Monat: Februar 2022

  •                                                                               The CHESS

    Life is like a chess-game, during which every single figure takes its
    own position with dignity depending on its task and significance.                      
    As soon as the game is over, all figures are packed into the same box.

    Dr. med. André Simon © Copyright

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Das Schachspiel

    Das Leben ist wie ein Schachspiel, während dessen jede Figur ihre eigene Position mit Rücksicht auf ihre Aufgabe und Wichtigkeit  einnimmt.

    Sobald  das Spiel vorbei ist, werden alle Figuren in dieselbe Schachtel gepackt.

  • (3.2.2022)

    für meine Enkelkinder

    Solltet ihr irgendwann fragen
    wieso euer Großvater
    sich in jenen schrecklichen
    und zugleich schöpferischen Tagen
    der allgemeinen Einstellung nicht anschloss
    dann bedenkt diese eindeutige Antwort

    Es ging um euch und eure Nachkommen
    Es war wahrhaftig nicht sicher
    meiner Betrachtungsweise treu zu bleiben
    Es war allerdings noch weniger sicher
    schmachvoll zu schweigen
    Ich wollte nicht wie ein Sklave
    dem Willen derer unterworfen sein
    vor denen ich schweigend sitzen sollte

    Manche sagten mir wohlwollend
    mich im Grunde dabei
    zur Selbstaufgabe auffordernd
    Denke an deine Familie
    Denke an ihre Zukunft

    Ich hatte ja die ganze Zeit
    euch bei meinen Überlegungen
    fest vor den Augen
    und gerade deshalb konnte ich
    in jenen folgeschweren Tagen
    dem Leben frohgemut treu bleiben

    ֎֎֎

  • (1.2.2022)

    Bist du von der Angst überwältigt
    jeden Tag in neuer Gestalt geschürt
    übersiehst du die klarsten Gegebenheiten
    und verfehlst die einfachsten Gedanken

    Komm, gib mir deine Hand
    Komm, wandere mit mir

    Ich werde dir die Wunder zeigen
    kleine und große Wunder
    auf jedem Wanderweg vorhanden
    Dann wirst du dich
    als ein Wunder begreifen
    zum tiefgründigen Denken befähigt
    zum Mitfühlen und Mitleiden
    zum Aufstehen
    zum Verändern

    Komm, gib mir deine Hand
    omm, wandere mit mir

    ֎֎֎

  • (30.1.2022)

    Bei befüllten Futterhäuschen
    kommen sie angeflogen
    Haussperlinge, Kohlmeisen, Amsel
    Ein Kleiber ist unter ihnen
    und auch ein Dompfaff

    Sie begreifen meine Bedrängnis
    spenden mir Trost und Zuversicht
    Dann rufen sie erfrischend
    Auch wenn du glaubst
    wie ein kleiner Vogel zu sein
    sing dein Lied für die Freiheit

    Die Magnolie im Garten
    hat längst geduldig
    die Fahne des Frühlings gehisst
    Geschmeidig stehen Schneeglöckchen Spalier
    Und ich singe abermals
    von bunten Träumen getragen
    die Kehle der Sperlinge vor den Augen
    voller Inbrunst
    mein Lied der Freiheit

    ֎֎֎

  • Wir Ärzt/innen können uns leidtun. Da haben wir geschlagene fünf Jahre studiert, weitere fünf Jahre für eine Spezialisierung daraufgesetzt, und dann kommen die Patienten und wissen alles besser, weil sie längst das Internet, eine Wunderheilerin oder einen Scharlatan befragt haben. Die helfen zwar bisweilen und wer heilt hat Recht, doch hätten die Halb-Informierten gern noch den Segen von uns [Akade]Mikern, unter deren Augen sie dann weiter auf ihren esoterischen Pfaden wandeln. Sei’s drum. Auch in der Antike war dergleichen gang und gäbe. So heißt es, der älteste Kult auf der Tiberinsel in Rom habe dem Flussgott Tiberinus gegolten; doch als die Stadt 293 v. Chr. von einer schweren Seuche heimgesucht wurde, verlangten Bürger und Magistrate nach der Hilfe eines Größeren. Also holten sie sich aus Epidauros den berühmten Heilgott Asklepios, der in Gestalt einer Schlange den Ort für seinen künftigen Tempel auf der Insel bestimmte[1].      

    Über Asklepios und die andere große Heilgottheit der Antike, Hygieia, ist so viel Rühmliches geschrieben worden, dass hier kein Wasser ins Meer getragen werden soll. Es gibt ja genügend Göttinnen und Götter, die unter verschiedenen Aspekten verehrt werden, auch – wenngleich eher nebensächlich – unter demjenigen der Heilkunst. Heilgottheiten zweiter Ordnung[2]! Ihre Zahl ist groß, sodass eine Auswahl getroffen werden muss, eine sehr subjektive, versteht sich.

        1. Apollon/aplu/Apollo.

    Das ist zunächst Apollo. Wie kann das sein? Apollon, ein Heilgott zweiter Ordnung? Nun, sein Sohn Asklepios stellt ihn bei Weitem in den Schatten. Die Verdienste des Vaters sind im Hinblick auf Heilungen weniger bekannt und lange nicht so spektakulär. Sie werden oft nicht genügend gewürdigt. Der schöne, ewig jugendliche Apoll jedoch, Herr des Orakels, Musenführer, trefflicher  Bogenschütze und Vegetationsgott, kann sich Großmut leisten. Einem seiner Lieblinge, Iapyx, verleiht er sogar die Gabe der Heilkunst[3]. Im Übrigen wird er bereits im 5. Jh. v. Chr. als Heilgott Apollon Maleatas verehrt. Das hoch über Epidauros gelegene Heiligtum entwickelt sich am mykenischen Kultort des Heil-Heros Maleas[4]. Jüngere Heilstätten, die Asklepieia, schließen sich gern an die älteren des Apollon an, wie Mantinea, Aigeira oder Sikyon[5].

    In der Ilias tritt der Gott in Doppelfunktion als Verursacher und Überwinder von Katastrophen auf. Er sendet ins Heer den Pestpfeil und gebietet der Seuche dann wieder Einhalt, nachdem er durch Sühneleistungen zufrieden gestellt ist[6].

     Als Diomedes dem Aineas mit einem Steinwurf das Hüftgelenk zerschmettert, greift Apollon helfend ein. Aphrodite will gerade ihren Sohn vom trojanischen Schlachtfeld entrücken, wird dabei aber selbst von Diomedes verwundet. Apollon springt ihr bei, birgt Aenaeas und lässt ihn von Mutter Leto und Schwester Artemis im Adyton seines Tempels in Troja pflegen[7].

     Hektor wird ebenfalls durch einen Stein verletzt, über dem Schildrand nahe dem Halse[8]. Zeus beauftragt Apollon, sich um ihn zu kümmern. Die Therapie ist eher suggestiv als chirurgisch. Dem trojanischen Königssohn wird Kraft eingehaucht – mit vollem Erfolg, denn gleich darauf nimmt der Genesene zum Schrecken der Achäer wieder am Kampfgeschehen teil[9].    

     Psychosomatisch behandelt Apollon auch den Glaukos, den ein Pfeil des Teukros in den Arm getroffen hat, sodass er die Lanze nicht fest zu halten vermag[10]. Er bittet den Gott:

    Schläfre die Schmerzen ein, gib Kraft mir
    es hörte ihn Phoibos Apollon,
    Stillte sofort die Schmerzen und ließ an der leidigen Wunde
    Trocknen das schwarze Blut und legte Kraft in den Mut ihm[11].

    Arzt der Götter ist nach Aussage der Ilias Paiéon. In mykenischer Zeit verehrt man ihn als individuelle Gottheit Paiawon oder pa-jo-wo[12], bevor er später unter den Namen Iepaiéon und Paián mit Apollon verschmilzt[13]. Aus der Odyssee erfahren wir, dass Leute aus Ägypten, die sich besonders gut auf Pharmaka verstehen, vom Geschlechte des Paiéon abstammen[14].

     Vor Troja wird auch Ares verwundet. Zeus trägt dem Paiéon auf, ihn zu heilen,

    Und Paiéon streute ihm auf schmerzstillende Kräuter,
    und er heilte ihn…[15]

     Ähnlich kuriert er den von einem Pfeilschuss des Herakles getroffenen Hades mit lindernden Kräutern, die er darüber streute[16].

     Seit der Zeit der Tarquinier, im späten 6. Jh. v. Chr. wird in Rom der etruskische Aplu (=Apollon/Apollo) verehrt. Weihinschriften und anatomische Votive weisen auf die spezifischen Aspekte von Fruchtbarkeit, Genesung und Gesundheit[17] hin. Im 5. Jh. v. Chr. führt er die Beinamen ἀλεξίκακοϛ/Übelabwehrer, Παιάν und Apollo Medicus. Seit 449 v. Chr. befindet sich auf dem Marsfeld sein Altar, das Apollinar[18]. Ein Tempel wurde ihm während einer Seuche gelobt und 431 v. Chr. eingeweiht[19]. Im 4. und 2. Jh. v. Chr. erfolgten Umbauten. Weitere 100 Jahre später erkennt C. Sosius die Zeichen der Zeit und schließt sich dem Octavian/Augustus an, nachdem er zuvor ein Parteigänger des MarcAnton gewesen ist. Von 34 v. Chr. an lässt Sosius den Tempel des Apollo Medicus grundlegend erneuern[20].

    Julius Caesar berichtet in den Jahren 51/50 v. Chr. von den Galliern, sie seien der Meinung, dass Apollo die Krankheiten vertreibe[21]. In Alesia, dem gallischen Oppidum der Mandubier, berühmt wegen des Vercingetorix und der Belagerung und Eroberung durch die Römer, trägt Apollo den einheimischen Namen Moritasgus (Abb. 1)[22].

                        

    Abb. 1: Oberschenkel mit Knie für Apollo Moritasgus, Nach: Cazanove 2009, 358. 361 Abb. 7

        Besser bekannt und weiter verbreitet ist im gallo-römischen Raum der Gott Grannus, der ebenfallsdieZüge desApollo Medicus übernommen hat. In Aachen, dem lateinischen Aquae Granni, nutzen Heilung suchende bis heute die alkalischen schwefelhaltigen Kochsalzquellen. Votiv-Altäre mit Inschriften für Grannus und seine Kultgenossin Sirona stammenu. a.ausdem kleinen Pilgerheiligtum Hochscheid im Hunsrück. Mit Schlange und Schale ist Sirona an Hygieia angeglichen[23]. Die Verehrung des Paares Apollo Grannus und Sirona führt weit über Gallien und die Germania inferior hinaus. Mit Weihinschriften belegen Heilstätten wie Aquincum in Pannonien oder Sarmizegetusa in Dakien die Verbreitung des Kultes in den Donauländern[24].

          2. Athena/Menrva/Minerva

     Am Wege zum sogenannten Alpion befindet sich ein Tempel der Athena Ophthalmitis. Den soll Lykurgos geweiht haben, als ihm das eine Auge von Alkandros ausgeschlagen wurde, weil die Gesetze, die er gab, dem Alkandros nicht gefielen. Er floh an diesen Platz, und die Lakedaimonier verteidigten ihn, dass er nicht auch noch das andere Auge verlor, und daher baute er den Tempel der Athena Ophthalmitis[25].Ein prophylaktisches Weihgeschenk. Ob Athena dem Lykurg wieder zum beidäugigen Sehen verholfen hat, lässt Pausanias offen.

     In kultischer Hinsicht ähnelt die römische Minerva Medica der griechischen Athena Hygieia, als Schützerin der Gesundheit [26]. Topographische Schriften aus dem 3. Jh. n. Chr. erwähnen einen in der Regio V Augustea (Esquiliae)[27] gelegenen Tempel der Minerva Medica, dessen Areal annähernd der heutigen Via Carlo Botta entspricht[28]. Auf dem Fragment einer Tonlampe aus dem nahen Votivdepot ist in „archaischen“ lateinischen Buchstaben der Name der Göttin eingeritzt[29]. Vom Heiligtum selbst sind heute keine Reste mehr zu sehen[30]. Einen gleichfalls auf dem Esquilin an der Via Giovanni Giolitti gelegenen zehneckigen Kuppelbau, der zu den Horti Liciniani gehört, aber „unter dem Phantasienamen Tempio di Minerva Medica“ (Abb. 2) bekannt ist, schließen die Altertumsforscher definitiv aus[31].

