Schlagwort: Archäologie

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                  Abb. 1:
    Doppelidol Rhodos, 7. Jh. v. Chr.,
    Nach Hadzisteliou Price 1971, 61 Taf. VII, 17

        Während eine Reihe weiblicher Gottheiten und halbgöttlicher Wesen multipel auftritt, wie Eileithyien, Horen, Chariten, Musen[1] u. a., geben Doppelidole die Einheit zweier Göttinnen bzw. die  Doppelnatur der Einen wieder[2] (Abb. 1). Die von E. Simon vorgeschlagene Bezeichnung „Dualprotome“[3] bezieht sich auf eine verlorene indogermanische Sprachform, den Dual, der sich noch in  Weihinschriften nachweisen lässt: τὼ θεώ, im Dativ „toin theoín“= den beiden Göttinnen (Demeter und Kore/Persephone[4]). Der andere Wort-Teil, „Protome“, ist für Halbfiguren und Statuetten, denen zur Vollständigkeit nur die Beine fehlen, keine sehr glückliche Bezeichnung, sodass wir lieber bei „Doppelidol“ bleiben.       

        Zwei identische weibliche Sitzfiguren[5] (Abb. 2)werdenmeistals Demeter und Kore gedeutet; doch es gibt auch andere Stimmen: „Die Annahme, es seien Demeter und Persephone dargestellt, kann ausgeschlossen werden; der korinthische Künstler hätte sicher den Altersunterschied zwischen Mutter und Tochter sinnfällig zum Ausdruck gebracht“[6]. Dieser Meinung können wir uns für das 7. Jh. v. Chr., den Entstehungszeitraum der Statuetten, nicht anschließen[7]. Aus Mangel an kennzeichnenden Attributen wären die beiden wohl namenlos geblieben, säßen sie nicht auf dem Fragment eines Karrens, den  Simon als „Bauernwagen“ beschrieb und daher nicht an der engen Beziehung zu den „Saatgöttinnen“ zweifelte[8].

                           

       Abb. 2:
    Sitzende Göttinnen, Brit. Mus. London
                  Nach: Hadzisteliou Price 1971, 62 Taf. 8, 20

        Demeter und Kore: Der Beiname „BifurcationderGe“[9] verbindet Demeter etymologisch mit den Silben und „Lallnamen“[10] für Erde, Γη oder Γα bzw. Δη oder Δα[11]. Als Tochter der Titanen Kronos und Rhea ist sie eine Schwester der großen Gottheiten Zeus, Hera und Hades[12]. Zahlreiche Inschriften fassen Mutter und Tochter als „die beiden Göttinnen“, τὼ θεώ, „Δημήτερες“ oder Δαμήτερες[13] zusammen, lateinisch Cereres. Sie sehen einander ähnlich, behalten aber stets ihre Individualnamen. Als Einheit gelangen sie um 396 v. Chr. z. B. von Syrakus nach Karthago[14]. Zwei gleichartige weibliche Statuen-Fragmente aus Kalkstein, die im Heiligtum der Demeter und Kore/Persephone in der Kyrenaika gefunden wurden, zeigen, dass sich die gemeinsame Verehrung der Göttinnen im 2. Jh. v. Chr. fortsetzte[15]. Fehlen jedoch die Informationen zum Fundort und sind keine charakteristischen Attribute vorhanden, so ist eine Benennung identischer Göttinnen z. B. als Leto und Artemis[16] nicht gerechtfertigt.      

        Doppel-Kybele:

    Die ikonographisch gleichen Frauengestalten (Abb. 3) halten jeweils in der rechten Hand eine Schale. Während an der Seite der Thronenden links ein Tympanon sichtbar wird, sitzt neben der Figur rechts ein kleiner Löwe. Sowohl das Attribut als auch der tierische Begleiter sind Kybele-spezifisch genug um einer Differenzierung der beiden Göttinnen in die „anatolische Kybele“ und ihr kretisches „Pendant Rhea“ zu widersprechen[17]. Eher könnte sich „in der Verdoppelung der zweifache Machtbereich der prähistorischen Muttergöttin ausdrücken…der sich über Himmel und Erde…auch über Leben und Tod“ erstreckt[18].     

            

    Abb. 3:
    Doppelrelief der Kybele. Bonn, Akademisches Kunstmuseum
    Aufnahme der Verfasserin

        Stilistisch weist der Doppel-Naiskos in die Zeit des frühen Hellenismus[19].     Vergleichbare Reliefs mit einer zweifach thronenden Kybele stammen überwiegend aus Attika, wurden aber auch auf Delos, in Delphi, Korinth und Troizen gefunden[20].

        Doppelte Athena:

              

         Abb. 4:
    Zwei identische Athenen, 1. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr.
    Nach: LIMC II (1984) 972 Nr. 148 Taf. 721

        Das in der Umgebung von Athen aufgefundene attische Relief mit zwei identischen Athena-Figuren nebeneinander (Abb. 4) ist bisher nicht befriedigend gedeutet[21]. Beide tragen den gleichen Helm, einen dünnen Chiton und archaistische Schrägmäntel[22]. Der rechte Arm reicht zu einem langen Speer hinauf; den linken und den oberen Körper-Abschnitt verdeckt ein großer Schild mit dem Gorgoneion als Schildzeichen.                         

        Wie erklärt sich diese Doppelung? Ein Mutter-Tochter-Verhältnis wie bei den eleusinischen Gottheiten scheidet für Athena aus. Es bleiben die verschiedenen Aspekte unter denen man sie verehrt. Hadzisteliou Price weist auf Doppelkulte in zwei nahe bei einander gelegenen Tempeln hin, Athena Polias und Athena Parthenos auf der Akropolis von Athen, Athena Polias und Athena Sthenias (die Starke) in Troizen, oder Athena Alea und Athena Ippia [=hippia] in Tegea[23]. Ferner nennt sie zwei (gleichartige?) Athena-Statuen in Aegion. Sogar die mit der Göttin eng verbundene Eule trete gelegentlich im Doppel oder zweiköpfig auf[24]. All dies hat jedoch dem Verständnis des attischen Reliefs noch nicht näher gebracht[25].           

        Hygieia und Athena Hygieia:

    Nach den meisten literarischen Quellen steht Hygieia im Zusammenhang mit dem Asklepioskult und ist mit einer Zeit nicht vor dem 4. Jahrhundert v. Chr. verbunden. Ursprünge und Verehrung lassen sich jedoch im Kontext der Göttin Athena schon früher nachweisen. So bezeugen Weihinschriften des Töpfers Euphronios auf einer Basis aus pentelischem Marmor in Athen und auf einem rotfigurigen Gefäßfragment bereits einen Kult für Athena Hygieia im späten 6. und frühen 5. Jh. v. Chr. Nach Plutarch gehöre er zu den ältesten Kulten Athens[26] . Auch die Bronze-Statue, die Perikles der Göttin auf der Akropolis von Athen habe errichten lassen, stammte aus dem 5. Jh. v. Chr. Anlass für diese Weihung sei ein Unfall gewesen, der sich bei den Bauarbeiten an den Propyläen (oder am Parthenon?) ereignete. Das Kultbild erhielt seinen Platz bei einem alt-ehrwürdigen Altar der Athena Hygieia[27].

        Gegen 430 v. Chr. genießt Hygieia unter dem Aspekt der Stadtgöttin Athena noch kultische Ehren[28]. Wenig später tritt ihre Verbindung mit Athena  zugunsten derjenigen mit Asklepios zurück[29]. Zur Zeit des Pausanias befinden sich in der Nähe der Propyläen von Götterbildern ein solches der Hygieia, die eine Tochter des Asklepios sein soll, und der Athena, auch diese mit dem Beinamen Hygieia[30].Die Verbindung des Asklepios mit den beiden Göttinnen notiert Pausanias auch in Tegea/Arkadien: Neben der Statue der Athena steht auf der einen Seite Asklepios, auf der anderen Hygieia aus pentelischem Marmor, Werke des Pariers Skopas[31].

        Selbständige Kult-Empfängerin ist Hygieia selten, etwa im Asklepieion von Titane, wo ihre Statue dicht mit dem Haar ihrer Verehrerinnen bedeckt gewesen sei[32]. Im Heiligtum der Athena Pronoia in Delphi ist ihr ein Altar geweiht[33]. Auch der Hygieia-Hymnos des Likymnos von Chios verkündet ihren Ruhm[34].

        Fast als Gleiche unter Gleichen tritt Hygieia auf den Vasenbildern des Meidias-Malers im Umkreis der Aphrodite auf; doch sie setzt sich von den anderen Frauengestalten ab, indem sie Paidia, die personifizierte Bildung, wie eine Kourotrophos auf dem Schoß hält, oder wenn sie als einzige unter den Hesperiden als Thronende mit einem langen Zepter wiedergegeben ist[35].

        Eine faszinierende Lösung für das Dilemma mit den beiden Hygieien ergibt sich aus unterschiedlichen Wirkungsbereichen. Dann könnte sich die alt-ehrwürdige Athena-Hygieia um die Prophylaxe kümmern, während der mit Asklepios verbundenen Hygieia die therapeutische Medizin obliegt![36]

        Fortuna-Fortunae

                  

    Abb. 5:
    Fortuna mit Steuerruder und Füllhorn, röm. Kaiserzeit. 
    Nach: Simon 1990, 59 Abb. 74

        Der Fortuna-Kult ist besonders in Latium und Campanien weit verbreitet. Von den vielen Aspekten der Göttin nennen wir nur die wichtigsten: Fruchtbarkeit und Mütterlichkeit, Gesundheit, politische und militärische Macht, Schutz der Städte und des Herrscherhauses sowie die Gabe der Weissagung[37]. Plinius erwähnt ein sehr „gewissenhaft“ vergoldetes Bild der Orakelgöttin, das im Rundtempel des Terrassenheiligtums von Praeneste gestanden habe[38]. Nach der Legende war der städtische Bürger Numerius Suffustius durch Traumgesichte aufgefordert worden, einen Felsen zu spalten, aus dem hölzerne mit altertümlichen Buchstaben beschriebene Los-Stäbe herausfielen. Ein Ölbaum an der Stelle des späteren Fortuna-Tempels lieferte das Material für die Arca, ein Kästchen zur Aufbewahrung der Lose. Auf Anweisung der Fortuna sollte ein Knabe die Stäbchen mischen und das Los  ziehen[39].

        Lange bevor die Orakelgöttin zur Erforschung des Schicksals angerufen  wurde[40], besaß Fortuna schon einen bis ins 6. Jh. v. Chr. zurückgehenden latinischen Kult. Älteste Zeugnisse finden sich in Rom bei Sant‘ Omobono auf dem Forum Boarium, einem vom legendären König Servius Tullius gegründeten Heiligtum[41], in dem Fortuna und Mater Matuta gemeinsam verehrt wurden. 

        Auch in Praeneste, dem heutigen Palestrina, übte die Göttin ihre mantische Funktion erst später aus[42]. Nach den Inschriften, von denen eine aus dem 8. Jh. v. Chr. stammt, war sie Fortuna primigenia, „Jupiters erstgeborene Tochter“[43]. Auch als „Uranfängliche“, Alt-Ehrwürdige wird der Beiname verstanden[44]. Weitere bedeutende Fortuna-Heiligtümer sind außer in Antium u. a. in Ostia, Teanum. Benevent und Capua lokalisiert.

     Fortunae

    Statuetten mit zwei gleichartigen Frauengestalten, oft mit einem kleinen Kind, belegen in Praeneste, Rom und Antium die Verehrung der Fortuna als Doppelgöttin[45]. Die Terrakotta-Gruppen aus mittelitalischen und etruskischen Stätten wie Praeneste, Rom, Caere/Cerveteri und Veji gelten als Kourotrophoi/Deae nutrices[46]. Publius Papinus Statius bezeichnet sie als Praenestinae sorores[47].   

        Aus augusteischer Zeit stammt die Prägung eines Denars mit den Fortunae von Antium (Abb. 6). Für Prozessionen sind die Büsten auf ein Tragegestell/Ferculum montiert. Während die vordere einen Helm trägt und im „habitus amazonicus“ mit entblößter Schulter und Brust als wehrhaft Schützende dargestellt ist, wirkt die hinter ihr hervorschauende mit einem Diadem geschmückte Göttin matronal[48].

                                        

    Abb. 6:
    Fortunae. Denar 19 v. Chr.
    Aus Antium. Nach Simon 1990, 63 Abb. 81

         Zwei Kultbilder gab es auch im Tempel der Fortuna muliebris, vier Meilen außerhalb von Rom an der Via Latina[49].

        Nicht zuletzt fungieren die Fortunae als Schutzgottheiten von Badeanlagen. In Rom, Antium und Praeneste ist ihre Zweiheit in Schriften und Inschriften belegt:  Fortunae balnearum, Fortunae balnei[50]. Bereits um 190 n. Chr. nutzte man die Heilquellen von Bonn- Bad Godesberg. Der Kommandeur der Bonner Legion, Venidius Rufus, stiftete einen Altar, der außer dem Aesculapius und der „Hygia“ auch den Fortunae salutares geweiht war[51].

        Nemesis

    Zum Vater,lässt Pausanias wissen[52], habe die Nemesis den Okeanos...also das äußerste Meer, an dem die Iberer und Kelten wohnen, und dort ist auch die Insel der Bretannoi. Als Mutter nennt Hesiod[53] die unheilschwangere Nyx, die sie  gebar zum Leid der sterblichen Menschen…

        Nemesis, die von allen Göttern am unerbittlichsten gegen Frevler ist[54], wird von einigen antiken Schriftstellern recht negativ geschildert. Sie ist die Vergeltung in Person, wacht über das rechte Maß und teilt jedem das Gebührende zu (νέμειν). Ungerechtigkeit, Hartherzigkeit, sogar verschmähte Liebe[55] sind ihr ein Gräuel ebenso wie Respektlosigkeit gegenüber Göttern, Menschen und sogar Verstorbenen; daher ahndet sie auch die Schändung von Grabstätten. Nichts aber ist ihr so sehr verhasst wie die Hybris, der Hochmut (lat. Superbia). Herodot berichtet von einem berühmten Beispiel bestrafter Hybris:

        Nach der Abreise des Solon traf den Kroisos furchtbare Vergeltung der  Nemesis, vermutlich weil er geglaubt hatte er sei der glücklichste aller Menschen. Vergeblich hatte Solon ihn zu überzeugen versucht, dass niemand vor seinem Ende glücklich zu preisen sei[56]. Kroisos verlor seinen Sohn, fiel in die Gefangenschaft des persischen Großkönigs Kyros und sollte auf dem Scheiterhaufen sterben. Aus heiterem Himmel ließ Apollon einensintflutartigen Regen hernieder prasseln und das Feuer löschen[57]. Der Vasenmaler Myson hat die Szene auf einer rotfigurigen Amphora eindrucksvoll dargestellt[58].     

        Auch gegen die bei Marathon gelandeten Barbaren scheint sich der Zorn dieser Göttin gerichtet zu haben; sie wähnten nämlich, es sei eine Kleinigkeit für sie, Athen zu erobern, und brachten daher bereits parischen Marmor mit zur Herstellung des Siegesmals, als ob der Sieg bereits errungen sei. Diesen Block verarbeitete Pheidias zu der Statue der Nemesis…[59].

        Vor dem Groll einer so machtvollen Göttin versuchen die Menschen sich durch Übel abwehrende Gebärden zu schützen. Sie erfassen den oberen Saum des Gewandes und heben ihn an, um „sich in den Busen zu spucken“, ein apotropäischer Gestus, den man auf die Ikonographie der Nemesis übertragen hat[60] (Abb. 7). Nach der Haartracht der Gemahlin des Kaisers Antoninus Pius (138-161 n. Chr.) Faustina maior, lässt sich die Statue in die 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. datieren[61]. Weniger überzeugend ist ihre Zuordnung zum „Victoria- oder Niketypus“[62]. Um den Nemesis-Gestus zu vollführen, krümmt  sie ein wenig den Rücken und wirkt dadurch nicht eben sieghaft. Aber mit ihrem rechten Fuß ‚betritt‘ sie eine anthropomorphe Gestalt, in der man die personifizierte Hybris, Ύβριστής, zu erkennen meint [63] oder ein Zeichen für die Überwindung der Feinde Roms[64].  

    In der Aenaeis heißt es:

    Tu regere imperio populos, Romane, memento –
    hae tibi erunt artes – pacisque imponere morem,
    parcere subiectis et debellare superbos[65].   

               Abb. 7:
    Marmor-Statuette der Nemesis aus Ägypten, ca. 150 n. Chr.,
    Malibu, Getty Museum. Aufnahme der Verfasserin

           Ebenso vielfältig wie ihre Attribute sind die Beziehungen der Göttin zu anderen Gottheiten und Personifikationen. Tracht und Gestik, Begleitung und Ambiente wechseln. Nach dem Vorbild der Diana/Artemis trägt Nemesis halbhohe Stiefel (Abb. 7) und eine kurze Tunica[66]. Elle und Zaum/Zügel sind Attribute des rechten Maßes. Wie Tyche/Fortuna (Abb. 5) handhabt auch Nemesis das Steuerruder. Wohlfahrt und Glück[67] verheißt das Füllhorn.

        In ihrer Eigenschaft als Personifikation des rechten Maßes[68] entscheidet sie  im Agon, wacht über Soldaten und Schauspieler, Athleten und Gladiatoren, sowie über das Einhalten der Spielregeln. Nemesis tritt in Waffen auf[69] und schwingt die Peitsche, die man während der Eröffnungsspiele in der Arena oder im Tierkampf einsetzt[70]. Vor dem Eingang des Amphitheaters der Zivilstadt von Aquincum liegt ein Nemeseum, und in vielen Theaterbauten befinden sich Kultnischen/Sacella mit Votivaltären[71].

                  

      Abb. 8:
    Nemesis-Fortuna. Kalkstein. Aquincum. 3. Jh. n. Chr.
    Aufnahme der Verfasserin

        Aus heimischem Kalkstein besteht die Nemesis-Statuette im Statthalterpalast von Aquincum[72]. Die Göttin trägt ein langes Ärmelgewand mit Überschlag. Ein Mantel fällt symmetrisch über die Vorderseite und endet oberhalb der Knie in einem Zipfel. Auf ihrem bewegten Lockenhaar sitzt eine zierliche konische Kappe. In der linken Hand hält sie einen Globus, in der Rechten eine lange Fackel. Links neben ihr sitzt ein Greif, der die Tatze auf ein Rad legt. Das in Ägypten seit vordynastischer Zeit dargestellte Fabeltier wurde im 2. Jh. v. Chr. in Alexandria zum Trabanten der Nemesis, den diese zuweilen stellvertretend mit der Aufgabe der Vergeltung betraut[73]. Himmelskugel und Rad, ein Zeichen des wandelbaren Geschicks, übernimmt die Göttin unter dem Aspekt der Fortuna (Abb. 8).

        Dagegen ist die Fackel anders als bei Demeter, Hekate oder Eros bei Nemesis selten. Eine späthellenistische Terrakotta-Statuette zeigt sie, den linken Fuß auf ein Rad setzend. Hinter ihr liegt eine Frauengestalt bäuchlings auf dem Boden. Im linken Arm hält sie einen länglichen Gegenstand, der als Fackel beschrieben worden ist[74]. Geradlinig, ohne die geringste Schwingung, verjüngt er sich nach unten. Trotzdem lässt der vielgestaltige, überbordende Inhalt an ein Füllhorn denken. Die Fackel im Kontext der Nemesis bezieht sich anscheinend vor allem auf das Arsenal der Arena:

    flammis stimulatus …taurus… heißt es in einem Epigramm des Martial, als man einen Stier im Amphitheater mittels Feuer in Raserei versetzt[75].

        Ihr ältestes Heiligtum hat Nemesis in Rhamnous, wo man sie schon seit dem 6./5. Jh. v. Chr. gemeinsam mit Themis, der Göttin des Rechts und der Ordnung, verehrt. Als deren Kultgenossin kommt auch ihr das Attribut der Waage zu. Nemesis erlässt Gesetze und verhilft der gerechten Sache zum Sieg[76].

        Bei Rhamnousetwas vom Meer entfernt oberhalb liegt das Heiligtum der Nemesis, die von allen Göttern am unerbittlichsten gegen Frevler ist…Ihre Statue trägt eine Krone mit Hirschen und kleinen Nikefiguren; in der linken Hand hält sie einen Apfelbaumzweig, in der rechten… eine Schale..[77].

        Nach einer Anekdote des Plinius hat Agorakritos von Paros die Statue geschaffen (ca. 430 v. Chr.). Er war ein Schüler des Phidias, ebenso wie Alkamenes, und wetteiferte mit diesem in der Verfertigung einer Aphrodite-Figur. Agorakritos verlor, nannte sein Exemplar Nemesisund verkaufte es nachRhamnous[78]. Fragmente der Statue, die man im Heiligtum fand, führten  zusammen mit der Beschreibung des Pausanias zu einer Rekonstruktion des weit überlebensgroßen Kultbildes[79].

    …Mit Flügeln ist aber weder dieses Bild der Nemesis noch sonst eines von den alten dargestellt, da auch in Smyrna die heiligsten Holzbilder keine Flügel haben; erst die späteren geben der Nemesis Flügel…[80]

        In Rhamnous spielt der in den Kyprien erwähnte Mythos von der Ei-Geburt der Helena durch die Nemesis. Zeus, der routinierte Liebhaber, überwindet den Widerstand der Göttin, die sich ihm durch Verwandlung in allerlei Meeres- und Landtiere zu entziehen sucht. Erst in den Gestalten von Gans und Schwan vereinigen sie sich und produzieren das Ei, aus dem dann Helena schlüpft[81].

    Nemesis soll die Mutter der Helena sein, und Leda habe sie gesäugt und aufgezogen; für ihren Vater halten…alle Griechen …Zeus[82].

        Die teilweise erhaltene Mittelgruppe an der Statuen-Basis des Agorakritos zeigt Helena, die [ihrer Mutter] Nemesis von Leda zugeführt wird[83]. Nach  späteren literarischen Quellen ist Leda selbst die Mutter der Helena. Die künstlerische Gestaltung der Szene setzt in der Zeit des Reichen Stils ein[84]

        Doppelgöttin: Neméseis

    Der Kult von Smyrna ist durch die Verehrung einer Doppelgottheit, Neméseis, kennzeichnet. So bewahre sich die Göttin ihre alte Vervielfältigungsfähigkeit [in allerlei Tiergestalten], doch erscheint sie auch wieder nur als e i n e Gottheit wie auf vielen Münzen augusteischer Zeit[85]

        In Smyrna liegt das Heiligtum auf dem Berg Pagos. Die Gründung der neuen Stadt geht auf einen Traum Alexanders des Großen zurück:

    Alexandros, der Sohn Philippos‘ (…) sei, wie er von der Jagd zurückkam, zum Heiligtum der Nemesis-Göttinnen gekommen(…) und wie er unter der Platane schlief, seien ihm die Nemesis-Göttinnen erschienen und hätten ihm befohlen, hier eine Stadt zu gründen und die Smyrnaier dorthin zu führen aus ihrer früheren Stadt fort.

            

    Abb. 9:
    Die Neméseis und der schlafende Alexander (139-161 n. Chr.)
    Nach: LIMC VI, 1992, 739 f.  Nr. 15 Taf. 433

          Zuerst befragen die Einwohner lieber noch das Orakel und erhalten im Apollon-Heiligtum von Klaros die Zusicherung, dass sie auf dem Pagos glücklich leben werden.

    So siedelten sie freiwillig um; und sie  glauben an zwei Nemesis-Göttinnen statt einer und sagen, ihre Mutter sei die [νυξ] Nacht, wie die Athener behaupten, die Göttin in Rhamnous [aber] habe Okeanos zum Vater[86].

       Es …sind bei den Smyrnaiern im Heiligtum der Nemeseis über deren goldenen Statuen Chariten aufgestellt, Kunstwerke des Boupalos[87]

        Die Neméseis tragenkeine individuellen Namen noch sind sie unterschiedlich gekleidet; nur die Attribute variieren[88]. Besonders nah steht der Nemesis die Personifikation Aidós (= Scheu, Sittsamkeit). Hesiod schreibt beiden weiße Gewänder zu:

        Da zum Olympos hinweg von den breiten Straßen der Erde
    beide in weiße Gewänder die Schönheit des Leibes verhüllend,
    gehen sie fort zur Schar der Unsterblichen, fliehen die Menschen:
    Aidos kai Nemesis…heilige Ehrfurcht und heilige Rache,
    nur trauriges Elend bleibt den sterblichen Menschen,
    und nirgends ist Abwehr des Unheils[89].

    Wieder eine solch negative Konnotation durch Hesiod! Doch es ist es nicht  Sache der Göttin, nur zu strafen. Sie hat zwar die Macht, den Nacken des Hochmütigen zu beugen[90], aber die „Guten“ hebt sie aus der Tiefe herauf zum glücklichen Leben[91].

        Von Smyrna gelangt der Kult der Doppelgöttinnen nach Alexandria, wo er die schon früher vorhandene Nemesis-Verehrung maßgeblich beeinflusst[92].

       Viele kleinasiatische Städte zeigen auf Münzen und Reliefs die Bildnisse der Neméseis. In Tomisan der westlichen Schwarzmeerküste und im spanischen Astorga wird die Göttin ebenfalls in ihrer Pluralität verehrt[93]

     …obgleich sie keinen lateinischen Namen aufweist hat Nemesis auf dem Kapitol zu Rom ein Standbild, und ihr Kult erlebt, wie auch ihre Bedeutung in Kampf und Wettbewerb zeigt, seine größte Ausbreitung in der römischen Kaiserzeit[94].Jetzt kommt es sogar zu Wechselwirkungen mit Eros und Psyche, deren Schmetterlingsflügel die Göttin, die unmissverständlich durch den Nemesis-Gestus gekennzeichnet ist, bisweilen übernimmt[95].

    erst die späteren [Bilder] geben der Nemesis Flügel wie dem Eros, um damit auszudrücken, dass die Göttin besonders im Gefolge der Liebe erscheine[96]

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    T. Wittenberg, Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater (Oxford 2014)   UB 000 LG 6600 W 829


    [1] Petersmann 1987, 172.

