Month: Juni 2017

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    My name is Artiste.  A long, long time ago I lived together with my sister Announce in the countryside. Evil people offended us and separated us from our family and our children. We were in a desperate state, so the Creator transformed us into birds. Announce became a swallow, and I became a nightingale. Announce proclaims spring every year in the cities and stays there. I   remained in the countryside singing.

    Announce came to me in the springtime and gave me an advice:          She said: “Stop singing with your sweet voice for the simple peasants and goatherds. They do not appreciate your tunes. Come with me to the city to sing for the rich and well-dressed gentlemen and ladies”

    I replied: “My dear, have you forgotten that because of those heartless people we lost our families and our children. The simple peasants love my music.

    If the people from the cities would like to hear me, they should come here to the countryside. They would avoid the malodorous city air, and have the privilege of smelling violets and other wild country flowers.

     

    Thoughts on music

    A musician is a skilled and adept performer with musical ability. A true musician gets inspiration from his soul.

    Angels overwhelm all kind beings placing a singing nightingale into their hearts. This is how music conquers their hearts.

    Time stands still, or more accurately, music provides the illusion of time.

    However, in despair, when our souls are in total darkness, Mozart and other composers enlighten our way with a host of candles.

    Music saves our desolate souls ,and is one way to unite people.

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dr. Dietrich Weller

    Mein Name ist Artiste, der Künstler. Vor langer, langer Zeit lebte ich mit meiner Schwester Announce, das heißt Ankündigung, auf dem Land. Schlechte Menschen beleidigten uns und trennten uns von unseren Familien und unseren Kindern. Wir waren in so verzweifelter Verfassung, dass uns der Schöpfer in Vögel verwandelte. Announce wurde eine Schwalbe und ich eine Nachtigall. Announce kündigt jedes Jahr in den Städten den Frühling an und bleibt dort. Ich blieb auf dem Land und sang weiter.

    Announce kam im Frühling zu mir und gab mir einen Rat: Sie sagte:  „Hör auf, mit deiner süßen Stimme für die einfachen Bauern und Ziegenhirten zu singen. Sie schätzen deine Melodien nicht. Komm mit mir in die Stadt, um für die reichen und gut gekleideten Herren und Damen und singen.“

    Ich antwortete: „Meine Liebe, hast du vergessen, dass wir wegen diesen herzlosen Leuten unsere Familien und Kinder verloren haben? Die einfachen Bauern lieben meine Musik. Wenn die Leute aus den Städten mich hören wollen, sollen sie hierher aufs Land kommen. Sie würden die stinkende Stadtluft meiden und das Privileg haben, die Veilchen und andere wilde Blumen zu riechen.

    Gedanken über Musik

    Ein Musiker ist ein begabter und geschickter Darsteller mit musikalischen Fähigkeiten. Ein wahrer Musiker erhält seine Inspiration aus seiner Seele.

    Engel überwältigen alle freundlichen Lebewesen und senken ihnen eine Nachtigall in ihre Herzen. So erobert die Musik ihre Herzen.

    Die Zeit steht still, oder genauer gesagt, schafft Musik die Illusion der Zeit.

    In der Verzweiflung jedoch, wenn unserer Seelen sich in völliger Dunkelheit befinden, erleuchten Mozart und andere Komponisten unseren Weg mit einem Bündel von Kerzen.

    Musik rettet unsere vereinsamten  Seelen und ist ein Weg, um Menschen zu vereinen.

     

     

     

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    Dr. med. Günter Struck,

    geboren 25.06.1923, gestorben 14.06.2017

    Mit Trauer haben wir die Nachricht erhalten, dass unser Mitglied und Freund Dr. Günter Struck verstorben ist. Er war eines der ältesten Mitglieder unseres Bundesverbandes und über all die Jahre eine wichtige Stütze der Aktivitäten im Verband. Wir verdanken ihm sehr gute literarische Leistungen, freundliche Begegnungen und erinnerungswürdige Gespräche. Für seine Verdienste wurde er 2006 mit der Schauwecker-Medaille ausgezeichnet.

