Schlagwort: Musik

  • Beethoven, der taube Mann,
    Der mit dem Ohr nicht hören kann,
    Will die Tonwelt nicht verlassen,
    Beginnt, verflucht, sich selbst zu hassen.

    Den Paukenschlag, den Donnerton
    Hört er nicht, bleibt Illusion
    Auch der Geigen sanftes Singen
    Will nicht durch seine Ohren klingen.

    Wer hilft ihm hier in seiner Not?
    Wenn dem Genie die Stille droht?
    Will Gott Musik im Nichts zerstören?
    Soll er auf den Teufel hören?

    So donnert er den Teufelsschrei
    Satan bedonnert eilt herbei
    Beugt sich tief zu Ludwigs Füßen
    Schreibt mit lieben Teufelsgrüßen

    Höre Ludwig, meinen Schwur
    Du hörst den Ton, du gibst mir nur
    Den zarten Lufthauch deiner Seele
    Wenn ich Gott die Freude stehle.

    Hoffnung hoch in Ludwig wächst
    ‚Kennst du auch den Schillertext?
    Den er an die Menschheit richtet
    Mit Freude für Musik erdichtet?

    Satan schreit in Ludwigs Ohr
    Die Freude, da sei Gott davor!
    Fliegt der Ton durch deine Ohren
    Musst du in der Hölle schmoren!

    Dem Beethoven wird Angst und bang
    Im Fegefeuer seelenlang?
    Er zieht die Himmelston Register
    Petrus hört, sagt dem Minister

    Der Seelenchöre dirigiert
    Und Engel in den Himmel führt.
    Der Ludwig muss in unsere Sphären
    Soll unsere Freude ewig währen.

    Petrus erklärt dem Teufel dies
    Die Freude bleibt im Paradies
    Der Teufel soll nicht übertreiben:
    Still muss stets die Hölle bleiben

    Petrus stoppt den Freudenraub.
    Beethoven Ludwig, der bleibt taub.
    Die Teufel in der Hölle quengeln.
    Die Freude aber ist den Engeln.

  •        

    An einem Sonntag bei Chaironeia
    standen fünf Mann am Löwenhaupt
    ein kurzes Wiedersehn an trächtigem Platz
    ein Händedruck, ein knappes Wort
    bleiern die Farben unsrer Himmel heut
    in sich gekehrt das schlichte Grün
    ich glaub, sentimentaler Oktober war´s
    An einem Sonntag bei Chaironeia
    standen wir vier am Löwenhaupt
    Gefährten an geweihtem Ort
    jeder dem gleichen Einfall folgend
    aus klarstem Kehlengrund dem Lied
    den besten Ton gewissenhaft zu setzen
    fünffach auf unsrer Herzen Notenblatt
    Mehr braucht es nicht als dieses Werk
    uns winkt die Kindheit zu aus ferner Zeit
    ja, friedfertiger Oktober war´s

    Der alte Meister der Musik
    nahm mich an seines Geistes Hand
    hat mir mein Schwärmen beigebracht
    In Holstein steht sein Elternhaus
    ich hab es dort gesehen
    die Blume die ich auf seiner Schwelle ließ
    sollte nimmer vergehen
    Ein kleiner, braver Zusatz nur?
    Fürchte den Eigensinn, die Willenskraft
    die ein gut versteckter Halbton birgt
    Errichtet wurde auf altem Grund
    in heiligen Maßen des Quartetts
    das feste Heim der Harmonie
    ein Mauerwerk, daß es den Zeiten trotzt
    Im Dreiklang
    baust du Strukturen, Freund!
    Dazu den vierten von verzückender Art?
    Da blutet dir der Seelengrund!