    [2] Hadzisteliou Price 1971, 52.

    [3] Auf das männliche Doppelwesen der Molione-Aktorione, die in Hom.  Il. 11, 750-752 erwähnt und auf einer Plattenfibel aus der Zeusgrotte am Ida im Kampf mit Herakles dargestellt sind, Schefold 1993,  97 macht Simon aufmerksam, dies. 1995, 71-75 Abb. 1.2.5.  

    [4] Simon 31985, 91; Nilsson 21955, 463.

    [5] London BM, aus Theben, korinthische Werkstatt, Higgins 1954, Nr. 897 Taf. 130.

    [6] RM 94, 1988, 43.

    [7] Die von Hadzisteliou Price genannte Terrakotta-Gruppe in London a. O. 56 Nr. 5 a Taf. 2, 3, sowie Higgins 1954, 165 f. Nr. 610 Taf. 79, datiert erst in die Mitte des 5. Jhs. v. Chr. Sie zeigt einen deutlichen Größenunterschied und die Lyra spielende kleinere Figur ist mit kindlich-rundem Gesicht als die Jüngere dargestellt. Ein Hinweis auf die eleusinischen Gottheiten Demeter und Kore ist die Truhe auf der sie sitzen.

    [8] Simon 31985, 110 Abb. 103.

    [9]  = Gabelung, Hadzisteliou Price 1971, 52 mit Anm. 48.

    [10] Petersmann 1987, 175-178.

    [11] Nilsson 21955, 456. 461 f.

    [12] Hes. Theog. 454 – 457.

    [13] Nilsson 21955, 463 und Anm. 6; Hadzisteliou Price 1971, 61 Taf. 8, 17-19.

    [14] Bauchhenß 2013, 133 f.

    [15] Kane 1998, 145-153 Abb. 16.1-16.10.

    [16] Anders Hadzisteliou Price1971, 52 Anm. 39. 58 f. Taf. I, 2. V, 11-13. VI, 14. Literarischen Quellen zufolge assistiert Artemis ihrer Mutter Leto zwar schon bei der Geburt ihres Zwillingsbruders Apollon, Kall. h. in Dianam 20-25, doch wird sie gewöhnlich nicht mit dieser allein, sondern als Mitglied der apollinischen Trias dargestellt, LIMC II 1984, 618   (L. Kahil).

    [17] Naumann 1983, 189; anders Simon 1995, 74.

    [18] LIMC VIII, 1997, 749 (E. Simon).

    [19]Imperium der Götter 2013, 90 Abb.; LIMC VIII, 1997, 753 Nr. 42 Taf. 510 (E. Simon).; Naumann 1983,  334 Nr. 337 Taf. 30, 1.

    [20] Naumann 1983, 188. 334-336 Kat. 336-354 Taf. 30, 1.

    [21] LIMC II, 1984, 972 Nr. 148 Taf. 721 (P. Demargne); Hadzisteliou Price 1971, 55 Taf. I 1..

    [22] LIMC II,  1984,  972 Nr. 148 Taf. 721 (P. Demargne).

    [23] Hadzisteliou Price 1971, 53. 55.

    [24] Hadzisteliou Price 1971, 53 Anm. 58 f.

    [25]„Le redoublement n’est guère encore expliqué“, LIMC II, 1984,  972 Nr. 148 (P. Demargne).

    [26] Kranz 2010, 13; Shapiro 1993, 125 mit Anm. 259-261.

    [27] Plut.Perikl.13; ein Weihrelief vom Ende des 5. Jhs. v. Chr. an  vier Heilgottheiten einschließlich Athena Hygieia fand sich in Thrakien bei Komotini, Hygieia 2014, 175 Abb. 58. 

    [28] Shapiro 1993, 126.

    [29] Burn 1987, 32 f. 36 f. 40 f.; Shapiro 1993, 128.

    [30] Paus. I 23, 4.

    [31] Paus. VIII 47, 1.

    [32] Paus. II  11, 6.

    [33] Hamdorf 1964, 47. 105 Nr. 374.

    [34] LIMC V (1990) 554 (F. Croissant).

    [35] um 420 v. Chr., Burn 1987, 7 f.; Kranz 2010, 16-22; Shapiro 1995, 127-129 Abb. 79. 81; Hamdorf 1964, 47 f.

    [36] Kranz 2010, 25-28 mit Anm.

    [37] LIMC VIII, 1997, 125 (F. Rausa).

    [38] Plin. n. 33, 19, 61 f. ; Riemann 1988, 53. 65.

    [39] Cic.de divin. II 85 f. RE 13, 1910, 25 f. (Otto).

    [40] Riemann 1988, 63.

    [41] Coarelli 2019, 302; Simon 1990, 60-62.

    [42] Riemann 1988, 63.

    [43] CIL XIV 2863, RE 13, 1910, 24 f. (Otto).

    [44] Simon 1990, 62 f. Anm. 30.

    [45] Simon 1990, 62 f. Abb. 80-82.

    [46] Riemann 1988, 44 f. Taf. 26-29. Simon 1995, 78 Abb. 7. Schmidt 1994, Nr. 322 Taf. 59. Das von Buchholz  abgebildete Objekt, angeblich London BM D 244, ders. 1987, 1-55 Nr. 26 Abb. 17, ist u. a. durch Hadzisteliou Price 1971, 63 Taf. 8, 24, Riemann 1988, Taf. 26, 3 und Rausa LIMC VIII, 1997, 127 Nr. 9 c Taf. 91  in Berlin bestätigt. Die sehr ähnliche Londoner Gruppe trägt die alte Inv. Nr. des Britischen Museums. Buchholz‘ Überlegung, es könne sich trotz der erkennbaren weiblichen Brüste um eine Gruppe von Mann und Frau handeln, ist nicht plausibel; Simon 1995, 78.

    [47] Stat. silv. 1, 3, 79 f.  ca 40-96 n. Chr. Bauchhenß 2013, 133 Anm. 26; Riemann 1987, 131; ders. 1988, 71.

    [48] Bauchhenß 2013, 132 Abb. 12; Riemann 1988, 47. 

    [49] Bauchhenß 2013, 133; ders. 2011, 35..

    [50] Fronto p. 157 N; CIL VI 30708 (=182) RE 84 f. (Otto)

    [51] Bauchhenß 2013, 137. 141 f. Kat.-Nr. 16 Ab. 15.

    [52] Paus. I  33, 4. Wittenberg 2014, 12.

    [53] Hes. Theog. 223 f.

    [54] Paus. I  33, 2.

    [55] Perdrizet 1912, 251-274 Taf. 1 f.; Schweitzer 1932, 177; Hornum 1998, 131-138; RE XVI, 2 [1935] 2371. 2373 (H. Herter). 

    [56] Hdt. 32, 1-34, 1.

    [57] Hdt. 1, 86-89.

    [58] Simon 21981, 107 f. Abb. 133. 

    [59] Paus. I 33, 2. 3.

    [60] Karanastassi 1992, 735;.Schweitzer 1931, 186; Wittenberg 2014, 13.

    [61] LIMC VI, 1992, 748 Nr.158 (P.Karanastassi)

    [62] Weber 2007, 305 Abb. 3 A. B; Wittenberg 2014, 15 Abb. 7.

    [63] LIMC VI [1992] 758 (P. Karanastassi).

    [64] Hornum 1998, 136 f.; „und ich werde deine Feinde zum Schemel deiner Füße machen“, Psalm 110, Schweitzer 1931, 215 f. Abb. 11.  

    [65] Verg. Aen. VI 851-853:
    Denk daran Römer die Völker Kraft deines Amts zu regieren,  Übe die Kunst, im Frieden die Sitten zu ordnen,  Unterlegene  schone, den Hochmut aber bezwinge!    

    [66] Wittenberg 2014, 99-102 Abb. 6. 11-13.

    [67] Bei einigen Statuetten häufen sich die Attribute, die sich jedoch  nicht auf allen Abbildungen verifizieren lassen, wie LIMC VI, 750 Nr. 181 Taf. 442; schönes Reliefbild der Nemesis in periferia orientali, mit Elle, Waage, Rad und Greif, LIMC VI, Nr. 8a Taf. 449.

    [68] LIMC VI, 733 (P. Karanastassi); Attribut der Waage, z. B. Schweitzer 1931, 196 f. Abb. 4;

    [69] Schild: Wittenberg 2014, 105 Abb. 20; Köcher mit Pfeilen: ders. a. O. 102 Abb. 13.

    [70] Wittenberg 2014, 18 f. Abb. 13. 19. 20; s. hierzu das Gladiatoren-Mosaik von Nennig/Saarland, Hönle – Henze 1984, 71 Abb. 40 c. d.

    [71] = Nemesis-Heiligtum. Out of Rome 1997, 135 Abb. 92; Schweitzer 1931, 177; Wittenberg 2014, 26-31. 115 Abb. 41. S. 121 Abb. 52; 23. 47. 49.

    [72] Das Römische Budapest (Münster / Lengerich 1986) 107-109 Abb. 43; Kaiserzeitliche Porträts in Aquincum. Kat. 6. Internationales Kolloquium 11.-15. Mai 1999 (Budapest 1999) 8. 38 f. Abb. 19              

    [73] Nonnos, Dion. 48, 382-384; Flagge 1975, 106-121;  RE XVI, 2 [1935] 2376 (H. Herter); LIMC  1992, 734  (Karanastassi); Schweitzer 1931,  181 Anm. 5; Wittenberg 2014, 17. Rad und Greif motivisch ähnlich bei der Kasseler Nemesis, die sich in den Busen speit (gr. ptyein eis ton kolpon), P. Gehrke 2007, 183-186.

    [74] Hornum 1998, 133 Abb. 14.6; Kayser 1973, 121 Nr. 434 (V. 2) „Nemesis mit Fackel und Rad, eine Frau (Hybris) zermalmend“;  Maderna 2005, 261 f. 582 f. Nr. 155 Abb. 26, „Fackel“; Schweitzer 1931, 215 Abb. 11; Wittenberg 2014, 100 Abb. 8. Die letzteren gehen auf den Gegenstand zur Linken der Göttin nicht ein.

    [75]Chr. Gugl, Nemesis in Virunum, Forum Archaeologiae 18/III/2001, Anm. 4-6  Abb. 3; Wittenberg 2014, 105 Abb. 20.

    [76] Wittenberg 2014, 12 Anm. 112-114; LIMC VI, 735 (P. Karanastassi).

    [77] Paus. I 33, 2. 3.

    [78] Plin. nat. 36, 17; RE XVI, 2 [1935] 2349 (H. Herter).

    [79] LIMC VI (P. Karanastassi) 1992, 735 Nr. 1 Taf. 431; Shapiro 1993, 174 f. 256 Nr. 113-115 Abb. 133.

    [80] Paus. I 33, 7.

    [81] Kypr. frg. 7 f.; Athen. frg. 7; Apollod. bibl. 3 [127] 10, 7; in späteren Versionen des Mythos gehen auch die Dioskuren aus diesem Ei hervor, LIMC VI, 1992 (P. Karanastassi) , 733-762; Schefold 1981, 242-248. 

    [82] Paus. I 33, 7.

    [83] RE XVI, 2 [1935] 2351 (H. Herter).

    [84] Timotheos, Anf. 4. Jh. v. Chr.; Eur. hel.16-22; Apollod. bibl. 3 [126-127] 10, 7; LIMC IV, 1988, 498. 503 f. Nr. 6. 8. Taf. 292  (L. Kahil); Schefold 1981, 242-244 Abb. 340 f . 

    [85] RE XVI, 2 [1935] 2352 f. (H. Herter); pax Augustae, mit Nemesis-Gestus, Flügeln, Caduceus und Schlange, Wittenberg 2014, 99 Abb. 5.

    [86] Paus. VII, 5, 1-3 und  Paus. I 33, 4.

    [87] Paus. IX 35, 6.

    [88] Bauchhenß 2013, 135 (Abb. 14)

    [89] Hes. erg. 197-200;  Shapiro 1993, 173.

    [90] Mesomedes  h. Nem. 15. 22, LIMC VI, 1992, 735 (P. Karanastassi).

    [91] Amm. Marcellinus XIV 2, 25, Schweitzer 1931, 181 Anm. 1.

    [92] RE XVI, 2 [1935] 2354 (H. Herter)

    [93] Bauchhenß 2013, 135.

    [94] Plin. n. 28, 22; Schweizer 1931, 175; LIMC VI, 734.

    [95] LIMC VI, 1992,  756 f. Nr. 190 (P. Karanastassi).

    [96] Paus. I 33, 7.

  •   09.02.2021:

            Die Genealogie der Nymphen ist ebenso kompliziert wie verwirrend. Je nach Überlieferung gelten sie als Göttinnen, halbgöttliche Wesen zwischen Olympiern und Menschen[1], ländliche Gottheiten[2] oder weibliche Naturdämonen in Menschengestalt[3]. Auf einer etwas tieferen Stufe in der Hierarchie angesiedelt als die Musen, Horen und Chariten stehen sie den Silenen, Faunen, Satyrn und Panisken nahe, diesen „Proletariern der niederen Götterwelt“[4].   

        Der alt-ehrwürdige Nymphen-Kult ist über ganz Hellas, später über das Römische Reich, verbreitet. Schwerpunkte liegen in Aitolien und Ionien[5]. Als Odysseus auf seine Insel, das ionische Ithaka, zurückkehrt , wird er unerkannt als vermeintlich Fremder vom Sauhirten Eumaios gastlich aufgenommen und wie alle anderen mit einer schönen Portion gebratenen Fleisches bewirtet. Als erste erhalten aber die Nymphen und Hermes ihren Anteil am Mahle: 

    …da erhob sich der Sauhirt,
    Um die Portionen zu teilen…
    Und er zerlegte das Fleisch in sieben gesonderte Teile;
    Einen stellt er den Nymphen und Hermes, dem Sohne der Maia,
    Betend hin…[6]  

        Meist findet die Verehrung der Nymphen in freier Natur statt, an Quellen, in Höhlen und Grotten, Wäldern und Bergen, später in Brunnenhäusern, bei den Römern auch in Tempeln. Von einem Nymphenaltar auf Ithaka ist schon Ende des 8. Jhs. v. Chr. die Rede:

    Kamen sie nahe der Stadt zum schön hinströmenden Brunnen,…
    und es war ein Altar für die Nymphen
    Drüber erbaut, wo die Wanderer immer ihr Opfer verrichten[7].
    Und weiter:

    Im Gebiete von Ithaka ist ein Hafen des Phorkys,
    Jenes Alten vom Meere;…
    Doch an des Hafens Kopf ist ein blätterbreitender Ölbaum
    Und ganz nahe bei ihm eine dämmrige, liebliche Höhle,
    Heiliger Ort der Nymphen, welche Najaden genannt sind[8].

        Von den Nymphen in der Grotte von Lokroi epizephyroi, die mit untergeschlagenen Beinen dargestellt sind, glaubte man, sie säßen von den Knien an abwärts im Wasser (Abb. 1).                                

                          Abb. 1: Nymphenheiligtum bei Locri, Reggio Calabria.
                           Nach: von Matt – Zanotti-Bianco 1961, 131 Abb. 125

        Abgesehen von einem niederen Polos sind sie nackt. Der Wunsch eines ranghohen Centurio, die Nymphen in ihrer Nacktheit zu sehen, geht in Erfüllung[9], doch sie erscheinen auch vollständig bekleidet oder nur halb entblößt. Ein Mantel, der sich um Gesäß und Beine schlingt, gibt häufig mehr preis als er bedeckt (Abb. 2).

              Abb. 2: Dionysos bei den Nysai, Theater Perge (Anf. 2. Jh. n. Chr.) 
                          Nach: Teatri class. in Asia min. IV (1974) 29 Abb. 28 

        Dichter feiern die Schönheit der Nymphen, preisen ihr herrliches Haar und ihre glänzenden Zöpfe[10]. Ein Marmorrelief in Neapel stellt den Reigen der  Chariten und Nymphen dar. Außer durch die Namensbeischriften, deren Buchstaben-Form in das 3. Jh. v. Chr. weist[11], lassen sie sich in der Kleidung unterscheiden. Die ersten drei, Chariten, tragen Chiton und Schrägmantel, die zweiten, Nymphen, einen Peplos mit langem Überschlag und Scheinärmeln. Im gleichen Gewand folgt ihnen ein kleines Mädchen namens Telonessos, eine  Ortspersonifikation der Insel Telos. Das Relief könnte in der Dodekanes entstanden sein[12].      

        Vielfach sind die Nymphen mit einem Polos als „Zeichen ihrer Göttlichkeit“[13] dargestellt, auch wenn der Körper unbekleidet ist  Das trifft auf sizilische und westgriechische (Abb. 1) Vertreterinnen ebenso zu wie auf attische (Abb. 7) und böotische[14]. In Karien stellte man Polos-Trägerinnen mit unspezifischen Attributen wie Schale, Protome und Fackel oder im Gebetsgestus[15] dar. Besonders beliebt waren Hydrophoren, Statuetten junger Frauen mit Wassergefäßen auf den Köpfen. Ișik setzt sie mit den Nymphen gleich[16].

        Die  meisten antiken Schriftsteller halten die Nymphen für unsterbliche Göttinnen: 

    Ich bin geboren zwischen einem Sterblichen und einer Göttin,
    einer unsterblichen Nymphe…[17]

    Olympische Gottheiten sind sie allerdings nicht; sie wurzeln fest in der Erde, werden jedoch von Themis auf Geheiß des Zeus zur Ratsversammlung in den Olymp berufen[18].   

       Nach anderen literarischen Zeugnissen leben Nymphen besonders lang,  makróbioi[19], sind aber sterblich. Hesiod beziffert ihre Lebenszeit auf 9720 Generationen[20]

    Sie leben sehr lange, essen sie doch ambrosische Speise[21],
    heißt es im Homerischen Hymnos an Aphrodite.

        Als Eltern der melischen Nymphen (μελία/melía=die Esche) nennt der Mythos die großen Gottheiten der ersten Stunde, Gaia/Ge und Uranos, also die Erde und den gestirnten Himmel. Gleichwohl gelten die Kinder. vermutlich  wegen besonderer Umstände ihrer Geburt, nur als halbgöttliche Zwischenwesen. Gehen wir zu den dramatischen Anfängen zurück: Als ersten hatte der geräumige Schoß der Erde den eigenen Gatten hervorgebracht, Uranos, der voller Liebesverlangen Scharen von Kindern mit ihr zeugt, göttliche wie Rheia, Themis und die liebenswürdige Tethys. Auch Okeanos entströmte ihr wirbelnd. Sie gebar den krummgesinnten Kronos und schreckenerregende Riesen, die dem Vater von Anfang an verhasst waren. Immer wenn einer geboren wird, verbirgt er ihn sogleich im Schoß der Erde. Die gequälte Gaia sinnt auf Abhilfe und macht ihren Sohn, den verschlagenen Kronos, zum Komplizen. Mit einer scharfen von ihr selbst erzeugten Sichel

    mähte er, ohne zu zögern, seinem eigenen Vater die Scham ab und warf sie nach hinten durch die Luft[22].

    Aus dem blutüberströmten männlichen Organ entsteht im Schaum der aufbrandenden Meerflut die Göttin der Schönheit, Aphrodite.

    Aber alle Tropfen, die blutig der Scham des Vaters entrannen,
    Gaias Schoß nahm sie auf und gebar im Kreislauf der Jahre
    der Erinyen starkes Geschlecht und die großen Giganten,
    …auch die Nymphen, die weit und breit die melischen heißen[23].

    Alle  Baumnymphen sind eng mit dem Schicksal ihrer ‚Wirts-Bäume‘ verknüpft:

    .. Zugleich mit seinem Tod… verlässt ihre Seele die strahlende Sonne[24].Als der thessalische König Erysichthon[25] eine gewaltige der Ceres heilige Eiche zu fällen wagt, muss auch ihre Nymphe sterben.

    Unter diesem Holz lebe ich, Ceres‘ liebste Nymphe. Sterbend weissage ich dir, dass dir die Strafe für deine Taten bevorsteht – mir ein Trost im Tode. 

    Ihre Schwestern, die Dryaden (δρυς/drys=Eiche) schwören Rache. Ceres  verhängt eine grässliche Strafe über den Frevler: er muss unstillbaren Hunger leiden bis er am Ende gezwungen ist, sich selbst aufzuzehren[26].

        Nach dem Volksglauben sind Quell- und Brunnen-Nymphen (Najaden, ναϊάδης, die Fließenden; Kreniaden,κρένη) ebenfalls vom Fortbestand ihrer Quelle oder ihres Wasserlaufs abhängig [27]. Wenn es an Wasser mangelt, grollen sie. Wer das Wasser trübt, erregt ihren Zorn. Mit Abscheu erfüllt sie die blutbefleckte Hand eines Mörders[28]. Beladen mit vollen Wasserkrügen eilen die Najaden herbei, um den Scheiterhaufen zu löschen, auf dem Herakles, der die vom Nessos-Gewand verursachten Qualen nicht länger erträgt, den Feuertod sucht[29].   

        Vater der Nymphen ist nach Homer der allzeit liebesfähige Zeus:

    und ringsum pflanzten dann Ulmen
    Nymphen der Berge, die Töchter des Zeus, des Halters der Ägis[30].

    Den Namen der Mutter nennt Homer nicht. Später tritt die unnahbare Themis an diese Stelle[31].

        Wohl wegen ihrer innigen Beziehung zu allem Feuchten und Flüssigen werden die Nymphen mit weiteren Elternpaaren in Verbindung gebracht[32], so mit Okeanos, der die bewohnte Welt als gewaltiger Ringstrom umfließt, und mit seiner Schwester-Gattin, der liebenswürdigen Meeresgöttin Tethys[33].

    Sie gebar dem Okeanos wirbelnde Flüsse, wie den Neilos, Alpheios, Peneios oder den Acheloos[34], der seinerseits als Vater der Nymphen genannt wird[35]. Auch  Töchter gebar sie [Tethys], … Peitho, Elektra, Doris, Urania, Europe, Metis, Kalypso, Tyche, Styx, glänzende Kinder von Göttinnen alle, die Okeaninen[36](=Okeaniden). Hesiod gibt ihre Zahl mit dreimaltausend an[37].

    Zeus betraut die Okeaninen mit dem Amt der Kourotrophos und lässt sie für die Ernährung und Erziehung kleiner Kinder sorgen[38]. Aus einer Weihinschrift in der Nymphen-Grotte auf dem Ossa geht hervor[39], dass Kourotrophoi bisweilen auch die Pflichten von Geburtsgöttinnen [Eileithyien] übernehmen.

          Abb. 3: Hermes übergibt der Nymphe Ariagne den mutterlosen Dionysos
                  Pelike in Palermo, ca. 460 v. Chr. Nach Zanker 1965, 78 Taf. 4

        Der Name der sonst kaum bekannten Nymphe Ariagne ist auf der Pelike (Abb. 3) epigraphisch belegt[40]. Die kleinasiatischen Nysai, eine Najadengruppe[41], betreuen den kleinen Dionysos (Abb. 2).  

        Vier Nymphen, Najaden und Dryaden, dienen im Haus der Kirke:   

    Dienerinnen waren derweil in den Hallen beschäftigt,
    Vier, die in ihrem Haus die Hausarbeiten verrichten.
    Diese sind alle zumal aus Quellen und Hainen entsprossen
    Und aus heiligen Strömen, die sich zum Meere ergießen[42].

        Dass die Hesperiden zu den Nymphen zählen, wird manchmal bezweifelt. Hesiod äußert sich nicht dazu, doch der spätantike Nonnos betrachtet sie als Nymphai d‘ Hesperides[43].

    Aber die Nacht (Νὺξ) gebar …die Hesperiden, die jenseits des ruhmvollen Ringstroms – Okeanos – goldene Äpfel und Bäume, von Früchten prangend, bewachen[44]. Andere antike Autoren nennen sie Töchter des Atlas, des Okeanos oder des Zeus und der Themis[45].

        Heilnymphen heben sich bisweilen durch sprechende Beinamen von den anderen ab: medicae, salutiferae, salutares[46].

    Gegen fünfzig Stadien von Olympia entfernt liegt das elische Dorf Herakleia und dabei der Fluss Kytheros; eine Quelle ist da, die in den Fluss mündet, und ein Nymphenheiligtum an der Quelle. Jede der Nymphen hat ihren besonderen Namen“. Eine von ihnen heißt Iasis,die Heilerin.

    Wenn man in der Quelle badet, erlangt man Heilung von Erschöpfung und verschiedenen Schmerzen[47].

        In Samikon[48] ist eine Höhle nicht weit vom Fluss, die Höhle deranigridischen Nymphen genannt. Und wer mit der Weißfleckenkrankheit hineingeht, muss zuerst zu den Nymphen beten und ihnen irgend ein Opfer geloben, und dann lösen sich die kranken Stellen des Körpers ab. Wenn er den Fluss durchschwimmt, lässt er jenen Schaden in seinem Wasser zurück und steigt gesund und mit gleichmäßiger Hautfarbe heraus[49].                              

        An der Nordküste Siziliens, zwischen Palermo und Messina, besitzt die Nymphe Himera ein Heil-Heiligtum, dessen Quellen sie für Herakles und Athena sprudeln lässt[50]. Einige Münzen sind mit „Himeraion“, auf dem Gelände des heutigen Termini Imerese, beschriftet. Die Rückseite eines silbernen Tetradrachmon zeigt die Ortsnymphe bei der Trankspende/Libatio (Abb. 4).

    Inzwischen hält ein Silen seine Schulter in den heilsamen Strahl, der aus dem Löwenkopf-Wasserspeier hervorschießt[51].

                         

       Abb. 4: Silbernes Tetradrachmon, 430/420 v. Chr.
                                         Nach Franke 1964, 44 f. Taf. 22 a

        Etwa 15 Stadien unterhalb des Kithairon- Gipfelsbefindet sich eine Höhle der kithaironischen Nymphen, Sphragidion genannt, und die Nymphen sollen hier einst auch Orakel gegeben haben[52]. Seit sie in der Schlacht von Platää den Griechen gegen die Perser 479 v. Chr. beigestanden haben, erhalten sie staatliche Opfer[53].