           

    Abb. 2: Fälschlich als „Tempel der Minerva Medica“ bezeichneter Bau.                                            Aufnahme der Verfasserin.

        Nicht nur im Heiligtum auf dem Esquilin wurde Minerva als göttliche Ärztin  verehrt. Bei Travo/Piacenza gefundene Inschriften, in denen sie ausdrücklich „Medica“ genannt wird, weisen auf ein Heil-Heiligtum hin. Coelia Iuliana, die aus schwerer Krankheit gerettet und Tullia Superana, die von einem  entstellenden Haarausfall befreit wurde[32], richten Dank-Adressen an Minerva.

                         

    3: Frauenkopf mit „Darstellung von Haarausfall“? Nach Holländer 1912, 304 Abb. 196

    Die Schriftquelle allerdings mit einem Terrakotta-Kopf vom Votivdepot auf dem Esquilin (Abb. 3) zu verbinden ist zwar reizvoll aber unzutreffend. Für die vermeintliche „Alopezia areata“ gibt es eine rein mechanische Erklärung: die nachträglich applizierten ornamentalen Hakenlocken konnten dem kontinuierlichen Abrieb, dem sie über Jahrhunderte hinweg ausgesetzt waren, auf die Dauer nicht standhalten[33].

     Außer Köpfen und Statuetten enthielt das Depot Fragmente von Gliedmaßen, die scheinbar mit „Pusteln“ übersät waren (Abb. 4). Auch hier rivalisiert nüchterne Betrachtungsweise mit retrospektiven Diagnosen: Statuen von Satyrn und Silenen zeigen häufig ein fellartiges Integument, dessen „Erhabenheiten“[34] den Plaques der Extremitäten ähneln. Es sind Statuen-Fragmente, keine Körperteil-Votive mit pathologischen Veränderungen.

                            

    Abb. 4 : Armfragment  vom Esquilin, Terrakotta.   Nach: Baggieri 1999, 49 Abb. 27 

    Unter den zahlreichen Terrakotten aus dem Depot befinden sich weibliche Gewandfiguren, von denen einige mit Schild und Aegis als gewappnete Minerva charakterisiert sind, außerdem Doppelgöttinnen, Wickelkinder, Votivköpfe, anatomische Votive und Tierfiguren[35].   

     Im Norden des antiken Fiesole liegt ein weiteres der Minerva Medica zugeschriebenes Heiligtum, in dem eine kleine bronzene Eule, die Begleiterin  der Athena/Minerva, zum Vorschein kam. Weitere Bronzen, Körperteilvotive in Form von Beinen und Füßen, spielen möglicherweise auf die therapeutischen

    Fähigkeiten der Göttin an[36]. Ähnliches gilt vermutlich für einen als Votiv-Herz gedeuteten Miniatur-Cippus aus Lavinium. Nach der eingeritzten Inschrift hat ihn die Etruskerin Senenia der Göttin Menrva geweiht; die Form der Buchstaben weist in das 3. Jh. v. Chr.[37]

     Auch eine kleine in der Gallia Romana entstandene Tavola ansata aus Bronze, auf der ein Augenpaar dargestellt ist, trägt eine Weihinschrift an Minerva[38].  

    Ein „perfektes Beispiel für die Angleichung einer römischen und einer lokalen Gottheit“ sei die Göttin Sulis Minerva[39]. Ihre Verehrung in Bath/Aquae Sulis ist an zahlreichen Inschriften, beeindruckenden Tempelruinen und großartigen Badeanlagen ablesbar.      

        3. Aphrodite/Turan/Venus:

    Im Kampf gegen den Latiner Turnus wird Aenaeas von einem Pfeil getroffen.

    … mitten im Worte, da schwirrte.
    Sieh, ein gefiederter Pfeil, …
    man weiß nicht,
    Welche Hand ihn geschnellt…Aenaeas,
    Der nur Schritt vor Schritt am langen Speere sich stützte.
    Grimmig ringt er, den haftenden Pfeil am zerbrochenen Rohre
    Auszuziehn

    Schon kam Iapyx, …ein Liebling des Phoebus
    Eilends herbei, dem einst, von heftiger Liebe ergriffen,
    Seine eigenen Künste und Gaben freudig Apollo
    Anbot…[40]

    Doch auch der Arzt Japyx ist machtlos, der Pfeil sitzt fest wie eingewachsen. Da naht Venus, die ihren Sohn Aenaeas nicht länger leiden sehen kann, mit ihrem kretisches Heilkraut,

    heimlichdas Gesicht in dunkle Wolken sich hüllend, (Abb. 5) mischt sie die heilsamen Tropfen der Pflanze in das Wasser, mit dem Japyx die Wunde reinigt, da entflieht der Schmerz aus dem Körper und das Geschoss fällt heraus, von selber und zwanglos. 

                            

    Abb. 5: Pompeianisches Wandbild, um 70 n. Chr..      Nach: Simon 1990, 222 Abb. 280

    In Lavinium gründet Aenaeas für seine göttliche Mutter ein von Strabon erwähntes Heiligtum namens Aphrodisium. Körperteilvotive des 4. und 3. Jhs. v. Chr. belegen den Heilcharakter der Stätte[41].

    Unter den Aspekten von Reinheit und Reinigung wurden panitalische und lokale Göttinnen mit Venus assoziiert. Zu den ersteren gehört Mefitis, diealleÜbel zu heilen und Befleckung und Krankheit hinweg zu nehmen vermag. Ihre Macht äußert sich zwar im ‚berüchtigten‘ Dunst, beruht aber auf der reinigenden Kraft des Schwefels[42]. Mit ihrer römischen Kultgenossin Juno Lucina teilt sie die Verehrungsstätte, einen Hain (lucus) an der Nordspitze des Esquilin[43]. Venus Cloacina trägt Sorge für die Reinheit der ganzen Stadt[44]. Ihr Heiligtum liegt auf dem Forum Romanum, nicht weit von der Cloaca Maxima.     

        4. Artemis/Artumes/Diana

       Dass Artemis zusammen mit ihrer Mutter Leto den von Apoll aus dem Schlachtgetümmel entrückten Aeneias im Heiligtum auf der Burg von Trroja pflegt, war schon angeklungen[45].

    Wie ihr Bruder kann sie Wunden schlagen, aber auch heilen.

    wenn in der Stadt die Menschen das Alter erreichen,
    Kommt die Freundin der Pfeil‘ und der Gott des silbernen Bogens,
    welche sie unversehens mit sanften Geschossen erlegen[46].
       

    In großer Bedrängnis wegen einer schrecklichen Seuche ruft der Chor in Sophokles‘ Oedipus drei Zeus-Kinder an:

    Himmlische Tochter des Zeus, erhabne Athene, dich ruf ich zuerst.
    Artemis dann, deine Schwester, die Schützerin unseres Landes,
    Und den Fernhintreffer Apoll, euch Wehrer des Todes.
    Habt ihr schon früher die Flamme des Unheils verscheucht,
    Dann kommet auch jetzt[47].

        Die kleinasiatische Artemis Anaeitis trägt in Anspielung auf ihren Begleiter Men bisweilen eine Mondsichel[48]. Manchmal ist sie durch ihre Tracht an Artemis Ephesia, durch begleitende Tiere an Potnia Theron angeglichen. Auf lydischen Marmorstelen aus der Gegend von Sardes sprechen Genesene der Großen Mutter und gnädig Hörenden Anaeitis[49] den Dank für ihre Hilfe bei Augenleiden, wunden Füßen, Brustkrankheiten und intestinalen Problemen aus.

    Unter dem Schutz der Ortsgöttin Diana Abnoba[50]steht die Therme von Badenweiler.EinAltar verkündet den Namen[51]. Der Fluss Hister [Oberlauf der Donau] entspringt in Germanien an den Abhängen des Berges Abnoba gegenüber der Stadt Rauricum in Gallia und gleitet jenseits der Alpen…unter dem Namen Danuvius dahin…[52]

    Auch zu Mattiacum in Germanien jenseits des Rheins gibt es warme Quellen; das aus ihnen geschöpfte Wasser bleibt drei Tage lang heiß, setzt aber an den Rändern Bimsstein an[53]. In Aquae Mattiacae/Wiesbaden fand sich eine Statuenbasis mit Dank-Inschrift an Diana Mattiaca.

           5. Herakles/Hercle/Hercules:

        …in Hyettos aber steht ein Tempel des Herakles; Kranke können hier Heilung finden;…und in Messene auf Sizilien befreie Herakles von Krankheiten aller Art[54]. In Ephesos habe er den Ausbruch der Pest verhindert[55]. Überhaupt rühmen Beinamen wie Alexikakos, Apotropaios und Soter, lateinisch Custos, Tutor, Defensor, ihn als Abwehrer und Retter in Seuchengefahr[56].  

      

    Abb. 6: MarmorRelief Athen, 4. Jh. v. Chr. Körperteil-Votive für Herakles.    
    Nach: van Straten 1981, 106 Nr. 1.1 Abb. 50.           

    Das Relief aus pentelischem Marmor (Abb. 6) zeigt links den an seiner Keule kenntlichen Herakles, vor dem eine Adorantin kniet. Auf dem rechten Abschnitt der Tafel erkennt man Extremitäten und weibliche Körperteile[57].

        Eine Inschrift aus einer dakischen Villa rustica ist dem Hercules Magusanus pro salute sua et suorum gewidmet[58]. Er schützt die  Heilquellen, und auch die vulkanischen Seen im Zentrum der Apenninenhalbinsel seien ihm zu verdanken[59]. In Tibur/Tivoli lindern die Schwefelquellen der Aquae Albulae   rheumatische Schmerzen und Muskelverspan-nungen[60].

        6. Hermes/Turms/Mercurius:

    Wieder geht es um Seuchen, lateinisch pestilentia, griechisch Loimós genannt. Durch Herumtragen eines Widders befreit Hermes die Stadt Tanagra von der Pest[61].

     In Tanagra…in Bezug auf die Heiligtümer des Hermes, des Kriophoros [des Widderträgers] …erzählen sie …dass Hermes ihnen eine Epidemie abwehrte, indem er einen Widder um die Mauer herumtrug, und deshalb schuf Kalamis eine Kultstatue des Hermes mit einem Widder auf den Schultern.

    Wer aber von den Epheben als der schönste erklärt wird, dieser läuft am Fest des Hermes rings um die Mauer mit einem Schaf auf den Schultern[62].

                     

    Abb. 7:  Hermes kriophoros, Paris Louvre, frühklassisch. Nach Jeammet 2003, 30 Abb. 10

     Der homerische Hymnos preist Hermes als den Führer im Traumland und als Vermittler des süßen Schlafs, den er nach Belieben nehmen oder gewähren kann[63]. Das Hermodaktylon, ein dem gleichnamigen Gott zugeschriebenes mit Colchicum autumnale gleichgesetztes Kraut rufe Lethargie und Träume hervor[64].

        Hermes chthonios geleitet die Toten und sorgt für Regeneration und Wohlergehen aller lebenden Wesen.

        Als Gott der Fruchtbarkeit wird er auch in Phallos-Gestalt und als Φάλης verehrt[65]. Die Hermen mit ihrem wichtigsten Kennzeichen, dem männlichen Geschlechtsorgan, sind ihm geweiht[66].

                             

    Abb. 8: Hermes-Herme, München, frühklassisch.  Aufnahme der Verfasserin                

    Hermes ist imstande, die männliche Kraft wieder herzustellen[67]. Die Linozostis oder das Parthenion wurde von Hermes entdeckt. Daher nennen es bei den Griechen viele Hermu poa, bei uns nennen es aber alle Mercurialis[68],was bei Krankheiten der Geschlechtsteile Verwendung findet[69].                                     