    In dankbarem Gedenken

    Dr. Dietrich Weller

    Nachruf von Frau Dr.  Ulrike Zuber

    Wer jemals schön und gut,
    versinkt und verflüchtigt nicht.
    Echo und Widerschein
    halten Erinnerung fest.                                               (Alfred Rottler)

    Im Sommer 1993 tagte der Verein der katholischen Ärztearbeit im Erfurter Augustinerkloster. Ich hatte gerade meine Kündigung bekommen, weil der Landkreis Erfurt nach der Gebietsreform mich nicht mehr brauchte. Durcheinander von der Ereignissen der vergangenen Tage und nicht ahnend, was alles auf mich zukommen würde, beschloss ich, einige Vorträge im Augustinerkloster anzuhören. Dabei lernte ich das Ehepaar Drs. med. Dorothea und Günter Struck kennen. Die Unterhaltung mit ihnen gab mir etwas Mut, und Dr. Struck lud mich ein, im September 1993 nach Fulda zu kommen, um an der Tagung des BDSÄ  teilzunehmen. Das tat ich, und so wurde ich mit einem Gedichtbeitrag in den Bundesverband Deutscher Schriftstellerärzte BDSÄ aufgenommen. Das ist nun 25 Jahre her, aber ich habe das für mich so wesentliche Erlebnis nie vergessen.

    Es entstand eine regelrechte Freundschaft, und jedes Jahr trafen wir uns zu den Jahrestagungen, zwischendurch auch zu einer Lesung der Landesgruppe NRW in Köln und der Hessen in Frankfurt/Main. Günter schrieb, und Dorothea malte, eine ideale Ergänzung (z.B. Pyrmonter Blütenblätter Ginta Verlag 1993).

    Auch zu den Jahrestagungen des BDSÄ waren ihre Bilder oft ausgestellt und fanden Beachtung und Bewunderung.

     Günter Struck erschien mir immer wie ein Fels in der Brandung, der mit seinem Humor die Übersicht behielt und der nicht so leicht zu erschüttern war.

    Im Alter von fast 94 Jahren ist er am 14.06. dieses Jahres in Köln verstorben. Seine Frau wird sich mit ihrer großen Familie trotz aller Trauer dankbar so mancher humorvollen Begebenheiten erinnern.

     Ich auch und ebenso die Mitglieder des BDSÄ, die ihn kennengelernt haben.

    In alter Verbundenheit

    Dr. med. Ulrike Zuber, Erfurt

  • Brise

    Eine Brise streichelt sanft das Meer
    Federleicht berührt sie mich erfrischend
    Ich rieche an jedem ihrer Worte
    Mein Herz wird zu einem Leuchtkäfer
    und fliegt zu dir

     

    (16.6.2017)

  • Sehnsucht

    Die Vorgabe war eindeutig
    Schließe Frieden mit den Gegebenheiten
    und verzichte dabei auf jeglichen Vergleich
    zwischen Wirklichkeit und Vernunft
    Meine Sehnsucht war wesentlich größer
    Ich entschied mich für das kämpferische Leben

    (16.6.2017)

     

  • Der längste Bus

    Wennemann grübelt schon seit Jahren,
    ob ein hypothetisch gedachter
    unendlich lang gemachter
    Bus kann um die Kurve fahren.

    Aberach beweist, dass dieser Bus,
    weil der relative Einstein, und das stimmt,
    unendliche Gerade in sich selbst zurückgekrümmt,
    letztendlich um die Kurve fahren muss.

    Ein solcher Bus, so rechnet er ihm aus,
    führe, der Beweis ist nicht so schwer,
    nicht nur sich selber hinterher,
    sondern zugleich sich voraus.

    Überdies, und die Gefahr ist gross,
    käme das unendliche Gefährt,
    gleich ob es linksrum, rechtsrum fährt,
    mit sich selber zum Zusammenstoss.

    Andrerseits, ist er sich bald im Klaren,
    ist der überlange Stretchgeselle
    zur gleichen Zeit an jeder Haltestelle
    und müsste somit gar nicht fahren.

    Ergo gibt es, schliesst er mit Stringenz,
    im Unendlichen nicht Ort, nicht Zeit,
    sondern nur die schiere Ewigkeit
    gepaart mit Omniopräsenz.