    Ge verleiht für ihre älteste Orakelstätte in Delphi der Oreade Daphnis[54] prophetische Gaben.

        Nymphen  übergeben Perseus die notwendigen Gegenstände zur Tötung der Medusa: Kibisis (die Tragetasche für das abgeschlagene, versteinernde, Gorgonenhaupt), Tarnkappe und Sichel[55].

        Ganze Nymphen-Scharen stehen der Göttin Artemis zur Verfügung. Sie hatte sich von ihrem Vater Zeus sechzig neunjährige Okeanostöchter als Tanz-Gefährtinnen erbeten, dazu zwanzig amnisische Nymphen als Helferinnen bei der Jagd, auf dass sie

     mir die Jagdstiefel und… die schnellen  Hunde gut versorgen[56]…     

        Auch Apollon, Dionysos und Hera erfreuen sich der Gesellschaft von Nymphen[57]. Für den Hauptort der Herainsel Samos überliefert Anakreonden Namen Nymphenstadt. Das Heraion soll von den autochthonen Lelegern zusammen mit den Nymphen erbaut worden sein[58]. Juno rühmt sich ihres Gefolges von vierzehn besonders schönen Nymphen[59].

        Nach Apollonios von Rhodos werden die chthonischen Nymphen von den Leuten aus Kyrene als Garantinnen der Fruchtbarkeit verehrt. Auf einem der libyschen Grottenheiligtümer ist eine entsprechende Inschrift eingraviert[60].

                                Abb. 5: Chthonische Nymphen, Kyrene/Libyen
                           Umzeichnung nach A. Pagnini, Luni 2002, 356 Abb. 5

        In den Nischen eines Felsplateaus am Abhang der Akropolis von Kyrene wurden zahlreiche Terrakotta-Statuetten gefunden (Abb. 5)[61], Nymphen in stoffreichen gegürteten Chitonen und Capes aus Ziegenfell[62]. Alle tragen den Polos und geschlossene Schuhe; sie sind meist von kleinen Vierfüßern begleitet und halten Silphion-Büschel in den Händen[63].  

        Aus dem verwirrend vielfältigen Kreis der Nymphen treten Einzelgestalten mit individuellen Schicksalen und eigenen Mythen hervor.

         Amalthea: Die Titanin Rhea bringt ihren Neugeborenen, den kleinen Zeus, zu den kretischen Nymphen. Eine von ihnen, Amaltheia, ernährt das Kind mit der Milch einer Ziege, die später ebenfalls Amaltheia genannt wird. Als der Ziege ein Horn abbricht, umwickelt es die Nymphe mit Gräsern, füllt es mit Früchten und bringt es dem Zeuskind[64]. Den griechischen Namen für das  Füllhorn, Keras Amaltheias, überliefern schon die Linear-B-Tafeln[65].

        Arethusa, eine Quellnymphe aus Elis[66], flieht mit Hilfe der Göttin Diana vor dem Flussgott Alpheus auf die kleine Insel Ortygia vor Syrakus[67]. Sie lebt in Sizilien als Zugewanderte, doch ist ihr dieser Boden nun lieber als jeder andere. Auf Grund ihrer Fähigkeit durch die Erdentiefe zu dringen, kennt sie den Aufenthaltsort der Proserpina. Sie nennt ihn der Mutter Ceres/Demeter und tröstet diese ein wenig damit, dass die von Hades/Pluto wider Willen entführte Tochter nun die Mächtigste [ist] im Reich der Finsternis, die gewaltige Gemahlin des Königs der Unterwelt[68].

        Daphne, eine Tochter der Ge und einem Flussgott, wird von Apollon geliebt. Seine Verfolgung der Nymphe bleibt jedoch wie wir wissen vergeblich. Sie verwandelt sich in einen Lorbeerbaum, mit dessen heiligen Blättern und Früchten der Gott sich fortan schmückt und dadurch für immer mit der Geliebten verbunden bleibt[69]

       Die Oreade Echo ist berüchtigt wegen ihres unaufhörlichen Schwätzens. Mit  seichten Reden hält sie die eifersüchtige Juno so lange hin, bis Jupiter seine Liebeshändel mit anderen Nymphen zu Ende gebracht hat. Zur Strafe nimmt Juno der Echo die Fähigkeit, selbständig zu sprechen. Sie kann nur noch den Schluss einer fremden Rede nachplappern. Pan liebt sie und stellt ihr nach, wird jedoch abgewiesen, denn Echo liebt ihrerseits den schönen Narkissos. Doch der in sich selbst verliebte Jüngling zeigt ihr die kalte Schulter. Sie verzehrt sich in unglücklicher Liebe bis sie nur noch aus Knochen und Stimme –  dem Echo – besteht. Am Ende wird sie zu Stein[70].  

       Egeria,eineitalische Nymphe, zeichnet sich durch große Klugheit aus. Infolge ihrer umsichtigen Beratung herrscht Numa Pompilius, ihr Gemahl und  zweiter legendärer König von Rom, weise und friedvoll im Einklang mit den Göttern und er lehrt auch sein Volk, die Künste den Kriegen vorzuziehen. Als Numa stirbt, verfällt Egeria in lautstarkes Jammern und Klagen, bis die Göttin Diana von Aricia sie in eine Quelle verwandelt[71].

        Herkyna: Der gleichnamige Fluss…trennt den Hain des Trophonios von der Stadt Lebadeia in Böotien. Man erzählt, Herkyna habe hier einst mit Kore, der Tochter der Demeter gespielt, eine Gans gehabt … die in eine Höhle hineinflog. Unter dem Stein, wo die Gans sich versteckte, soll kaltes Quellwasser hervorgesprudelt und der Fluss deswegen Herkyna genannt worden sein. Am Flussufer steht ein Tempel derHerkyna und darin ein Mädchen mit einer Gans in den Händen. In der Höhle befinden sich die Quellen des Flusses… 

    Wer das Orakel des Trophonios einholen will, muss sich vorher kalten Waschungen mit dem Wasser der Herkyna unterziehen und von der heiligen Quelle trinken[72].  

        Herophile, die Tochter eines Sterblichen und einer Oreade vom Ida, trägt den Beinamen Sibylla und besitzt die Gabe der Weissagung. Ihr Leben ist endlich. In der Troas steht ihr Grabmal, auf dem ihr Schicksal in Form einer Elegie eingraviert ist: … den Nymphen und Hermes bin ich hier nahe… [73]

        Kallisto, die schöne Nymphe und Jagdgefährtin der Artemis/Diana hatte ebenso wie ihre Göttin Keuschheit gelobt. Eines Tages erliegt sie dem gewaltsamen Werben des Zeus und wird schwanger. Als dies Hera entdeckte, verwandelte sie Kallisto in einen Bären, und Artemis erschoss diesen Hera zuliebe. Zeus aber schickte Hermes, um das Kind zu retten, das Kallisto im Leibe trug. Kallisto selbst aber verwandelte er in ein Gestirn, den sogenannten Großen Bären…[74]

    In Parallelmythen wird Kallisto von der enttäuschten und gekränkten Artemis getötet, oder von ihrem Sohn Arkas, dem späteren Lokal-Heros von Arkadien, der sie in ihrer Bärengestalt nicht erkennt[75]. …jedenfalls zeigen die Arkader ihr Grab[76].

        Die Nymphe Kalypso ist als Tochter des Atlas eine der  Hesperiden[77].

    Fernab liegt im Meer eine Insel, Ogygia heißt sie;
    Dort wohnt Atlas‘ Tochter, die listenreiche Kalypso,
    Die mit den schönen Flechten, die mächtige Göttin…[78]
    Doch der [Odysseus] sitzt nun fest auf der Insel
    In den Räumen der Nymphe Kalypso, welche mit Zwang
    Ihn hält[79]

    Nach sieben Jahren intervenieren die Götter und Kalypso muss Odysseus ziehen lassen, mit einem tüchtigen Floß, göttlichen Kleidern und reichlich Wegzehrung[80].

        Kirke, dieMagierin, kann Menschen in Tiere verwandeln. Den Gefährten des Odysseus gibt sie bekanntlich die Gestalt von Schweinen. Als Tochter des Helios und einer Okeanide[81] ist sie zugleich Göttin und Nymphe. Sie empfängt kultische Ehren und wird als unsterblich gepriesen[82], doch man zeigt auch ihr Grab[83]. Von Anfang ist sie heimisch in Italien, wo zwei ihrer Söhne über die Tyrsener herrschen[84]. Nach Strabon und Cicero[85] besitzt sie eine „Ara sanctissima“ am Cap Circeo.  

        Kyane/Cyane: Nachdem Pluto/Hades mit seinem Gespann und der geraubten Proserpina durch den heiligen See gestürmt ist, den Teich der Palicen, der nach Schwefel riecht und in einem Erdspalt brodelt[86], gelangt er zu einer Bucht nahe bei Syrakus, die von schmalen Landzungen umschlossen ist.

    Dort wohnte  Cyane, nach der auch ihr Teich benannt ist – die berühmteste unter den sizilischen Nymphen[87]. Sie erhob sich inmitten des Gewässers bis über die Hüften aus den Wellen und erkannte die Göttin [Proserpina/Persephone]. ‚Keinen Schritt weiter!‘ sprach sie. ‚Du kannst nicht gegen Ceres‘ Willen ihr Schwiegersohn werden, du hättest um Proserpina werben, nicht sie rauben sollen’…Als es Cyane nicht gelingt, den Herrn der Unterwelt aufzuhalten, zerfließt sie in Tränen und verflüchtigt sich in ihrem eigenen Quellwasser. Sogar ihre Stimme verliert sie. Als Ceres zu ihr kommt, irrend nach des Kindes Spur[88], gibt sie ihr ein untrügliches Zeichen, den auf ihren Wassern treibenden Gürtel der Jungfrau. Herzzerreißend ist die Trauer der Ceres und grenzenlos ihr Zorn auf die beiden Brüder, Hades und Zeus, der die Entführung angezettelt und sanktioniert hat. Sie gebraucht ihre Macht und lässt alle Vegetation absterben. Das Gras wird gelb, die Milch versiegt in den Eutern  und das Korn verdorrt auf dem Halm. Nun lenken die Brüder ein und handeln einen Kompromiss aus: in Zukunft wird Proserpina Frühling und Sommer bei ihrer Mutter verbringen und nur in der dunklen Jahreszeit zu ihrem Gatten zurückkehren. Jetzt sprießt wieder das Korn, die Kühe kalben und das Land entfaltet seine Blütenpracht.       

        Kyrene stammt vom Fluss Peneios in Thessalien. Ihr Liebhaber Apollon bringt sie nach Libyen zu den chthonischen Nymphen und macht sie „zu einer langlebigen Nymphe „[89]. Der gemeinsame Sohn Aristaios, ein weithin berühmter Agronom, lehrt die Menschen den Gebrauch der kostbaren Silphionpflanze[90] (Abb. 5).

        Maia, Nymphe und Göttin, wird meist mit ihrem berühmten Sohn Hermes zusammen genannt: Hermes preise, o Muse, den Sohn des Zeus und der Maia,…

    Ihn, den hurtigen Boten der Götter, den Maia, die liebend
    Zeus sich vermählte, gebar die Nymphe mit prächtigen Zöpfen[91].

    Und:
    Maia, die Tochter des Atlas, gebar den ruhmvollen Hermes,
    der Unsterblichen Herold, von Zeus in Liebe umfangen[92].

    Ihre Mutter ist die Okeanide Pleione. Dadurch gehört auch sie zu den Pleiaden, dem Siebengestirn[93]. Bei Arkas, dem Sohn der Kallisto[94], vertritt Maia Mutterstelle als Kourotrophos. In Italien und den Provinzen besitzt sie ihren eigenen Kult als Erdgöttin. Bisweilen identifiziert man sie mit der Bona Dea.

    Schon auf dem Klitias-Krater[95] ist sie inschriftlich als Teilnehmerin am Festzug der Götter zur Hochzeit des Peleus mit der Meergöttin Thetis gekennzeichnet.

        Thetis‘ Ehe mit dem sterblichen Peleus, von Zeus erwünscht und betrieben, ist „stumm“ und verläuft nicht glücklich[96]. Nach der Geburt ihres Sohnes Achilleus kehrt die Tochter des Alten vom Meer „in ihr Element zurück“[97]Aber sie kommt mit allen Töchtern des Nereus und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn…[98].

        Tyche, eine PersonifikationdesSchicksals, ist nach Hesiod eine der Töchter des Okeanos und der Tethys. Als Stattgöttin trägt sie die Mauerkrone. Zu ihren Attributen gehören auch Steuerruder und Füllhorn[99].

        Die Heiligtümer der Nymphen bestehen in griechischer Zeit aus natürlichen oder künstlich angelegten Quellgrotten[100]. Seit dem 1. Jh. v. Chr. entwickeln sich monumentale Brunnenfassaden mit vorgelagertem Becken. Öffentliche Nymphäen (Abb. 6) dienen der Hygiene und dem Wohlbefinden, sind aber zugleich Orte der Nymphen-Verehrung und Weihestätten für deren Geschenk, das lebensspendende Wasser[101].

          Abb. 6: Kleines Nymphäum im Apollonheiligtum von Kyrene/Libyen
                                       Aufnahme der Verfasserin, 2009

        In der NympholepsieerfahrenErgriffene“ die ambivalente Macht der Nymphen in ihrer positiven Ausprägung. Verzücktes Staunen, Erweiterung des Bewusstseins, geschärfte Wahrnehmungsfähigkeit und besondere Redegabe und Ausdruckskraft sind die Folge. „Von Plato wussten die Spätgeborenen, dass die Göttinnen ihm schon als Kind das Geschenk der honigsüßen Rede in den Mund gelegt hatten“[102]. Phaidros bemerkt, dass seinen Freund Sokrates ein ganz ungewöhnlicher Fluss der Rede ergriffen hat und spricht ihn darauf an. Dieser erwidert:

    In Wahrheit göttlich scheint dieser Ort zu sein, so dass wenn ich im Lauf der Rede von den Nymphen ergriffen werde, du dich nicht wundern mögest. Denn schon jetzt bin ich nicht mehr gar fern von Dithyramben [103].  

        Auf einem attischen Weihrelief (Abb. 7) führt Hermes einen Reigen von drei mit dem Polos- geschmückten jungen Frauen an. Der dritten folgt ein nackter Knabe, dessen Handgelenk sie fest umschlossen hält, ein von den Nymphen Ergriffener, νυμφόληπτος, den sie mit sich zieht in ihren Bereich[104].  

                        Abb. 7: Athen, Akropolis- Mus. 702, um 510 v. Chr.
                                       Nach: Hausmann 1960, 11 f. Abb. 1

        Mitunter ist Nympholepsie ein gefährliches Laborieren am Abgrund. Der  junge Hylas, ein Geliebter des Herakles auf der Argonauten-Fahrt, gefällt auch den mysischen Quellnymphen so sehr, dass sie ihn überwältigen und zu sich ins Wasser ziehen[105]. Ein römisches Wandgemälde aus der Mitte des 2. Jhs n. Chr. zeigt den Jüngling gelassen sitzend im Kreis der Nymphen, ein Schilfbündel in der Hand. Oder wird Hylas in ein Echo verwandelt? Gründet er die Stadt Kios? Ist er dem Tod durch Ertrinken verfallen?[106] Wer denkt da nicht an Goethes Ballade vom Fischer, den eine Nixe mit sich in das feuchte Element herab schmeichelt?

     Das Wasser rauscht‘, das Wasser schwoll
    Ein Fischer saß daran…
    Aus dem bewegten Wasser rauscht
    Ein feuchtes Weib hervor….
    Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm,
    Da war’s um ihn geschehn.
    Halb zog sie ihn, halb sank er hin
    Und ward nicht mehr gesehn.

        Das Wort Nymphe interessiert jedoch noch in anderer Bedeutung, nämlich als Synonym für  Kore/Mädchen, als Braut, jung verheiratete Frau[107] und Puppe.

        Sogenannte Torsopuppen, „truncated figures“ oder „Rumpfpuppen“, wurden meist ebenso wie Gliederpuppen als Spielsachen verstanden[108]. Man konnte die  unbekleideten  ‚Anzieh-Puppen ‚ mit festlichen, hochzeitlichen Gewändern schmücken[109]. Die gestreckten Hüftgelenke und vertikal ansetzenden Oberschenkel machten sie ungeeignet zum Sitzen; es sind ‚Stehfiguren‘. 

        Die irreführende Bezeichnung Torso- oder Rumpfpuppe schränkt auf Exemplare ohne Kopf und Gliedmaßen ein, während es sich bei den „Puppen“ um Nachahmungen menschlicher Figuren handelt, die abgesehen vom Rumpf auch aus einem Kopf und den Ansätzen von Extremitäten bestehen (Abb. 8)[110]. Ebenso unzutreffend ist der Ausdruck  „limbless“[111], da die Gliedmaßen ja projektiert, aber bewusst unvollständig belassen sind.

                         Abb. 8: „Puppe“, Frankfurt/Main, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr.
                                            Nach Andres 2000,  31 Abb. 3[112]

        Aus den entwickelten weiblichen Formen geht hervor, dass nicht unserem heutigen Puppen-Verständnis entsprechend Kleinkinder gemeint sind, sondern  junge Mädchen und Frauen.

        Von derselben Matrize wie das Beispiel in Frankfurt (Abb. 8) leiten sich weitere Statuetten ab, in Amsterdam[113] oder im Kerameikos von Athen[114]. Sie alle tragen einen Sakkos[115]. Weitere „Torsopuppen“ befinden sich in Berlin[116], München[117], New York[118]. Das Museum in Leiden besitzt einen weiblichen Unterkörper mit den Oberschenkeln[119]. Kataloge aus  London[120], Kopenhagen (mit Sakkos) [121], Königsberg[122], Würzburg (mit Sakkos)[123], Paris (mit sehr kurzen Oberschenkel-Ansätzen)[124], Corinth[125] zeigen Parallelen attischen Ursprungs[126]. Ebenfalls auf eine attische Werkstatt lässt sich ein weiblicher Schoß mit den Ansätzen von Oberschenkeln zurückführen; er stammt aus der  Umgebung des Mausoleums von Halikarnassos[127]. Nackte Frauen-Figuren mit Arm- und kurzen Bein-Stümpfen aus der Kyrenaika sind durch einen besonders breiten Stand ausgezeichnet. Eine von ihnen trägt Polos und Halskette. Die verkürzten Beine stehen auf einer rechteckigen Plinthe[128]. Eine weitere Statuette aus Kyrene folgt dem attischen Typus[129].

        Frauenkörper mit dem Ansatz von Extremitäten aus Theangela/Karien bezeichnet Ișik als Sitzfiguren, doch reicht anscheinend die geringe Beugung in den Hüftgelenken zu einer Sitzhaltung nicht aus[130]. „Torsopuppen“ aus Priene sind nach Rumscheid bisher nur im Grabungsinventar verzeichnet[131].

    In Tarent treten an die Stelle von Statuetten mit Extremitäten-Ansätzen eher nackte weibliche Halbfiguren ohne Unterkörper und Beine[132].

        Die Grabstelen jung verstorbener Mädchen mit „Torsopuppen“ in den  Händen sind ebenfalls attischen Ursprungs: Getty-Museum Malibu[133], Harvard University Art Museum Cambridge[134] (Abb. 9), Glyptothek München[135], Nationalmuseum Athen[136].

                               Abb. 9: Grabstele der Melisto, ca. 340 v. Chr.
                                           Nach Rühfel 1984, 175 Abb. 73 

        Gegen die Deutung der „truncated figures“ als Puppen spricht J. Reilly sich aus. Sie hält die entwickelten weiblichen Körper, „limbless“ figures, für anatomische Votive[137]. Weihgeschenke dieser Art seien an Göttinnen adressiert, denen das Übergangsstadium junger Mädchen zwischen Kore, Ehefrau und Mutter besonders am Herzen liege, also Artemis, Nymphen, Demeter, Kore/Persephone und Hera. Ob in den Händen vorzeitig verstorbener Mädchen wie auf attischen Grabstelen (Abb. 9) oder als Beigaben in Kinder-Gräbern seien sie geeignet, Bitten um Geschlechtsreife und fruchtbare Ehe posthum zu unterstützen in der Hoffnung, den jungfräulich Verschiedenen eine Art Ersatz für Hochzeit und Mutterschaft als dem wichtigsten Ziel im weiblichen Leben[138] zuteil werden zu lassen.                                                             

        Reilly ’s Interpretation als „anatomical votives“ ruft die große Zahl von Körperteil-Votiven in Erinnerung, die vor allem in etruskisch-italische Heiligtümer geweiht wurden. Dazu gehören weibliche und männliche Körper mit oder ohne Kopf, mit und ohne Kleidung und mit oder ohne Fensteröffnung zum Leibesinneren[139]. Sie alle muten als Weihgaben und Grabbeigaben heranwachsender Mädchen einigermaßen befremdlich an.

        Nach Neils und Oakley bestehe kein Grund, warum die „Torsopuppe“ nicht zwei Funktionen erfüllen sollte, nämlich als Weihgeschenk an eine Heilgottheit und als Spielpuppe – letzteres vor allem dann, wenn die Verstorbene noch so kindlich in ihre Beschäftigung mit Puppe und Spieltieren versunken sei wie Melisto[140] (Abb. 9). Eignen sich nicht ohnehin Puppen mit unvollständigen Gliedmaßen besonders gut als Spielzeug, weil sie von den kleinen Händen viel besser unterhalb der verkürzten Arme um die Mitte gefasst und aufgestellt werden könnten?[141] Auch Dörig befand das Weglassen der leicht abbrechenden Glieder bei den tönernen Spielpuppen für „äußerst zweckmäßig“[142].  

        Betrachten wir noch einen Typus nackter Gliederpuppen, auf deren Abdomen sich anatomische Details wie Nabel, Rippenbogen und Kompartimente des geraden Bauchmuskels abzeichnen. Dass es sich nicht um eine auf die Bauchdecke projizierte Gebärmutter handelt[143], sondern um subcutane Strukturen und um Einzelheiten innerhalb der Haut des Abdomens, zeigt ein Vergleich mit archaischen Kouroi und mit den Terrakotta-Statuetten Tarentiner Symposiasten aus derselben Zeit[144]

        Interessant ist die von Mollard-Besques favorisierte Deutung einer „Torso-Puppe“ als Göttin, speziell als „Coré“/Persephone [145]..Könnte  der Koroplast die Absicht gehabt haben, den Augenblick darzustellen, da die Göttin gerade aus dem Hades emportaucht und heraufsteigt (Anodos)?

         Abb. 10:  Hermes führt Persephone herauf, Glockenkrater, um 440 v. Chr.
                                           Nach Simon 21985, 101 Abb. 94

    Noch haften die Beine halb im Boden, doch die Gestalt ist schon dem Leben und der geliebten Mutter zugewandt[146] (Abb. 10).

    Abgekürzt zitierte Literatur und Abbildungsnachweis:

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    Becatti 1970/71: G. Becatti, Ninfe e divinità marine. Ricerche mitilogiche iconografiche e stlistiche, Stud.Misc. 17, 1970-1971

    Bell 1981: M. Bell, Morgantina Studies I The Terracottas (Princeton 1981)

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    Bol 1986: P. C. Bol, Liebieghaus – Museum alter Plastik III Bildwerke aus Terrakotta (Melsungen1986)

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    Dörig 1958: J. Dörig, Von griechischen Puppen, AntK 1, 1958, 41-52 Taf. 22-26

    Feubel 1935: R. Feubel,  Die attischen Nymphenreliefs und ihre Vorbilder (Diss HD 1935)

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    Fuchs 1962: W. Fuchs, Attische Nymphenreliefs, AM 77, 1962, 242-249, Beilage 64-69

    Geschenke der Musen 2003: Musik und Tanz im antiken Griechenland. Ausstellung Berlin 10.06.-31.08.2003 (Athen 2003) 208-210, Nr. 94-96

    Graepler 1994: D. Graepler, Kunstgenuss im Jenseits, in: Bürgerwelten (Mainz 1994) 43-58

    Graepler 1997: D. Graepler, Tonfiguren im Grab. Fundkontexte hellenistischer Terrakotten aus der Nekropole von Tarent (München 1997)    

    Güntner 1994: G. Güntner, Göttervereine und Götterversammlungen auf attischen Weihreliefs (Würzburg 1994)

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    Schauenburg 2007: K. Schauenburg, Zu einigen apulischen Vasen in Privatbesitz, in: NumAntCl  36, 2007, 113-135      

    Schwarzmaier 2015: A. Schwarzmaier, Gaben für eine nicht erlebte Hochzeit. Zu Funktion und Bedeutung einiger Terrakottatypen in klassischen Mädchengräbern in Athen, in: A. Muller – E. Laflι – St. Huysecom-Haxhi (Hrsg.), Figurines de terre cuite en Méditerranée grecque et romaine (Villeneuve d’Ascq 2015) 305-315

    Simon 1972: E. Simon, Hera und die Nymphen. Ein böotischer Polos in  Stockholm, RA 1972, 2, 205-220

             Simon 21981: E. Simon, Die griechischen Vasen ((München 21981)         

             Simon 31985: E. Simon, Die Götter der Griechen (München 31985)     Abb. 10

             Simon 2002: E. Simon, Embryo im Schoß der Aphrodite, Anodos 2/2002, 295-

             300

     Simon 2006: E. Simon, Anthropos. Der Mensch in der griechischen Bildkunst,  

     in: H.-R. Duncker (Hrsg.), Beiträge zu einer aktuellen Anthropologie (Stuttgart 2006) 353-368 

    Stillwell 1952: A. N. Stillwell, Corinth XV, II The Potter’s Quarter. The Terracottas (Princeton 1952)

    Strocka 2007: V. M. Strocka, Hermes und die Nymphen für Boioter, in: ΜΟΥΣΕΙΟΝ. Beiträge zur antiken Plastik. Festschrift zu Ehren von Peter Cornelis Bol (Möhnesee 2007) 131-139 

    Teatri 1974: Teatri class. in Asia min. IV (1974)      Abb. 3

    Van Straten 1981: F. T. van Straten, Gifts for the Gods, in: H. S. Versnel (Hrsg.), Faith Hope and Worship (Leiden 1981) 65-151

    Verg. Aen.: Vergil, Aenaeis (Stuttgart 32005)

    Vierneisel-Schlörb 1988: B. Vierneisel-Schlörb, Klassische Grabdenkmäler und Votivreliefs (München 1988)

    Wamser-Krasznai 2007: W. Wamser-Krasznai, Metamorphosen der Haut im antiken Mythos, in: Aktuelle Dermatologie 33/2007, 92-95

    Wamser-Krasznai 2012: Wie man sich bettet….Lager und Lagern in antiken Heil-Heiligtümern, Études classiques 80 (Namur 2012) 55-72

    Wamser-Krasznai 2013: W. Wamser-Krasznai, Für Götter gelagert. Studien zu Typen und Deutung Tarentiner Symposiasten (Budapest 2013)

    Wamser-Krasznai 2015: W. Wamser-Krasznai, Silphion – eine verschollene antike Wunderdroge? in: Fließende Grenzen (Budapest 2015) 50-53

    Wamser-Krasznai 2016: W. Wamser-Krasznai, Bene lava. Wasser und Baden in der Antike, in: Beschwingte Füße (Budapest 2016) 64-78

    Wamser-Krasznai, Artemis – eine Bärengöttin? in: dies. „Alpha-Götter“ (Filderstadt 2019) 109-121

    Winter I, 1903: F. Winter, Die Typen der figürlichen Terrakotten III, 1 (Stuttgart 1903)

    Zanker 1965: P. Zanker, Wandel der Hermesgestalt in der attischen

    Vasenmalerei (Bonn 1965)      Abb. 3


    [1] Simon 2006, 363.