  • Auswahl aus den Wölländischen Sprüchen: VOLANDIANA – Aphorismen. Seemann Publishing 2018. ISBN 9781729323991

    1. Allgemein

    1.1.      Wahrheit ist der meistakzeptierte Irrtum. (1993)

    1.8.      Auch wenn du dir zwei Uhren kaufst, hast du nicht mehr Zeit.

    1.10.    Die Dummheit höret nimmer auf.

    1.12.    AUCH DER JÜNGSTE SOPRAN WIRD EINMAL ALT.

    1.15.    Der Mensch wird immer dümmer, trotz aller Symposiümmer.

    1.19.    Sigmund Freud entdeckte beim Menschen eine orale, anale und genitale Entwicklungsphase. Eine zerebrale entdeckte er nicht. (01.07.1992)

    1.125.  Manche Belletristik ist mehr trist als belle. (08.05.2013)

    1.138.  Geld ist Fiktion. Real ist nur das Geld, das man nicht hat.
    (lat. Aes ipsum fictio aes deens verum est.) (19.12.2013 0450)

    1.151.  Quidquid id est timeo Danaos maxime pecuniam petentes.
    (lat. Was es auch sei, ich fürchte die Griechen, besonders, wenn sie Geld fordern.) (23.03.2015)

    1.166.  Die beste Lösung nützt nichts, wenn das Problem unbekannt ist. (11.05.2015)

    1.175.  Nicht in jedem Dickkopf steckt ein grosses Hirn. (18.09.2015 Le Tréport F)

    1.191.  Es kommt darauf an, durch welche Brille man das Leben sieht. Es sollte nicht die Klobrille sein. (06.06.2017)

    1. Evolution

    2.6.      Das Wissen nimmt zu, nicht aber die Weisheit. (27.12.2017)

    2.7.      Nein, der Fortschritt ist keine Schnecke. Oder hast du schon einmal eine Schnecke mit Rückwärtsgang gesehen? (25.01.2018)

    1. Geschlechter

    3.67.    Jede Ehe wird geschieden: durch den Richter oder durch den Tod. (06.03.2012)

    3.88.    Aller Kriege Vater ist das Testosteron. (24.11.2016)

    3.95.    Nil vita sine voluptate. (lat. Ohne Lust kein Leben.) (20.06.2011)

    1. Paraloga und Sophismata (Παράλογα και σοφίσματα)

    4.11.    Jeder Augenblick deines Lebens ist in der Summe von den beiden Enden des Lebens zu 100 Prozent entfernt.
    (Wölländisches Aequisistenz-Axiom) (22.06.2016)

    4.13.    Die einzige richtige Ideologie ist diejenige, welche sagt: Alle Ideologien sind falsch.
    (Dez 2016)

    4.14.    Schwarzgeld besteht hauptsächlich aus Dunkelziffern. (03.04.2017)

    4.20.    Omnis aliter est – ego non. (lat. Jeder ist anders – nur ich nicht.) (08.05.2018)

    4.33.    Auch ein neues Brett macht den alten Kopf nicht besser. (26.10.2009)

    4.35.    Das Unangenehme an einem Gipfel ist, dass es nach allen Seiten bergab geht.
    (29.10.2009)

    4.36.    Fernsehen ist nicht dasselbe wie Weitblick. (24.01.2010)

    4.43.    Nemo umbra sua propria refrigeratur.
    (lat. Niemand wird durch eigenen Schatten gekühlt.) (15.09.2017 Plovdiv BG)

    1. Medizin

    5.1.      Medicamenta non prosunt nisi sumuntur tamen medicamentum non sumere interdum salubrior est.
    (lat. Medikamente helfen nicht, wenn sie nicht genommen werden, dennoch ist es manchmal heilsamer, ein Medikament nicht zu nehmen.) (20.6.2008)

    5.2.            Medicus nil promittit. (lat. Der Arzt verspricht nichts.) (20.6.2008)

    5.4.      Minum vinum nimia corporis exercitatio et nimis diu vivere insalubria reputari oportet.
    (lat. Zu wenig Alkohol, zu viel Sport und zu lange leben sind ungesund.)  (17.04.2016)

    5.9.      Der Arzt muss bei der Anamnese alles fragen – und darf nichts glauben. (05.03.2015)

    1. Volk und Staat

    6.8.      Kein Land der Welt ist so arm, dass nicht sein Präsident reich werden könnte.
    (11.02.2011)

    6.13.    Iustitia non caeca strabonem est. (lat. Iustitia ist nicht blind, sie schielt [opportunistisch].) (11/1998)

    6.15.    Gewaltenteilung: Die einen wissen, wie es geht, die anderen sagen, was gemacht wird.
    (06.03.2005)

    6.17.    Timeo praepotentes sese amantes cetera timentes.
    (lat. Ich fürchte die Machthaber. Sie lieben nur sich selbst und fürchten den Rest der Welt.) (12.08.2013)