    (06.06.2017 0600)  © E W Grundmann

  • Mein Kamerad

    Der Kameraden gibt es nicht viele im Leben.
    Ich meine die Richtigen.
    Die, mit denen man sozusagen durch “dick und dünn” gehen kann.

    Und mein Kollege und Medizinmitstreiter, dieser “Doc”, war so einer.
    Nun ging er auf die Rente zu, die Altersrente.

    Aus diesem Grunde hatte ich mich um eine Praxisvertretung bemüht, bekommt man doch Harthau und Umgebung mit seinen 4 Pflegeheimen nicht als alleinige Hausärztin in den Griff.

    Und da war sie.

    Eine niedliche Südamerikanerin, schon 12 Jahre in Deutschland, stellte sich dieser Aufgabe.

    Das gefiel nun meinem Kollegen außerordentlich gut!

    Wollte er ab Januar 2014 seinen Dienst bei mir beenden, entschied er sich nun, bis März zu arbeiten. Ihm lagen seine Patienten so am Herzen, und die korrekte Übergabe machte es auch erforderlich.

    Dann nahte der März, mein Kollege unterbreitete mir das Angebot, bis Juni arbeiten zu wollen, Fabiola, so hieß die junge Kollegin, bräuchte bestimmt noch Einarbeitungsunterstützung.

    Mir war es recht.

    So entspannte sich die Lage in der Behandlung des doch kräftigen Patientenzustroms.

    Wir visierten den Juni 2014 an. Und lustig ging es weiter. Nun zu Dritt im Dienstplan.

    Ich stellte dann den Antrag bei der Kassenärztlichen Vereinigung, ohne Anträge geht es in Deutschland bekanntlich nicht.

    Der Brief war geschrieben, per Einschreiben 10:00 Uhr in der Post.

    Am nächsten Tag kam mein Kamerad in das Dienstzimmer, offerierte mir, alleine würden wir es doch noch nicht schaffen, er würde gern bis Dezember 2014 arbeiten wollen.

    So.

    Ich telefonierte.
    Anhaltend.
    Hartnäckig.

    Bis ich die Tresen- und Postdame der Kassenärztlichen Vereinigung dazu bewegen konnte, das Einschreiben aus dem Postfach der Sachbearbeiterin der KV zu fischen, es zu zerreißen und damit das Ganze zu stoppen.

    Nun ist es Oktober.

    Die Kündigung steht an.

    Ich bin gespannt.

    Es ist im Gespräch, mein Doc möchte zu unser Unterstützung ab Januar 2015 elf Stunden wöchentlich weiter arbeiten.

    Das nennt sich wahrer Kamerad.

    P.s.:

    Wir schreiben das Jahr 2017, mein Arzt-Kamerad arbeitet immer noch mit uns zusammen, auf die 3-monatigen Kündigungsfristen an die KV verzichte ich aber seither.

     

    Diese Geschichte stammt aus dem Buch “Kill the ill”, Teil 2, von Benita Martin.

     

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    Life is …

    Row, row, row your boat
    Gently down the river,
    Merrily, merrily, merrily,
    Life is but a dream                                                                                                                                                                        

    This song known as a nursery rhyme is based on the Chinese popular song YIU, YIU, YIU, YIU DOU NGIPU KIU (Row, row, row, row by the bridge to Grandma’s house). The grandmother is to transmit their experiences to the grandchildren.

    It would be nice, if this passage had such a quality, which could flow from her to the grandchildren, just as water from one vessel, which is connected to another vessel, flows, until the water level is the same in both of them.

    As many others, this children song has taught the generations of kids the basic life’s lessons. In this song:

    Rower are you

    Your boat signifies your life

    You are not rowing on one occasion, but…….

    Row, row, row, means: you are continuously ‘rowing’ during all your life.

    The river represents the time of the entire life’s journey. Each instant the river is renewed like the time too. Heraclitus of Ephesus (535 BC– 475 BC) noted that everything flows (πάντα ῥεῖ-) and is summed up in his mysterious statement “Ever-newer waters flow on those who step into the same rivers.” Consequently,” tempus fugit “(time flies), or as the ancient Roman poet Vergil expressed: FUGIT INREPARABILE TEMPUS (it escapes, irretrievable time).          This is proverbial warning, therefore “carpe diem” (seize the day).