    [2] Semideae, rusticae numinae, Ov. Met. I  192; RE XVII, 2, 1530.

    [3] DNP 8 (2000) 1071.

    [4] Krause 1871, 122. 178.

    [5] Plut. b. Stob. IV 16, 18; RE XVII, 2, 1530.

    [6] Hom. Od. 14, 432-436.

    [7] Hom. Od. 17, 205-210.

    [8] Hom. Od. 13, 96-112.

    [9] Kenner 1978, 98 Anm. 13 Taf. 37, 2; badend: Chalkidische Schale in Würzburg, LIMC VIII, 896 Nr. 71 Taf. 596. ferner Nr. 30 a Taf. 588. Nr. 40 a Taf. 592. Manchmal ist es lediglich eine Muschel, die den Schoß kaschiert, Diez 1980, 103 f. Taf. 18 f.  Kenner 1978, 98 Taf. 36. 37, 3.

    [10] Hom. h. An Hermes 4, 7.

    [11] LIMC III (1986) 199 Nr. 41 Taf. 156; Hes. Theog. 907 f.

    [12] Inselgruppe um Rhodos. LIMC III (1986) 199 Nr. 41 Taf. 156 (E. Harrison).

    [13] Bell 1981, 162-164, Nr. 253-264 Taf. 62.

    [14] Simon 1972, 209 Abb. 6.

    [15] Ișik 1980, 236 f. Taf. 24 f.

    [16] Anscheinend deutet sich neben einer von ihnen eine Quellgrotte an,  Ișik 1980, 181 f. 184 f. Taf. 9-16.

    [17] Paus. X, 12, 3; Orph. Arg. 648; RE 34, 1937, 1539..

    [18] Ov. met. I  192-195. Hom. Il. 20, 4-9.

    [19] RE XVII, 2, 1530

    [20] Hes. frg. 304 MW  (frg. 171, 5 Rz.); Simon 2006, 363.. .

    [21] Hom. h. 5 An Aphrodite  260; nach  Aristoteles (?) frg. 679 soll ihre Lebenszeit 1000 Jahre betragen,  Paus. X 10; RE XVII, 2, 1530. .

    [22] Hes. Theog. 180 f.

    [23] Hes. Theog. 126-195.

    [24] Hom. h. 5 An Aphrodite, 269-272; .

    [25] Ov. Met. VIII, 741-782.

    [26] Ov. Met. VIII, 815-880..

    [27] Krause 1871, 138. 161.

    [28] RE XVII, 2, 1536 mit Angabe verschiedener antiker Quellen.

    [29] Knauß 2012, 319-321 Abb. 21.26 – 21.29; ferner Kenner 1978, 103 Abb. 6 Taf. 39.

    [30] Hom. Il. VI, 419 f.; Hom. Od. VI, 102-105; IX, 154 f.; XIII, 355 f.;  XVII, 239; Hes. frg. 171, 5 Rz; Alk. frg. 11 D; RE XVII, 2, 1528. 1530.

    [31] Hes. Theog. 16; Themis ist eine Tochter des Uranos und der Gä; RE XVII, 2, 1527.

    [32] Orph. hym.51, 1; RE XVII; 2, 1528.

    [33] Hes. Theog. 136.

    [34] Hes. Theog. 337-345.

    [35] Plat. Phaidr.263 d.

    [36] Hes. Theog. 366.

    [37] Hes. Theog. 337-367.

    [38] Hes. Theog. 346-348; lat. „Nutrices“, Kenner 1974, 108 f.

    [39] Kenner 1978, 107 f. 

    [40] Zanker 1965, 78; „Ariadne: Sometimes confused with the nymph Ariagne“, Hadzisteliou Price 1978,  189.

    [41] Kenner 1978, 97.

    [42] Hom. Od. X 348-351.

    [43] Nonn.Dionys. XIII, 351 ff. Krause 1871, 145 f.

    [44] Hes. Theog. 211-216.

    [45] LIMC V (1990) 394.

    [46] Kenner 1978, 101.

    [47] Paus. VI  22, 7.

    [48] In der Landschaft Elis, im Nord-Westen der Peloponnes.

    [49] Paus. V, 5, 11; Wamser-Krasznai 2016, 70 f.

    [50] Pind. Ol XII 18; Diod. IV 23, 1 und V  3, 4; Strab. VI 275; RE VIII, 2, 1615 (Ziegler).

    [51] Wamser-Krasznai 2016, 71 Bild 5.

    [52] Paus. IX 4, 9.

    [53] Plut. Aristeid. 11, 3. 19, 6; Simon 1972, 2, 216.

    [54] Nicht zu verwechseln mit dem sizilischen Hirten gleichen Namens, Paus. X 5, 5.

    [55] Von Apollod. II, 4, 2.3. Namen und Zugehörigkeit erfahren wir nicht, Krause 1871, 147 Anm. 2 hält unter Berufung auf Ovid, Metamorphosen V, 540, die Avernalischen Nymphen für die Verantwortlichen bei der Abgabe und Rücknahme der Utensilien.

    [56] Amnisos: Kretischer Fluss, an dem ein Artemis-Heiligtum lag,  Kallimachos 2004,  Auf Artemis 403 und Anm. 1..

    [57] s. Nymphe beim Waschen des Kultbildes, Dionysos „Die Locken lang, ein halbes Weib?…(München 1987) 49 Abb. a.

    [58] Simon 1972, 216 f.

    [59] Verg. Aen. 1, 71-75.

    [60] Apoll. Rhod. II, 504 f. Bacchielli 1994, 54.

    [61] Bacchielli 1994, 45.

    [62] Hdt. IV 189, 2.

    [63] Micheli 2000, 43-60; Wamser-Krasznai 2015, 50-53.

    [64] Bemman 1994, 17; Hyg. astr. 2,3; Hyg. fab. 182; Eratosth. 13; Ov. fast. 5, 115-128; Pind. in Schol. Il. 21, 194. Münze aus Aigai, Zeit des Antoninus Pius: Amaltheia mit Zeuskind, Füllhorn und Ziegenkopf, LIMC I 1981, 583  Nr. 3 Taf. 437.

    [65] Bemmann 1994, 14 Anm. 12.

    [66] Im Westen der Peloponnes.

    [67] Paus. V 7, 2.

    [68] Ov. Met. V, 487-513. 572-642.

    [69] LIMC III (1986) 344 f.;  Ov. Met. I, 452-567; Wamser-Krasznai 2007, 92-95.

    [70] Ov. Met. III, 356-400.

    [71] Ov. Met. XV 482-599. 547-551; Plut. Leben des Numa 4.

    [72] Paus. IX  39, 2-5. 7. 8;  Hampe – Simon 21985) 5; Wamser-Krasznai 2012/13, 56. 65 f.

    [73] Paus. X  12, 1-7.

    [74] Paus. VIII 3, 6 f.

    [75] Wamser-Krasznai 2019, 113; dies. 2007, 96.

    [76] Paus. VIII 3, 7.

    [77] LIMC VIII, 891

    [78] Hom. Od. 7, 244-246. Ogygia ist fiktiv. Das maltesische Gozo und ein Inselchen südlich von Kreta streiten sich um die Ehre der Identifikation mit Ogygia.

    [79] Hom. Od. 5, 13-15.

    [80] Hom. Od. 7, 261-266.

    [81] Perse, Hom. Od. X  135-139; Hes. Theog. 956.

    [82] Hom. Od. XII 302.

    [83] Zwischen Eleusis und Salamis, Strab. IX 395, 13.

    [84] Hes. frg. 1011.

    [85] Am tyrrhenischen Meer, Latium, Strab. V 232, 6; Cic. nat. deor. III 48.

    [86] Verg. Aen. V, 732; VI, 126 f.

    [87] Inter Sicelidas Cyana celeberrima nymphas, Ov. met. V, 412. V 413 -440. 469-475; Bell 1981, 92 f..

    [88] Friedrich Schiller, Das eleusische Fest, 1798. Das Gedicht beginnt mit den Zeilen:

     „Windet zum Kranze die goldenen Ähren,

    Flechtet auch blaue Zyanen hinein…“ Der hiervon abgeleitete Name unserer Kornblume ist heute beinahe unbekannt.

    [89] Marg 526.

    [90] Pind. Pyth. IX v. 17 f.; Wamser-Krasznai 2015, 50 f.

    [91] Hom. h. An Hermes 4, 1-4.

    [92] Hes. Theog. 938 f. 

    [93] Hes. frg. 169 Merkelbach/West..

    [94] Apollod. 3, 8, 2.

    [95] Florenz, 570/565 v. Chr., LIMC  VI, 335 f. Nr. 14 Taf. 172; Simon 21981, 77 Taf. 52.

    [96] Soph. Troilos frg. 618.

    [97] Marg 324; Hom. Il. XVIII 35-85.

    [98] FriedrichSchiller, Nänie (1800).

    [99] Hes. Theog. 349-364; Wamser-Krasznai, Horn und Füllhorn, Abb. 1.

    [100] Verg. Aen. I 166-168.

    [101] Diez 1980, 107.

    [102] Himmelmann-Wildschütz 1957, 7 f.

    [103] Platon, Phaidros 238 c. d; Larson 2001, 13 f.

    [104] Klöckner 2001, 128. 

    [105] Himmelmann-Wildschütz 1957,  8; Apoll. Rhod. 1, 1207 ff. LIMC V, 577 Nr. 31 (J. H. Oakley). 

    [106] Nikandros frg. 48 Schneider; Schol. Aristoph. Plutus 1127; LIMC V, 374.

    [107] „Die reizvollste Entwicklungsstufe im weiblichen Leben“, Kenner 1978, 97.

    [108] Schauenburg 2007, 116 mit den Anm. 12-15.

    [109] Dörig  1958, 43 f.; Simon 2006, 361 f. In einem wohlbekannten Epigramm weiht Timarete-der Göttin Artemis „den kekryphalos …und die kórai (Puppen)…mitsamt den Puppengewändern“, Andres 2000, 9; Graepler 1997, 216-219 Anm. 137;  Rumscheid 1986, 225 Anm. 1386.

    [110] Andres 2000, 11 Abb. 3; ebenso Bol 1986, 82-85 Abb. 44; Simon 2006, 358 f. Abb. 6

    [111] Reilly, „Naked and Limbless“, 22000, 154. 

    [112] Kotera in: Bol 1986, 82-85 Abb. 44.  .   

    [113] Allard Pierson Museum, Lunsingh Scheurleer 1986, 29 Abb. 10.

    [114] Inv. 8698, Schwarzmaier 2015, 309 und Anm. 25 Abb. 6; Vierneisel-Schlörb Kerameikos XV (München 1997) 53 Nr. 146. 147 Taf. 30.

    [115] = Haube, die hinten in einer Spitze ausläuft.

    [116] Rohde 1968, 17 f. Abb. 19 a.

    [117] Hamdorf 2014, 163 D 35.

    [118] Reilly 22000, 161 Abb. 37.

    [119] Leyenaar-Plaisier 1979, 18 f. Taf. 4, 22.

    [120] Higgins 1967, 75 Taf. 30 B; ders. 1954, 182 Nr. 683 Taf. 89 (Kopf verloren).

    [121] Breitenstein 1941, 28 Nr. 266 Taf. 29.

    [122] Dörig 1958, 46 Taf. 25, 4; ferner ebenda 41-52 Taf. 22, 3. 24-26.

    [123] Schmidt 1994, 55 f. Nr. 58 Taf. 14 g.

    [124] Mollard-Besques 1954, 84 C 12 Taf. 56.

    [125] Merker 2000, 52 Anm. 205  MF-71-45 Taf. 75.

    [126] Hamdorf 2014, 163 äußert beim Exemplar D 35 Zweifel an der attischen Provenienz wegen der Tonqualität mit starkem Glimmergehalt.

    [127] Higgins 1954, 115 Nr. 373 Taf. 56.

    [128] Mollard-Besques 1954, 117 Nr. C 208. C 210 Taf. 83.

    [129] Winter 1903, 170, 3.

    [130] Iṣik 1980, 174 f. 186 f. Nr. 204. 205 Taf. 28.

    [131] Rumscheid 2006, 225 Anm. 1382.

    [132] Graepler 1997, 218 f.

    [133] Neils – Oakley 2003, 169 Nr. 68.

    [134] Neils – Oakley 2003, 307 Nr. 124 (unsere Abb. 9).

    [135] Vierneisel-Schlörb 1988, 65-71 Taf. 25 f.

    [136] Schwarzmaier 2015, 309 Abb. 8; Dörig 1958, 45 Taf. 23.

    [137] Reilly 22000, 162 f.  Abb 38; van Straten 1981, 106 Abb. 50. Ferner  Merker 2000, 49 f. C 106-C 109 Taf. 12.

    [138] Graepler 1994, 50; Schwarzmaier 2015, 310 f.. 315 Abb. 6; anders Simon 2006, 361 f. 

    [139] Recke – Wamser-Krasznai 2008, 49. 51. 119. 136 Abb. 46. 47; den Hinweis auf einen großformatigen männlichen Terrakotta-Körper mit Ansätzen von Extremitäten und intakter Vorderseite ohne Fensteröffnung, London, BM, Cat. Walters 1903, 371 Nr. D 439 Abb. 73, verdanke ich M. Recke, Frankfurt am Main; ferner Thorax und rechter Arm eines Mannes, Korinth, .Hygieia 2014, 226 Abb.96.   

    [140] Neils – Oakley 2003, 265. 307 Abb. 68. 124; Dörig 1958, 41. .

    [141] Unkonventioneller Vorschlag von Dipl. Ing. P. L. Krasznai, Budapest. 

    [142] Dörig 1958, 46.

    [143] Anders Schwarzmaier 2015, 310 Anm. 31 (mit Hinweis auf Exemplare der myrinäischen Aphrodite orientale, hinter deren  abnehmbarer Nabelpartie sich ein „Embryo“ befindet, dazu V. Dasen, Femmes à tiroir (Fribourg – Göttingen 2004) 141; ‚Initiation‘ aufwachsender Mädchen, Simon 2002, 297; Winter 1903, 169, 2; Stillwell 1952, 149 Nr. XX, 8. 9 Taf. 31.

    [144] Kouroi: E. Buschor, Frühgriechische Jünglinge (München 1950) 40 Abb. 44. S.86 f. Abb. 97; Martini 1990, 182 Abb. 58. S. 184 Abb. 60; Symposiasten: Levi 1926, 26 f. Abb. 28;  Wamser-Krasznai 2013, 182 Nr. 437 Abb. 83; dies., Fehldiagnose! In: Fließende Grenzen (Budapest 2015) 17 f. Bild 7. 8;  Winter 1903, 198, 7.

    [145] Mollard-Besques 1954, 83 f. C 10-C 12 Taf. 56.

    [146] Neils – Oakley 2003, 125 Abb. 13; Bérard – Vernant 1985, 165 f. Abb. 159.

  • Göttin mit Löwenfellkappe – Artemis Italica, 

    Auch nachdem die Diskussion um die Bezeichnung „Artemis Bendis“ für die unteritalische Göttin mit Löwenfellkappe weitgehend abgeschlossen war[1], feiert die irrige Ausdrucksweise weiterhin fröhliche Urständ[2]. Daher darf eine Anhängerin der Italischen Artemis vielleicht auf Nachsicht hoffen, wenn sie  wieder einmal Wasser ins Meer tragen will.

    Die Italische Artemis mit der Löwenfellkappe[3]

    Bekanntlich trägt die Italische Artemis eine spitze „phrygische“ Mütze mit einem Überzug aus Löwenfell. Dieser wird manchmal als „Skalp“ bezeichnet, doch ein Skalp besteht aus der Kopfschwarte vom Schädeldach[4]. Die Kappe der Göttin dagegen ist mit dem oberen Abschnitt des Löwengesichts, unter Einschluss der Nase und der Oberlippe bzw. des Oberkiefers geschmückt[5]. Der Ausdruck „Maske“, der bisweilen  begegnet[6], wird dem Sachverhalt eher gerecht. Löwentatzen fallen wie Tänien[7] von oben auf die Schultern herab (Abb. 1).

                                 Abb. 1: Artemis Italica, Gießen Inv. T I-14

                           Aufnahme: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main

    Gesicht im Löwenrachen: Herakles, Omphale? Artemis

    Im Anschluss an die erste der kanonischen Taten zeigt sich Herakles gern mit dem Fell des nemeischen Löwen, wobei das Gesicht des Heros aus dem  aufgesperrten Löwenrachen herausschauen kann, sodass Stirn und Wangen vom Kiefer des überwundenen Gegners gerahmt werden[8]. Ähnlich erscheinen auch weibliche Versionen wie „Omphale“ (Abb. 2) oder die Göttin Artemis[9].

                Abb. 2: Aus Kakopetria/Zypern, Omphale? Mitte des 5. Jhs. v. Chr.

                                Nach Karageorghis 1977, 186 Nr. 53 Taf. 64 

    Zur Ikonographie der Italischen Artemis

    Im Gegensatz zur gerundeten Tierkopfmütze des Herakles endet die Löwenkappe der Göttin in einer Spitze. Meist ist Artemis stehend dargestellt, in kurzem Gewand und mit hohen Stiefeln, weniger oft in einem langen Gewand. Darüber trägt sie einen symmetrisch auf den Rücken fallenden Fellmantel mit Löwentatzen, die vorn auf der Brust verknotet sind[10] oder ein nach Art des Schrägmantels drapiertes Fell, das entweder ebenfalls von einem Löwen stammt[11] oder aus der Decke eines Hirschkalbs besteht ( Nebris). In der freien Hand hält die Göttin einen Bogen, manchmal auch einen Köcher[12] (Abb. 3). Tiere sitzen oder stehen zu ihren Füßen und schmiegen sich in ihre Arme[13]. Eines ihrer weniger häufigen Attribute ist die Schale[14]. Weibliche Figuren mit Kreuzfackel und Ferkel, die aus demselben Kontext stammen, weisen auf die Nähe zu den chthonischen Göttinnen Demeter und Kore/Persephone hin. An die Stelle der Löwenfellkappe tritt bei ihnen eine polosartige Kopfbedeckung[15]

    Aus den Werkstätten von Tarent, Metapont, Herakleia und anderen koroplastischen Zentren Großgriechenlands und Siziliens gingen Hunderte von Artemis-Statuetten hervor[16]. Die Vorderseiten der Figuren stammen aus Matrizen, während die Rückseiten gewöhnlich offen belassen sind (Abb. 1b).

                      Abb. 3: Aus der Sammlung C. W. Lunsingh Scheurleer

                                                 AA 1932, 318 Abb. 1[17]

    Artemis in Thrakien

    Neben der genuin thrakischen Göttin Bendis ist auch die griechische Artemis keine Unbekannte in Thrakien. Für Herodot (4, 33. 5, 7) gehört Artemis zu den dort verehrten Gottheiten. Archäologische Zeugnisse für ihre Präsenz in Thrakien stammen jedoch aus späteren Jahrhunderten. Ein marmornes Relief in Sofia zeigt die Göttin auf einer Hirschkuh reitend, ein Typus, der mit der Ikonographie der Bendis nichts zu tun hat[18]. Die Weihinschrift ist in griechischen Buchstaben der römischen Kaiserzeit an die „Herrin Artemis“ gerichtet[19].

    Bendis die Fremde aus Thrakien im griechischen Kernland

    Während für Bendis in Thrakien Belege aus vor-hellenistischer Zeit fehlen[20], ist ihr Kult in Attika mehrfach nachgewiesen. Sie besaß ein Heiligtum in Laurion, wo man seit dem 5. Jh. v. Chr. thrakische Bergleute als Arbeiter im Silberbergbau beschäftigte[21]. Vor allem aber verehrte man „die Fremde“ im Hafenbezirk  von Athen. Zu Beginn der „Politeia“ schildert Platon die beiden feierlichen Prozessionen, die, getrennt für Thraker und für attische Bürger vom Athener Prytaneion ausgingen und zum Bendis-Heiligtum im Piräus führten[22]. Dieses lag nahe beim Heiligtum der Artemis Munichia[23]. Die Legitimierung des fremden Kultes erfolgte durch die Göttin Themis, deren Name inschriftlich neben dem der Bendis, der Artemis und des Jägers Kephalos auf einem attischen Skyphos erscheint[24].

    Artemis und Bendis – zwei Göttinnen mit gemeinsamen Aspekten

    Im Piräus wurden Bendis und Artemis zusammen verehrt[25]. Nach einer Scholie zu Platon sei die Bendis der Thraker gleichzusetzen mit der griechischen Artemis[26]. Hesych schließt seine Glosse zu den Thrakerinnen („Thrattai“) des Kratinos[27] mit den Worten: „und sie bezeichnen die MondgöttinalsBendis und Artemis“[28]. Derartige Gleichsetzungen kulminieren im Synkretismus späterer Zeiten, als man die thrakische Bendis bald mit Artemis Tauropolos, bald mit Hekate, sogar auch mit Kybele identifizierte[29].       

    Gemeinsame ikonographische Aspekte sind neben den begleitenden Tieren das kurze Gewand mit den hohen Stiefeln, die Nebris und eine phrygische Mütze[30],  freilich ohne  Löwenfell-Überzug, im Grunde also wenig spezifische Merkmale[31]. Die für Bendis charakteristische Kopfbedeckung, Alopekis, konnte dagegen in besonderen Situationen auch einmal von Artemis getragen werden. Das zeigt die Darstellung eines Satyrspiels zu „Iphigenie auf Tauris“ in der Umzeichnung einer heute verschollenen apulischen Amphora. Aus den Kulissen taucht links ein junger Satyr auf, rechts erscheint „Artemis Taurica“ in kurzem Gewand, hohen Stiefeln und einer Fellmütze mit langen Laschen. In einer Hand hält sie eine Fackel, in der anderen den Doppelspeer[32]. Iphigenie ist als Artemis-Priesterin festlich geschmückt und durch einen großen Schlüssel als Amtsperson ausgewiesen. Die beiden jungen Männer, Orest und Pylades, halten ebenfalls Doppelspeere bzw. eine Lanze mit zwei Spitzen in Händen. Hesych verleiht der Bendis zwar den Beinamen „dilonchos“, die mit den zwei Lanzen, doch ist das Attribut nicht Bendis-spezifisch. Göttliche und  heroische Gestalten wie Artemis und Kephalos[33], Orest und Pylades, können ebenfalls Doppellanzen tragen. Bisweilen gelten Terrakotta-Gruppen von Artemis mit einem Tier als Bendis[34], eine Folge der gemeinsamen Jägerinnen-Tracht, in Verbindung mit der phrygischen Mütze.

    Artemis und Bendis – zwei ganz verschiedene Gottheiten

    Wie die beiden Seiten des genannten Tübinger Skyphos[35] zeigen, unterschied man in Attika trotz der gemeinsamen Aspekte sorgfältig zwischen den beiden Göttinnen. Die Namen, „Artemis“ auf der einen und „Bendis“ auf der anderen Seite des Gefäßes sind wohlweislich beigeschrieben[36]. Bendis trägt ihre Fuchspelzmütze, Alopekis, Artemis dagegen ein zierliches Diadem.

    Auch im Umgang mit Tieren verhalten sich die beiden Göttinnen unterschiedlich. Auf den Bendis-Reliefs in Kopenhagen und London sind Tiere gar nicht angegeben[37]. Der Tübinger Skyphos zeigt neben Bendis ein Reh und auch zu Füßen der Marmorstatue in Mariemont sitzt ein kleines Tier[38]. An Artemis kommen die Vierfüßler, vor allem in großgriechischen Darstellungen, viel näher heran[39]. Sie hängen an ihr und hocken auf ihr. Sogar stehend wiedergegebene Begleittiere schmiegen sich eng an die Herrin[40], deren Art und Weise ein Rehkitz im Arm zu halten, nur mit der Souveränität einer Potnia Theron zu vergleichen sei[41].   