    6.20.    Wer Terror mit Terror bekämpft, ist selbst ein Terrorist. (12.03.2017)

    6.25.    Wer mit Nonkonformisten konform geht, ist auch ein Konformist. (27.01.2018)

    6.35.    Nicht jeder missbraucht die Macht, aber jede Macht wird missbraucht.
    (12.12.2013)

    1. Volk und Staat

    7.1.      Kein Land der Welt ist so arm, dass nicht sein Präsident reich werden könnte.
    (11.02.2011)

    6.13.    Iustitia non caeca strabonem est. (lat. Iustitia ist nicht blind, sie schielt [opportunistisch].) (11/1998)

    6.15.    Gewaltenteilung: Die einen wissen, wie es geht, die anderen sagen, was gemacht wird.
    (06.03.2005)

    6.17.    Timeo praepotentes sese amantes cetera timentes.
    (lat. Ich fürchte die Machthaber. Sie lieben nur sich selbst und fürchten den Rest der Welt.) (12.08.2013)

    6.20.    Wer Terror mit Terror bekämpft, ist selbst ein Terrorist. (12.03.2017)

    6.25.    Wer mit Nonkonformisten konform geht, ist auch ein Konformist. (27.01.2018)

    6.35.    Nicht jeder missbraucht die Macht, aber jede Macht wird missbraucht.
    (12.12.2013)

    1. Rätselfragen
        • Kann man in einem menschenleeren Walde erschlagen werden?
          [1) NEIN, denn im menschenleeren Wald ist kein Mörder,
          2) NEIN, auch von einem Baum kann man nicht erschlagen werden, denn im menschenleeren Wald ist niemand, der erschlagen werden könnte, nicht einmal man selbst – der Wald wäre sonst nicht menschenleer.]
          (07.02.2005)
        • Wer lehrt andere, was er selber nicht weiss?
          [Der Tote auf dem Präpariersaal lehrt die Studenten die Anatomie.]
          (: Quis quod nescit alios docet? [Mortuus in theatro anatomico discipulos docet anatomiam.])
          (28.03.2018)
    2. Alterseinsichten

    8.3.            Besonders drückt die Last der Jahre nach einer Reihe Lasterjahre.

    8.8 Das Selbstbewusstsein durchläuft im Leben fünf Phasen:
    Zuerst weiss man nichts. Dann fragt man sich: Wer werde ich sein? Nach langer Zeit weiss man, wer man ist. Später erinnert man sich, wer man war. Zuletzt hat man es vergessen.
    (09.11.1998)

    8.11.          Fugit interea fugit irreparabile tempus et fugimus nos cum illo irreparabiliter.
    (lat. Inzwischen flieht sie, ja sie flieht, die unwiederbringliche Zeit, und wir fliehen mit ihr unwiederbringlich.) (05.02.2005)

    8.16           Iuventas nescit quod haberet. Senectus scit quod non haberet.
    (lat. Die Jugend weiss nicht, was sie hat, und das Alter weiss, was es nicht hat.) (05.10.2015)

    8.18.    Wer gesund sterben will, darf damit nicht zu lange warten.
    (12.11.2015)

    1. Küchenlatein

    9.5.      POTESTAS VOS NON IN BRACCAS.
    (Macht, euch, nicht, in, die Hosen)

    9.7.      POTESTAS VESTRUM LUTUM UNIVERSUM CLIVUS.
    (Macht, euren, Dreck, All, Lehne)

    9.11.    IS EGO LUDIFICATIO AGRI ERAT UNUS CREPITUS CUCULLUS ET NULLUS IACULUS PULVIS PRETIUM.
    (Er, ich, Hohn, Äcker, war, ein, Knall, Tüte, und, keinen, Schuss, Pulver, Wert)

    9.21.    ID IT AD NULLAM VACCAM CAEDIT.
    (das, geht, auf, keine, Kuh, haut)

  • Mozarts Weltformel – Des Himmels Töne

    Wien, 2020

    Die Wiener Staatsoper war bis auf den letzten Platz besetzt, obwohl für eine Konzertkarte tausend Euro verlangt und auf dem Schwarzmarkt die Hunderttausend geknackt wurden. Wenn das berühmte Konzerthaus kurzfristig räumlich hätte erweitern können, hätte sich ganz Wien in einen Konzertsaal verwandelt. Die Hälfte der Einkünfte war bereits für gute Zwecke verplant, der Rest für dringliche Investitionen.

