ebenfalls 1865 erkannte in Gießen der 20-jährige, bei Charkow/Charkiw-Ukraine geborene Ilja Metschnikow die Bedeutung der „Fresszellen“ für die Vernichtung von Krankheitserregern. 1908 erhielt er für seine Phagozytentheorie den Nobelpreis, zusammen mit Paul Ehrlich.

    Robert Koch wurde mit der Kultivierung des Bazillus anthracis 1876 und der Entdeckung des Mycobakterium Tuberculosis 1882 zum Begründer der modernen Bakteriologie und Mikrobiologie.

    Niemals aber ist, wie István Benedek bereits in den 1980er Jahren schrieb, die Semmelweis-Doktrin so aktuell gewesen wie heute, wo sich vor allem in der westlichen Welt die nosokomialen Infektionen beinahe unbegrenzt vermehren.

     

    Epilog:

    Am 05. April 2009 wurde ich durch die Verleihung der Semmelweis-Plakette und mit einer Ehrenurkunde der Internationalen Semmelweisgesellschaft ausgezeichnet.

     Wamser-Krasznai Semmelweis Bild 7

     Bild 7: Plakette pro arte medicea Hungariae, Künstlerin:  Katalin Gera

    „Ärztliche Ethik kennt keine Kompromisse“ ist das Motto dieser Gesellschaft. Ein Satz aus Semmelweis‘ Offenem Brief an Joseph Spaeth steht damit in direktem Zusammenhang: [..] “ein Jeder, der es wagen wird, gefährliche Irrthümer über das Kindbettfieber zu verbreiten, wird an mir einen rührigen Gegner finden“.

    Doch – ein Wermutstropfen fällt in den edlen Wein. Wer heutzutage die Semmelweis-Grabstätte auf dem Kerepesi-Friedhof in Budapest besuchen will, ist weitgehend auf sich selbst angewiesen, denn die Wärter wissen nichts von dem doch recht monumentalen Sarkophag, ja sogar der Name Semmelweis ist ihnen fremd! Es zeigt sich also auch hier wieder einmal mehr: der Prophet gilt nichts im eigenen Land!

    Wamser-Krasznai Semmelweis Bild 8

     Bild 8: Semmelweis-Sarkophag

    Für ihre tatkräftige Unterstützung bei meinen Recherchen danke ich Prof. Dr. Beatrix Farkas, Dr. László Hodinka, Petúr Krasznai MBA, Dr. Péter Szutrély und Gerold Wiese MSc (Budapest, Keszthely, Münzenberg).

     

    Photos: Petúr Krasznai und Waltrud Wamser-Krasznai

    Literatur:

    J. Antall, Der Lebensweg von Ignác Semmelweis, in: Aus der Geschichte der Heilkunde  Suppl. 13-14 (Budapest 1984) 17-29

    I. Benedek, Ignaz PhilippSemmelweis (Wien-Köln-Graz 1983)

    Bericht von Lambrecht, Miklós, in: Nagy Ferenc (Hrsg.), Magyarok.

    A természettudomány és a technika történetében (Budapest 1992) 465-467 und in: Nagy Ferenc (Hrsg.), Magyar Tudóslexikon Á-tól Zs-ig (Better Kiadó 1997) 719-721 (Zweitabdruck)

    Blutiges Handwerk – Klinische Chirurgie. Zur Entwicklung der Chirurgie. Eine Ausstellung des Westfälischen Museumsamtes (Münster 1989/90)

    H. S. Robert Glaser – M. Henze, Metschnikow, Phagozyten und Gießen, Gießener Universitätsblätter 38, 2005, 69-74

    E. Lesky, Ignaz Philipp Semmelweis und die Wiener medizinische Schule (Wien 1964)

    Th. Mildner, De febre puerperale. Eine medizinhistorische Studie um den Hospitalismus im 18. Jahrhundert (Ruhpolding 1962)

    Sh. B. Nuland, Ignaz Semmelweis. Arzt und großer Entdecker (München 2006)

    H. Schipperges, 5000 Jahre Chirurgie (Stuttgart 1967)

    I. Ph. Semmelweis, Die Aetiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers (Pest, Wien und Leipzig 1861), in: The Sources of Science (New York und London 1966)

    I. Ph. Semmelweis, Offener Brief an sämmtliche Professoren der Geburtshilfe (Ofen 1862)

    István Száva, Ein Arzt besiegt den Tod (Budapest 1968)

    G. Silló-Seidl, Die Wahrheit über Semmelweis. Das Wirken des großen Arzt-Forschers und sein tragischer Tod im Licht neu entdeckter Dokumente (Genf 1978)

     

    Copyright Frau Dr. med. Dr. phil. Waltrud Wamser-KRasznaiD