    Zahlreiche Zeugnisse belegen die Verehrung der Artemis auf italischem Boden[42]. Für die thrakische Bendis dagegen ist auf der Apenninen-Halbinsel literarisch nirgendwo ein Kult nachgewiesen[43]. Der Löwe, dessen Kopf und Fell das Bild der Italischen Artemis bestimmen, hat nicht das Geringste mit der Bendis- Ikonographie zu tun[44]. Gleichwohl ist vor allem für Tarent, Metapont, Herakleia und Santa Maria d’Anglona ein Bendiskult postuliert worden. Man  nahm dafür einfach die zahlreichen seit dem letzten Viertel des 5. Jhs. v. Chr. entstandenen Artemis-Statuetten mit phrygischer Mütze und darüber gezogener Löwenmaske in Anspruch. C. W. Lunsingh Scheurleer drückte sich noch einigermaßen vorsichtig aus, indem er von  „Vermutung“ und „Annahme“ sprach, ohne jedoch eine tragfähige Basis für die Anwesenheit der Bendis in Süditalien zu liefern[45]. Rüdiger, der sich sogar auf das Jahr 404 v. Chr. als angeblichen Zeitpunkt der Einführung des Bendiskultes in Tarent festlegte[46], blieb ebenfalls den Beweis für diese Behauptung schuldig.

    Phrygische Mützen auf Vasenbildern als Zeugnis für die Präsenz der Bendis in Unteritalien?

    In seiner ausführlichen Studie zu diesem Thema betrachtet Schauenburg[47] acht mögliche Bendis-Darstellungen auf unteritalischen Vasen. Meist hält die Göttin ein bis zwei Speere in der Hand und trägt eine phrygische Mütze[48]. Die übrige Bekleidung ist inhomogen[49] und stimmt mit dem Bild der Bendis, „wie es gesicherte Wiedergaben vermitteln“, so wenig überein, dass die „geläufige Deutung“ [als „Artemis Bendis“] ernsthaft bezweifelt werden muss[50]. Der Autor erläutert, warum er in den weiblichen Göttergestalten der besprochenen Vasenbilder durchweg Artemis erkennt, selbst dann, wenn sie als Taurika im Rahmen des Satyrspiels mit einer Alopekis geschmückt ist[51]. Zudem macht er darauf aufmerksam, dass die phrygische Mütze auch von Männern getragen werden kann, wenn sie als Nicht-Griechen gekennzeichnet werden sollen, und dass diese Kopfbedeckung in ihrer gezackten Form seit dem späten 5. Jh. v. Chr. zur Tracht des Herrschers gehört[52].   

    Artemis und ihre traditionell enge Beziehung zum Löwen

    „Da dich …zur Löwin Zeus gemacht“ heißt es bei Homer, Il. 21, 483. Aischylos, Agam.140, nennt sie die Gottheit, die Löwen zittern macht. Pindar sagt in dem für die Thebaner verfassten Dithyrambos:

    „Sie aber schreitet auf leichten Sohlen einher,
    Artemis, die ihre heimlichen Gründe verließ und in bukolischer Lust
    für Bromios[53] anschirrt‘ die Brut der reißenden Leuen…“[54];

    und Pausanias IX, 17. 2 berichtet vom steinernen Löwen vor dem Tempel der Artemis Eukleia in Theben.

    Zu den archäologischen Zeugnissen außerhalb Westgriechenlandsmüssen  wenige Stichworte genügen: Artemis-Hekate als Herrin der Tiere auf einer großen böotischen Amphora; Artemis mit Löwenfell aus einem Löwenrachen herausschauend, mit gespanntem Bogen, das Gesicht weiß bemalt und mit „weiblichem“ Auge; als Potnia Theron mit Hirsch und Löwen auf dem Klitias-Krater in Florenz; Perirrhanterion aus Samos in Berlin, um 650 v. Chr., mit der „dreigestaltigen Artemis-Hekate als Löwenbezwingerin“[55]; Terrakotta-Statuetten der Artemis als Löwen-Herrin aus Korfu[56]

    Funde aus dem Heiligtum der Artemis Orthia in Sparta, der Mutterstadt von Tarent: Terrakottafiguren hoheitsvoller Frauen, vor denen sich Löwen aufrichten[57]. Kleinformatige lakonische Bleigruppen mit geflügelten Frauen und gebändigten Löwen[58] erinnern an entsprechende, ebenfalls in archaischer Zeit entstandene Statuetten aus Metapont[59]. In Sizilien wurde die Verbindung von Artemis mit dem Löwen ebenfalls thematisiert[60]. Aus Calvi in Kampanien[61] kommt die ungewöhnliche Darstellung einer vierfach geflügelten Artemis mit zwei antithetisch aufgerichteten Löwen. Die beiden unter dem Peplos-Überschlag hervortretenden Flügel sind zur Stütze für die Hinterbeine der Tiere geworden. Während die Löwen der Herrin eine Vorderpranke an die Schulter legen, hält diese die jeweils andere Vorderpfote in erhobenen Händen. Das Relief verbindet eine in Kampanien beliebte und verbreitete Form tönerner Architekturplastik mit der Ikonographie der archaischen Potnia Theron und den stilistischen Merkmalen des 1. Jhs. v. Chr.[62].

    Löwenkappen als Kopfschmuck nicht-göttlicher anthropomorpher Wesen

    Von allen Göttern ist es nur die Italische Artemis, die eine Kopfbedeckung aus Löwenfell trägt (Abb. 1. 3); aber die einzige Gestalt mit einer derartigen Mütze ist sie nicht. Seit Anfang des 4. Jhs. v. Chr. werden in Großgriechenland auch nicht-göttliche, übermenschliche Wesen und sogar gewisse Sterbliche mit einem gleichartigen Kopfschmuck ausgezeichnet[63]. Ohne die Vermittlung durch spitze Mützen zieren Löwengesichter die Köpfe dämonischer Gestalten. An den Seiten treten kleine gebogene Flügel aus dem Lockenhaar hervor[64] (Abb. 4). Dieser Typus von Terrakotta-Antefixen wurde im Tarent des 4. Jhs. v. Chr. besonders häufig reproduziert.

                            Abb. 4: Tarentiner Antefix in Basel, ca. 325 v. Chr.

                                         Nach Herdejürgen 1983, 51 Abb. 5

    Zu den Eigenarten Tarentiner Koroplastik gehören auch die Darstellungen sterblicher Männer mit Löwenkappen (Abb. 5). Als Angehörige einer höheren Gesellschaftsschicht heben sich die Honoratioren der Stadt mit anspruchsvollen Attributen deutlich vom schlichten Bürger ab, vor allem wenn sie sich als Teilnehmer am Bankett auf Klinen lagern. Tänien und Rosetten an der ausgefallenen Kopfbedeckung unterstreichen ihre enge Vertrautheit mit der elitären Welt des Symposions[65].                      

                             Abb. 5: Bärtiger Symposiast mit Löwenfellmütze

                                       Nach Herdejürgen 1982, 57 Nr. 133

    Die Italische Artemis und ihre Kappen 

    Die Bandbreite der von Artemis getragenen Mützen reicht von „spitz“ bis „phrygisch“. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Kappenarten gibt Hinweise auf Typen, Varianten und Stilisierungen[66].

    Eine Lücke schließt sich

    Die beachtliche Lücke, die zwischen den archaischen Darstellungen der Löwenherrin einerseits und den Löwenfellkappen des 5./4. Jhs. v. Chr. andererseits zu klaffen schien, hatte dazu beigetragen, im Auftreten der phrygischen Mütze mit Löwenfell-Überzug einen Beleg für das „Erscheinen“ der thrakischen Bendis auf italischem Boden zu sehen[67]. Nur fehlt, wie mehrfach festzustellen war, hierfür die Bestätigung[68]. Aus den Grabungsergebnissen in der Umgebung von Metapont geht indessen eine Kontinuität der Artemis-Verehrung zwischen dem 6. und dem 4. Jh. v. Chr. hervor[69]. Eine im 4. Jh. v. Chr. entstandene Artemis-Statuette aus Tarent mit Löwenfellkappe und Bogen reflektiert das Potnia Theron-Motiv: an der linken Flanke der Göttin sitzt ein kleines vierfüßiges Tier (Hirschkalb?), ein anderes zu ihrer Rechten am Saum des Gewandes[70]. Ähnliches zeigt eine im 5. Jh. v. Chr. in Tarent geschaffene Statuette. „Die fast zärtliche Art, mit der sie [Artemis] den Panther gegen sich andrückt und dazu den Hirsch im Arm hält“, weist sie ebenso als Schützerin und Hegerin vor allem der kleinen Tiere aus wie als deren Herrscherin[71]. An einer anderen aus Tarent stammenden Artemisfigur mit Löwenfellkappe, Nebris und Bogen springen zwei kleine Vierfüßler empor. Von der Kline, auf der die Göttin lagere, ist nicht viel erhalten. R. A. Lunsingh Scheurleer beschreibt ein Polster, das den linken Arm stütze[72]. Auch die von C. W. Lunsingh Scheurleer vorgeschlagene Deutung der Unterlage (?) als Felsen, auf dem die Göttin sitze, wäre motivisch sehr ungewöhnlich[73].

    Artemis Bendis in Italien?

    Fragt man nun nach dem Grund der ebenso beliebten wie im Fall der Italischen Göttin mit Löwenfellkappe irreführenden Namens-Verbindung „Artemis Bendis“[74], so bleibt abgesehen von unkritischen Übernahmen aus früheren Publikationen immer ein und dieselbe Antwort: die Jägerinnen-Tracht in Kombination mit der phrygischen Mütze. Dabei wird der Löwenfell-Überzug, bei dem es sich um ein unabdingbares Detail, geradezu um das ‚Leitmotiv‘ in der Ikonographie der Artemis Italica, handelt, geflissentlich übersehen.                 

    Die Löwenfellkappe ist aber nicht nur Ausdruck einer ganz eigenständigen großgriechischen Artemisvorstellung[75], sondern – wie die Tarentiner Symposiasten mit gleichartigen Kopfbedeckungen zeigen – m. E. auch ein Merkmal spezifisch großgriechischer Ikonographie. Mag also die  Namensverbindung „Artemis Bendis“ für Attika und benachbarte griechische Landschaften hingehen[76], so muss sie im Hinblick auf die Italische Göttin mit der Löwenkappe schlicht als abwegig bezeichnet werden.  

    Abgekürzt zitierte Literatur und Abbildungsnachweis:

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    Wamser-Krasznai 27.03.2013: Italische Artemis, uni-giessen.terrakotten, Tarentiner Köpfe      Abb. 1 und 2  (Bild-Bearbeitung H. Zühlsdorf, Gießen)

    Wamser-Krasznai 22018: W. Wamser-Krasznai, Artemis italica, die Göttin mit der Löwenfellkappe, in: dies. Scholien und Spolien (Filderstadt 22018) 39-56

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    [1] „Artemis del tipo definito forse erroneamente come Bendis“, Lippolis 1982, 115; Lettta 1968, 306-312; ders. 1972, 122; Schauenburg 1974, 180; Schürmann 1989, 55; R. A. Lunsingh Scheurleer distanziert sich von der  Bezeichnung Artemis „Bendis“-Typ durch Verwendung von Anführungszeichen, ders. 1986, 71-73 Abb. 72. 73.

    [2] Bergamasco 2006, 135-152; Curti 1989, 23; Frizzi 1996, 153-155; Muller – Aubry 2016, 88 f. 91 Abb. 4-7; Osanna – Bertesago 2010, 451 f.; Poli 2010, 368-386.

    [3] „leontê“, Letta 1972, 121-123.   

    [4] Anzenberger 2001, 120 f.; Schürmann 1989, 54-56. 61 f.

    [5] Harden 1927, 93 f.  Abb. 1. 2. Der Autor meint wegen der fehlenden Mähne von Löwinnen sprechen zu müssen; dem ist kaum zu folgen, da es sich ja eben nicht um den Skalp, sondern um den oberen Abschnitt des Löwengesichts handelt. 

    [6] Anzenberger 2001, 17 f., eigentlich ‚Teilmaske‘ oder ‚unvollständige Maske‘.

    [7] Letta 1968, 308.

    [8] z. B. LIMC IV (1992) 734 Nr. 5. 11. 12 Taf. 444 f. s. v. Herakles (J. Boardman); Hermary – Mertens 2014, 226-239, Cat. 300-320); Karageorghis 1977, 186 Nr. 54 Taf. 64 f.; ein sehr ähnliches Bild bietet ein Terrakottakopf aus einem Votivdepot in Tarent, von Iacobone als Kopf der Artemis mit Löwenfellkappe ohne phrygische Mütze bezeichnet, dies. 1988, 30 f. Taf. 24 c. Indessen gleicht das Gesicht den bartlosen Männern vom Typ des zyprischen Herakles.  

    [9] Fragment von einem Dinos des Lydos, um 550/540 v. Chr., Simon 31985, 172. 174 Abb. 157.

    [10]Anzenberger 2001, 29 f. Abb. 2-5. 7 f. S. 34 Abb. 16-19; Letta 1968, 309 Taf. 1; Miller-Ammermann 1990, 40 f. Abb. 28;  Neutsch 1967, 167 Taf. 28, 2; Rüdiger 1967, 350 f. Abb. 22 a. b. Abb. 23 b. Abb. 24 c.

    [11] Letta 1968, 306;  C. W. Lunsingh Scheurleer 1932, 315 f. Abb. 2; Osanna – Bertesago 2010, 452 Abb. 10 d.

    [12] C. W. Lunsingh Scheurleer 1932, 315 f. Abb. 1 und 2; R. A. Lunsingh Scheurleer 1986, 72 f. Abb. 73.    

    [13] Reh, Hase, Hund, Panther? Frizzi 1996, 153 f.; Lo Porto 1961, 138 f. Abb. 13; Rüdiger 1967, 350 Abb. 23 b.

    [14] Rüdiger 1967, 350 f. Abb. 22 c. 24 a.

    [15] Curti 1989, 23 f.; Neutsch 1967, 134-136. 167-169. 191 Abb. 45 Taf. 28; Otto 1996, 97-123; Rüdiger 1967, 351 Abb. 24 d.

    [16] In Herakleia z. B. mehr als 2000 und in Santa Maria d’Anglona weitere 1000, Bergamasco 2006, 145-147; Metapont: „numerosi i frammenti“, Letta 1971, 121; Harden 1927,  93; Neutsch 1967, 167 Taf. 28; Rüdiger 1967, 348 f.

    [17] Ebenso Bergamasco 2006, 137 Abb. 1 a. b. 141 Abb. 2; Kopf: LIMC II (1984) 691 Nr. 925 Taf. 515 s. v. Artemis (L. Kahil); ebenso Deoudi 2015, 59 Abb. 10 , versehentlich „aus Laurion“.

    [18] LIMC II (1984) 771 Nr. 1 Taf. 577 s. v. Artemis in Thracia (A. Fol).

    [19] 2./3. Jh. n. Chr.; Deoudi 2010, 139  Nr. S 32  Taf. 36.

    [20] Die archäologischen Zeugnisse sind durchweg griechisch, LIMC III 1986, 95-97 Taf. 73 f. s. v. Bendis (Z. Gočeva – D. Popov); DNP 1997, 558; Curti 1989, 24.

    [21] Goette – Hammerschmidt 2004, 95. 280 f.; LIMC III (1986) 97 Nr. 8. Im Minendistrikt von Laurion sollen zwei Statuetten der Bendis gefunden worden sein, Hartwig 1897, 16 f.; Nilsson 1942, 170. M. Deoudi, die mir umgehend die Hartwig’sche Arbeit von 1897 mit einer Abbildung der rundplastischen Bendis-Statuette aus Laurion zugänglich machte, bin ich für ihre kollegiale Liebenswürdigkeit zu großem Dank verpflichtet. Dies. 2015, 49-59; Nilsson 1942, 142 f.

    [22] Plat. pol. 327 a. b; Xen. hell. II, 4, 11; Bergamasco 2006, 139; Simon 2016, 41.

    [23] Xenophon, Hellenika II, 4, 11; Curti 1989, 24. Hinweise auf weitere Kultstätten der Bendis in Griechenland: Deoudi 2010, 53 f.; Hartwig 1897, 2 f.

    [24] Watzinger 1924, 59 Taf. 41;  CVA Tübingen (5) Taf. 21 f.; Bergamasco 2006, 140 f. Abb. 2; Deoudi 2015, 58 Abb. 3 (nur die Seite mit Themis und Bendis); dies. 2003-2004, 46-51; Simon 2016, 40 f. 

    [25] Goette – Hammerstaedt 2004, 280 f. 

    [26] Hartwig 1897, 2; Deoudi 2003/2004, 53 Anm. 19, Scholia in Platonem (vetera) R 327 a.

    [27] Attischer Komödiendichter, Zeitgenosse des Aristophanes. Seine „Thrakerinnen“ entstanden  ca. 442 v. Chr.

    [28] Curti 1989, 24. Für Hilfe bei Übersetzungen aus dem Griechischen habe ich G. Bidmon, Butzbach, sehr zu danken..

    [29] Hartwig 1897, 3.

    [30] LIMC III (1986) 96 f. Nr. 3. 7. 9 Taf. 73 s. v. Bendis (Z. Gočeva – D. Popov).

    [31] Letta 1968, 308.

    [32] Schauenburg 1974, 184; Curti 1989, 26 f. Taf. 3, 2; Pickard-Cambridge 1956, 86 Abb. 14.

    [33] Watzinger 1924, 59 Taf. 41;  CVA Tübingen (5) Taf. 21 f.

    [34] Deoudi 2010, 58 Abb. 12; „aus Laurion“, dies. 2015, 59 Abb. 9; .“un grand chien de chasse“, Mollard-Besques 1954, 89 Nr. C 39 Taf. 62; „un jeune cerf“, LIMC II (1984) 690 f. Nr. 921 Taf. 515 s. v. „Artemis du type dit Bendis“ (L. Kahil); Winter 2, 163, 3 b. „Aus Tanagra“, irrtümlich:“das Fell auf der linken Schulter geknüpft“. Eine enge Parallele in London, angeblich aus  Korinth, wurde von Higgins wegen seiner Tonfarbe für attisch gehalten[34]. Die Gruppen unterscheiden sich kaum von einander. Das Tier wendet sich jeweils nach außen. Die Plinthe der Pariser Ausfertigung ist profiliert. Beide Gruppen dürften von derselben Matrize abhängen. Ähnlich ein Exemplar in Frankfurt am Main, das ebenfalls aus Korinth stammen soll. Hier steht Artemis mit einer Schale in der rechten Hand auf einer höheren rechteckigen Plinthe. Der neben ihr sitzende Hund wendet sich der Göttin zu.  

    [35] Watzinger 1924, 59 Taf. 41;  CVA Tübingen (5) Taf. 21 f.

    [36] Der Skyphos entstand Ende des 5. Jhs. v. Chr., Simon a. O. 40 f.

    [37] LIMC III 1986, 96 Nr. 3. 4.

    [38] Hartwig 1897, 4-15 Taf. 1 und 2; LIMC III (1986) 96 f. Nr. 3. 4. 7 Taf. 73 s. v. Bendis (Z. Gočeva – D. Popov).

    [39] Neutsch 1967, 167 f. Taf. 28, 1. 2; Rüdiger 1967, 350 Abb. 23 b.

    [40] Ein kleiner Vierfüßler an der linken Flanke, ein anderer am Gewandsaum rechts, De Juliis 1982, 295 Taf. 47 a und b; Lippolis – Garaffo – Naffissi 1995, 59 f. Taf. 19, 4; C. W. Lunsing Scheurleer 1932, 315 f. Abb. 1, unser Bild 3.

    [41] Letta 1968, 306. 315 Taf. 1..

    [42] Tarent: Harden 1927, 96; Lippolis – Garraffo – Nafissi 1995, 174-177 Taf. 48. Herakleia: Lo Porto 1961, 138-140 Abb. 14. 15. Metapont: Olbrich 1979, 80 f. 85; Simon 31985, 154.

    [43] Curti 1989, 29; Letta 1968, 311; Lippolis 1982, 114 Anm. 130; Schauenburg 1974, 178.

    [44] Letta 19 68, 308 f.; Wuilleumier 1939, 484.

    [45] C. W. Lunsingh Scheurleer 1932, 327-331; danach z. B. Schneider-Herrmann 1970, 53 f.

    [46] Rüdiger 1967, 351.

    [47] Schauenburg 1974, 181-186.

    [48] Ders. a. O. 185; Hartwig 1897, 6 f. Abb. 1.

    [49] Schauenburg 1974, 148 Abb.13: kurzes Gewand, hohe Stiefel, gezackte phrygische Mütze, zwei Speere; S. 149 Abb. 14: mit einfacher phrygischer Mütze; S. 159 Abb. 28: im langen geschürzten Gewand und mit hoher spitzer, ornamentierter Mütze, Schild und zwei Speeren; S. 170 Abb. 41: mit kurzem Gewand und Sandalen, zwei Speeren und kegelförmiger Mütze, S. 175 Abb. 44: in kurzem Gewand, Mantel und hohen Stiefeln mit zwei Speeren, Mütze mit Laschen und hoher nach hinten gebogener Spitze, vor dem sitzenden Kithara spielenden Orpheus, der eine Kappe mit nach vorn fallender Spitze trägt. Zweite weibliche Figur in ähnlicher Kleidung; S. 177 Abb. 45; geflügeltes weibliches Wesen mit phrygischer Mütze und ähnlicher Kleidung, Thymiaterion; S. 182 Abb. 46: Speer, kurzes Gewand, nackte Beine, gezackte phrygische Mütze; 182 Abb. 47: zwei Speere, kurzes Gewand, phrygische Mütze.

    [50] Schauenburg a. O. 184.

    [51] Curti 1989, 26 f. Taf. 3, 2; Letta 1968, 309; Schauenburg ebenda.

    [52] Dareios, Volutenkrater in Neapel, Trendall 1989, 89 Abb. 203..

    [53] = Dionysos.

    [54] Simon 2016, 86 f.

    [55] Simon 31985, 172 Abb. 157. S. 159 Abb. 144; S. 151 Abb. 139. S. 172 Abb. 157; S. 169 f. Abb. 153; S. 158 f. Abb. 144.

    [56] Lechat 1891, 25 Taf. 2,2 und S. 66 Nr. 64 Taf. 2,4 mit hängendem Löwen, der den Kopf zurückwendet; Dawkins 1929, 149 Abb. 108 Taf. 32, 1-3; Preka-Alexandri 2016, 229. 234 Abb 8.

    [57] Farrell 1907/08, 63 Abb. 6 a. b; Preka-Alexandri 2016, 234 Abb. 7. 8.

    [58] Dawkins 1929, 260 f. Abb. 119-121. 149 Abb. 108 Taf. 69; Thompson 1909, 293 f. Abb. 10.11.

    [59] Metapont, eine achäische Gründung in unmittelbarer Nähe von Tarent, Olbrich 1979, 79 f. B 54 b Taf. 44; A 125 Taf. 31. S. 76 A 122 Taf. 29; zur stilistischen koinè der Achäer s. Croissant in: E. Greco (Hrsg.), Gli Achei e l’identità etnica degli Achei d’Occidente, Coll. Paestum  Fevrier 2001 (2002) 397-413.

    [60] Terrakottafigur einer Artemis, die ihre rechte Hand auf den Kopf eines Löwen legt, Kekulé 1884, 66 f. Taf. 24, 3; Ferner Harden 1927, 97 f. 100 f.; Lippolis – Garaffo – Nafissi 1995, 174-177.

    [61] Vafopoulou – Richardson 1981, 42 Abb. 45; dies. 1991, 55 Abb. 66..

    [62] s. die Form der langen, eng gewundenen Korkenzieherlocken auf den Schultern der Göttin.

    [63] Letta 1971, 122 f. mit Anm. 378 f.

    [64] Borriello 1996, 106 f. Abb. 9.76; Letta 1968, 307;  Lulof 2007, 58-61 Nr.58-61 Taf. 18 f. und Farbtaf. V c; Herdejürgen 1982, 111 f. 132-135 Abb. 176. 177; dies. 1983, 48-55 Abb. 5; Schauenburg 1974, 179. 

    [65] ähnlich Hamdorf  2014, 274 Abb. D 384; Hübinger – Menninger 2007, 136 f. Abb. 64; ferner Sammlung  Lunsingh Scheurleer und Vergleichsstück aus Berlin, Antiquarium, ders. 1932, 330-334 Abb. 10. 13; Wamser-Krasznai 2013, 119.

    [66] s. Wamser-Krasznai 22018, 49 f.

    [67] Ein Typus ohne Vorläufer, bei dem es sich schlicht um eine Neu-Erscheinung handele, Bergamasco 2006, 136. 143; „Bendis è stata importata a Taranto …nel 404 av. Cr.“, Rüdiger 1967, 351.

    [68] Schauenburg 1974, 178. Letta 1971, 122-124 Anm. 375; Lippolis 1982, 114 Anm. 130.

    [69] Osanna – Bertesago 2010, 448-453 Abb. 8-10.

    [70] De Juliis 1982, 295 Taf. 47 a.

    [71] Schneider-Herrmann 1959, 55-57.

    [72] „Aanliggende“ = gelagerte Artemis, R. A. Lunsingh Scheurleer 1986, 71 f. Abb. 72. ; G. Jurriaans-Helle, Amsterdam, der ich für ihre freundliche Information zu großem Dank verplichtet bin, mahnt bis zum Auftreten einer vollständiger erhaltenen Parallele mit Recht zur Vorsicht.   

    [73] Ders. 1932, 319 f. Abb. 6; ebenso LIMC II, 1 (1984) 692 Nr. 933 s. v. Artemis (L. Kahil); G. Jurriaans-Helle, Amsterdam, der ich für ihre freundliche Information zu großem Dank verplichtet bin, mahnt bis zum Auftreten einer vollständiger erhaltenen Parallele mit Recht zur Vorsicht.

    [74] A. Muller – Chr. Aubry 2016, 88 f. 91 Abb. 4-7; Poli 2010, 368-387 Abb. 619-687; Bergamasco 2006, 135-152.

    [75] Stähler 1985, 96 f. Taf. 44 d.

    [76] s. auch „Bendis in Kleinasien“, Deoudi 2015, 49-59.