    Der Hype um dieses eine einzige Konzert führte sogar dazu, dass man den europäischen Staatshäuptern dringend davon abriet, an jenem Abend zu erscheinen, der das Gesicht der Welt dramatisch verändern sollte. Die Unerschrockenen widersetzten sich und taten es trotzdem.

    Niemand glaubte an diesen Schmarren. Sie kamen aus Neugierde. Selbst diejenigen und vor allem diejenigen, die nicht einmal Fan von Mozarts Musik waren, bezahlten bereitwillig, um am Zauber der geheimen Weltformel teilzuhaben.

    Ursprünglich sollten die bislang unbekannten Werke des Meisters vom berühmtesten und natürlich besten Pianisten vorgetragen werden. Als dieser die Notation, in geheimen Tresorräumen einer weltbekannten Bank sicher verwahrt, studierte, soll er weinend und verzweifelt das verlockende Angebot abgelehnt haben. Kaum hatte er flüchtend die Drehtüren passiert, wurde er von Unbekannten einkassiert und seither nicht mehr gesichtet. Ob dummes Geschwätz oder nicht, der Presse war es zu verdanken, dass die Story den Rang eines Mythos erzielte, bevor die Uraufführung stattgefunden hatte. Der Geschmack des Übernatürlichen hing in der Luft. Die Vernunftbegabten ließen sich freilich nicht irritieren. Einige von ihnen hatten vorsorglich mehrere Konzertkarten erstanden, um sie dann wie eine Aktie zu handeln. Die Börse munkelte, sie hätten absichtlich einen Mythos geschaffen.

    Weder der Veranstalter noch die Stadt Wien oder sonst jemand hatte eine klare Vorstellung darüber, welche Art von Musik es war, die Mozart »Des Himmels Töne« getauft hatte. Nur eine Sache stand fest.

    Dem nächsten Kandidaten wurde auferlegt, die Notation frühestens zwei Stunden vor dem Auftritt studieren zu dürfen, ohne sie am Flügel gespielt zu haben. Dass hierfür blutige Anfänger nicht geeignet sind, lag auf der Hand. Von zehn Auserwählten war lediglich eine Person bereit, dieses sonderbare Risiko einzugehen.

    Thauma Anastassopoulos betrachtete die Notenblätter in Anwesenheit von acht perfekt gekleideten und bewaffneten Sicherheitsleuten, die von Musik ebenso wenig verstanden wie Babys von Molekularbiologie. Die junge Frau verkörperte die geeignete Mischung, um die Ausführung des Vertrages sicherzustellen. Ihre Befürchtung, ebenfalls in Tränen auszubrechen, bewahrheitete sich glücklicherweise nicht. Dennoch sträubten sich ihr die Nackenhaare.

    Nun, es war wahrhaftig kein Stück, das die Existenz von zwölf Fingern notwendig machte oder gar von Händen, die zwei Oktaven gleichzeitig überspannen. Auf den ersten Blick entdeckte sie weder obskure Wechsel noch zweihundertsechsundfünfzigstel Noten, die die Finger verknoten. Die Pedalführung dagegen schien dem Komponisten sehr wichtig zu sein. Alles in allem war es für Thauma absolut machbar, das Stück beim ersten Vortrag fehlerfrei vorzutragen. Sie hatte die Komposition im Kopf. Jede einzelne Note. Im Zweifel würde sie es anderswo noch einmal vortragen können, aber das war ihr Geheimnis, und das behielt sie für sich.

    Thauma konnte sich als Kennerin von Mozart kaum vorstellen, dass ausgerechnet er dieses Stück komponiert haben sollte. Diesen Verdacht aber sprach sie nicht aus.

    Ihr blieben noch achtzig Minuten zum Durchatmen.

    Sie seufzte leise, wendete das Notenbündel und begann von vorn. Im ersten Durchgang hatte sie sich auf die technische Umsetzung konzentriert. Jetzt war die Emotionalität des Stücks zu bewerten und zu interpretieren. Nirgendwo gab es Anweisungen in der Art von »smorzando« oder »dolce e con affetto«. Als sie in die Seele des Werks eintauchte, wurde ihr bewusst, warum es solcher Anweisungen nicht bedurfte.