     …

    Doch wir sind nicht so ganz, wir alte Heiden, verlassen,
    Immer schwebet ein Gott über der Erde noch hin,

    Eilig und geschäftig, ihr kennt ihn alle, verehrt ihn!
    Ihn, den Boten des Zeus, Hermes, den heilenden Gott.
    Fielen des Vaters Tempel zu Grund, bezeichnen die Säulen
    Paarweis kaum noch den Platz alter verehrender Pracht,      
    Wird des Sohnes Tempel doch stehn, und ewige Zeiten
    echselt der Bittende stets dort mit dem Dankenden ab[70].

     Wem die vielen Zitate den Sinn verwirren, tausche den Gott Hermes gegen die lateinische Version, Mercurius, und wechsle von den Römischen Elegien zu den Venezianischen Epigrammen:

    Camper der jüngere trug in Rom die Lehre des Vaters
    Von den Tieren uns vor, wie die Natur sie erschuf,

    Armer Camper, du hast ihn gebüßt, den Irrtum der Sprache,
    Denn acht Tage danach lagst du und schlucktest Merkur[71].

         7. Demeter/Vea/Ceres

     In Fontanile di Legnisina/Vulci wurden Uterus-Modelle gefunden, von denen zwei eine geritzte Inschrift tragen: Vei, „der Vea„, der etruskischen Entsprechung zu Demeter/Ceres. Die Uteri sind reliefartig flach, mit nahezu konzentrisch angeordneten Wülsten. Das ungewöhnliche Motiv ließ an eine Darstellung der Gebärmutter post partum denken[72].      

     In Troizen hatte Demeter einen sehr alten Kult, bei dem Ferkel, Phallen aus Teig und Pinienzapfen in Gruben geworfen wurden, ein chthonisches Frauenfest, das sich auf Empfängnis und glückliche Geburt bezog[73]. Sieben Demeter-Heiligtümer liegen im Umkreis von Troizen.   

     An der Küste aber befindet sich an der Grenze von Hermione ein Heiligtum der Demeter mit Beinamen Thermasia[74]. Der Name weist auf nahe gelegene warme Quellen und Bäder hin. Für die Demeter Thermasia sind Heiligtümer gebaut, das eine an der Grenze gegen Troizen…und eins in der Stadt [Hermione] selbst. …  

    Vom troizenischen Land springt eine Halbinsel weit ins Meer vor, und darauf ist ein nicht großes Städtchen…Ungefähr dreißig Stadien davon befinden sich warme Bäder…Wasser…das noch jetzt hervorkommt, warm und furchtbar salzig. Wenn man hier gebadet hat, ist weder kaltes Wasser in der Nähe, noch kann man sich ins Meer werfen und ohne Gefahr schwimmen; denn es gibt hier neben anderen Tieren sehr viele Haie[75].

    Auch die Demeter von Eleusis hat Verbindung zur Heilkunst und empfängt, gemeinsam mit Asklepios, kultische Ehren[76]. In Lakonien …ist ein Heiligtum der Demeter mit Beinamen der eleusinischen. Hier soll…Herakles von Asklepios verborgen worden sein, als er seine Wunde heilte[77].       

     Aus dem Hydromanteion[78] des Demeter-Heiligtums von Patrai/Patras berichtet Pausanias über ein „untrügliches“ Orakel für Kranke. Lasse man einen Spiegel bis zur Wasserfläche der heiligen Quelle herab und bete zur Göttin, so zeige sich der Kranke im Spiegel noch lebend oder bereits tot[79].     

     In erstaunlich umfassendem Sinn rühmen kaiserzeitliche Schriftsteller die therapeutischen Fähigkeiten der Göttin. Artemidoros berichtet von einer  glücklichen Rettung mit Hilfe von Demeter, Kore und Iakchos: die Gottheiten hätten die Kranken angewiesen von ihren Betten aufzustehen. Die danach prompt eingetretene mythische Heilung entspricht dem aus Joh. 5, 8 bekannten Wunder[80]. Der Orphische Hymnus an Demeter 19-20 preist sie als Bringerin von Gesundheit, Wohlfahrt, Frieden und wirtschaftlicher Prosperität.

    Frühzeitig erkannte man in einem Relief aus Plovdiv/Philippopolis einen  Beleg für ihre augenärztliche Tätigkeit. Die Inschrift nennt eine Stratia, die der Göttin für ihren Beistand bei einem ophthalmologischen Problem dankt. Ob die Weihgeberin tatsächlich als Blinde oder Sehbehinderte dargestellt ist[81]?

                                  

    Abb. 9: Demetri Eukrates, 4. Jh. v. Chr. (?).    Nach: Steinhart 1995, 34 f. Taf. 9

        Das Marmor-Relief aus dem Telesterion von Eleusis (Abb. 9) ist durch eine horizontale Zierleiste zweigeteilt. Den oberen Abschnitt beherrscht der mit einem Diadem geschmückte Kopf der Göttin. Von ihrem Hals und den Wangen gehen Strahlen aus,

     – Weithin strahlt es von Licht aus ihrem unsterblichen Körper… das feste
    Haus erfüllte ein strahlendes Funkeln, als wären es Blitze –

    so heißt es im homerischen Demeter-Hymnos[82]. Die im unteren Feld dargestellten Sinnesorgane, Augen und Nase, erinnern an Votive aus anderen Werkstoffen in der Form von maskenartigen Teilen des Gesichts[83].     

         Ein Epigramm des Antiphilos[84] schildert die Erfahrung eines Mysten im Telesterion von Eleusis: 

    Zum Tempel hin ging ich am Stock, uneingeweiht wie ich war,
    …die Göttinnen initiierten mich  und noch in derselben Nacht
    war ich geheilt von der Umnachtung der Augen.
    Ohne Stock ging ich hinunter zur Stadt und verkündigte die heiligen Riten
     der Demeter, lebhafter mit meinen Augen als mit meiner Zunge.

    – aus gutem Grund, denn bekanntlich hatten die Initiierten über die geheimen Vorgänge während der Eleusinien strengstes Stillschweigen zu bewahren.

    Immer wieder wird Demeter mit Augen-Heilungen in Verbindung gebracht[85]

    Bezieht sich aber das (wieder) erworbene Sehvermögen auf eine physische oder eine rituelle Fähigkeit oder auf beide? Wurde den Initianten während der geheimnisvollen Vorgänge im Telesterion das Sehen im sensorischen oder/und das „Schauen“ im höheren spirituellen Sinne zuteil?[86]

    Wie ist die Häufung von Augen-Darstellungen in bestimmten Votiv-Depots zu erklären? In Ponte di Nona bei Rom schwanken die Zahlenangaben zwischen 400 und 1000[87]! Eine Begründung für die Weihung von Augen-Darstellungen bietet in erster Linie die Bitte um Genesung des Organs „Auge“ bzw. der Dank für dessen Heilung, gefolgt von der apotropäischen Bedeutung gegen einen  „bösen“ Blick, sowie das schützende Auge der beschenkten, über ihre Gläubigen wachenden Gottheit. Endlich könnten die Augenvotive den eleusinischen Göttinnen deshalb gewidmet sein, da sie im Verlauf der Mysterien den zu Iniziierenden im metaphorischen Sinne den Übergang von ihrer Blindheit in das Licht gewähren[88].         

        8. Dea Febris/Θεὸς Πυρετός und Malaria:

        In Rom besaß die Fiebergöttin neben ihrem Haupttempel auf dem Palatin noch zwei weitere Heiligtümer[89]. Wie aus den Abhandlungen Galens, dem  Corpus Hippokraticum und verschiedenen Inschriften hervorgeht, verehrte man die Gottheit in drei Varianten, Tertiana, Quartana und der gefährlichsten, ἡμιτριταῖος, die wir  Tropica nennen[90]. Nach den antiken Beschreibungen der intermittierenden Fieberattacken besteht kein Zweifel, dass nicht nur banales Fieber sondern die verschiedenen Malaria-Typen bekannt waren. Das männliche Äquivalent, der griechische Fiebergott Θεὸς  Πυρετός, wird selten genannt, ist aber in Kilikien durch die Inschrift auf einem kleinen Altar aus dem 3. Jh. n. Chr. belegt[91].

        Die häufigen Funde anatomischer Votive des Typus „Organi Poliviscerali“ in einer Region Mittelitaliens, wo bis vor wenigen Jahrzehnten noch die Geißel der  Malaria  wütete, ließen F. Fabbri vermuten, dass Weihgaben in Form von Eingeweiden mit eben dieser Krankheit in Verbindung stehen, treten doch häufig genug neben den charakteristischen Fieberanfällen auch gastrointestinale Symptome  auf[92]. Zahlreiche etrusko-italische Terrakotta-Votive geben die inneren Organe wieder, sei es als Rundplastik, in Form von Eingeweidetafeln oder als menschliche Körper mit fensterartigem Einblick in die Leibeshöhle[93].                    

    Abb. 10: Aus der Sammlung Stieda, Gießen, Inv. T III-9
    Aufnahme M. Recke, Gießen- Frankfurt am Main

    Zu letzteren gehört das Terrakotta-Votiv aus der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität Gießen, Stiftung Ludwig Stieda (Abb. 10). Es zeigt einen bekleideten männlichen Körper, durch dessen Fenster-Öffnung von  inneren Organen vor allem Herz, Lunge und Leber zu sehen sind, während etwa die Darmschlingen nur noch vermutet werden können[94].

     Der von Fabbri formulierte hypothetische Zusammenhang zwischen Votivi poliviscerali und Malaria überzeugt nicht so recht. Milz und Leber haben bei der Erkrankung zwar Schwerstarbeit zu leisten und können erheblich anschwellen.  Wir wissen heute, dass Körperteil- Votive nur äußerst selten mit pathologischen Veränderungen wiedergegeben wurden. Wie hätte man das Wechselfieber als Leitsymptom der Malaria ins Bild setzen wollen? Sind die Koroplasten deshalb auf das gastrointestinale System ausgewichen, das sie im Ganzen und wie üblich „normal“ darstellten und dabei die Milz ganz und gar vernachlässigten? Sektionen fanden bei den Etruskern wohl (nur?) an Tieren statt… 

    Das sind kurz angerissene Überlegungen einer heutigen pathologisch-anatomisch orientierten Medica, die sich bisher von Eingeweide-Votiven als spezifischem Geschenk an die Fiebergöttin nicht hat überzeugen lassen können.           

        9. Glykon, der neue Heilgott eines Scharlatans 

    Lukian von Samosata[95] berichtet in „Alexander oder der Lügenprophet“ von einem in die Jahre gekommenen Lustknaben, der mit großer Umsicht und viel  kaufmännischem Geschick auf eine zweite Karriere hinarbeitet. In  Paphlagonien, an der Südküste des Schwarzen Meeres, gibt er sich als Enkel des Asklepios aus und etabliert eine zahme Riesenschlange als neuen Heilgott  Glykon. Seine Aktion ist, wenn auch vorwiegend regional[96], außerordentlich erfolgreich. Eines der „Bildnisse“ des neuen Gottes schafft es sogar auf die Agora von Athen[97]

                           

    Abb. 11:  Athen, Agora-Museum, frühes 3. Jh. n. Chr..    Nach Grimm 2008, 45 Abb. 24

        Es ist einmal so: wer heilt, hat Recht!