    Merrily, merrily, merrily, – your rowing is gently and slowly, not arrogant or imposed, but allowing it to go with a flow of the river. With our merrily (cheerfully) approach, we have the ability to make a dream-like our life’s journey. Therefore ………

    Life is but a dream. Life is solely a dream. However, by our kindly attitude towards the others our dream might be marvelous too. 

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dr. Dietrich Weller

    Leben ist …

    Rudere, rudere, rudere dein Boot
    sanft den Fluss hinunter.
    Fröhlich, fröhlich, fröhlich,
    Das Leben ist nur ein Traum.

    Dieses Lied, bekannt als Kinderreim stammt von dem chinesischen Volkslied Yiu, Yiu, Yiu, Yiu Dou Ngipu Kiu (rudere, rudere, rudere neben der Brücke zu Großmutters Haus). Die Großmutter soll ihre Erfahrungen an die Enkelkinder weitergeben.

    Es wäre reizvoll, wenn diese Passage so gestaltet wird, dass sie von der Großmutter zu den Enkeln fließen könnte, gerade so wie wenn Wasser von einem Gefäß, das mit einem anderen verbunden ist, fließt, bis der Wasserspiegel in beiden gleich hoch steht.

    Wie viele andere hat dieses Kinderlied Generationen von Kindern die grundlegenden Lebenslektionen gelehrt. In diesem Lied

    Ruderer bis du.

    Dein Boot bedeutet dein Leben.

    Du ruderst nicht nur bei dieser einen Gelegenheit, sondern

    Rudere, rudere, rudere bedeutet, dass du ständig durch dein ganzes Leben ruderst.

    Der Fluss steht für die Zeit deiner gesamten Lebensreise. Jeden Moment wird der Fluss erneuert wie die Zeit auch. Heraklit von Ephesus (535-475 v. Chr.) schrieb, dass alles fließt (πάντα ῥεῖ) und zusammengefasst wird in der geheimnisvollen Behauptung Immer neue Wasser überströmen alle, die in denselben Fluss steigen.[1]

    Folglich Tempus fugit – es flieht die Zeit, oder wie der alte römische Dichter Vergil es ausgedrückt hat: Fugit inreparabile tempus – die Zeit flieht unwiederbringbar, sie flüchtet und kann nicht wieder gewonnen werden. Dies ist eine sprichwörtliche Warnung, deshalb carpe diem – erfasse den Tag. 

    Merrily, merrily, merrily  – dein Rudern ist sanft und langsam, nicht arrogant oder aufgezwungen, aber es erlaubt dir, mit der Strömung des Flusses zu schwimmen. Mit unserer fröhlichen, heiteren Weise haben wir die Fähigkeit, einen Traum wie deine Lebensreise zu erschaffen. Deshalb …

    Das Leben ist nur ein Traum. Das Leben ist ausschließlich ein Traum. Jedoch kann er durch deine freundliche Art gegenüber den Anderen auch ein wunderbarer werden.

     

    [1] Anmerkung des Übersetzers:

    Im Deutschen gibt es das Sprichwort: Du kannst nie in denselben Fluss steigen.

    Im Deutschen gibt es den feinen Unterschied zwischen der gleiche und derselbe. –
    Am Beispiel erklärt: Fritz hat das gleiche Auto wie Peter. – Das heißt, es sieht identisch aus (gleiche Marke, gleicher Typ, gleiche Farbe etc.), aber wenn man genau hinschaut, hat es z.B. eine andere Motornummer und ein anderes Kennzeichen, es ist also nicht dasselbe Auto, es ist nur das gleiche Auto.  Wenn aber Fritz sein Auto an Peter ausleiht, fährt Peter mit demselben Auto wie Fritz. –
    Grundregel: Dasselbe gibt es immer nur einmal, das gleiche kann es sehr oft geben. –
    Dann können wir das obige Zitat so formulieren: Du kannst immer in den gleichen Fluss steigen, aber nie in denselben!