    In ihrem Geist entpuppte sich die Komposition als umfassende Wahrnehmung. Noten verwandelten sich in Musik, Musik in Farben, Farben in Bilder, Bilder in Szenen, Szenen in einen Film. Nachdem sie sich durchgeblätterte hatte, blieben noch vierzig Minuten, in denen sie sich mental auf musikalische Reise begab.

    Wien, 1791

    Er starb zu früh, aber nicht an Armut oder Krankheit. Sein Geheimnis wurde gemeinsam mit ihm zu Grabe getragen und zum Vermächtnis einer erlesenen Gruppe von Eingeweihten. Allerdings nicht in Wien, wie allgemein angenommen. Vor und zu seiner Zeit als auch jetzt wirken Kräfte, die eine Entfesselung überirdischen Zaubers der Musik nicht gestatten. Neben Mozart gab es freilich andere Komponisten, die unbewusst die Formel des himmlischen Codes entzifferten. Er aber hatte die Essenz gefunden.

    Die Anordnung der Töne, das Jonglieren dieser mit- und untereinander, die Kombinationen sämtlicher Eigenschaften, die ein Notenblatt hergibt, sind essentiell, um jene Schwingungen zu erzeugen, die subatomare Teilchen im CERN in die Vergangenheit oder sonst wohin verschwinden lassen. Es sind jene Schwingungen, die uns an die Musik des Himmels erinnern, weil sie Tore aufstoßen, die uns gewöhnlich verschlossen bleiben.

    Mozart scherte sich wenig um Schwarze Löcher, Geisterteilchen und Neutrinos, über die erst hundert Jahre später gesprochen werden würde. Zu seiner Zeit fuhr man mit der Pferdekutsche, und von moderner Technologie war man gefühlte Lichtjahre entfernt. Er wusste nicht bewusst von der Existenz fraktaler Muster. Er fühlte sie im Sinne einer harmonischen Musik. Er experimentierte nicht mit Pi, Euler, Primzahlen oder dem goldenen Schnitt. Er verarbeitete mathematische Gesetze und Regeln unbewusst, um Werke zu schaffen, die Jahrhunderte später noch erhört und gehört werden würden, eben weil sie den Gesetzen des Universums folgten.

    Wien, 2019

    Wie viele Zufälle in einem Universum gestattet sind, legt der Meister vor Herausgabe des Universums selbst fest. An diesen kann im Nachhinein selten oder gar nichts geändert werden. Mozart war ein Fall von ganz besonderem Zufall. Er und seine Musik existierten. Die Wächter hatten zwar beschlossen, Mozart das Handwerk zu legen, aber bei der Vernichtung seiner himmlischen Komposition waren sie nicht gründlich genug gewesen. Die originale Notenschrift aus Mozarts Hand gelangte auf Umwegen zwei Jahrhunderte später in die Hände eines Kunsthändlers in Genf und von dort zu einem seiner besten Kunden, einem musikbegeisterten Physiker. Als Akuma das historische Schriftstück erblickte, lächelte und flüsterte er:
    »Veni, vidi, vici.«

    Der Physiker hörte im Geiste die Musik des Himmels, als er die Notation überflog.

    Kaum war das Dokument in seinen Besitz übergegangen, plante er detailliert das weitere Vorgehen. Er überreichte eine Kopie an einen Studienfreund in Wien, der ihm für viel Geld versprach, ein besonderes Konzert auszurichten, um zu testen, welche Auswirkungen jene Musik auf ein unbedarftes Publikum hätte.

    Wien, 2020

    Akuma beobachtete das Spektakel nicht persönlich. Kleine Kameras zeichneten alles auf. Auch das unmerkliche Seufzen der talentierten Pianistin. Thauma Anastassopoulos setzte sich in einen bequemen Sessel, nippte ab und und zu an einem Glas Wasser und genoss das Schauspiel, das sich  ihrem inneren Auge darbot. Als würde Mozart persönlich sprechen, nein – als würde das Universum zu ihr sprechen. Währenddessen füllten sich die Reihen des gediegenen Konzertsaals.