    Abgekürzt verwendete Literatur und Abbildungsnachweis:

    Baggieri 1999: G. Baggieri – M. L. Rinaldi Veloccia (Hrsg.), „Speranza e Sofferenza“ nei Votivi  Anatomici dell‘ Antichità (Roma 1999)      Abb. 4   

    Bartoloni – Bendettini 2011: G. Bartoloni – M. G. Benedettini, Veio. Il deposito votivo di Comunità (Roma 2011) 

    Benedum 1986: Chr. Benedum, Asklepios und Demeter, JdI 101, 1986, 137-157

            D. Burr Thompson, Miniature Sculpture from the Athenian Agora (Meriden,

            Connecticut 1974)       Abb. 11

    Coarelli 2019: F. Coarelli, Rom. Der archäologische Führer (Darmstadt 62019)

    Comella 1986: A. Comella, I Materiali Votivi di Falerii (Roma 1986) degli ex voto anatomici nel mondo romano (Roma 2009)

    Comella 2001: A. Comella, Il Santuario di Punta della Vipera (Roma 2001)

    Comella – Stefani 1990: A. Comella – G. Stefani, Materiali Votivi del Santuario di Campetti a Veio (Roma 1990)

    Costantini 1995: S. Costantini, Il Deposito Votivo Campestre di Tessenano (Roma 1995)

    De Cazanove 2009: O. de Cazanove, Oggetti muti? Le iscrizioni degli ex voto anatomici nel mondo romano, Acta Instituti Romani Finlandiae 35 (Roma 2009) 355-371      Abb. 1  GI  S Rom 22

    Cunliffe 52012: B. Cunliffe. Roman Bath Discovered (Stroud/ Gloustershire 52012)

    Deyts 1992: S. Deyts, Images des Dieux de la Gaule (Paris 1992)

    Deyts 1994: S. Deyts, Un peuple de pelerins. Offrandes de Pierre et de Bronze des Sources de la Seine (Dijon 1994)

    Diakonoff 1979: I. Diakonoff, Artemidi Anaeiti anestesen, BaBesch 54, 1979, 139-188

    Germogli – De Marco 2011: R. Germogli – M. De Marco, Capolavori in Miniatura (Firenze 2011)

    Fabbri 2004/05: F. Fabbri, Votivi anatomici fittili e culti delle acque nell‘ Etruria di età medio- e tardo-repubblicana, Rassegna di Archeologia 21 B, 2004-2005, 103-152

    Fabbri 2019: F. Fabbri, Votivi anatomici fittili. Uno straordinario fenomeno di religiosità popolare dell’Italia antica (Bologna 2019)

    Fenelli 1984: M. Fenelli, Lavinium, in: Archeologia Laziale VI (Roma 1984)

    Forsén 1996: B. Forsén, Griechische Gliederweihungen (Helsinki 1996)

    Franke 1964: P. R. Franke – M. Hirmer, Die griechische Münze (München 1964)

    Gatti lo Guzzo 1978: L. Gatti lo Guzzo, Il deposito votivo dall‘ Esquilino detto di Minerva Medica (Firenze 1978)

    Green 1983: M. J. Green, The Gods of Roman Britain (Aylesbury 1983)

    Gregorovius 1926: F. Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter I (Dresden 1926)

    Grimm 2008: G. Grimm, Heroen Götter Scharlatane (Mainz 2008)

    Grmek – Gourevitch 1998: M. Grmek – D. Gourevitch, Les Maladies dans l’Art antique (Lyon 1998)

    Heinz 1983: W. Heinz, Römische Thermen (München 1983)

    Hoenn 1946: K. Hoenn, Artemis. Gestaltwandel einer Göttin (Zürich 1946)

    Holländer 1912: E. Holländer, Plastik und Medizin (Stuttgart 1912)      Abb. 3

    Hygieia 2014: Hygieia. Health, Illness,Treatment from Homer to Galen (Athens 2014)

    Jeammet 2003: V. Jeammet, Tanagra. Mythe et archéologie (Paris 2003)      Abb. 7

    Krug 1985: A. Krug, Heilkunst und Heilkult (München 1985)

    La Rocca 1988: E. La Rocca, Der Apollo-Sosianus-Tempel, in: Kaiser Augustus und die verlorene Republik (Berlin 1988) 121-136

    Laser 1983: S. Laser, Medizin und Körperpflege, ArchHom 5 S

    Lehmann 2006: T. Lehmann (Hrsg.), Wunderheilungen in der Antike. Von Asklepios zu Felix Medicus (Oberhausen 2006)

    MacIntosh Turfa 2004: J. MacIntosh Turfa, Anatomical Votives, ThesCra I 2004, 359-368

    C. Martini 1990: C. Martini, Il deposito Votivo del Tempio di Minerva Medica (Roma 1990)

    Ongaro 1978: G. Ongaro, Tre Ex Voto Romani di Interesse Dermatologico, Chron. Derm. IX 6/1978, 749-754

    Paus. VII  21,11-13

    Pensabene 1980: P. Pensabene – M. A. Rizzo – M. Roghi – E. Talamo, Terracotte votive dal Tevere, Studi miscellanei 25 (Rom 1980)

    Petridou 2017: G. Petridou, Demeter as an ophthalmologist? in: Bodies of Evidence 2017, 95-111

    Plin. n.: C. Plinius secundus d. Ä., Naturalis historiae, Latein.-Deutsch (Zürich 1994)

    RE XIV 1912, 788 . s. v. Hermes (Kroll)

    Recke – Wamser-Krasznai 2008: M. Recke – W. Wamser-Krasznai, Kultische Anatomie. Etruskische Körperteilvotive (Ingolstadt 2008)       Abb. 10

    Ricciardi 1988/89: L. Ricciardi, Canino (Viterbo), NSc 1988/89, 137-209

    O. Rubensohn, Demeter als Heilgottheit, AM 20, 1895, 360-367

    Sambon 1895: L. Sambon, Donaria of Medical Interest, The British Medical Journal 2, 1895, 146-150. 216-219

    Sayar – Siewert – Taeuber 1989: M. Sayar – P. Siewert – H. Taeuber, Inschriften aus Hierapolis-Kastabala (Wien 1989)

    Schäfer 2001: A. Schäfer, Götter aus dem Rheingebiet in Dakien und Pannonien, in: W. Spickermann (Hrsg.), Religion in den Germanischen Provinzen Roms (Tübingen 2001) 259-284  

    Simon 1985: E. Simon, Etruskische Kultgottheiten, in: Die Etrusker (Stuttgart – Zürich 1985) 152-167

    Simon 1990: E. Simon, Die Götter der Römer (München 1990)      Abb. 5

    Steinhart 1995: M. Steinhart, Das Motiv des Auges in der griechischen Bildkunst (Mainz 1995)

    Steinhart 2004: M. Steinhart, Die Kunst der Nachahmung (Mainz 2004) 95  E Stei

    Van Straten1981: F. T. van Straten, Gifts for the Gods in: H. S. Versnel (Hrsg.), Faith, Hope and Worship (Leiden 1981) 65-151      Abb. 6

    Vergil, Aeneis Lateinisch-Deutsch (Darmstadt 71988)

    Wamser-Krasznai 2016: W. Wamser-Krasznai, Lepra im Alten Italien? Almanach deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte (Filderstadt 2016) 530-537

    Wamser-Krasznai 2016: W. Wamser-Krasznai, Bene lava. Wasser und Baden in der Antike, in: Beschwingte Füße (Budapest 2016) 64-78

    Wamser-Krasznai 2017: W. Wamser-Krasznai, Alte Augen, in: Streufunde (Filderstadt 2017) 61-70

    Wamser-Krasznai 2017: W. Wamser-Krasznai, Ärzte und Tod in der Alten Welt, in: Streufunde (Filderstadt 2017) 71-83

    Wamser-Krasznai 2021: W. Wamser-Krasznai, Herzen? in: Füllhorn (Filderstadt 2021) 63-77

    Wamser-Krasznai 2021: W. Wamser-Krasznai, Verletzte und verletzende Götter, in: Füllhorn (Filderstadt 2021) 110-112

    Wamser-Krasznai 2021: W. Wamser-Krasznai, Nymphe: Göttin – Junge Frau – Puppe , in: Füllhorn (Filderstadt 2021) 159-183


    [1] Coarelli 2019, 334; Krug 1985, 163 f.; Wamser-Krasznai 2021, 125 f.

    [2] Divinità secondarie, dii accensi, Fabbri 2019, 175.

    [3] s. Abb. 5. Verg. Aen. 12, 391- 429.

    [4] DNP 7, 768; Krug 1985, 130.

    [5] Paus. VIII 9, 1; VII 26,6; II 10,1.

    [6] Il. 1, 44-61. 382 f. 455 f. 471 f. Laser 1983, S 88.

    [7] Il. 5, 311f. 445-448;  Wamser-Krasznai 2021, 111.

    [8] Il. 14, 409-413; Laser 1983, S 89.

    [9] Il. 15, 262. 286-290.

    [10] Il. 16, 517-520.

    [11] Il. 16, 527-529

    [12] DNP 5, 244; Laser 1983, 95.

    [13] Hom. h. an Apollon 272. 500.517 f.; Plut. quaest. conv. 745a, ThesCra VI, 225 f.

    [14] In Ägypten.. bringt die fruchtbare Erde mancherlei Kräuter hervor…dort ist jeder ein Arzt der kundiger ist als die andern , Hom. Od. 4, 229-232.

    [15] Il. 5, 899-901; Laser 1983, S 94; Wamser-Krasznai 2021, 111 f.

    [16] Hom. Il. 5, 401 f.

    [17] Fabbri 2019, 197-202.

    [18] Liv. III 63, 7.

    [19] Liv. IV 25, 3  Die Seuche (pestilentia) führte in diesem Jahr dazu, dass die anderen Dinge ruhten. Dem Apollo wurde für die Genesung des Volkes ein Tempel gelobt. Comella1986, 196 und Anm. 600.  

    [20] Fabbri 2019, 198; La Rocca 1988, 121 f.  Coarelli 2019, 267.

    [21] Galli…habent opinionem: Apollinem morbos depellere, C. J. Caesar, De bello gallico VI, 17.

    [22] Deyts 1992, 108; Krug 1985, 178; LIMC VII (1994) 779-781 Nr. 1. 2 Taf. 562 (Á. M. Nagy).

    [23] Krug 1985, 176 Abb. 80.

    [24] Schäfer 2001, 259 f. 269.

    [25] Paus. III 18, 2.

    [26] C. Martini 1990, 12. 

    [27] Zwischen dem Campus Viminalis und dem Tempel der Isis Patrizia, Gregorovius 1926, 22 f.;  C. Martini 1990, 9.

    [28] Coarelli 2019, 215-218 mit Plan vom Esquilin. Etwa bei halb sechs ist die wahrscheinliche Lage des Tempels markiert.     

    [29] Die Lokalisierung und die Zuordnung der Votivgaben an Minerva Medica sind „nicht unumstritten“, DNP 8, 213; Gatti Lo Guzzo 1978, 14-16. 145 f. Taf. 55 b; LIMC II, 1075, CIL I2 2 460= VI4   2, 30980; VI2  10133; Cic.div. 2, 59, 123; Cic.de divinat. C. Martini 1990, 9 f. Abb. 1.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              

    [30] In Grabungsberichten vom Ende de 19. Jahrhunderts seien Reste des Heiligtums bei einer Tuffmauer beschrieben, C. Martini 1990, 8.

    [31] C. Martini 1990, 9; Coarelli 2019, 29.

    [32] CIL XI, 1305: Minervae memori Tullia Superiana restitutione facta sibi capillorum votum solvit libens merito; De Cazanove 2009, 366; Fabbri 2019, 67 Abb. 21. S. 122. 181; Gatti Lo Guzzo 1978, 16; C. Martini 1990, 11.

    [33] = umschriebener Haarausfall. Vgl. Kopf vom Votivdepot Tessenano, Costantini 1995, 33 f. Taf. 5 a, an dessen ‚Schnittlauchlocken“ der Zahn der Zeit besonders intensiv genagt hat; ferner: Baggieri1999, 37  Abb. 2; Gatti Lo Guzzo 1978, 87 f. Taf.33 a; Grmek – Gourevitch 1998, 344-347 Abb. 275: „Ce mal est archéologique et non médical. Certaines boucles … pourraient être tombées parce que mal fixées“; Holländer 1912, 304 Abb. 196. MacIntosh Turfa 367 Nr. 330 a; C. Martini 1990, 11; Ongaro1978, 752-754, Abb. 3-5, drei Ansichten des Kopfes; Sambon 1895, 147 f.; Wamser-Krasznai 2015, 39 f. Bild 4. 