    Und wenn wir schon dabei sind, „grammatikalisch Haare zu spalten“: Das gleiche schreibt man getrennt, dasselbe schreibt man zusammen. Begründung: gleiche gibt es als eigenständiges Wort (z.B. gleiche Fenster), selbe gibt es nicht als eigenständiges Wort.

     

     

     

     

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    Waltrud Wamser-Krasznai: Hier wird gebliwwe!

    zur Moderation Gehen oder Bleiben, Dietrich Weller

     

    Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich in meinem Text wie in der Überschrift gelegentlich in mein ordinäres, vertrautes Oberhessisch verfalle. Es ist die Antwort auf eine Frage, die ich meinem Mann, der über mindestens zwei Staatsangehörigkeiten verfügt und auch sonst mit allerlei ‘Hunden gehetzt’ ist, einmal im Jahr stelle. Sein belgischer Großvater nämlich hatte ihn als jungen Burschen gefragt, ob er nicht in Flandern bleiben und Chef seines Familienbetriebs, einer Schokoladenfabrik, werden wolle. Darauf meinte Petúr:

    Opa, nach dem nächsten großen Krach werde ich in Frankfurt schon wieder einen  Sparkäfer fahren, während Du noch deine Schubkarre schiebst. Meinst Du nicht auch, ich sollte lieber dort bleiben? Da antwortete der kluge, erfahrene Opa: Junge, Du bist der einzige in der Familie, der Grips hat. Nichts wie zurück nach Frankfurt mit Dir!

    Am 3. Oktober 1989, dem Jahr, als dieses Datum bekanntlich noch nicht mit einem Feiertag gleichzusetzen war, hatte ich mich im Bezirk Karl-Marx-Stadt, dem späteren Kreis Chemnitz, ein wenig verfahren und musste nach dem Rückweg Richtung Autobahn Eisenach- Hersfeld fragen. Ich kam mit einem netten älteren Sachsen ins Gespräch, der mich förmlich anflehte: “Ach bleiben Sie doch hier, was für eine Praxis könnten Sie haben; uns laufen ja die Ärzte alle weg!” Für einen Moment war ich durchaus nachdenklich, musste dann aber sagen: Wenn ich mich jetzt nicht beeile, werden meine Patienten zu Hause Schlange stehen bis auf den Marktplatz. Um 16.00 Uhr beginnt meine Sprechstunde und es ist leider schon 11.00!

    Zur Zeit erlebe ich in Hessen, dass archäologische Kollegen, die aus befristeten Jobs oder wegen Arbeitslosigkeit in das Vereinigte Königreich aufgebrochen waren, um dort dauerhafte Stellungen anzutreten, nun wegen des Brexit zurückströmen. Was werden sie hier vorfinden? Ihr Gesichtskreis muss sich verändert haben. Vielleicht verstehen wir einander zunächst gar nicht. Denken wir nur an die unterschiedliche Art, in Deutschland oder in den USA an eine Aufgabe heran zu gehen. Hier bei uns ist der Weg das Ziel. Auch ich bin mit dieser Einstellung aufgewachsen. So wichtig das Ergebnis auch ist, es würde doch etwas fehlen, wenn nicht schon die Arbeit am Projekt so spannend wäre und so viel Freude bereitete! Für Amerikaner dagegen zählt eins: das Resultat, und nur dieses, ohne Umwege und seitliche Arabesken.

    Unser Land und den Medizinbetrieb verlassen und anderswo neu anfangen? Dazu sind 10% unserer Landsleute bereit, überwiegend Personen mit dem nötigen Geld und mit international konvertierbarer Ausbildung. Trotzdem können sie nicht erwarten, als Auswanderer gleich die “Trepp’ enuff  ze falle’”. Bis zu einer ernsthaften Anstellung dürften fünf Jahre vergehen, 15 Jahre sogar, um in dem ursprünglichen Beruf Fuß zu fassen und weiter zu kommen[1]. Unsere Vorstellungen von der Bedeutung einer Promotion oder Habilitation sind veraltet. Die Stellen-Besetzung funktioniert häufig Kraft Ernennung und die Besoldung erfolgt nach dem Motto: “Sprichst Du umsonst oder bringst Du das Geld mit?”