    Wien, 1791

    Mozart fiel den Wächtern auf. Spätestens zu jener Zeit, als in einem Moment von größter Taurigkeit Melodien auf seinem Hammerklavier erklangen, die die Eigenschaften und den Verlauf der Raumzeit beeinflussten. Er hatte die Sprache des Himmels verstanden. Darüberhinaus besaß er die Frechheit, die Sprache des Himmels in Form von Noten zu sprechen, wenngleich jene kritischen Kompositionen das Gesicht der Öffentlichkeit niemals erblickt hatten. Sie geboten ihm eindringlich, jenes Stück niemals der Menschheit zu offenbaren. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, die göttlichen Melodien zu spielen, wenngleich in seinem persönlichen Reich niemand Ohrenzeuge wurde. Die Wächter kehrten zurück und drohten ihm mit dem Leben, würde er nicht aufhören, die gefährlichen Passagen zu spielen. Er tat, wie ihm geheißen. Kaum waren die Wächter verschwunden, übersetzte er sein Werk, das bis zu diesem Tage allein in seinem Geiste existierte, in Notenschrift. Als er die Arbeit erledigt hatte, fiel ihm der passende Name für das größte Werk aller Zeiten ein:
    »Des Himmels Töne«.

    Kurz darauf schlief er erschöpft ein, und als er wieder erwachte, waren sämtliche Notenblätter verschwunden. Erfüllt von Panik und Angst suchte er das kostbare Gut, das ihm gestohlen worden war. Seitdem verstrich kein Tag, an dem er nicht um sein Leben fürchtete. Und es sollte nicht lange dauern, dass die Wächter ihren Auftrag erfüllten. Selbst seine direkte Nachkommenschaft wurde im weiteren Verlauf auf Null reduziert.

    Wien, 2020

    Als Thauma Anastassopoulos den Konzertsaal betritt, entlädt sich die knisternde Spannung mit tobendem Beifall. Niemand hat eine blutjunge Pianistin in strahlend weißem Brautkleid erwartet. Wenig später ist ihr Gesicht in den sozialen Medien verewigt, tituliert als die Braut, die den Himmel erklingen lässt.

    Thauma verneigt sich. Als Ruhe einkehrt, besteigt sie den Thron, berührt einmal sanft die Notation und dann …

    Überirdische Stille überflutet die Menschen. Überwältigende Traurigkeit stellt sich ein. Tränen funkeln auf geschminkten Gesichtern. Ein jeder ist in seinem eigenen Trauma gefangen, das ihn fesselt. Niemand regt sich. Nur die Finger der Pianistin rauschen über die Tasten.

    Das Präludium ist geschafft, und plötzlich erlischt im Konzertsaal das elektrische Licht. Allein die Bühne ist in flackerndes Kerzenlicht getaucht. Thauma spielt unbeeindruckt weiter. Sie ist der weiße Fleck im Universum, der um so heller erstrahlt, als dass er von Dunkelheit umgeben ist.

    Thauma selbst wird zum Zentrum einer sich drehenden Lichtkugel, aus der warmes Licht strömt. Das Publikum erstarrt vor Faszination und schaut gebannt auf das hell leuchtende und schließlich bunte Farbenspiel, das Sicht in andere Dimensionen erlaubt. Die sich immer schneller drehende Kugel nimmt an Umfang zu, bis sie einen Durchmesser von fünf Metern erreicht. Ein Wind tobt durch die Kerzen, der sie schließlich auspustet. Notenblätter flattern davon, umkreisen die Kugel und scheinen zu verschwinden. Kleine Gegenstände folgen ihnen nach. Plötzlich wird die Rotation gestoppt. Unvermittelt schrumpft die Lichtkugel auf Punktgröße zusammen, bis sie schließlich verschwindet. Nach kurzer Finsternis ist der Konzertsaal wieder hell erleuchtet.

    Als Thauma das Ende der Komposition erreicht, erwacht sie aus ihrer Trance und wird gewahr, was geschehen ist. Erschrocken blickt sie auf blutende Fingerspitzen herab. Zehntel Sekunden später ist sie nicht mehr dort, wo sie war. Die Wächter breiten wie Engel ihre Flügel aus. Das Licht des Vergessens löscht, was nicht für Menschen zugelassen ist.