    [34] „In realtà potrebbe essere un frammento di una statua di satiro“, Baggieri 1999, 49; Gatti Lo Guzzo 1978, 139 Nr. 9 Taf. 52 d; Grmek – Gourevitch 1989, 344 f. Abb. 273 f.; Holländer 1912, 307-309 Abb. 201-203; Wamser-Krasznai 2015, 36 f. Bild 1.

    [35] Coarelli 2019, 218; C. Martini 1990, 13-19 Abb. 3-19; RE 30 (1932) 1788.

    [36] Germogli – De Marco 2011, 17. 40; Fabbri 2004/05, 135 Nr. 37; Fabbri 2019, 178 f. Abb. 77. S. 181; LIMC II, 1051 (G. Colonna).

    [37] Fenelli 1984, 336 Anm. 38-40 Abb. 11; de Cazanove 2009, 355 f. Anm. 3 Abb. 2; Macintosh Turfa 2004, 363 Nr. 303; Wamser-Krasznai 2021, 66 Anm. 17.

    [38] Aus Mirebeau-sur-Bèze, Arrondissement Dijon, De Cazanove 2009, 359. 362 Abb. 10 Umzeichnung.

    [39] Solinus, Collectanea rerum memorabilium, 3. Jh. n. Chr., Cuncliff 52012, 24.  26. 51 Abb. 28; DNP 2000, 213 f. Krug 1985, 180.

    [40] Verg. Aen. 12, 311-429.

    [41] Aphrodite-Frutis-Venus, Simon 1990, 218.

    [42] Hom. Il. 16, 228 ff.  Od. 22, 481 f.; Simon 1990, 221-223. Mefitis=Mofette. Cic. de divin. I 79; LIMC VI, 400-402; anders Plin. n. 208; Verg. Aen. VII 84; RE XV, 1, 118. Coarelli 2019, 218; DNP 1131.

    [43] Ov. fast. 2, 440 ff. Plin. n. 16, 235.

    [44] Simon 1990, 223 Abb. 281.

    [45] Hom. Il. 5, 311f. 445-448

    [46] Hom. Od.15, 407 f.; Hoenn 1946, 80.

    [47] Hoenn 1946, 95.

    [48] Diakonoff 1979, 139-188.

    [49] Megale Meter, Thea epekoo, Diakonoff 1979, 141 Nr. 2 Abb. 3a-c. 145. 154. 187  Nr. 48 Abb. 37. 144. 180 Nr. 7 Abb. 8. 144 Nr. 8 Abb. 10; van Straten 1981, 136 Nr. 42.1. Nr. 40.2. Nr. 42.2; Hoenn 1946, 198 Anm. 106-108.

    [50] Krug 1985, 174 f. 

    [51] Heinz 1983, 151 Abb. 157

    [52] Plin. n. IV  24, 79.

    [53] Plin. n. XXXI 17, 20.

    [54] Böotien, Paus. IX 24, 3; Forsèn 1996, 149; ThesCra VI, 232.

    [55] Philostrat. v. Ap. 8, 7, 28 Jones, ThesCra VI, 232.

    [56] Schol. Aristoph. Ran. 501; Forsèn 1996, 149; Simon 1985, 159.

    [57] Hygieia 2014, 215 f. Abb. 82; van Straten 1981, 106 Nr. 1.1 Abb. 50.

    [58] Dazu Schäfer 2001, 260 f.

    [59] Benedum 1985, 144; Fabbri 2004/05, 119; Fabbri 2019, 202-204; Forsèn 1996, 149 f.; LIMC V (1990) 196-253; Wamser-Krasznai 2016, 71 Bild 5; dies. 2021, 166 Abb. 4. 

    [60] Fabbri 2019, 167 f.

    [61] Perdrizet 1903, 311; Steinhart 2004, 95.

    [62] Paus. IX 22,1; Veyries 1884, 3.

    [63] Hom. h. an  Hermes 4, 14. 449. 578; Hom. Od. VII, 138. XXIV 3-5; Il. XXIV 445 f.

    [64] Dioscur. IV 189 f.

    [65] Lukian. Apol. 3. Iupp. tr. 42.

    [66] RE VIII, 1, 774. 788-790.

    [67]Aristoph. Pax 711 f.; Petron. sat. 140; RE VIII, 1, 788.

    [68] Plin. n. XXV 38. 39.

    [69] Plin. n. XXIV 166; RE VIII, 1, 775.

    [70] J. W. Goethe, Römische Elegie 17, 35-42.

    [71] J. W. Goethe, Venezianische Epigramme 146.

    [72] de Cazanove 2009, 355 Anm. 4; Fabbri 2019, 124 f. Abb. 67 a; J. Macintosh Turfa, ThesCra I, 2004, 363 Nr. 302; Ricciardi 1988/89, 189 Abb. 48

    [73] Benedum 1986, 142 f. Anm. 38.

    [74] Paus. II 34, 6. 7; II 34, 12.

    [75] Paus. II 34, 1. 2.

    [76] Benedum 1986, 145 f.

    [77] Paus. III 20.

    [78] Wasser-Orakel. Paus. VII 21. 12.13.

    [79] Benedum 1986, 147; Petridou 2017, 102 f .

    [80] Artemidoros, Oneirocritica 2.39.10-24; Joh. 5, 8: „Steh auf, nimm dein Bett und wandle. Und alsbald wurde der Mensch gesund“.

    [81] 3. Jh. n. Chr., Petridou 2017, 107 f.; Rubensohn 1895, 362.

    [82] Hom. h. An Demeter, 278-280.

    [83] Fabbri 2019, 70 Abb. 23; Lehmann 2006, 93 Abb. 38 a; Hygieia 2014, 218 Abb. 86.

    [84]Anthologia Palatina 9. 298, 10. Jh. n. Chr.; Forsén 1996, 142 f.; Petridou 2017, 104; Rubensohn 1895, 363.

    [85] Rubensohn 1895, 362; DNP 3, 1997, 423 (F. Graf).

    [86] Forsén 1996, 142-144. 157; Epopteia, der höchste Grad der Initiation bei den eleusinischen Mysterien, van Straten 1981, 122 Nr. 13.1 Abb. 56; Hesych, Epopis? Petridou 2017, 103; Wamser-Krasznai 2017, 67.

    [87] Fabbri 2019, 73 Anm. 121; Potter 1989, 41-43.

    [88] Fabbri 2019, 186; Petridou 2017, 111.

    [89] Sayar – Siewert – Taeuber 1989, 16 f. Anm. 35-41.

    [90] RE 14, 1 (1928) 833-844.

    [91] Sayar – Siewert – Taeuber 1989, 16 f. Nr. 7 Abb. 8.

    [92] Magen-Darm-Bereich, Fabbri 2004/05, 113-115. 119 f. Dies. 2019, 105-115.

    [93] Fabbri 2019, 106 f. Abb. 58-60; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 110-122 Abb. 36-47

    [94] Recke – Wamser-Krasznai 2008,  118-120 Abb. 46

    [95] Satiriker des 2. Jhs. n. Chr. aus dem Süd-Osten von Anatolien, am oberen Euphrat.

    [96] Grimm 2008, 43-46 Abb. 24.

    [97] Burr Thompson 1959, 79; Wamser-Krasznai 2017, 80 Bild 8.

  • Liebe Frau S.,

    Sie haben mir das Buch von Alberto Dines „Tod im Paradies“ ausgeliehen, seine Biografie über Stefan Zweig, die mich wie kaum ein anderes Buch in den letzten Jahren beeindruckt hat. Für dieses Geschenk des Lesen-Dürfens möchte ich mich herzlich bedanken.

    Wenn ich mit jeder brillant formulierten Zeile neu spüre, mit welch einem enormen Fleiß und perfektionistischer Hingabe der brasilianische Autor sich des wechselvollen Lebens seines Protagonisten angenommen hat, ergreift mich großer Respekt vor der schriftstellerischen und wissenschaftlichen Leistung und dem enormen Einfühlungsvermögen von Alberto Dines in die Seelenstruktur und Psychodynamik Zweigs.

    Dines ist ein empathischer Psychologe (Zweig war darin sein Vorbild!), der mit verblüffender Schärfe und umfassender Klarsicht versteht und formuliert, was Zweig zu seinem unsteten Lebensmuster getrieben hat. Ja, Zweig war ein Getriebener, gehetzt von seinem schriftstellerischen Drang, gepeinigt von den Kriegen, denen er versuchte, bis nach Brasilien auszuweichen. Er, der immer Ruhe und Abgeschiedenheit suchte, lebte überwiegend aus dem Koffer, reiste von Hotel und Hotel, von Land zu Land, von Gespräch zu Gespräch. Dazu wurde er unterstützt von einer finanziellen Basis aus dem Elternhaus und den reichen Einkünften seiner erfolgreichen Bücher. Doch alles hat seine zwei Seiten: Der Erfolg produziert immer den Neid, die Intrige, die Eifersucht, die Missgunst. Wer den Glanz des Erfolgs anstrebt und erlebt, muss lernen, mit dieser hässlichen Kehrseite umzugehen.

    Die Nationalsozialisten mussten Zweigs Werk und ihn als Menschen bekämpfen, weil er Jude war. Die intriganten politischen und literarischen Speichellecker in Brasilien schmeichelten Zweig und missbrauchten ihn teilweise als ihr Instrument: Er ließ sich mit einem brasilianischen Einreisevisum kaufen und schrieb in seiner Begeisterung ein Buch über dieses wunderbare Brasilien, das ihm in den Zeitungen übel um die Ohren geschlagen wurde. Er, dem Freiheit immer höchstes Gut war, konnte noch nicht wahrhaben, dass er ein Land der Diktatur lobte und als Brasilien. Land der Zukunft pries. Zu sehr hatten die Flucht aus dem zerstörten Europa und die Hoffnung auf einen Neuanfang seinen Blick getrübt.

    In allen Biografien, die ich bis jetzt über Zweig gelesen hatte, war mir nie klar geworden, was Zweig letztlich in den Tod getrieben hat. Seine „schwarze Leber“ hat er immer wieder erwähnt, seine Depression. Jetzt nach der detailliert recherchierten Lebensgeschichte sehe ich besser, wie sehr und wodurch sich dieser große Mann in zunehmendem Maße über Jahre hinweg eingeengt, bedroht, verzweifelt sah.

    Aber auch bei lebenslang rezidivierenden depressiven Phasen braucht es einen Funken, um die immer wieder verdrängte Aggression zur Explosion zu zünden. Es ist ein letzter Tropfen nötig, der das Fass voll Wehmut, Verzweiflung, Erniedrigung, Kränkung zum Überlaufen bringt. Welche verheerenden Konsequenzen können immer wiederkehrende Ent-Täuschungen hervorrufen, wenn die Täuschungen also weggenommen werden, denen er aufgesessen ist! Wie bitter ist es, in der Ent-Täuschung immer eine Ent-Tarnung zu sehen, die den klaren Blick auf die Wirklichkeit erzwingt – auf das, was wirklich wirkt.

    Auch bei solch einem psychologisch bestens geschulten und höchst sensiblen Menschen wie Zweig ist ein letzter Würgegriff des Schicksals not-wendig, der die lebenslange Not wendet und den Ent-Schiedenen zur letzten Tat schreiten lässt, zur Scheidung von dieser Welt. Die antrainierte Disziplin, die niederdrückende Wucht der Gefühle pressen dem Verzweifelten die letzte Kraft ab, den Be-Schluss zum Schluss des Lebens detailliert zu planen und konsequent umzusetzen.

    Mit den Fakten, die Dines in über zwanzig Jahren akribischer Forschung zusammengetragen hat, stellt sich die Frage: Wurde hier ein manisch-depressiver Patient in einer Tiefphase der Depression in die Enge getrieben, von der Aussichtslosigkeit der Flucht überwältigt und von der Macht der Krankheit gezwungen, sich umzubringen? Er hat es selbst vorausahnend geschrieben: Er würde „am Krieg sterben“, vor dem er ein Leben lang floh.