    Gehen oder Bleiben – es gibt objektive und subjektive Gründe dafür. Junge Menschen sind flexibel und richten sich nach der ökonomischen und politischen Situation. Das ist schon gut so. Die Alten beharren lieber auf ihren Gewohnheiten und versuchen das Vertraute möglichst zu bewahren. In einem alten Lied aus dem evangelischen Kirchengesangbuch, bei dem die Qualität des Textes und die Schönheit der Melodie einander in seltener Weise ergänzen[2], heißt es: “Verricht’ das deine nur getreu”. Wenn wir das von uns sagen können, nämlich das Unsere getan zu haben oder noch zu tun, dann bleibt uns nur zu wünschen: “Noch ein bisschen weiter so!”

    Gehen oder Bleiben hat aber gerade für Schriftsteller-Ärzte auch andere Aspekte als politische, ökonomische oder soziale, nämlich einen literarischen. Wer hat etwas zu diesem Thema geschrieben, und wann?

    “Wahrgeworden
    die Weissagung der Zigeunerin

    Dein Land wird
    dich verlassen
    du wirst verlieren
    Menschen und Schlaf

    wirst reden
    mit geschlossenen Lippen
    zu fremden Lippen

    Lieben wird dich
    die Einsamkeit
    wird dich umarmen.”

    Das Gedicht heißt “Einsamkeit II” und stammt aus der Feder von Rose Ausländer. Ich begegnete der Dichterin, die damals als solche noch fast unbekannt war, im Jahr 1972. Sie war meine Patientin in der Rheumatologie. Außer den Folgerungen, die man unschwer aus ihrem Namen ziehen konnte, wusste ich gar nichts von ihr. Mit dem Gedichtbändchen, das sie mir schenkte, konnte ich noch nicht viel anfangen und widmete ihm nicht genügend Aufmerksamkeit. Weit wichtiger war mir, dass ich es hinbekam, ihr mehrfach ohne größere Katastrophen Blut abzunehmen. Sie hatte nicht nur miserable Venen, sondern war überhaupt eine recht schwierige Frau. Übrigens handelte es sich bei dem Land, von dem sie, wie es im Gedicht heißt, verlassen worden ist, nicht um Deutschland. Vielleicht hatte sie ihre heimische Bukowina im Visier, aber eher noch die Vereinigten Staaten, die ihr einmal wegen allzu langer Abwesenheit die amerikanische Staatsangehörigkeit entzogen. Gestorben ist Rose Ausländer in Düsseldorf, wo sie seit 1965 lebte.

    Bleiben wir noch für einen Augenblick bei der Abnahme von Blut, diesem “ganz besond’ren Saft”. Ein “Tröpfchen” davon besiegelt den Vertrag zwischen Mephisto und dem von ihm für die ewige Verdammnis vorgesehenen Faust. “Was kann die Welt mir wohl gewähren” fragt der Rastlose, der ewig Unbefriedigte[3]:

    “Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
    Und diese Sonne scheinet meinen Leiden.”

    Irgendwann endet es dann so:

    “Zum Augenblicke werd ich sagen:
    Verweile doch, du bist so schön!”

    Also bleiben? Hier wird gebliwwe!

     

    [1] Für Informationen und bewegte Diskussionen zu diesem Thema danke ich meinem Mann, Petúr L. Krasznai, Dipl. Wirtschaftsingenieur, Butzbach und Budapest.

    [2] Georg Neumark, Wer nur den lieben Gott lässt walten, um 1641.

    [3] J. W.  Goethe, Faust I und II.

  • Hagrose

    (31.5.2017)

     

    Ein Wunder erblicke ich im grünen Strauch

    Küsse es behutsam, als wäre es ein Hauch

    Fünf Herzen betören mich nach ihrem Brauch

    Freude schenken und empfangen möchte ich auch

  • Wanderer

    (1.6.2017)

     

    Die Zärtlichkeit deiner Anschauung
    verwandelt den eingenisteten Kummer
    in farbenfrohe Schmetterlinge
    die behutsam Leben lehren
    Du lässt deine Erkenntnisse
    sanft wandern
    und Herzens Knospen öffnen sich