    Wien, 2020

    Unerschrocken schaute sich Akuma das Debakel an. Nicht alle seiner kleinen Kameras waren in der Lage gewesen, die kritischen Szenen aufzuzeichnen. Zwei hatten dem unerklärlichen Sturm standgehalten. Weder das Erscheinen der Wächter, die Löschung der Gedächtnisinhalte noch das Verschwinden der Pianistin konnte ihn davor zurückschrecken, ein geheimes Experiment durchzuführen.

    Entschlossen fuhr er an seine Arbeitsstätte, wo Teilchenbeschleuniger auf  Befehle warteten. Heute würden sie mit Musik gefüttert werden. Und dann geschah genau das, was die Wächter ursprünglich zu verhindern versucht hatten.

    Wie aus dem Nichts heraus tauchte ein strahlend weißes Licht auf …

    Mozarts Erbe wurde wiedererweckt. Das Tor zum Himmel öffnete sich.

    Auf Akumas Bildschirm blinkte die Nachricht: »Heureka!«

    Mozarts Klavierkonzert war die musikalische Fassung einer umfassenden Theorie der Quantengravitation:

    »Mozarts Weltformel«

    Was geschieht, wenn die Menschheit daran

  • Beitrag zum BDSÄ-Kongress in Bad Herrenalb

    Lesung zum Thema „Freie Themen“, Moderation: Eberhard Grundmann

    Samstag 22. Juni 2019, 20 h

     

    Wir erinnern uns an den Schreck, als am 15. April dieses Jahres die Nachricht um die Welt raste, dass eine der berühmtestes Kathedralen der Welt, ein Wahrzeichen von Paris, ein Nationaldenkmal religiöser Baukunst und Touristenmagnet für etwa 13 Millionen Besucher jährlich und ein UNESCO-Weltkulturerbe lichterloh brannte, der Holzdachstuhl einbrach und einer der Spitztürme kurz nach Beginn des Brandes einstürzte. Dieses Feuer riss eine große und brennende Wunde in das Alltagsleben der Pariser und machte die kulturbewussten Menschen weltweit tief betroffen. Die Beileidsbekundungen aus aller Welt bestätigten, dass dieses Bauwerk ein Symbol völkerverbindender Kultur darstellt.

    Noch während der Löscharbeiten erklärte Präsident Macron, die Kirche werde wieder aufgebaut, eine groß angelegte Sammlung solle das Geld zusammentragen. Bereits nach 48 Stunden waren 700 Millionen Euro beisammen. Wenn in dieser kurzen Zeit schon so viel Geld bereitsteht, wird über die nächsten Jahre eine sehr große Summe zusammenkommen, die eine Rekonstruktion von Notre Dame ermöglicht. Zum Vergleich: Der Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche kostete 183 Mio. Euro. Allein diese Geschichte zeigt, wie sehr Kunstwerke, die aus dem Glauben an einen Gott entstanden sind, die Wertschätzung von Gläubigen prägen.

    .

    Und ich habe mir überlegt, wie ich selbst von religiösen Werken beeinflusst wurde.

    Ich bin zwar evangelisch konfirmiert, aber später aus Zorn über die Heuchelei in den christlichen Kirchen und aus tiefen Zweifeln an der Existenz eines Gottes aus der Kirche ausgetreten. Nichts in dem Apostolischen Glaubensbekenntnis glaube ich. Meine Wut über die vielfältigen Verbrechen innerhalb der katholischen Kirche mit deren Billigung und Tarnung hält an. Der Widerspruch zwischen dem enormen ideellen, spirituellen und finanziellen Wert der Kunstwerke und der angeblich unantastbaren Integrität und moralisch-ethischen Kompetenz, die von der katholischen Kirche propagiert werden, zeigt die Scheinheiligkeit offen.

    Unabhängig davon fühle ich mich intensiv angesprochen von den großartigen religiösen Kunstwerken, die aus tiefer Gläubigkeit entstanden sind. Aber ich glaube nicht, dass diese Kunstwerke ein Beweis für die Existenz eines Gottes sind, sondern bestenfalls Versuche darstellen, dem Ideal einer Wunschvorstellung Ausdruck zu verleihen.

    Als meine Großmutter mich anlässlich meiner Konfirmation zu einer zweiwöchigen Reise nach Florenz und Rom einlud, kannte ich schon die Grundzüge der römischen Geschichte, die Grundlagen von Latein und einige sehr wichtige klassische Musikwerke von Bach wie das Weihnachtsoratorium, die Matthäus-Passion und Händels Messias.