    Oder war es so, dass Zweig trotz der Depression „aus freiem Willen und mit klaren Sinnen“ einen Bilanzsuizid vornahm und die Ehefrau davon überzeugte, mit ihm zu gehen. Suizidanten wollen eigentlich leben, aber eben nicht unter den Umständen, in denen sie sich gezwungen sehen zu leben. Es ist bewundernswert, mit welchem Feingefühl Dines die vielschichtigen Konflikte und inneren Widersprüche aufzeigt, an denen Zweig litt, und mit welchem Respekt er die vielen Beweggründe gegeneinander abwägt. Auch wenn wir letztendlich keine abschließende Antwort haben, fasst das Buch eine bedrückende, bereichernde Fülle an Informationen zusammen.

    Dines lässt das Buch nicht mit Zweigs Tod enden, sondern schildert die verpatzte Aufklärung dieses Todes und die Intrigen um seinen Nachruf, seine Beerdigung und die weltweite Erschütterung, die sein Tod auslöste. Wir können verfolgen, wie es den Menschen (zum Teil bis 2002!) weiter erging, die Zweig begleitet hatten. Dines kümmert sich um alle, führt ihre Geschichten so sorgfältig zu Ende, wie er uns im ganzen Buch durch liebevolle Einzelheiten Einblick gibt in Schwächen und Stärken der Menschen. Diesen Nachspann habe ich geradezu als wohltuend empfunden.

    Zweig hat seine Beweggründe zum Suizid unmissverständlich in seiner Declaraçao beschrieben, und sie sind weit entfernt von niedrigen Motiven und krimineller Energie: „Ich halte es für besser, rechtzeitig und in aufrechter Haltung ein Leben abzuschließen, dem geistige Arbeit immer die lauterste Freude und persönliche Freiheit das höchste Gut dieser Erde gewesen ist. Ich grüße alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus.“

    Wenn wir den Freud´schen Begriff des Schattens ins Spiel bringen, können wir darüber nachdenken, wem die Tötung als Mord gegolten hat, also wen die zerstörerische Energie tatsächlich hätte töten sollen, nachdem Zweig ein Leben lang pazifistisch überzeugt seine Aggressionen nie „mit Biss“ nach außen leben konnte. So mussten seine angestauten Aggressionen zu Autoaggressionen werden. Weil er den Angriff nicht gegen die eigentlichen Verursacher der Aggressionen richten konnte, wendete der so lange ver-zweifelte Zweig den letzten Angriff ent-zweifelt gegen sich selbst. Er hegte keine Zweifel mehr und fühlte sich plötzlich ruhig über den Entschluss! Und er hatte dabei die Hoffnung auf die Morgenröte!

    Mit wie viel Würde, Entschlossenheit, Konsequenz und Mut hat er den Suizid geplant und vollzogen! Er hat sein Leben bis ins kleinste Detail aufgeräumt, alle wichtigen Menschen mit geradezu liebevollen Briefen bedacht, um dann, wie er schrieb, sein Leben „abzuschließen“.

    Stefan Zweig wusste: Wir ändern erst etwas, wenn der Leidensdruck größer ist als die Angst vor der Veränderung. Wie groß muss der Druck auf ihn gewesen sein und wie vergleichbar klein seine Angst vor dieser allerletzten aktiven Veränderung seines Lebens, nämlich es mit Würde und klarem Willen zu beenden!

    Uns bleibt nach der Lektüre dieses Buchs wie bei jedem Suizid die Frage: Hätte dieser Mensch seine enorme Energie und Entschlossenheit, die ihn zum Suizid fähig machte, nicht besser dazu verwenden können, weiterzuleben und eine andere Lösung aus der Krise zu finden? Ich glaube, es steht uns nicht zu, hier zu urteilen, schon gar nicht, zu verurteilen.

    Ich danke Ihnen herzlich, dass Sie mit dem Buch meinen inneren Kulturschatz bereichert haben.

    Copyright Dr. Dietrich Weller

    Diesen Brief habe ich beim BDSÄ-Kongress 2010 in Schwerin in der Lesung über „literarische Briefe“ vorgetragen und im Almanach deutschsprachiger Schriftstellerärzte 2012 veröffentlicht.

    PS: Interessierte mögen noch den Beitrag lesen André Simon: Meaningful coincidences -Bedeutungsvolle Zufälle, der auch in dieser Homepage veröffentlicht ist und den ich auf Wunsch von André Simon übersetzt habe. Hier beschreibt André Simon seine persönliche Verbindung zu dem österreichischen Schriftsteller Robert Neumann, der ein Wegbegleiter von Stefan Zweig war.

  •  The meaningful coincidence is a mechanism by which the unconscious material is brought to the attention of the conscious mind. The goal is to provide powerful insight, direction and guidance.

    The explaining of connectiveness (coincidences) in the world is described in the oldest sacred texts Vedas (1700-1100 BC), also known as Indra’s pearls.

     “Far away in the heavenly abode of the great god Indra, there is a wonderful net which has been hung by some cunning artificer in such a manner that it stretches out infinitely in all directions. In accordance with the extravagant tastes of deities, the artificer has hung a single glittering pearl in each „eye“ of the net, and since the net itself is infinite in dimension, the pearls are infinite in number. There hang the pearls, glittering „like“ stars in the first magnitude, a wonderful sight to behold. If we now arbitrarily select one of these pearls for inspection and look closely at it, we will discover that in its polished surface there are reflected all the other pearls in the net, infinite in number. Not only that, but each of the pearls reflected in this one pearl is also reflecting all the other pearls, so that there is an infinite reflecting process occurring.”

    The following text is an unassuming narration on connectiveness of the pearl of the World literature: Stefan Zweig and his friend the writer Robert Neumann. However, their destinies are connected with the other “pearls “, the known exile writers and poets, who have shaped the World literature during the 20th century.

    Sigmund Freud wrote in this very context ”We do not choose each other by chance. We only meet those who already exist in our subconscious.”

    My internship I have started in the district hospital in my hometown Locarno at September the 1st,1971. From the Year 1974 on, I was assistant in the private department of internal medicine guided by Professor Alberto Pedrazzini (1917-2014), who was in the 40s of the last century, the assistant in the private department to Professor Wilhelm Löffler (1887-1972). Professor Wilhelm Löffler was the first to describe the clinical picture of volatile lung infiltrates known in the medical science as Löffler syndrome. In the 1955, Professor Wilhelm Löffler treated Thomas Mann who suffered on thrombophlebitis.

    The patients from Professor Alberto Pedrazzini, in the 50s and 60s of the last century, were possibly the writers and artists who lived in Tessin­: Max Frisch, Hermann Hesse, Erich Maria Remarque, Erich Fromm and others. (Because of the doctor-patient secret, it is impossible for me to find out more precisely).

     However, what I know exactly is: In the month of May 1974, in the private department directed by Professor Alberto Pedrazzini, was hospitalized the writer and parodist Robert Neumann.

     I remember very well a 77-years-old tall man (more than 185 cm height) with athletic posture, accompanied with a young attractive wife and about 18-years-old son Michael. Robert Neumann was very reserved and taciturn, perhaps shaken by his fate, and undesirable life‘ circumstances.  From his biography written by Hans Wagener is known, that he was born in Vienna at 22nd May 1897, and his father was a managing director of an investment Bank in Vienna. Robert Neumann raised in the home of a wealthy family with two sisters, Viola and Gertrude. However, he passed the whole life in hired flats as expatriate, and used to say ”once expatriate, always expatriate”.  He started to study medicine (Lecturer was also Sigmund Freud), but broke off.

    After my visitations, Robert Neumann used to play chess with me, and wrote a short dedication in his book „Karrieren“: „Für Dr. André Simon von seinem Patienten und Schachpartner mit herzlichem Gruß und Dank.” The game of chess is played in silence, so there was not at all a great conversation between us. Erroneously, I supposed that Neumann emigrated direct from Vienna to Tessin. Myself, being a discreet person, I did not like to remember him his painful past, and I didn’t ask further.

     Only forty-five years later, from his biographer Hans Wagener I could read, that Robert Neumann published many books (best known are “Children of Vienna” and “By the waters of Babylon“ and parodies). He started to write poems after the WW1. It is interesting the answer of Hermann Hesse to the young poet Neumann, after his reminder in 1921: „Ihr Manuskript lag mit anderen seit Monaten da. Ich hoffe trotz Krankheit u. Arbeit doch einmal dafür frei zu sein. Einige Gedichte las Ich noch mit Teilnahme, doch ohne zwingenden Eindruck. Ich schreibe im kalten Zimmer mit schmerzenden Augen. Grüsse Sie obwohl ich Ihnen nicht helfen kann.“

    During his permanence in England from1934-1958 as unique German speaking writer, he published even seven books in English. (I received this fact, almost forty years later, otherwise I could have spoken English with him !!).

    By abandoning his native tongue, he wanted to protest against the deeds done by others who used his native language. Furthermore, in the exile he hoped to escape the curse of otherness, to throw bridges over the abyss of loneliness. His “English”, the not native English people hold as English, but in England was seen as language some people suppose as coming from extern Hybrids, in USA as American language …. He lived in an old house in Cranbrook (Kent) where Daniel Defoe wrote. “Robinson Crusoe “.

    Since he was a writer from Vienna, I asked him about Stefan Zweig’s suicide …

    Robert Neumann, as I can remember, replied that Stefan Zweig was a defeated European who was ahead of his time. He suffered of a profound depression. Unfortunately, he left the arena, and did not wait for the „dawn“, because he was „too impatient“. If he had persevered and waited for the end of the war, he would soon have all the uncertainty, and all the opposites of that „dawn“. But exactly in the continuation of the war, despite the fact that the cannons were silenced; it was important to build a site of lasting reconciliation in the family of nations. This could only be achieved through trust and better mutual knowledge and understanding, of the graceful humanist, my friend Stefan Zweig.

    After almost 38 years, I supposed that the answer was based on the last letter, written only two days before the tragedy, by Stefan Zweig to Robert Neumann. Further, is his answer built on the last farewell script „declaraçao» by Stefan Zweig. The letter and my comment follow later in this text.

    Biographer Hans Wegener explains the begin of the relationship between Zweig and Neumann like that:

    «Zweig spielte im Leben der Familie Neumann immer wieder eine gewisse Rolle. In den jungen Jahren ihrer Schönheit und Anmut war er ein Freund von Neumanns Schwester Viola gewesen, und Neumann. hatte ihn bewundert und beneidet. Über Neumanns erster Roman «Sintflut» in 1929 hat Zweig ein begeisterter Aufsatz darüber für die Wiener «Neue Freie Presse» geschrieben. Zu engeren persönlichen Beziehung zwischen Neumann und Zweig kam, als sie die beide nach London in Exil gingen. Neumann konnte in Zweig vornehmer Londoner Wohnung in Hallam Street logieren.

    The coincidences shape the fates.

     Allegedly, in March of 1934 two writers (Robert and Stefan) took together the same train, and in the same train -compartment, travelled from Salzburg in exile.

    Über Exil schrieb Robert Neumann was erinnert an Thomas Manns Beschreibung des Verlaufs von Typhus bei Hanno in “ Buddenbrooks“:  Das Exil war eine Zeit des Leidens, der Einsamkeit, der Gefangenschaft, der Bomben, der Not und des Todes.»

               In 1938, Robert Neumann founded the Austrian PEN Club in exile with Franz Werfel, the writer of the book “The forty days of Musa Dagh”.  This book published in 1933, described Armenian genocide as foresight of Holocaust during the WW2. Franz Werfel was born in Prague in 1890 in this time K. u K. monarchy. He married the widow of Gustav Mahler and was the friend of Franz Kafka. Because of the racial laws, he emigrated to USA where he died in 1945.

     For the president of Pen Club Robert Neumann proposed Heinrich Böll instead of Günter Grass. Other authors connected with Pen Club were Elias Canetti, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann, Arnold Zweig, Felix Salten but also H.G. Wells and George Orwell, James Joyce.