  •     Aristodemos führt im zweiten Buch seiner spaßigen Erinnerungen aus: Dem Musiker Dorion, der einen Klumpfuß hatte, kam bei einem Symposion der Schuh des behinderten Fußes abhanden. Da sagte er, Ich will dem Dieb nichts Schlimmeres wünschen, als dass ihm der Schuh passt.
    Athenaios, Gelehrtenmahl 8, 338 a. ( 2./3. Jh. n. Chr.)

    Der angeborene Klumpfuß manifestiert sich in ein- bis drei Fällen auf 1000 Geburten, in ca. 50 % doppelseitig. Jungen sind mehr als zweimal so häufig betroffen wie Mädchen. Die Fehlbildung setzt sich aus den Komponenten Pes equinovarus et adductus, supinatus et excavatus zusammen, d. h. aus Spitzfuß, Innendrehung und-Kippung, Sichel- und Hohlfuß. Eine familiäre Häufung war frühzeitig aufgefallen, doch konnte ein klarer Erbgang bis heute nicht nachgewiesen werden. Wie oft bei ungewisser Ätiologie weicht man auf die  sog. multifaktoriellen Ursachen mit exogenen und endogenen Faktoren aus[1]. Die fehlerhafte Entwicklung beginnt anscheinend in den ersten sechs Embryonalwochen[2]. Knöcherne Deformierungen und pathologische Gelenk-und Weichteilveränderungen sind die Folge. Im Rahmen der muskulären Imbalance kommt vermutlich dem Musculus tibialis posterior eine besondere Rolle zu[3].  

    Die Theorie des Verharrens der embryonalen Skelettanlage auf einer frühen Entwicklungsstufe, also einer Hemmungsmissbildung, wurde im Kern bereits 1592 formuliert[4]. Um 1652 hielt man ein „Versehen“ der Mutter, französisch envie[5], bzw. eine starke „Einbildung“ für ursächlich. Gegen 1782 dominierte die Vorstellung von einem Platzmangel im Mutterleib[6].

    Für die Therapie gelten heute ähnliche Richtlinien wie zur Zeit des Hippokrates: sie soll möglichst rasch nach der Geburt einsetzen. Mit dem Schlagwort „zuerst behandeln, dann abnabeln“ wurde diese Forderung auf die Spitze getrieben.

        Bei denjenigen, welche von Geburt an einen  krummen Fuß haben, ist dieser Zustand in den meisten Fällen zu heilen, es müsste denn die Verbiegung eine sehr bedeutende sein. Am besten ist es demgemäß, wenn man derartige Zustände möglichst rasch ärztlich behandelt…Die Gänge des Verbandes lege man in derselben Richtung, in welcher auch die Einrichtung des Fußes durch die Hände stattgefunden hat, damit der Fuß eher etwas auswärts gekehrt erscheint [d. h. in Überkorrektur]. Man muss, um es mit einem Worte zu sagen, wie ein Wachsbildner die in widernatürlicher Weise verbogenen und verzerrten Teile in ihre richtige natürliche Lage zurückzuführen suchen, indem man einerseits mit den Händen, andererseits mit dem Verbande, und zwar in ähnlicher Art, die Einrichtung bewirkt. Man darf dabei aber nicht gewaltsam zu Werke gehen, sondern muss es behutsam machen.

    (Hippokratische Schriften, Band 3, Abschnitt 4 De articulis/περὶ Ἂρθρων[7])

                            

    Abb. 1:  Klumpfuß und Behandlung um 1768 . Nach Valentin 1961, 75 Abb. 57
                                   

    Vorsichtig redressierend nutzt man die noch vorhandene biologische Plastizität des Gewebes, um eine Korrektur zu erzielen, die man anschließend bei gebeugtem Knie in einem Oberschenkel-Gips fixiert[8]. Der Wechsel des Gipsverbandes erfolgt anfangs ein- bis zweimal wöchentlich. Nach fünf bis achtmaligem Redressement und Umgipsen wird eine Schiene angelegt, die in den ersten drei Monaten ganztägig, bis zum 4. Lebensjahr nur noch nachts zu tragen ist. Die Spitzfußkomponente bleibt zunächst bestehen, soll jedoch möglichst noch vor dem Erlernen des Laufens durch eine Achillotenotomie korrigiert werden.

    Die Zeitspanne zwischen Hippokrates von Kos und dem Beginn des 16. Jahrhunderts ist weitgehend dunkel. Um 1500 entstehen die ersten korrigierenden Schienen, zunächst aus Holz, dann aus Eisen. Den Rat zum behutsamen Vorgehen hat man nicht immer befolgt. So weist Franciscus Arcaeus (ca. 1493-1573) das Hilfspersonal an, den Knaben von einem kräftigen Kerl auf die Knie nehmen zu lassen, die Hände und Beine hinter sich gebunden. Danach gehe der Wund-Artzt hinzu und ziehe den Fuß mit großer Gewalt aus und bemühe sich denselben wieder einzurichten[9]. Doch der starke Druck des blockierten Talus, des Sprungbeins, auf die Knöchelrolle verursacht schwere Knorpelschäden[10]. Gewaltsame Repositions-Manöver mit anschließender brutaler Apparate-Versorgung des rechten Beines musste auch der 1788 geborene Lord Byron über sich ergehen lassen. Der Knabe litt Qualen, ohne dass Besserung erfolgte[11]. Die später von seinem Reisegefährten Trelawny beschriebene Deformität beider Füße und eine postmortale Untersuchung der Beine sind nicht bestätigt[12]. Byron hat die Vorteile der seit 1837 zunächst in London praktizierten Achillotenotomie um 13 Jahre verpasst[13].

    Wie hilflos man noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts vielerorts dem Klumpfuß  gegenüber stand, schildert der orthopädische Chirurg  L. Strohmeyer, der 1830 an einer Tagung der Naturforscher in Hamburg teilnahm. Unter allgemeiner Zustimmung der vorzüglichsten deutschen Chirurgen wurde ein mit Klumpfuß behaftetes Mädchen von 20 Jahren trotz Strohmeyers Vorschlag, es doch erst mit weniger radikalen Eingriffen zu versuchen, amputiert[14].    

    Strohmeyer übernahm die zuerst in Frankreich praktizierte subcutane Form der Achillotenotomie und publizierte sie in deutschen und erneut in französischen Zeitschriften. Nach 1835 konzentrierte sich V. Duval ganz auf die erfolgreiche operative Therapie der Spitzfußkomponente. Sein 1839 erschienenes Buch, „Traité pratique du pied bot“, Praktische Behandlung des Klumpfußes, veranlasste den Arzt Dr. Charles Bovary in Flauberts berühmtem Roman „Madame Bovary“ zur Achillotenotomie an einem behinderten Knecht. „Charles stach in die Haut; man hörte ein kurzes Knacken. Die Sehne war durchtrennt, die Operation war beendet.“[15] Wie die Leser des Romans wissen blieb leider der gewünschte Erfolg aus. Es kam zur Gangrän und der Hausknecht musste amputiert werden.

    Während meiner operativen Ausbildungszeit erlebte ich einen vergleichbaren besonders unseligen Fall. Eine Tänzerin litt berufsbedingt an einer ausgeprägten Paratenonitis achillea, einer schmerzhaften Entzündung der Weichteile in der Umgebung der Achillessehne. Nach wiederholten konservativen Therapieversuchen, zu denen damals noch die Infiltration mit Cortico-Steroiden gehörte, und ebenso zahlreichen Rezidiven entschloss sich der behandelnde Oberarzt, das entzündete, verquollene Gewebe um die Achillessehne herum operativ anzugehen. Eine schwere Eiterung war die Folge. Stück für Stück ging die gesamte Achillessehne der Tänzerin verloren. Am Ende blieb nur eine Unterschenkelamputation. „Da musste dann schon das ganze   Wiedergutmachungs-Repertoire aufgefahren werden“, war der gemütvolle Kommentar der lieben Kollegen. Ich konnte froh sein, meine eigenen Finger nicht in der Wunde gehabt zu haben.      

    Zurück zum Klumpfuß und in den Olymp. wo der klumpfüßige Künstler-Gott Hephaistos dringend erwartet wird, um den Bann zu lösen, der seine Mutter Hera auf dem von ihm geschmiedeten Thronsessel fixiert[16].

        Mein Sohn freilich, Hephaistos, den selbst ich gebar, ist ein Schwächling
    …mit krummen Füßen[17].
    Einst packt ich ihn grad an den Händen und warf ihn ins weite Meer;
    doch Thetis, die silberfüßige Tochter des Nereus,
    Fing ihn auf und versorgt ihn im Kreis ihrer Schwestern.
    (Homerischer Hymnos an Apollon, 316-320)

    Verständlich, dass Hephaistos sich für die Lieblosigkeit seiner Mutter ein wenig rächt.

                    

    Abb. 2: Rückführung des Hephaistos, 600-580 v. Chr..  Nach: Simon 31985, 219 Abb. 204

    Man erkennt die nach hinten gekrümmten Füße, die ihm den Beinamen κυλλοποδίων, der Krummfüßige, eingetragen haben[18].

    Nach dem Ende der hocharchaischen Zeit stellt man die Behinderung des Hephaistos weniger drastisch dar. Sie wird allenfalls angedeutet, beispielsweise durch einen unter die Achsel gestützten Stab (Abb. 3[19]) oder sie bleibt ganz außer Acht. 

                      

    Abb. 3: Athena und Hephaistos, Ostfries des Parthenon.   Nach Simon 31985, 228 Abb. 217

                                      

    Abgekürzt zitierte Literatur und Bildnachweis:

    Brommer 1978: F. Brommer, Hephaistos. Der Schmiedegott in der antiken Kunst (Mainz 1978)

    Goebel – Gille – Löhr 2005: E. Goebel – J. Gille – J. F. Löhr, Lord Byrons Klumpfuß. Historische Vignette, Der Orthopäde 34/ 2005, 75 f. 

    Laser 1983: S. Laser, Medizin und Körperpflege, ArchHom S (Göttingen 1983)

    Loeschcke 1894: G. Loeschcke, Korinthische Vase mit der Rückführung des Hephaistos, AM 19, 1894, 510-525 Taf. 8

    Michler 1963: M. Michler, Die Klumpfußlehre der Hippokratiker. Eine Untersuchung von De Articulis Cap. 62. Mit Übersetzung des Textes und des Galenischen Kommentars (Wiesbaden 1963) 

    Rössler – Rüther 2007: H. Rössler – W. Rüther, Orthopädie und Unfallchirurgie (München 2007)

    Simon 31985: E. Simon, Die Götter der Griechen (München 31985)       Abb. 2. 3

    Trelawny 1986: E. J. Trelawny, Letzte Sommer. Mit Shelley und Byron an den Küsten des Mittelmeeres (Berlin 1986)

    Valentin 1961: B. Valentin, Geschichte der Orthopädie (Stuttgart 1961) 6. 67-106      Abb. 1

    Wamser-Krasznai 2012/2013: W. Wamser-Krasznai, Hephaistos – ein hinkender Künstler und Gott, in: dies., Auf schmalem Pfad. Grenzgänge zwischen Medizin, Literatur und den schönen Künsten (Budapest 22012/2013) 72-82

    Wright 1986: D. Wright, Einleitung zu Edward John Trelawny, Letzte Sommer. Mit Shelley und Byron an den Küsten des Mittelmeeres (Berlin 1986)


    [1] Für entsprechende Informationen danke ich den Humangenitiker*innen  Prof. Dr. Ursel Theile, Mainz, und Prof. Dr. Ulrich Zechner, Frankfurt am Main.

    [2] E. Wrage-Brors, Ergebnisse chirurgischer Klumpfußversorgung…Diss. Hannover 10.10.2006.

    [3] Rösler – Rüther 2007, 322-324; Valentin 1961, 79; T. Chr. Grünewald, Mittel-bis langfristige Ergebnisse bei Pat. mit Klumpfußrezidiv…Diss. Köln 29.7.2009;  L. M. J. von Pfister, Der Klumpfuß, Diss. München 9.7.2014.

    [4] Hieronymus Fabricius ab Aquapendente, Valentin 1961, 71.

    [5] Valentin 1961, 74. 77.

    [6] P. Camper, Abhandlung über den besten Schuh, Valentin 1961, 81.

    [7] Hippokrates (ca. 460-370 v. Chr.) Hippokratische Schriften, Band 3, Abschnitt 4 „De articulis“,  München 1900, 152; Valentin 1961, 5 f.; Michler 1963, 5-16.

    [8] Besser: Gipsverband des ganzen Beines. Rösler – Rüther 2007, 324; erste Erwähnung der Gipsbehandlung im 10. Jahrhundert durch arabische Ärzte, Valentin 1961, 8.

    [9] Valentin 1961, 67 f.

    [10] Rössler – Rüther 2007, 324.

    [11] George Gordon Noel Lord Byron. Goebel – Gille – Löhr 2005, 75 f.

    [12] Wright 1998, 14. 25. 32; Trelawny 1998, 190-192.

    [13] Goebel – Gille – Löhr 2005, 76.

    [14] Valentin 1961, 94.

    [15] Gustave Flaubert (1821-1880), Madame Bovary.

    [16] Apul. Amphora, 330/320 v. Chr., LIMC (1988) 639 Nr.126 Taf. 392.

    [17] ῥικνὸς πόδας, Laser 1983, S 18 und Anm. 34.

    [18] Loeschcke 1894, 512 Taf. 8; Laser 1983, S 18 Anm. 34. Mit der Bezeichnung ist die Varusstellung des Fußes gemeint.

    [19] Parthenon-Fries, ca. 440 v. Chr., s. Brommer 1978, 242 Taf. 50,2; Wamser-Krasznai 2012/13, 73 Abb. 3.

  •     Der Anblick eines vorgewölbten Augapfels/Bulbus bei antiken Figuren (Abb. 1) lässt engagierte Mediziner*innen  an das Symptom des Exophthalmus denken. Da den vielen in gleicher Weise gestalteten Augen bei archaischen Statuen gewiss keine krankhafte Bedeutung zukommt, wollen wir in entsprechenden Fällen die pathologisch stigmatisierte Bezeichnung Exophthalmus lieber in Gänsefüßchen setzen. Unter einer Ptosis verstehen wir bekanntlich ein auffallend weit herunter gezogenes Oberlid, das als Merkmal bei antiken Statuen[1] ebenfalls keinen Krankheitswert besitzt und daher mit  Anführungszeichen versehen werden soll.   

                

     Abb. 1: Der Kuros vom Heiligen Tor, Athen, ca. 620-600 v. Chr.,      
                                          Aufnahme der Verfasserin

        Ein Glanzlicht der Ausgrabungen des Deutschen Archäologischen Instituts   auf dem Athener Kerameikos war 2002 der „Kuros vom Heiligen Tor“ (Abb. 1)[2], der wegen seiner engen Vergleichbarkeit mit dem 1916 aufgefundenen Dipylon-Kopf[3] dem sog. Dipylon-Meister zugeschrieben worden ist. Beide Köpfe zeichnen sich durch eine gleichartige Haar-Teilung  über der hohen Stirn sowie durch große vorgewölbte, von schmalen scharfkantigen Lidern eingefasste Augäpfel aus. Während sich das Oberlid über eine sanfte Mulde mit der Augenbraue verbindet, setzt sich das Unterlid deutlich von der Wangenpartie ab.

        Der ‚Exophthalmus‘ ist in archaischer Zeit ein Merkmal beider Geschlechter. Fragt man sich, warum die Künstler dieser Epoche die Augenpartie ihrer Statuen derart von der Natur abweichen ließen, so denkt man an das sog. archaische Lächeln (Abb. 2), das ähnliche Fragen aufwirft. Wir sehen darin ein Mittel zur Belebung der Gesichter bei Personen, die im Begriff sind, den Dialog mit dem Betrachter aufzunehmen[4].

     Abb. 2: Attische Kore, Altes Museum Berlin, gegen 600 v. Chr.,  
                                              Aufnahme der Verfasserin

        Möglicherweise ist diese Annahme auch auf die riesigen vorgewölbten Augen zu übertragen.

        Spätestens in der Frühklassik verliert sich das Merkmal des vorgewölbten  Bulbus, der nun allmählich in die Augenhöhle zurücktritt[5].

    Am Übergang von der römischen Republik in die Kaiserzeit begegnet bei einzelnen Porträts des Octavian/Augustus[6] sowie bei denen der Livia und deren Sohn Tiberius ein mäßiger ‚Exophthalmus‘. Die Bildnisse von Mutter und Sohn sind darüber hinaus durch eine große Distanz zwischen den Augen und eine breite Stirn miteinander verbunden[7].   

        Der Blick aus den Augen antoninischer und severischer Zeit wird bald als melancholisch verschleiert, bald als besonders intensiv beschrieben[8]; eine Fundgrube für die Ikono-Diagnostik!

        Die Bildnisse der Faustina maior, Gattin des Antoninus Pius, sind meist durch große, etwas hervorquellende Augen gekennzeichnet, die von schweren Oberlidern beinahe zur Hälfte bedeckt werden [9].

                  Abb. 3: Porträt aus der Zeit der Faustina maior, 140-150 n. Chr.

                                           Nach: Fless 2006, 175 Abb. 471

        Private Porträts nähern sich den kaiserlichen Bildnissen an (Abb. 3), sowohl in der Haartracht als auch in der Physiognomie[10]. ‚Exophthalmus‘  und ‚Ptosis‘ der  älteren Faustina werden noch übertroffen von denen ihrer Tochter, Faustina minor [11].

                         Abb. 4: Faustina minor. Nach Hafner 1993, 118 Abb. b.

        Eines von den 12 Kindern der jüngeren Faustina ist der spätere Kaiser Commodus, dem sie die vorquellenden Augen vererbt habe[12]. Es wurde auch vermutet, dass Mutter und Sohn an der Basedow’schen Krankheit gelitten hätten. Wegen dessen „Halsleidens“ nämlich[13] habe Faustina den berühmten kaiserlichen Leibarzt Galen konsultiert. Dieser schreibt dazu: Von meiner Behandlung des Commodus wird erzählt, sie sei äußerst bemerkenswert, aber sie ist alles andere als das. Der Knabe hatte eine schwere Mandelentzündung und wurde nach konsequenter Applikation einer Mischung aus Honig und Rosenwasser wieder gesund[14]. Im Übrigen sollten wir uns vor einer diesbezüglichen retrospektiven Pathographie hüten, denn die Ptosis gehört nicht zu den Symptomen der Merseburger Trias[15]; vielmehr ist der Basedow-Exophthalmus mit einer weiten Lidspalte und einer Retraktion des Oberlids[16] vergesellschaftet.

        Schon die Jugendbildnisse des Commodus sind durch vorquellende Augäpfel und weit herabhängende Oberlider bestimmt (Abb. 5).                                        

                  Abb. 5: Der junge Commodus (Regierungszeit 180-191 n. Chr.) 

                          Nach: Bianchi Bandinelli 1970, 282. 293 Abb. 329

    Die ungewöhnliche Augenpartie war offenbar so charakteristisch, dass sie für die Gestaltung aller fünf  Bildnistypen einschließlich der berühmten Halbfigur des Kaisers als Hercules[17] übernommen wurde.  

       Die vier Porträts seines Vorgängers und Vaters geben den Kaiser Marc Aurel (Regierungszeit von 161-180 n. Chr.) ebenfalls mit stark hervortretenden Augen wieder; die besonders enge Lidspalte dagegen scheint auf die beiden späteren Bildnistypen beschränkt zu sein[18].

                            Abb. 6: Marc Aurel, Rom, Kapitolinische Museen

                                        Nach Bergmann 21988, 17 Abb. B.

        Damit weisen vier Mitglieder einer Familie einen vorquellenden Bulbus, ‚Exophthalmus‘ und ein mehr oder weniger hängendes Oberlid[19], ‚Ptosis‘, auf (Abb. 3-6): Faustina maior (=die Ältere, Gattin des Kaisers Antoninus Pius), Faustina minor (=die Jüngere, beider Tochter, Gattin Marc Aurels), Kaiser Marc Aurel (Adoptivsohn des Antoninus Pius), Kaiser Commodus (Sohn der Faustina minor und – wahrscheinlich – des Marc Aurel). Der Vorbehalt basiert auf Gerüchten vom ausschweifenden Lebenswandel der jüngeren Faustina[20]. Allerdings ähnelt die Augenpartie des Commodus – bei aller sonstigen physiognomischen Verschiedenheit – der Augendarstellung des jugendlichen  Marc Aurel[21].  

    Nach der Ermordung des Commodus und einem turbulenten Mehr-Kaiser-Jahr  führen die Severer formal und inhaltlich die antoninische Tradition fort[22]. Julia Domna, die Gattin des Kaisers Septimius Severus (Regierungszeit 193-211 n. Chr.) stammt aus Syrien und wurde als Tochter einer angesehenen Familie mit erblichem Priesteramt geboren. Ihre Porträts weisen einen ausgeprägten ‚Exophthalmus‘ und dickliche Lider[23] auf (Abb. 7), doch sind ihre Augen im Gegensatz zur ‚Ptosis‘ des Marc Aurel z. b. im 4. Bildnistypus (Liebieghaus – Capitol[24]) weit geöffnet.

                          Abb. 7: Julia Domna (160-217 n. Chr.) Athen, Agora

                                             Nach Harrison 1960, Abb. 23

        Ihre  Perückenfrisur ist unverkennbar, doch lässt das Nackenhaar vermuten, dass die Umarbeitung von einem Damen-Porträt antoninischer Zeit in eines der  severischen keine allzu großen Probleme aufwarf[25].

        Was nun die häufige Darstellung des ‚Exophthalmus‘ und der ‚Ptosis‘ in der antoninisch-severischen Epoche betrifft, so können wir einerseits von einem verbreiteten zeitspezifischen ‚Schönheitsideal‘ ausgehen – dafür spricht schon die Übernahme von Merkmalen kaiserlicher Bildnisse in das Privatporträt[26] – andererseits von einem „gewissen realistischen Hintergrund in der Physiognomie“[27](Faustina minor – Commodus, Marc Aurel – Commodus, Abb. 4-6 und Bergmann 21988, 23 Abb. 26. Dazu in augustäischer Zeit: Livia – Tiberius, s. o. Anm. 7)

        Exkurs zum „Annette von Droste-Hülshoff-Syndrom“:

    Diese Bezeichnung ist bei aller Plastizität wenig gebräuchlich. Der Essener  Ophthalmologe Prof. Dr. G. R. E. Meyer-Schwickerath hat sie Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts geprägt. Er erkannte bei der Dichterin ein „echtes psycho-physisches Syndrom…in dessen Mittelpunkt die Frühgeburt, der Augenschaden und die ungewöhnliche Intelligenz gehören“. Der „Augenschaden“ habe in einer hochgradigen Myopie von 10-15 Dioptrien mit dem zugehörigen myopischen Schein- Exophthalmus und einem Pseudostrabismus divergens bestanden[28].    

    Als eigentliche Bedrohung und Limitierung ihres Lebens galt die Tuberkulose[29], auch wenn diese Diagnose nicht ausdrücklich gestellt wurde. Von ihrem jüngeren Bruder Ferdinand dagegen heißt es, er sei an der Schwindsucht gestorben. Während seiner letzten Lebensmonate hatte die Droste ihn hingebungsvoll gepflegt und war nach seinem Tod selbst so schwer erkrankt, dass ihre Schwester Jenny um ihr Leben fürchtete. In Briefen erwähnt die Dichterin häufig Krankheiten und Empfindlichkeiten, sehr heftige Kopfschmerzen…dass ich meine Geisteskräfte der Zerrüttung nahe glaubte[30]Die kalte Kellerluft der Kirchen ist etwas Entsetzliches für Gesichtsschmerzenmein bekannter Äquinoktialhusten, …Fieber und Beklemmung und dabei halbtot husten…  Fieber… mutterseelen allein…fiebernd und würgend, …wenn ich gerade im Fieberschweiß lag…als ich so elend aus dem Wagen stieg und..ohnmächtig wurde…die inneren Krämpfe…ich fühlte mich sehr krank, glaubte nicht an Besserung und wollte bei den Meinigen sterben…meine Nerven in einem Zustande der Überreizung…ungeheuer schwach…meine Phantasie arbeitet nur zu sehr…Gott, dürfte ich jetzt schreiben, d. h. diktieren, wie leicht würde es mir werden[31].

    Den Ärzten bringt die Droste weniger Vertrauen entgegen als ihrem homöopathisch orientierten Therapeuten. Dieser hält Symptome penibel in einem Krankenblatt fest: Sehr bedeutende Abmagerung mit Hinschwinden der Kräfte; verdächtige Röte auf den eingefallenen Wangen; beständige Stiche in der linken Seite, fortwährende Brustbeklemmung wie von

    zusammengeschnürtem Brustkasten, dabei große Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit hinsichtlich der Genesung[32].

    All das ist wenig spezifisch, keine Rede von Blutsturz oder Bluthusten. Selbst wenn sie bisweilen davon überzeugt gewesen sein sollte, „sich bei der Pflege

    ihres Bruders an der Schwindsucht angesteckt zu haben“[33], so zögert sie nicht, sich von Geschichten zu distanzieren, deren Heldin eine solche zarte, überspannte Zehrungsperson ist… Ich wollte neulich eine Novelle schreiben und hatte den Plan schon ganz fertig. Meine Heldin trug schon zu Anfang der Geschichte den Tod und die Schwindsucht in sich und löschte so nach und nach aus. Dies ist eine gute Art, die Leute tot zu kriegen, ohne dass sie brauchen den Hals zu brechen oder an unglücklicher Liebe umzukommen.