    At the 23rd of September 1939 Robert Neumann attended in London the funeral of Sigmund Freud, where Stefan Zweig gave a necrology.

    Robert Neumann’ biographer Hans Wagener explains that, Robert Neumann already tried hard to persuade Stefan Zweig not to emigrate to Brazil.

    Zwei Tage vor Zweigs Tod am 21. Februar 1942 hatte Robert Neumann ein Brief erhalten:

    „Mein lieber Freund, wie hasse ich mein Alter und den sinnwidrig tückischen Umstand, dass ich in keiner zweiten Sprache zu schreiben vermag und daher nutzlos bin! Und dass ich unseligerweise nicht imstande bin «to beware of pity» das Erbarmen in mir abzutöten. („Beware of Pity“ ist Zweigs Roman „Ungeduld des Herzens“). Wie im ersten Weltkrieg überwältigt mich das Elend von Millionen Unschuldiger. Nicht schmerzt mich mehr, als dass man jahrelang machtlos gegen die Dummheit der Politiker war und nun hilflos deren Folgen gegenübersteht. Lieber Freund, wir wollen uns nichts vormachen. Die Nachkriegswelt wird der früheren kaum mehr gleichen, und ich habe Gefühl, dass ich aufbewahren muss, was in Wirklichkeit nicht mehr besteht-dass ich nicht mehr weiter sein als ein Zeuge, das Beste das ich tun kann-ich weiss es-ist mir selbst treu zu bleiben, sogar auf die Gefahr hin, als ein seltsames Überbleibsel einer anderen Zeit angesehen zu werden.  Auch habe ich erkannt, dass mir das Talent zu Propaganda oder irgendeiner Art öffentlicher Zurschaustellung fehlt.  Ich bin nicht vermessen genug, meine persönliche Überzeugung auf den Rang gültiger Gewissheit erheben zu wollen. So kann ich nichts anderes tun, als recht ruhig und bescheiden in diesem Dörfchen zu leben -und zu warten. Dabei will ich es belassen. Adieu, Stefan Zweig.”

    Was it an announcement or prediction?

    Does the word “Adieu” implicate farewell or leave-taking for ever?

    The next day, on the 22nd of February 1942 Neumann answered to Zweig’s letter. The letter should convince Stefan Zweig to return in England.

    Ich bin sicher, dass Sie nicht gut daran tun, in solcher Isolation zu leben. Sie sind viel zu jung dazu, viel zu sehr auf den Umgang mit Menschen und Dingen eingestellt.         Sie gehören, wenn nicht in eine grosse Stadt, so in der Nähe einer grossen Stadt, in der Ihre Freunde, Ihre Feinde, Ihre Verleger wohnen. Man darf, glaube ich, dem Leben nicht so weit davonzufahren versuchen. Man zahlt dafür zu teuer. Man verliert den „sense of proportion“ . Gehen Sie zurück nach England oder U.S.A.-Sie werden merken, wie sehr Sie dazugehören.“

    Unfortunately, the letter unopened, returned with the remark “deconhencido“(unknown) to Robert. It’s because Zweig committed suicide at February 23rd 1942. An irony of fate is, that a cosmopolitan and internationally appreciated person like Stefan Zweig became an unknown person. 

    Robert Neumann moved in 1958 to Locarno. He defined Tessin as gilded cul-de-sac of Europe and gilded retirement home. In Locarno’ neighborhood in Ronco s/Ascona lived from 1931 on, Erich M. Remarque (married to Paulette Godard – the first wife of Chaplin, known as Hannah from the film “Modern times”).                                    

    The Neumann’s biographer Hans Wagener explains the begin of relationship between Remarque and Neumann.

    „Neumann lernte angeblich noch 1927 auf der Redaktion von «Sport im Bild» dort arbeitenden Sportjournalisten Erich Maria Remarque kennen, der spontan Parodien von Neumann zitterte und ihm erzählte, er habe ein Romanmanuskript bei Ullstein liegen, dass dort wohl abgelehnt werden würde. Ob er von Neumann eine Empfehlung an dessen Verleger Engelhorn haben könnte. Engelhorn antwortete er könne ihm nach Rückgabe von Ullstein das Manuskript schicken. Nach diesem Stand der Sache hat Ullstein doch das Welterfolg „Im Westen nichts Neues “ doch publiziert“.

    Robert Neumann visited E.M. Remarque and was impressed with the hugeness, and with the expensive objects of art that decorated the house. In his parody “Remarc triomphe” (free translated as: note or observe triumph as allegory to “Arc de triomphe “).  

    Robert Neumann described Erich M. Remarque: ”Lives like a nabob, but a good person. I like his insight and the ability to forget, which is the secret of eternal youth. We grow old by remembrance.“

    Similarly wrote Dr. Albert Schweitzer, that the happiness is secret to longer life, or as he put it: “Happiness is nothing more than good health and a bad memory”.

    Perhaps, Dr. Albert Schweitzer thought not to ruminate old events as this produce misfolded tau protein in the brain and this causes Alzheimer’s disease.  I suppose that, he assumed to forget the trifles.

    Epilogue: Seven months after my encounter at the 3rd of January 1975, despite that Robert Neumann was successfully treated of cancer of amygdale and healed in Munich hospital, he had chosen to commit suicide.

    Coherent coincidences   are: / two Austrian writers on the run / two suicides/

    For me, the meaningful coincidence is: The chess game, the last novella that Stefan Zweig wrote between 1938 and 1941 in Brazilian exile, and my chess games with Robert Neumann.

    Translator´s remarks:

    It is also meaningful or even legally important zu resolve whether two allegedly coincidental events have a causal oder only a temporary connection. We men are inclined to bring an important event automatically into a causal connection with the last important event although sometimes there is only a temporary connection. The question is: Is A the cause for B oder did they happen merely and nearly at the same time?

    There is a memorable pun: Coincidences coincide when they are due to coincide. –

    Übersetzung von Dietrich Weller
    Die bedeutungsvollen Zu(sammen)fälle

    Der bedeutungsvolle Zufall ist ein Mechanismus, durch den unbewusstes Material dem bewussten Denken zur Aufmerksamkeit gebracht wird. Das Ziel besteht darin, kraftvolle Einsicht, Richtung und Führung zu erreichen.

    Die Erklärung der Verbundenheit, der Zufälle in der Welt wird in den ältesten heiligen Texten, den Veden (1700-1100 vor Christus) beschrieben, die auch als Indras Perlen bekannt sind.

    Weit entfernt im himmlischen Sitz der großen Göttin Indra gibt es ein wunderbares Netz, das von einem listigen Handwerker so aufgehängt worden ist, dass es sich in alle Richtungen unendlich ausstreckt. In Übereinstimmung mit den ausgefallenen Geschmacksrichtungen der Götter hat der Handwerkskünstler eine einzige glitzernde Perle in jedes Auge des Netzes gehängt, und da das Netz selbst eine unendliche Größe hat, sind es unendlich viele Perlen. Dort hängen die Perlen, glitzernd wie Sterne der größten Helligkeit, ein wundervoller Anblick. Wenn wir jetzt genauestens eine der Perlen zur Betrachtung auswählen und genau anschauen, werden wir entdecken, dass auf seiner polierten Oberfläche alle anderen Perlen im Netz gespiegelt werden – unendlich an Zahl. Und nicht nur das, sondern jede der Perlen, die in dieser Perle reflektiert wird, spiegelt ebenso alle anderen Perlen wider, sodass hier ein unendlicher Vorgang der Reflexion entsteht.

    Der folgende Text ist ein bescheidener Bericht über die Verbundenheit der Perle der Weltliteratur. Stefan Zweig und sein Freund, der Schriftsteller Robert Neumann. Ihre Schicksale jedoch sind verbunden mit den anderen Perlen, den bekannte Exilschriftstellern und Dichtern, die die Weltliteratur während des 20. Jahrhunderts geprägt haben. Sigmund Freud schrieb in genau diesem Zusammenhang: „Wir wählen einander nicht zufällig. Wir treffen nur jene, die in unserem Unterbewusstsein schon existieren.“

    Meine Assistenzarztzeit habe ich im Kreiskrankenhaus meiner Heimatstadt Locarno am 1. September 1971 begonnen. Ab 1974 war ich Assistent in der Privatstation für Innere Medizin, die von Professor Alberto Pedrazzi (1917-2014) geleitet wurde, der in den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts Assistent in der Privatstation von Professor Wilhelm Löffler (1887-1972) gewesen war. Professor Löffler war der Erstbeschreiber des klinischen Bildes der flüchtigen Lungeninfiltrate, das als Löffler-Syndrom in der medizinischen Wissenschaft bekannt ist. 1955 behandelte Wilhelm Löffler Thomas Mann, der an einer Thrombophlebitis litt. Die Patienten von Professor Pedrazzi in den 50er- und 60er-Jahren des letzte Jahrhunderts waren möglichweise die Schriftseller und Künstler, die im Tessin lebten – Max Frisch, Hermann Hesse, Erich Maria Remarque, Erich Fromm und andere. Wegen des Arztgeheimnisses ist es unmöglich für mich, das genauer herauszufinden.

    Aber was ich genau weiß, ist: Im Mai 1974 wurde in der Privatstation von Professor Pedrazzi der Schriftsteller und Parodist Robert Neumann aufgenommen.

    Ich erinnere mich sehr genau an einen 77 Jahre alten großen Mann (mehr als 185 cm) mit athletischer Statur, der von einer jungen attraktiven Frau und dem etwa 18 Jahre alten Sohn Michael begleitet wurde. Robert Neumann war sehr zurückhaltend, verschwiegen, vielleicht erschüttert von seinem Schicksal, seinen belastenden Lebensumständen. Aus seiner von Hans Wagener geschriebenen Biografie ist bekannt, dass Neumann in Wien am 22. Mai 1897 geboren wurde, und sein Vater war Geschäftsführer einer Investmentbank in Wien. Robert Neumann wuchs im Haus einer reichen Familie mit zwei Schwestern auf, Viola und Gertrude. Aber er verbrachte das ganze Leben in gemieteten Wohnungen als Auswanderer und sagte üblicherweise „einmal Auswanderer, immer Auswanderer“. Er begann, Medizin zu studieren, hörte auch Vorlesungen bei Sigmund Freud, brach aber das Studium ab.

    Nach meinen Visiten spielte Robert Neumann meist Schach mit mir und schrieb eine kurze Widmung in sein Buch „Karrieren“: „Für Dr. André Simon von seinem Patienten und Schachpartner mit herzlichem Gruß und Dank.“ Das Schachspiel wird in der Stille gespielt, deshalb gab es überhaupt keine große Unterhaltung zwischen uns. Ich habe irrtümlich angenommen, Neumann sei direkt von Wien ins Tessin ausgewandert. Da ich eine diskrete Person bin, wollte ich ihn nicht an seine schmerzvolle Vergangenheit erinnern und fragte deshalb nicht weiter.

    Erst 45 Jahre später konnte ich von seinem Biografen Hans Wagener lesen, dass Robert Neumann viele Bücher veröffentlicht hatte. Am besten sind „Kinder aus Wien“ und „An den Wassern von Babylon“ bekannt. Nach dem 1. Weltkrieg begann er, Gedichte zu schreiben. Seine Antwort von Hermann Hesse in seinem Notizbuch von 1921 an den jungen Dichter Neumann ist interessant: „Ihr Manuskript lag mit anderen seit Monaten da. Ich hoffe trotz Krankheit und Arbeit doch einmal dafür frei zu sein. Einige Gedichte las ich noch mit Teilnahme, doch ohne zwingenden Eindruck. Ich schreibe im kalten Zimmer mit schmerzenden Augen. Grüße Sie obwohl ich Ihnen nicht helfen kann.“

    Während seines Aufenthaltes in England von 1934 -1958 veröffentlichte er als deutschsprachiger Schriftsteller sogar sieben Bücher in Englisch. Diese Tatsache erfuhr ich erst vierzig Jahre später, sonst hätte ich Englisch mit ihm sprechen können.