    Sie gibt den Plan auf, nachdem sie vier gleichartig tragische Geschichten aus der Leihbibliothek hat lesen müssen[34]. Nun schließen derartige Betrachtungen der Droste eine entsprechende Krankheit nicht aus, sind aber geeignet, alle  retrospektiven Diagnostiker zu einer gewissen Vorsicht anzuhalten. Exophthalmus und Pseudo-Strabismus divergens hingegen lassen sich an wenigstens sieben Annette-Porträts erkennen[35]

                            Abb. 8: Nach einem Porträt von J. J. Sprick, 1838

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    Abgekürzt zitierte Literatur und Abbildungsnachweis:

    Andreae 1989: B. Andreae, Die Kunst des alten Rom (Freiburg – Basel – Wien 1989)

    Alexandridis 2004: A. Alexandridis, Die Frauen des römischen Kaiserhauses (Mainz 2004)   

    Bergmann 21988: M. Bergmann, Marc Aurel, Liebieghaus Monographie 2 (Frankfurt am Main 21988)     Abb. 6

    B. Beuys, Blamieren mag ich mich nicht. Das Leben der Annette von Droste-Hülshoff  (München 2002)

     Bianchi Bandinelli 1970: R. Bianchi Bandinelli, Rom. Das Zentrum der Macht (München 1970)     Abb. 5

    Fittschen – Zanker 1983: K. Fittschen – P. Zanker, Katalog der römischen Porträts in den Capitolinischen Museen und den anderen kommunalen Sammlungen der Stadt Rom III  (Mainz 1983)

    Fittschen – Zanker 1985: K. Fittschen – P. Zanker, Katalog der römischen Porträts in den Capitolinischen Museen und den anderen kommunalen Sammlungen der Stadt Rom I (Mainz 1985)

    Fless 2006: F. Fless – K. Moede – K. Stemmer (Hrsg), Schau mir in die Augen…Das antike Porträt. Abguss-Sammlung (Berlin 2006)     Abb. 3

    Hafner 1993: G. Hafner, Bildlexikon antiker Personen (Zürich 1993)    Abb. 4

    Harrison 1960: E. B. Harrison, Ancient Portraits from the Athenian Agora (Princeton 1960)     Abb. 7

    Johansen 1994: F. Johansen, Greece in the Archaic Period. Ny Carlsberg Glyptotek (Copenhagen 1994)

    Johansen 1995: F. Johansen, Roman Portraits II (Copenhagen 1995)

    Martini 1990: W. Martini, Die archaische Plastik der Griechen (Darmstadt 1990)

    Meyer-Schwickerath 1984: G. Meyer-Schwickerath, Das Annette von Droste-Hülshoff-Syndrom, Klin. Mbl. Augenheilk. 184, 1984, 574-577

    Niemeier 2002: W.-D. Niemeier, Der Kuros vom heiligen Tor (Mainz 2002)

    Pasinli 21992: A. Pasinli, Archäologische Museen Istanbuls (Istanbul 21992)

    Richter 1988: G. M. A. Richter, Kouroi (New York 1988 Reprint 31970)

    Wamser-Krasznai 2012/13: W. Wamser-Krasznai, „Wär ich ein Mann doch mindestens nur…“ Aus Leben und Dichtung der Annette von Droste.Hülshoff, in: Auf schmalem Pfad (Budapest 2012/13) 39- 54 

    Zschietzschmann 1968: W. Zschietzschmann (Hrsg. H. Busch – G. Edelmann), Römische Kunst (Frankfurt am Main 1968)


    [1] Männliche Exemplare: Kopf Rayet, Kopenhagen; Kuros aus Anavyssos, beide Martini 1990, 80 f. 84 Abb. 21. 24; Kuros von Volomandra, Kopf Istanbul, Richter 1988 Kouroi, 80 f. 110 Abb. 208. 369 f.; Weibliche Exemplare: Kopf Milet, Berlin, Richter 1988 Korai 59 Abb. 293-295; Kore vom Siphnier-Schatzhaus ebenda 66 f. Abb. 320; Peploskore, ebenda 72 f. Abb. 351 f. und Abb. 355-357; Nike von Delos, LIMC VI, 853 Nr. 16 Taf. 559

    [2] Niemeier 2002, 5. 40-44 Abb. 51 f.

    [3] Niemeier 2002, 46 Abb. 57-59; Richter 1988, 46 f. Abb. 50-53.

    [4] Martini 1990, 85.

    [5] z. B. Die griechische Klassik. Idee oder Wirklichkeit (Berlin – Bonn 2002) 212. 219 . 223. 235-239 jeweils mit Abb.

    [6] Fless 2006, 116 Abb. 293. 121 Abb. 310.

    [7] Livia z. B. Alexandridis 2004, 115 Nr. 1. 2 Taf. 3. 123 f. Nr. 21 Taf. 7, 1; Tiberius z. B. Fless 2006, 123 f. Abb. 316-318.  

    [8] Hafner 1993, 180 f. Bergmann 21988, 3.

    [9] Fittschen – Zanker 1983, 13-20 Taf. 17-23.

    [10] Alexandridis 2004, 113.

    [11] Vor allem beim 7. und 8. Bildnistyp, Fittschen – Zanker 1983, 21-23 Taf. 27-31; Johansen, Porträt II, 207 Abb. 84.

    [12] Fittschen – Zanker 1985, 82.

    [13] Hafner 1993, 118.

    [14] V. Nutton, Galeni De Praecognitione  (Berlin 1979) 131. Hinweise dazu verdanke ich dem Medizinhistoriker Prof. Dr. K. D. Fischer, Mainz.

    [15] Merseburger Trias: Struma, Tachykardie und Exophthalmus mit Retraktion des Oberlides. Dagegen ist die Ptosis mit einer verengten Pupille, Miosis, und einem in die Augenhöhle gesunkenen Bulbus, Enophthalmus, verbunden. Horner-Syndrom, Symptom einer Stellatum-Blockade.

    [16] Hoch gezogenes Oberlid.

    [17] Bildnis im 5. (letzten) Typus, Fittschen – Zanker 1985, 85-90 Taf. 91. 92, 78; Zschietzschmann 1968, 132 f.

    [18] Fittschen – Zanker 1985, 74; Bergmann 21988, 24-27 Abb. 26. 28. 32. 34-38; „schmale Augen“ eines   überlebensgroßen Porträtkopfes aus Kalkstein, Kaiserzeitliche Porträts in Aquincum (Budapest 1999) 16 f.   

    [19] Hängender Blick, Alexandridis 2004, 71.

    [20] Hafner 1993, 118.

    [21] Bergmann 21988, 23 f. Abb. 26. 28; A. Demandt, Marc Aurel: der Kaiser und seine Welt (München 2019) 64 Abb. 2 Typ 1. 2; Fittschen – Zanker 1985, 74 Nr. 61. 62. Taf. 72 f. Eine „deutliche Familienphysiognomie“, Alexandridis 2004, 71; ihre [der Faustina minor] „vorquellende Augen, die sie…auch dem Commodus vererbte“ Hafner 1993, 118; „Typenmerkmale…stark vorquellende Augen, die durch die weit herabhängenden Oberlider den auch für Faustina minor so charakteristischen verschleierten Blick erhalten haben“, Fittschen – Zanker 1985, 82; „das vorquellende Auge, das schwere Lid und die runde Braue identifizieren ihn [Commodus] als Sohn des Marc Aurel“, Fless 2006, 139 Abb. 362.

    [22] Alexandridis 2004, 71.

    [23] Weitere Beispiele: Alexandridis 2004, 199. 201 Nr. 217. 222 Taf. 49 f. Fless 2006, 181 Abb. 489.

    [24] Anders Bergmann 21988, 26: „die Augen groß, weit geöffnet“ Abb. 34. 37.

    [25] Alexandridis 2004, 205 f. Nr. 233 Taf. 60, 3.

    [26] Vgl. z. B. ein Jünglingsporträt nach Marc Aurel, Fless 2006, 163 Abb. 434 oder Nachahmungen der Faustina minor-Bildnisse, Fittschen – Zanker 1983, 79 Nr. 104 Taf. 131; 82 Nr. 111 Taf. 138 f.

    [27] Bergmann 21988, 22.

    [28] Im Klinischen Mitteilungsblatt für Augenheilkunde fälschlich „divergenz“ an Stelle des korrekten Adjektivs „divergens“, Meyer-Schwickerath 1984, 574-577.   

    [29] H. Eggart, Um die Krankheit der Annette von Droste-Hülshoff, Fortschr. Med. 30, 1933, 679; W. K. Fränkel, War die Krankheit der Annette von Droste-Hülshoff eine Tuberkulose? Med. Welt 25, 1933, 285-287; M. Terhechte, Das Krankheitsschicksal der Annette von Droste-Hülshoff, Droste-Jahrbuch 1959, 129-136; Wamser-Krasznai 2012/13, 44 f.

    [30] An Anna von Haxthausen, um 1820/21, in: H. Scheer (Hrsg.), Annette von Droste-Hülshoff. Spiegelbild und Doppellicht (Darmstadt 1983) 80. 

    [31] R. Schneider (Hrsg.), Annette von Droste- Hülshoff, Gesammelte Werke (Vaduz 1948) Briefe 328-333.  

    [32] Beys 2002, 232.

    [33] Beys 2002, 230.

    [34] An Anna von Haxthausen, Hülshoff, den 4ten Febr. 1819, in: H. Scheer (Hrsg.), Annette von Droste-Hülshoff. Spiegelbild und Doppellicht (Darmstadt 1983) 70.

    [35] Droste, Bilder aus ihrem Leben (Stuttgart 71974)  Bild auf dem Umschlag sowie Nr.  10. 17.24. 40. 50.

  • Aus: Platon, Der Staat (πολῑτεία)

    (Nach einem Referat im Hauptseminar Alte Geschichte (Prof. Dr. Helga Gesche, WS 1993/94)

    Platon, ein Sohn des Atheners Aristion und der Periktione, durch die er mit einer der führenden oligarchisch orientierten Familien Athens verwandt war, lebte von 427-348 v. Chr. Beim Tod des Sokrates 399 v. Chr. gehörte er seit acht Jahren zu dessen Schülern. Auf einer ersten großen Reise nach Unteritalien und Sizilien kam Platon in engen Kontakt mit den Pythagoräern. Er begegnete dem Tyrannen von Syrakus, Dionysios I. und soll versucht haben, ihn nach seinen in der Politeia formulierten Idealen zu beeinflussen. Nach seiner Rückkehr begründete er in Athen eine Akademie, eine Lebensgemeinschaft von Jüngern der Philosophie. Zwischen 366 und 361 v. Chr. reiste Platon erneut nach Syrakus.

    Fast alle platonischen Werke haben die Form des Dialogs. Sokrates entlarvt zunächst das Wissen seines Gesprächspartners als Scheinwissen und führt ihn dann, ständig fragend, induzierend, zu seinen Begriffen von den Haupttugenden.  Aristophanes verspottet ihn in den „Wolken“ als Sophisten, obwohl Sokrates sich in Gegensatz zu den sophistischen Lehren stellt.

        Das erste Buch der Politeia handelt vom Wesen der Gerechtigkeit. Dann entwirft Sokrates/Platon das Musterbild eines guten Staatswesens (472 d. e) in dem sich der Gerechte der Gerechtigkeit so weit wie möglich annähern soll (472 c). Im Gegensatz dazu steht die Ungerechtigkeit, die sich in den Zerfallsformen der Verfassungsarten zeigt und in den Seelen Derjenigen entsteht, die gezwungen sind, in einem derart degenerierten Staatswesen zu leben.  

        Oligarchie ist jene Verfassung, in der die Reichen herrschen und die Armen keine Macht haben. Außer den Herrschenden sind alle Bettler. Die Herrschenden aber gewöhnen sich und ihre Söhne von jung auf an Schwelgerei (556 b) und machen sie zu körperlicher und geistiger Arbeit unfähig, wenig tauglich im Ertragen von Lust und Leid (556 c) und träge dazu.

    Der Arme erkennt: die Männer gehören uns, sie sind ja nichts wert.

    Aus kleinem Anlass entwickelt sich ein Bürgerkrieg (556 d. e). 

        Demokratie entsteht, wenn die Armen siegen und ihre Gegner verbannen, alle übrigen aber nach gleichem Recht an Verfassung und Ämtern teilnehmen lassen. Fürs erste sind die Menschen frei, der Staat quillt über in der Freiheit der Tat und der Freiheit des Wortes und jedem ist erlaubt zu tun, was er will. Es gibt keinen Zwang zum Gehorsam, wenn du nicht willst; dass man dich nicht zum Krieg zwingt während eines Krieges oder zum Frieden, wenn du nicht Frieden halten willst; oder wenn ein Gesetz dir ein Amt oder eine Richterstelle verbietet, dass du dann nichtsdestoweniger Beamter oder Richter sein kannst, wenn dich die Lust dazu packt – eine angenehme, herrenlose und bunte Verfassung (557 a-558 c). Den Hochmut nennen sie Wohlerzogenheit, die Verschwendungssucht Großzügigkeit und die Unverschämtheit Mut (560 d). Kein ordnender Zwang waltet über dem Leben, doch süß nennt er und frei es und selig – und genießt es zur Neige (561d). Der Lehrer fürchtet in dieser Lage die Schüler und schmeichelt ihnen, die Schüler machen sich nichts aus den Lehrern. Zuletzt kümmern sie sich nicht einmal um die Gesetze, um nur ja nirgends einen Herrn über sich zu haben. Wie viel freier hier als anderswo das Leben der Tiere ist, das würde niemand glauben, der es nicht gesehen hat. ..die Esel gewöhnen sich gar frei stolz einher zu schreiten und stoßen auf der Straße jeden Begegnenden, der ihnen nicht ausweicht. Kurz, alles ist voll der Freiheit (563 a-e).

        Im demokratischen Staat gibt es drei Gruppen: die Drohnen, die Reichen –  auch als „Drohnenweide“ bezeichnet – und das arme, arbeitende Volk. Dies sind die meisten (564 d. e).

        Und sie werden einen Mann vor allen an die Spitze stellen, diesen aufziehen und aufpäppeln. Aus dieser Wurzel des Führertums wächst der Tyrann und aus keiner anderen. Er bittet das Volk um Wächter für seinen Leib, damit heil bleibe des Volkes Retter. Er beginnt immer neue Kriege, damit das Volk einen Feldherrn braucht (565 c-566 b). So folgt aus dem Übermaß an Freiheit die tiefste und härteste Knechtschaft, die Tyrannis (564 a).

        In dem Staat, den Sokrates den wahren, gesunden nennt, werden seiner Meinung nach die Leute in Frieden leben (372 c). Da nun die Menschen von Natur aus über unterschiedliche Anlagen verfügen und Besseres leisten, wenn sie ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden, braucht man eine genügend große Anzahl von Arbeitskräften in verschiedenen Berufen: Bauern und Handwerker (371 a), Händler und Lohnarbeiter (371 d. e).

        Doch die Gesprächspartner des Sokrates wünschen auch Annehmlichkeiten des Lebens, Bequemlichkeit, Luxus, Kunst, also einen „üppigen Staat“, τρυφώσαν πόλιν (372 e), der wachsen und mehr Menschen mit stärker differenzierten Berufen integrieren soll.  

        Darin liegt aber schon der Keim der Expansion, die Wurzel des Krieges (373 e). Dies erfordert einen besonderen Berufsstand, den des Soldaten (374 c) oder, wie ihn Sokrates nennt, den Wächter/φυλαξ (374 d). Ihm werden der  Grenzschutz sowie die innere Einheit und Sicherheit (Polizeidienst) anvertraut (423 b-d). Durch strenge Auswahl der Charaktere und sorgfältige zweigleisige musisch-gymnastische Erziehung soll die besondere Eignung der Wächter angestrebt werden (376 e), da sie den Feinden wachsam und scharf, ihren Angehörigen und Mitbürgern aber freundlich und verträglich gegenüber treten sollen.

        Neben dem sportlichem Training stehen der Unterricht in Arithmetik, Geometrie, Astronomie und den musischen Fächern (522 c. 526 c. 527 d). Die Wahl muss unter denen getroffen werden, die am meisten Verantwortungsgefühl für den Staat haben und davon überzeugt sind, dass der Vorteil der Polis zugleich auch der ihre ist (412 c. d).

        Da die Begabungen in beiden Geschlechtern gleich verteilt sind und die Frau ihrer Anlage nach für alle Berufe geeignet ist ebenso wie der Mann, nur dass sie schwächer ist als er (455 d. e), erhalten Männer und Frauen des Wächterstandes dieselbe Erziehung und nehmen gleichermaßen teil an der Sorge für den Staat und auch am Krieg (457 a). Beschäftigt mit dieser ihrer eigentlichen Aufgabe wird den Wächterinnen die Pflege ihrer Nachkommenschaft vollkommen von Ammen und Kinderfrauen abgenommen (460 d). Notwendige Folge des gemeinsamen Lebens für den Staat ist, dass diese Frauen den Männern gemeinsam angehören und auch die Kinder sind gemeinsam; weder kennt der Vater sein Kind noch das Kind seinen Vater (457 c. d).

        Geeignete Paare werden zusammengeführt und nur gesunde Kinder aus erwünschten Verbindungen sind der Aufzucht würdig (460-461 c). Die anderen sind an einem unzugänglichen und unbekannten Ort zu verbergen und so zu behandeln als sei für sie keine Nahrung vorhanden. Auch wer siech am Körper ist, den sollen sie [die Heilkundigen] sterben lassen, wer an der Seele missraten und unheilbar ist, den sollen sie sogar töten! (410 a)                      

        Nun fehlt im Entwurf eines Staates mit guter Verfassung noch das Wichtigste und Schwerste (473 b). Die besten Wächter müssen zu Philosophen gemacht werden, (503 b) sodass ihnen Gerechtigkeit, Besonnenheit, Tapferkeit und Weisheit als die höchsten Tugenden gelten (487 a. 503 c). Wer fähig ist,  Zusammenhänge zu erfassen (537 c), wird etwa fünf Jahre lang in der Dialektik geschult (539 c). Wenn er an die Reihe kommt, den Staat zu leiten, so tut er das um des Staates willen, nicht weil es schön, sondern weil es notwendig ist (540 b), und er hält andere zu gleicher Tüchtigkeit an. Das gilt auch für die Herrscherinnen, τας  ἇρχούσας, soweit ihre Anlage sie dazu befähigt (540 c).              

        Die beschriebene Staatsform könnte Königtum, βασιλεία, heißen, wenn ein einziger unter den Herrschenden hervorragt, Aristokratie dagegen wenn es mehrere sind (445 d). Der Gerechte ist nicht nur auf Erden der Glücklichste  (580 c), auch nach seinem Tod erwarten ihn große Freuden, denn so glaubt Sokrates und so rät er auch seinen Freunden zu glauben: die menschliche Seele ist unsterblich (621 c).

    Aus heutiger Sicht stellt der Denkentwurf Platons für einen Staat eine Mischung einerseits aus Realisierbarem und Erstrebenswertem, andererseits aus  Unrealistischem und Verabscheuungswürdigem dar. Die Bildung geistiger Eliten durch Auswahl- und Prüfsystem ist zwar unmodern, aber durchführbar  und m. E. auch wünschenswert.   

  • Im Grunde sind wir reich an Zeit; wir haben mehrere Arten davon.

    Da ist Chronos, die Zeit im absoluten Sinne, als Weltprinzip, lateinisch tempus. Das um 130 v. Chr. datierte römische Marmorrelief mit beigeschriebenen Namen zeigt Chronos als jugendlichen geflügelten Genius, in den Händen Buchrollen (Abb. 1). Neben ihm steht Oikoumene mit einer hohen Mauerkrone, die Personifikation der bewohnten Erde. Sie bekränzt den vor ihnen beiden thronenden Dichter Homer. Es ist zu vermuten, dass die beiden Schriftrollen auf die berühmtesten Epen Homers, Ilias und Odyssee, hinweisen[1]. „Solange Menschen auf Erden leben, sagt die Szene aus, ehren sie die Werke Homers“[2].

       Abb. 1: Apotheose Homers, Relief des Archelaos, Ausschnitt. Um 130 v. Chr.  
                                          Nach Pinkwart 1965, 57 Taf. 29 

    Spätestens seit dem Mittelalter wird der Gott greisenhaft dargestellt[3] und mit den Attributen Sanduhr und Sense (oder Sichel) versehen. Schon im Altertum setzte man ihn gleich mit dem Titanen Kronos, der seine Kinder, die Jahre, verschlingt. Im Hymnos „An Schwager Kronos“ meint Goethe zwar den Gott der Zeit, doch beginnt er den Namen konsequent mit dem Anfangsbuchstaben K (Kappa):

    Spute“ dich, Kronos, fort den rasselnden Trab…   

    Zurück zum lateinischen Aequivalent Tempus. In ihrem großen Zeit-Monolog im „Rosenkavalier“ setzt sich die Marschallin mit der endlichen Zeit auseinander[4]:

    Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding.

    In den Gesichtern rieselt sie, im Spiegel da rieselt sie.
    In meinen Schläfen, da fließt sie.

    Lautlos wie eine Sanduhr.

    Manchmal steh ich auf  mitten in der Nacht
    Und lass die Uhren alle, alle steh’n.
    Dann, versöhnlich:
    Allein man muss sich auch vor ihr nicht fürchten.
    Auch sie ist ein Geschöpf des Vaters, der uns alle erschaffen hat.

    Harald Weinrich geht in seiner ebenso instruktiven wie fesselnden Abhandlung „Knappe Zeit“ der philologisch-philosophischen Verbindung zwischen Zeit: tempus und  Schläfen: tempora ausführlich nach[5]. Jeder Mediziner kennt das Schläfenbein, Os temporale und die Schläfenarterie, Arteria temporalis, wo man den Puls mindestens ebenso gut wie am Handgelenk ertasten kann. In heutigen lateinischen Wörterbüchern findet man für das Wort tempus außer „Zeit“ auch „Schläfe, Gesicht, Haupt“, die drei letzteren meist vom Plural „tempora“ abgeleitet.     

    Nahezu synonym mit Chronos[6] wird Aion gebraucht. Er vertritt die mit dem Menschen zusammen geborene Lebenszeit, symphytos aion[7]. Euripides nennt ihn des Chronos‘ Sohn[8]. Beide ähneln sich auch in ikonographischer Hinsicht. Wäre dem Relief eines sinnenden älteren Mannes nicht der Name beigeschrieben[9], könnte man ihn auch für Chronos halten. Ảιών verkörpert besonders lange Zeitspannen[10] und ist Herr über „Leben“ und „Lebenszeit“. In seinen letzten Augenblicken beschwört Goethes Faust selbstbewusst den heute wenig gebräuchlichen, von Aion abgeleiteten Ausdruck „Äonen“:

    …Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Aeonen untergehen…[11]

    Seit Platon identifiziert man Aion mit dem Wort Ewigkeit, seit Cicero mit dem lateinischen Äquivalent aeternitas. Als dem „Erzeuger“ der Zeiten fügt er dem „Χρόνος“ nicht nur … „ein in Zahlen fortschreitendes bewegliches Abbild der Ewigkeit, Ảιών, hinzu sondern auch die  zyklische Auffassung von der Zeit, ἐνιαυτός[12]. Durch die Gliederung in Tage und Nächte, Monate und Jahre, in der engen Verbindung zum Zodiakos und zum Kreis der Jahreszeiten lassen sich die Zeit-Personifikationen, Χρόνοι, kaum von einander trennen[13].

    Ein Mosaik in Paphos gibt den durch ein goldenes Diadem und den Nimbus hervorgehobenen Aion als Richter in einem Schönheitswettbewerb wieder. Er und die Konkurrentinnen Kassiopeia und die Nereiden Thetis, Doris und Galathea sind namentlich gekennzeichnet[14].    

    Eniautós klingt im lateinischen annus wieder und steht, wie wir bereits wissen, für die „kreisenden Jahre“, eine zyklische Zeit-Auffassung[15], die den Menschen des Altertums bis in die Spätantike hinein geläufig war. Der große Zyklus, mégas eniautós, umfasst die Periode zwischen zwei Festzyklen. Sie beträgt acht Jahre.  Vier Jahre, die Hälfte davon, entsprechen dem Abstand zwischen zwei olympischen Spielen, der Olympiade. Das einzelne Jahr gliedert sich in die wiederkehrenden Jahreszeiten, die Horen[16]. Selbst der Tag „kreist“ zwischen dem Aufgang der Sonne und dem des Mondes.

    Zur Zeit Ptolemaios‘ II Philadelphos war die riesige Gestalt des Eniautós in Alexandria Teil der Prozession zu Ehren des Gottes Dionysos. Er wurde von einem Tragödien-Schauspieler auf hohen Kothurnen dargestellt. Auf einer apulischen Loutrophoros[17] dagegen erscheint er als beinahe nackter Jüngling, der ein Füllhorn mit Getreideähren im Arm trägt. Neben ihm thront die

    Ortspersonifikation von Eleusis mit einer Kreuzfackel, einem Attribut der Korngöttin Demeter/Ceres (Abb. 2).

              Abb. 2: Eniautòs und Eleusis, 330/320 v. Chr. Malibu, Getty-Museum.
                                           Nach Simon 1988, 68. 82 Taf. 7

    Beide Namen sind beigeschrieben.

    Von den drei bisher besprochenen Zeit-Personifikationen setzt sich Kairos, der junge Gott der qualitativen Zeit,deutlich ab. In einer Spanne von äußerster Kürze, dem flüchtigen Augenblick, drängt sich die ganze Fülle einer Lebens- und Welterfahrung zusammen[18], lateinisch occasio, auch fortuna. Als geflügelter Jüngling balanciert er eine Wage auf Messers Schneide. Wem es nicht gelingt, ihn vorn am Schopf zu packen, hat das Nachsehen[19]. Der kurz geschorene glatte Hinterkopf gleitet unter den Händen weg (Abb. 3). Jede weitere Aktion kommt dann παρὰ καιρὸν, zur Unzeit, wie es bei Platon heißt[20].

    Wer jedoch schnell reagiert und die günstigen Umstände zu nutzen versteht – carpe diem[21] –  hat gewonnen.

                                         Abb. 3:  Relief Turin, 2. Jh. n. Chr.
                                    Nach LIMC V, 1990, 922 Nr. 4 Taf. 597

    Marie von Ebner-Eschenbach fasste den Sachverhalt in einen treffenden Aphorismus:

    Wenn die Zeit kommt, in der man könnte,
    ist die vorüber, in der man kann.

    Daher rät Goethes Mephisto auch dem Schüler:

    Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
    doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen[22].