    Indem er seine Muttersprache verließ, wollte er gegen die Taten protestieren, die von jenen begangen wurden, die seine Sprache benützten. Außerdem hoffte er, im Exil dem Fluch des Andersseins zu entgehen, Brücken zu schlagen über die Abgründe der Einsamkeit.

    Sein Englisch, das die nicht als Engländer Geborenen für Englisch halten, wurde aber in England für eine Sprache gehalten, die vielleicht von Mischlingen in USA als Amerikanisch verstanden wird.

    Er wohnte in einem alten Haus in Cranbrook (Kent), wo Daniel Defoe „Robinson Crusoe“ schrieb.

    Da er Schriftsteller aus Wien war, fragte ich ihn über Stefan Zweigs Suizid. Soweit ich mich erinnern kann, antwortete Robert Neumann, dass Stefan Zweig ein geschlagener Europäer war, der seiner Zeit voraus war. Er litt an einer tiefen Depression. Unglücklicherweise verließ er die Arena und wartete nicht auf die „Morgenröte“, weil er „zu ungeduldig“ war. Wenn er durchgehalten und auf das Ende des Kriegs gewartet hätte, hätte er bald alle Ungewissheit und alle Gegensätze der „Morgenröte“ erlebt. Aber genau in der Fortsetzung des Kriegs und trotz der Tatsache, dass die Kanonen zum Schweigen gebracht wurden, war es wichtig, einen Platz der andauernden Aussöhnung in der Familie der Nationen aufzubauen. Das konnte nur durch Vertrauen und besseres wechselseitiges Kennen und Verstehen von dem eleganten Humanisten, meinem Freund Stefan Zweig, erreicht werden.

    Nach etwa 38 Jahren vermutete ich, war die Grundlage für die Antwort der letzte Brief, den Stefan Zweig an Robert Neumann nur zwei Tage vor der Katastrophe geschrieben hatte. Außerdem ist seine Antwort aufgebaut auf seinem letzten Schriftstück „declaraçao“ von Stefan Zweig. Der Brief und mein Kommentar folgen später in diesem Text.

    Der Biograf Hans Wagener erklärt den Beginn der Beziehung zwischen Zweig und Neumann so:

    Zweig spielte im Leben der Familie Neumann immer wieder eine gewisse Rolle. In den jungen Jahren ihrer Schönheit und Anmut war er ein Freund von Neumanns Schwester Viola gewesen, und Neumann hatte ihn bewundert und beneidet. Über Neumanns ersten Roman „Sintflut“ in 1929 hat Zweig einen begeisterten Aufsatz für die Wiener „Neue Freie Presse“ geschrieben. Zu engeren persönlichen Beziehungen zwischen Neumann und Zweig kam es, als sie beide nach London ins Exil gingen. Neumann konnte in Zweigs vornehmer Londoner Wohnung in Hallam Street logieren.“

    Die Zufälle formen das Schicksal.

    Angeblich nahmen im März 1934 zwei Schriftsteller (Robert und Stefan) denselben Zug und ihm selben Abteil reisten sie von Salzburg ins Exil.

    „Über das Exil schrieb Robert Neumann, was an Thomas Manns Beschreibung des Verlaufs von Typhus bei Hanno in „Buddenbrooks“ erinnert: Das Exil war eine Zeit des Leidens, der Einsamkeit, der Gefangenschaft, der Bomben, der Not und des Todes.“

    1938 gründete Robert Neumann den österreichischen PEN-Club im Exil mit Franz Werfel zusammen, dem Autor des Buchs „Die 40 Tage des Musa Dagh“. Dieses Buch, veröffentlicht 1933, beschreibt den armenischen Völkermord als Voraussehung des Holocaust während des 2. Weltkriegs. Franz Werfel wurde 1890  in Prag in der Zeit der k.u.k.-Monarchie geboren. Er heiratete die Witwe von Gustav Mahler und war ein Freund von Franz Kafka. Wegen der Rassengesetze wanderte er in die USA aus, wo er 1945 starb. Als Präsident des PEN-Clubs schlug Robert Neumann Heinrich Böll vor statt Günter Grass. Andere mit dem PEN-Club verbundene Autoren waren Elias Canetti, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann, Arnold Zweig, Felix Salten, aber auch H.G. Wells, George Orwell und James Joyce.

    Am 23. September 1939 nahm Robert Neumann in London an dem Begräbnis von Sigmund Freud teil, wo Stefan Zweig eine Totenrede hielt.

    Robert Neumanns Biograf Hans Wagener erklärt, dass Robert Neumann schon intensiv versucht hatte, Stefan Zweig zu überreden, nicht nach Brasilien auszuwandern.

    Zwei Tage vor Zweigs Tod am 21. Februar 1942 hatte Robert Neumann einen Brief erhalten:

    Mein lieber Freund, wie hasse ich mein Alter und den sinnwidrig tückischen Umstand, dass ich in keiner zweiten Sprache zu schreiben vermag und daher nutzlos bin! Und dass ich unseligerweise nicht imstande bin „to beware of pity“ das Erbarmen in mir abzutöten. („Beware of Pity“ ist Zweigs Roman „Ungeduld des Herzens“). Wie im ersten Weltkrieg überwältigt mich das Elend von Millionen Unschuldiger. Nichts schmerzt mich mehr, als dass man jahrelang machtlos gegen die Dummheit der Politiker war und nun hilflos deren Folgen gegenübersteht. Lieber Freund, wir wollen uns nichts vormachen. Die Nachkriegswelt wird der früheren kaum mehr gleichen, und ich habe das Gefühl, dass ich aufbewahren muss, was in Wirklichkeit nicht mehr besteht – dass ich nicht mehr weiter sein kann als ein Zeuge, das Beste, das ich tun kann – ich weiss es- ist mir selbst treu zu bleiben, sogar auf die Gefahr hin, als ein seltsames Überbleibsel einer anderen Zeit angesehen zu werden.  Auch habe ich erkannt, dass mir das Talent zu Propaganda oder irgendeiner Art öffentlicher Zurschaustellung fehlt.  Ich bin nicht vermessen genug, meine persönliche Überzeugung auf den Rang gültiger Gewissheit erheben zu wollen. So kann ich nichts anderes tun, als recht ruhig und bescheiden in diesem Dörfchen zu leben -und zu warten. Dabei will ich es belassen. Adieu, Stefan Zweig.”

    War das eine Ankündigung oder eine Vorhersage?

    Bedeutet das Wort „Adieu“ Lebwohl oder Abschiednehmen für immer?

    Am nächsten Tag, dem 22. Februar 1942, beantwortete Neumann Zweigs Brief. Dieser Brief sollte Zweig überzeugen, nach England zurückzukehren:

    „Ich bin sicher, dass Sie nicht gut daran tun, in solcher Isolation zu leben. Sie sind viel zu jung dazu, viel zu sehr auf den Umgang mit Menschen und Dingen eingestellt. Sie gehören, wenn nicht in eine grosse Stadt, so in der Nähe einer grossen Stadt, in der Ihre Freunde, Ihre Feinde, Ihre Verleger wohnen. Man darf, glaube ich, dem Leben nicht so weit davonzufahren versuchen. Man zahlt dafür zu teuer. Man verliert den „sense of proportion“. Gehen Sie zurück nach England oder U.S.A.-Sie werden merken, wie sehr Sie dazugehören.“

    Unglücklicherweise kam der Brief zu Robert ungeöffnet zurück mit dem Vermerk „deconhencido“ („unbekannt“). Denn Zweig beging am 23. Februar 1942 Suizid. Die Ironie des Schicksals besteht darin, dass eine kosmopolitische und international geschätzte Persönlichkeit wie Stefan Zweig zu einer unbekannten Person wurde.

    Robert Neumann zog 1958 nach Locarno. Er bezeichnete das Tessin als vergoldete Tasche von Europa und vergoldetes Rückzugsheim. In der Nähe von Locarno in Ronco/Ascona lebte ab 1931 Erich Maria Remarque, verheiratet mit Paulette Godard, der ersten Frau von Chaplin, bekannt als Hannah aus dem Film „Moderne Zeiten“.

    Der Neumann-Biograf Hans Wagener  erklärt den Anfang der Beziehung zwischen Remarque und Neumann:

    „Neumann lernte angeblich noch 1927 in der Redaktion von «Sport im Bild» den dort arbeitenden Sportjournalisten Erich Maria Remarque kennen, der spontan Parodien von Neumann zitierte und ihm erzählte, er habe ein Romanmanuskript bei Ullstein liegen, das dort wohl abgelehnt werden würde. Ob er von Neumann eine Empfehlung an dessen Verleger Engelhorn haben könnte. Engelhorn antwortete, Neumann könne ihm nach Rückgabe von Ullstein das Manuskript schicken. Nach diesem Stand der Sache hat Ullstein den Welterfolg „Im Westen nichts Neues“ doch publiziert.“

    Robert Neumann besuchte E. M. Remarque und war beeindruckt von seiner Größe und von den teuren Kunstobjekten, die das Haus schmückten. In seiner Parodie „Remarc triomphe“ (frei übersetzt: Betrachte Triumph als Allegorie für Arc de Triomphe“ – „Triumphbogen“)

    Robert Neumann beschrieb Erich Maria Remarque: „Er lebt wie ein sehr wohlhabender Geschäftsmann, aber als guter Mensch. Ich mag seine Einsichten und die Fähigkeit zu vergessen, was ein Geheimnis des ewigen Lebens darstellt. Durch Erinnern werden wir alt.“

    Ähnlich schrieb Albert Schweitzer, dass Glücklichsein das Geheimnis des längeren Lebens ist oder wie er es sagte: „Glücklich sein ist nichts mehr als gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis.“

    Vielleicht dachte Dr. Albert Schweitzer, man solle nicht alte Ereignisse wiederkäuen, da dies missgebildete Tau-Proteine im Gehirn produziert und das die Alzheimer-Krankheit hervorruft. Ich vermute, dass er die Kleinigkeiten vergaß. (Er kannte ja die Tau-Proteine auch noch nicht.)

    Epilog: Sieben Monate nach meiner Begegnung, obwohl Robert Neumann erfolgreich am Krebs des Mandelkerns (im Gehirn) behandelt und in einem Münchener Krankhaus geheilt worden war, beschloss er, am 3. Januar 1975 Suizid zu begehen.

    Zusammenhängende Zufälle sind: zwei österreichische Autoren auf der Flucht, zwei Suizide. Für mich ist der bedeutungsvolle Zufall: Das Schachspiel, die letzte Novelle, die Stefan Zweig zwischen 1938 und 1941 im brasilianischen Exil schrieb, und mein Schachspiel mit Robert Neumann.

    Bemerkung des Übersetzers:

    Es ist auch bedeutungsvoll und sogar oft juristisch wichtig, zu klären, ob zwei angeblich zufällige (zusammenfallende) Ereignisse einen ursächlichen oder nur einen zeitlichen Zusammenhang haben. Wir Menschen neigen dazu, ein wichtiges Ereignis automatisch mit dem letzten wichtigen Ereignis in ursächlichen Zusammenhang zu bringen, obwohl es nur ein zeitlicher Zusammenhang ist. Die Frage heißt: Ist A die Ursache von B, oder sind A und B nur etwa zum selben Zeitpunkt geschehen?

    PS: Interessierte mögen vielleicht noch den Beitrag Dietrich Weller: Ein literarischer Brief zu Stefan Zweig lesen, der ebenfalls in dieser Homepage veröffentlicht ist und über die Zweig-Biografie von Alberto Dines berichtet.

    Es gibt ein nachdenkenswertes Wortspiel: Zufälle fallen uns zu, wenn sie fällig sind. –

  • Gefangen in Unwägbarkeit
    des eignen Tuns und Sollen,
    begrenzt durch unsre Lebenszeit,
    egal, was wir auch wollen.

    Gefangen in dem Glauben,
    die Welt sei gut und schön,
    verschließen wir die Augen,
    um nicht das Leid zu sehn.

    Gefangen in der Existenz
    Im Rahmen des Vermögens,
    erschließt ein Sinn  in Kontingenz
    vergebens sich, vergebens.