    So lange aber das Werk über die Zeit, le Temps[23] noch nicht in einem Buch in Sicherheit gebracht ist, mis en sȗreté, besteht die Gefahr, dass le temps, die Zeit, nicht ausreicht. Es ist also höchste Zeit, grand temps. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Wir schreiben schließlich für uns selbst. Schiller hat das in  einem 1797 verfassten Brief an Goethe formuliert: …da es einmal ein festgesetzter Punkt ist, dass man nur für sich selber philosophiert und schreibt, so ist auch nichts dagegen zu sagen; im Gegenteil, es bestärkt einen auf dem eingeschlagenen guten Weg …Seien wir geizig mit dem kostbaren Gut, denn: 

    die auf Widerruf gestundete Zeit wird sichtbar am Horizont[24] . Trotzdem ist    nicht gesagt, dass in dem undurchsichtigen Sack Zukunft nicht auch ein Entzücken steckt[25]

    Abgekürzt verwendete Literatur und Bildnachweis:

    Bemmann 1994: K. Bemmann, Füllhörner in klassischer und hellenistischer Zeit (Frankfurt am Main 1994)

    Brommer 1967: F. Brommer, Aion, MarbWPr 1967, 1-5 Taf. 1-3

    Daszewski – Michaelidis 1989: W. A. Daszewski – D. Michaelidis, Führer der Paphos Mosaiken (Nicosia 1989)

    Fränkel 1968: H. Fränkel, Die Zeitauffassung in der frühgriechischen Literatur, in: F. Tietze (Hrsg.), Wege und Formen frühgriechischen Denkens (München 1968) 1-22

    LIMC I, 1981: LIMC I, 1981, 399-411 Taf. 312-319 s. v. Aion (M. Le Glay)

    LIMC V 1990: LIMC V, 1990, 922 Nr. 4 Taf. 597 s. v. Kairos (P. Moreno)     Abb. 3 

    Pinkwart 1965: D. Pinkwart, Das Relief des Archelaos von Priene, AntPl  IV, 55-65   
    Abb. 1

    Simon 1983: E. Simon, Zeitbilder der Antike, in: Feier zur Verleihung des Ernst Hellmut Vits-Preises (Münster 1983) 17-41. 

    Simon 1988: E. Simon, Eirene und Pax (Wiesbaden1988)      Abb. 2

    Simon 2012: E. Simon, Die Apotheose Homers, in: dies., Ausgewählte Schriften IV (Wiesbaden 2012) 131-139 

    Wamser-Krasznai 2016: W. Wamser-Krasznai, Kairós – den rechten Augenblick ergreifen…in: dies. Beschwingte Füße (Budapest 2016) 117-121

    Weinrich 2008: H. Weinrich, Knappe Zeit. Kunst und Ökonomie des befristeten Lebens (München 2008)


    [1] Pinkwart 1965, 57 Taf. 29; LIMC  III (1986) 277 Abb. 1 Taf. 222, s. v. a. Chronos  (M. Bendala Galán); Simon 1983, 25.

    [2] Simon 2012, 134 Abb. 1.

    [3] RE 1899 ND, 2481 f.; Simon 1983, 17 f.

    [4] Text: Hugo von Hofmannsthal (1911), Komposition: Richard Strauss.  

    [5] Weinrich 2004, 229-238.

    [6] Simon 1983, 18.

    [7] Aischyl. Ag. 107.

    [8] Eur. Heraklid. 900; RE I, 1 (Stuttgart 1893) 1042.

    [9] Brommer 1967, 3 Taf. 3; LIMC I, 1981, 401 Nr. 7 Taf. 312 (M. Le Glay).

    [10] Hes. theog. 609.

    [11] Goethe, Faust II, 60, Großer Vorhof des Palasts.

    [12] Plat. Tim. 37 d-38 e.

    [13] s. LIMC I, 1981, 400 Nr. 2  Taf. 311; Simon 1983, 28-31 Abb. 15.

    [14] Daszewski – Michaelidis 1989, 67-70 Abb. 48.

    [15] Hom. od. 16.

    [16] Simon 1988, 78 f. (28 f.); LIMC VIII,1, 1997, 573.

    [17] Das Gefäß, in dem man das Wasser für das Brautbad transportierte, Simon 1988, 68 (18) Taf. 7.

    [18] Weinrich 2008, 54.

    [19] Wamser-Krasznai 2016, 117.

    [20] Politeia 546 b.

    [21] Hor. carm. 1, 11. Auf dem Mosaik in Paphos, Haus des Aion, Daszewski – Michaelidis 1989, 69 Abb. 48.sind zwei Formen der Zeit, Aion und Kairos, dargestellt, beide durch Beischrift gekennzeichnet.

    [22] Goethe, Faust I, Studierzimmer.

    [23] M. Proust, A la Recherche du temps  perdu, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit; dazu ausführlich Weinrich 2008, 147-150.

    [24] I. Bachmann, Die gestundete Zeit, 1953.

    [25] M. L. Kaschnitz, Nidda, Fragment 1928/29. 

  • Nike oder anonyme Flügelfrau?

    Die in früheren Beiträgen von mir etwas stiefmütterlich behandelte Göttin Nike liegt mir jetzt umso mehr am Herzen, vor allem was Darstellungen mit Flügeln an den Beinen und Füßen betrifft. Wortbildungen und -Kompositionen wie Flügelschuhe, Fußflügel, Schuhflügel, Wadenflügel und geflügelte, beschwingte, befiederte Beine werde ich synonym verwenden. Manche Flügel wachsen scheinbar unvermittelt aus Fersen und Waden hervor, wenn nämlich die Farben aufgemalter Schuhe und Stiefel verblasst und vergangen sind. So drängen sich Bezeichnungen wie „Fußflügel“ oder „Wadenflügel“ auf.

    Die Äußerung, Nike sei zwar stets mit Rücken- aber nicht mit Fuß-Flügeln dargestellt worden, muss in dreierlei Hinsicht revidiert werden[1]:

    1. Für die Zeit vom 5. Jh. v. Chr. an lässt sich diese Regel bestätigen, jedoch mit Ausnahmen: ein um 480 v. Chr. datierter Karneol Skarabäus aus Marion/Zypern zeigt eine laufende Frauengestalt mit geflügelten Schultern, Hüften und Füßen. Das lange Gewand spricht für die Deutung als Nike. Eine Flügelfrau im kurzen Chiton, nur mit Libationsschale, wäre eher als Iris anzusprechen[2].

    2. Es gibt eine flügellose Nike, απτερος, die zu verifizieren der Betrachter auf eine Namensbeischrift, einen agonalen Kontext oder einen entsprechenden literarischen Hinweis angewiesen ist[3].

    3. In archaischer Zeit wurden laufende Flügelfrauen, die mit guten Gründen Nike zu nennen sind, sowohl mit Rücken- als auch mit Fußflügeln dargestellt (Abb. 1. 2. 6).

    Die göttliche Abstammung der Nike attestiert Hesiod:

    Styx, des Okeanos‘ Tochter, gebar, von Pallas empfangen,
    Zelos und Nike, die knöchelschöne, im hohen Palaste.

    Zusammen mit ihren Geschwistern unterstützt sie Zeus gegen die Titanen. Sie  hat fortan ihre Wohnstatt nicht fern von ihm[4].

    Νίκη ist die Göttin des Sieges κατ‘ ἐξοχὴν[5]. Das Orakel auf die Schlacht von Salamis preist neben Zeus auch die Herrin über den militärischen Sieg, πότνια Νίκη[6]. Literarische Quellen und archäologische Zeugnisse[7] feiern die überragende Bedeutung der Siegesgöttin beim sportlichen Wettkampf. Das gilt auch für den musischen Agon, wenn Bakchylides die Göttin mit Versen beschwört[8]. Vasenbilder illustrieren den Erfolg[9]. In der poetischen Dichtung sei Nike identisch mit Athena, sodass sie nie kurzweg Nike, immer Athena Nike genannt werde[10]

    Im Gegensatz zur römischen Victoria, die als Kultgottheit majestätisch thronend das Trankopfer empfängt[11], erscheint Nike eher in untergeordneter Stellung,  dienstleistend als Mundschenkin der Götter, Botin oder Opferdienerin. Sie geleitet den Stier zum Altar und führt auch das Opfer eigenhändig aus[12].   

    Darstellungen der Nike mit geflügelten Füßen und Beinen stammen  überwiegend aus archaischer Zeit.

    Eine unterlebensgroße weibliche Marmorstatue aus Delos (Abb. 1) ist im sog. Knielauf angegeben. Sie trägt ein langes Gürtelgewand und mächtige Rücken-Schwingen. An der rechten Wade erkennt man den Ansatz eines kleinen Flügels. Man hatte in der Nähe der Figur eine Basis mit der Weihinschrift des Archermos und seines Vaters Mikkiades aus Chios gefunden. Aus einem Scholion zu den „Vögeln“ des Aristophanes geht hervor, dass der Bildhauer Archermos aus Chios der erste gewesen sei, der Nike (und Eros) mit Flügeln dargestellt habe[13]. Plinius d. Ä. gibt für die Schaffenszeit der Künstlerfamilie die erste Hälfte des  6. Jhs. v. Chr. an[14]. Die Zusammengehörigkeit von Statue und Basis ist gelegentlich angezweifelt worden[15], doch im Allgemeinen gilt die Delierin als früheste inschriftlich gesicherte Nike-Statue[16]. Es dürfte sich bei ihr auch um eine der ersten Darstellungen mit geflügelten Beinen handeln.

                                     Abb. 1: Nike aus Delos, um 560 v. Chr.
                               Nach Isler-Kerényi 1969, 77. 80 Nr. 129 Taf.  13

    Zusammen mit anderen Architekturfragmenten fand sich eine Marmorfigur, die einmal den First des Apollontempels der Alkmaioniden in Delphi geschmückt hatte. Auch sie ist im Knielauf dargestellt. An der linken Wade setzt ein unvollständig erhaltener Flügel an (Abb. 2). Bei einer solchen Akroter-Figur mit beschwingten Beinen bereitet die Deutung auf Nike keine Schwierigkeiten[17].

                    Abb. 2:  Nike – Akroter-Figur vom Apollontempel in Delphi
                                    Nach Steward 1990, 88. 129  Abb. 204   

    Weitere archaische Akroter- und Sima-Figuren mit Flügelschuhen schließen sich an. Man denkt vor allem an die Terrakotta- Exemplare aus Großgriechenland[18]. Sogar die stark fragmentierte Gestalt der „Karlsruher Nike“ war einmal mit  Flügelschuhen versehen[19].

    Da in archaischer und frühklassischer Zeit verschiedene Wesen mit Schulter-und Wadenflügeln dargestellt wurden, ist die Benennung von einer Namensbeischrift abhängig, etwa bei Eris oder Kastor[20] (Abb. 3)

                     Abb. 3: Attisch-schwarzfigurige Schale, ca. 560-540 v. Chr.
                                      Nach Thomsen 2011, 261 f. Abb. 109

    Dämoninnen wie Gorgo Medusa oder die Harpyien (Abb. 4) lassen sich leicht nach ihrem mythologischen Zusammenhang benennen und sind nicht mit Nike zu verwechseln[21].

             Abb. 4: Harpyien (links die beiden ersten), von den Boreaden verfolgt
                Phineus-Schale Würzburg, nach Schefold 1978, 176 f. Abb. 232

    Unsicher ist die Deutung einer laufenden Flügelfrau ohne Attribute, im kniekurzen Gewand, auf einem kleinen Ton-Altar aus Sizilien (Abb. 5)[22].

    Die zierlichen Parallelexemplare aus demselben Kontext sind mit Reliefs von   Gorgonen im Knielauf und mit mit Fußflügeln versehen[23].

                   Abb. 5: Kleiner Tonaltar (Arula), Kassel, gegen 500 v. Chr.
                                Nach Gercke 1981, 198, 100-102 Abb. 54

    Auf einer schwarzfigurigen Halsamphora (ca. 510 v. Chr.) mit der Darstellung der Athena-Geburt kauert eine weibliche Gestalt unter dem Thron des Zeus[24]. Sie trägt Rücken- und Fußflügel. Einziger Hinweis auf Nike ist die enge Verbindung mit Zeus und Athena, die Benennung daher ungewiss. G. Richter bezeichnet sie als Iris[25].

    Im 3. Viertel des 6. Jhs. v. Chr. entstand eine schwarzfigurige Lekythos mit  einer weiblichen Gestalt in eiligem Lauf, mit weit ausgreifenden Schritten. Sie trägt große Schulterflügel und gegenständige Doppelflügel an den Stiefeln. Ihr Gewand ist ausnahmsweise kurz[26], doch die Kränze in den Händen der beiden flankierenden Personen sind Hinweise auf einen Agon und damit auf Nike.

    Eine Lekythos vom Anfang des 5. Jhs. v. Chr. zeigt zwei Frauen im kurzen Gewand mit Kränzen in den Händen, die in geflügelten Schuhen auf einen sitzenden bärtigen Mann zuschreiten[27].

    Die Tondofigur einer Schale des Töpfers Exekias ist im Knielauf nach rechts unterwegs. Sie trägt Flügelschuhe und wendet den Kopf zurück; dabei scheint sie die linke Hand grüßend zu erheben. Die Mitte des Bildes ist beschädigt, sodass sich nicht sagen lässt, ob die gesenkte rechte Hand einen Gegenstand hielt[28].  

    Auch spätarchaische bronzene Gerätefiguren sind häufig im Knielauf angegeben (Abb. 6). Eine Vertreterin dieser Gruppe trägt über dem Ärmelchiton einen Schrägmantel, der bis zum Gerät herunter reicht und die Figur stabilisiert. Nur die Fußspitzen berühren die bronzenen Voluten, von denen sich die Göttin gleichsam emporschwingt. Hinter ihr breiten sich große Rückenschwingen aus.  

            Abb. 6: Gerätefigur aus Bronze, Nationalmuseum Athen, ca. 510 v. Chr.                            Nach Isler-Kerényi 1969, 63 f. Nr. 114 Taf. 5 

    Der rechte Arm ist parallel zum Flügel angehoben. Die linke Hand liegt auf dem Waden-Flügel.  

    Sicherheit im Hinblick auf die Person der Siegesgöttin gewinnen wir also entweder epigraphisch[29] oder aus einem signifikanten Kontext. Νίκη fliegt mit Kännchen und Schale zur Trankspende herbei; vor allem assistiert sie dem obersten der Götter, Zeus. Trägt sie einen Botenstab, das Kerykeion, so konkurriert sie mit Iris[30]. Andere Spezifika sind Siegeszeichen wie Kranz und Zweig[31] oder ihre Tracht. Im Gegensatz zum kurzen Gewand der Iris[32] ist Nike im Allgemeinen mit einem langen Chiton bekleidet. Zuweilen fächert er hinter ihren Beinen flügelartig auf[33] (Abb. 7).

           Abb. 7: Nike bekränzt Theseus nach seinem Sieg über den Minotauros
         Attische Schale, ca. 470-450 v. Chr. nach Thomsen 2011, 180 Abb. 75 a.

    Auch der römischen Victoria dienen flatternde Gewandbahnen gelegentlich als  eine Art Äquivalent zu den fehlenden Fußflügeln. Der Stoff weht nach hinten, teilt sich auf[34] oder löst sich schwingen-artig von den Beinen, sodass diese wie nackt durch das eng anliegende dünne Gewand schimmern[35].

    Zusammenfassung:

    Weibliche Gestalten mit Fußflügeln bleiben mangels spezifischer Kriterien namenlos (Abb. 5).

    Eris ist durch eine Beischrift ausgewiesen (Abb. 3).

    Gorgonen und Harpyien (Abb. 4) kennzeichnet der mythologische Kontext.

    Nike mit Fußflügeln (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

    1. Weihgeschenk Delos (Abb. 1) In der Weihinschrift Name der Göttin nicht enthalten; andere Schriftzeugnisse.

    2. Weibliche Fußflügel-Gestalten, ’schwebend‘ in höheren architektonischen Regionen, daher als Niken unangefochten, Delphi (Abb. 2)[36].

    3. Bronzene Geräte-Figuren mit Fußflügeln[37], überwiegend im langen Gewand,  Motiv des Schwebens (Abb. 6). 

    4. Weibliche Flügelfiguren im agonalen Kontext[38].

    Quellen:

    Eur. Iph. T. 1497-1499
    Eur. Or. 1691-1693
    Eur.  Phoen. 1764-1766
    Hdt. 8, 77
    Hes. Th.: Hesiod. Theogonie. Werke und Tage. Griechisch und deutsch (Darmstadt 1991)
    Soph. Ant. 147 f.
    Abgekürzt verwendete Literatur und Bild-Nachweis:
    Arafat 1986: K. W. Arafat, Iris or Nike? BICS 33, 1986, 127-133     
    Boardman 41994: J. Boardman, Griechische Plastik. Die archaische Zeit (Mainz 41994)
    Danner 1997: P. Danner, Westgriechische Akrotere (Mainz 1997)
    Gercke 1981: P. Gercke, Funde aus der Antike (Kassel 1981)     Abb. 5
    Gulaki 1981: A. Gulaki, Klassische und klassizistische Nike-Darstellungen. Untersuchung Gur Typologie und zum Bedeutungswandel (Diss Bonn 1981)
    Hölscher 1967: T. Hölscher, Victoria Romana (Mainz 1967) 
    Isler-Krényi 1969: C. Isler-Kerényi, Nike. Der Typus der laufenden Flügelfrau in Archaischer Zeit (Zürich – Stuttgart 1969)     Abb. 1.  Abb. 6
    Kephalidou 1996: E. Kephalidou, Niketes (Thessaloniki 1996)   
    Knapp 1876: P. Knapp, Nike in der Vasenmalerei (Tübingen 1876) 
    N. Kunisch, Die stiertötende Nike (Diss Münster 1964)
    LIMC VI 1992: LIMC VI (1992) 850-904 Nr. 1-730 Taf. 557-606 s. v. Nike (A. Moustaka – A. Goulaki-Voutira – U. Grote)
    LIMC VIII 1997: LIMC (1997) 237-269 Taf. 167194 s. v. Victoria (R. Vollkommer)
    Orlandini 1959: P. Orlandini, Arule arcaiche a rilievo nel Museo Nazionale di Gela, RM 66,1959, 97-104
    Richter 1966: G.M. A. Richter, The Furniture of the Greeks, Etruscans and Romans (London 1966)
    Schefold 1978: K. Schefold, Götter-und Heldensagen der Griechen in der spätarchaischen Kunst (München 1978)     Abb. 4
    Schlesier – Schwarzmaier 2008: R. Schlesier – A. Schwarzmaier, Dionysos. Verwandlung und Ekstase (Regensburg 2008)
    Schürmann 1989: W. Schürmann, Kat. der antiken Terrakotten im Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Göteborg 1989)
    Siegesgöttin in Kaisers Diensten. Die Victoria von Fossombrone. Staatliche Museen Kassel (Kassel 2004)
    imon 2016: E. Simon, Opfernde Götter ( Dettelbach 22016)
    Steward 1990: A. Steward, Greek Sculpture (New Haven – London 1990)     Abb. 2               
    Thöne 1999: C. Thöne, Ikonographische Studien zu Nike im 5. Jh. v. Chr. (Heidelberg 1999)  
    Thomsen 2011: A. Thomsen, Die Wirkung der Götter. Bilder mit Flügelfiguren auf griechischen Vasen des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr. (Berlin – Boston 2011)      Abb. 3 und 7 
    W. Wamser-Krasznai, Flügel an den Füßen, in: Streufunde (Filderstadt 2017) 84-141


    [1] W. Wamser-Krasznai, Beschwingte Füße (Budapest 2016) 48. 56; W. Wamser-Krasznai, Flügel an den Füßen, in: Streufunde (Filderstadt 2017) 124. 133.

     [2] LIMC VI, 857 Nr. 52 Taf. 562; Simon 2016, 95.

    [3]Bei Pausanias bezieht sich die Bezeichnung „Nike Apteros“ merkwürdigerweise auf die Reliefs am  kleinen Tempel “ rechts von den Propyläen“ auf der Athener Akropolis, Paus. 1, 22, 4; ungeflügelte Niken: Pyxis Berlin, Thöne a. O. Taf. 4, 1, Beischrift rechtsläufig; Münze aus Terina, einer Kolonie von Kroton:  ungeflügeltes Mädchen mit Zweig in der Hand, Beischrift Nika, Thöne 1999, 75; Thomsen 2011, 165-177 Abb. 68-73 und 74 d; im Übrigen berichtet Pausanias vom Weihgeschenk des Timon für einen Sieg im olympischen Wagenrennen, einem ehernen „Wagen, auf diesem steht eine Jungfrau, wie mir scheint eine Nike“ Paus. 6, 12. 6; dazu Quellenangaben bei Thöne 1999, 73.  

    [4] Hes. theog. 383-404; Thöne 1999, 15.

    [5] Enstsprechend: vorzugsweise, par ecellence, im eigentlichen Sinne, Knapp 1876, 3.

    [6] Hdt. 8, 77, 2; Pind. Nem. 5, 42. Isthm. 2, 26; Knapp 1876, 2.

    [7] Kephalidou 1996, 204-210. 236 f.  Abb.40-50. 56. 59. 61 b. 62-64. 68-76. 

    [8] Bakchyl. fr 48 (Bergk).

    [9] z. B. attische Pelike mit vier auf den Kitharöden herabschwebenden, inschriftlich bezeichneten Niken, ca. 440 v. Chr., Hölscher 1967, 176 Taf. 16, 8; mit einem Dreifuß auf den Altar herab schwebende Göttin, LIMC VI, 878  Nr. 335 Taf. 585; Simon 2016, 131; Thomsen 2011, 173 f.

    [10] Knapp 1876, 3.

    [11] Denar, 89 v. Chr., LIMC VIII, 252 Nr. 188 f. Taf. 180; Siegesgöttin in Kaisers Diensten, Staatliche Museen Kassel 2004, 53 Abb. 49; anders Knapp 1876, 6 f. mit literarischen Hinweisen auf  Priester der Göttin Nike.

    [12] Simon 2016, 131 und Anm. 63; Kunisch 1964, 7 f.; Hölscher 1967, 176; LIMC VI, 866 Nr. 17o. 171 Taf. 577.

    [13] Schol. Aristoph. Av. 574, Thöne 1999,  17, 32; Boardman 41994, 87 Abb. 103; Isler-Kerényi 1969, 77. 119; LIMC VI, 895-898, Nr. 16. 19; Thomsen 2011, 166 Abb. 67.

    [14] Plin. n. 36, 11 f.

    [15] Thomsen 2011, 165.

    [16] LIMC VI, 853.

    [17] Guide de Delphes. Le Musée (Athènes 1991) 55 f. Abb. 19; LIMC VI, 853. 897 Nr.19 Taf. 560; Steward 1990, 88 Abb. 204. 

    [18] Aus Paestum: LIMC VI, 854 Nr. 32; Danner 1997, 80 Nr. D1 Taf. 40, 1-4. Aus Lokri: Danner a. O. 38 Nr. A83 Taf. 19, 1.

    [19] LIMC VI, 854 Nr. 33 Taf. 561; W. Schürmann, Die Karlsruher Nike – ein Rekonstruktionsversuch, JbBad-Württ 25, 1988, 16-47 Abb. 1-20; ders.,1989, 93 f. Nr. 317 Taf. 54-56 Beil. 3; Antike Kulturen. Führer durch die Antikensammlungen des Badischen Landesmuseums (Karlsruhe 1995) 102 Abb. 97; Danner 1997, 53 f. Taf. 21.

    [20] Eris:Thomsen 2011, 261 f. Abb. 109; Wamser-Krasznai 2017, 124 f. Bild 30; Kastor: attische Randschale, Thomsen 2011, 58 Abb. 66; Wamser-Krasznai 2017, 132 Bild 37.

    [21] Gorgo: Wamser-Krasznai 2017, 86 Bild 2; Harpyien: ebenda 111 Bild 22.

    [22] Gercke 1981, 100-105 Abb. 54.

    [23] Orlandini 1959, 100 f. Taf. 31.

    [24] Isler-Kerényi 1969, 38 Nr. 72; LIMC VI, 857 Nr. 64.

    [25] Richter 1966, 17 Abb. 57.

    [26] Schwarzfigurige Lekythos, 2. H. des 6. Jhs. v. Chr., LIMC VI, 858 Nr. 75 Taf. 564. 

    [27] LIMC VI, 858 Nr. 69, ohne Abb.

    [28] LIMC VI, 852 Nr. 3 Taf. 557.

    [29] Letzteres ist auf die Flächenkunst beschränkt. Thomsen 2011, 165-177. 198 f. Abb. 68-74. 84.

    [30] Thomsen 2011, 169  Abb. 69; ebenso 187 f. Abb. 79 f. „Iris and Nike share a function“, Arafat 1986, 129.  

    [31] Kephalidou 1996, 236 Nr. 132 Abb. 73; LIMC VI, 890 f. Abb. 9 f. 53.57.99.148.156.215.290.301.321.361.415.421.424.446.455 u. v. a.

    [32] Auch hier gibt es Ausnahmen, z. B. Iris bedrängt von Satyrn, Schlesier – Schwarzmaier 2008, 173 Kat. 23.

    [33] Simon 2016, 95; Wamser-Krasznai 2017, 124.

    [34] LIMC VIII, 242 Nr. 27 Taf. 169, einen Schild in den hoch erhobenen Händen, 2.-3. Jh. n. Chr..

    [35] LIMC VIII, 242 Nr. 22 Taf. 169; S. 245 Nr. 65 Taf. 171. S. 245 Nr. 69 Taf. 172.

    [36] Großgriechische Terrakotta-Figuren, z. B. Danner 1997, 80 Nr. D1 Taf. 40, 1-4. Aus Lokri: Danner a. O. 38 Nr. A83 Taf. 19, 1.

    [37] Isler-Kerényi 1969, 56-76 Taf. 5-11.

    [38] Thöne 1999, 80-96 Taf. 8, 2. 3 b. 9, 1. 2a. 10, 3.