    Ich werde nie vergessen, wie mir vor den Uffizien in Florenz Michelangelos David-Statue zeigte, dass Anmut und Schönheit kein Gegensatz zu Wucht sein müssen. Als ich dann am Ostersonntag 1961 auf dem Petersplatz in der Menschmenge stand und anschließend durch den Petersdom ging, war ich nicht nur von der Andacht vieler Menschen, sondern besonders von der grandiosen Architektur der Kathedrale und ihrer Kunstwerke tief berührt. Ich stand lange vor der Pieta, die Michelangelo aus einem perfekten Marmorblock gemeiselt und 1499 als 25-Jähriger fertiggestellt hatte. Noch heute kann ich mich erinnern, wie ich von der Schönheit der Statue und der Trauer der Maria betroffen war. Allein der monumentale Faltenwurf in Marias Kleid und ihr verklärtes Gesicht sind unübertreffbare Meisterstücke für sich. Ähnlich erging es mir, als ich in der Sixtinischen Kapelle das Deckengemälde auf mich wirken ließ. Viele Jahre später fuhr ich extra nach Mailand, um dort im Dom die zweite Pieta Michelangelos anzuschauen, die auch sein letztes Werk war und unvollendet blieb.

    Wenn ich erklären soll, was zeitlose Schönheit für mich bedeutet, fallen mir sofort zwei Kunstwerke ein: diese Römische Pieta und eine singuläre Aufnahme von Arturo Benedetti Michelangeli von Galuppis 5. Klaviersonate: eine absolute Harmonie von Form, Material und spiritueller Aussage, eine nicht steigerbare Perfektion, eine absolut reine Darstellung.

    Bewegend ist für mich, mit welch kreativer Kraft, Fantasie und physischer Stärke Menschen ausgestattet werden, wenn sie mit tiefer Gläubigkeit Kunst planen und diese meisterlich, unverkennbar persönlich und zeitlos schaffen – für ihren Gott, dem sie dienen und sich und ihre Gaben als Kunstwerk zurückschenken.

    Über wie vielen Kunstwerken steht das S.D.G.! Das Soli deo gloria! Johann Sebastian Bach hat es oft benutzt, und Anton Bruckner schrieb demütig und wie ein kleines Kind über seine ultimative, seine Neunte Sinfonie „Dem lieben Gott“.

     

    Die Welt-Liste der malerischen Kunstwerke mit religiösen Themen ist unendlich lang.

    Nur ein paar persönliche Beispiele: Schon mehrfach bin ich in Colmar vor dem Isenheimer Altar gestanden, und im April habe ich wieder die Stuppacher Madonna bei Bad Mergentheim besucht, diese wunderbaren Werke von Matthias Grünewald.

    In der Kathedrale von Liverpool habe ich als Schüler einen Konzertabend von Simon Preston an der weltgrößten Orgel erlebt.

    Ich sehe mich in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin vor dem großen blauen modernen Glasfenster, das nach dem Wiederaufbau von dem französischen Glaskünstler Gabriel Loire geschaffen wurde und heute als Gegenstück zu den noch sichtbaren Mauerschäden an die Zerstörung im 2. Weltkrieg dient. Ich erinnere mich an das Freiburger und das Ulmer Münster, an den Hamburger Michel und an den Kölner Dom, der nach dem Vorbild der Notre Dame entworfen wurde.

    Die vielen Konzerte in der schlichten Kirche von Saanen im Berner Oberland, die ich als Student beim Yehudi-Menuhin-Festival über mehrere Jahre besuchen durfte, sind ein prägender Bestandteil meiner kulturellen Erfahrungen.

    Ich erinnere mich an zwei Stunden in der Westminster Abbey, und für mich als Musikliebhaber war es ein besonderes Erlebnis, die Kirche St. Martin-in-the–Fields am Trafalgar Square in London zu besuchen, aus der das weltberühmte Orchester Academy of St. Martin in the Fields stammt, das Neville Marriner gegründet hatte. –

    Obwohl Johann Sebastian Bach nicht katholisch war, schuf er nach seinem Kosmos an Passionen, Oratorien und Kantaten noch seine H-Moll-Messe, für mich eines der größten Musikwerke der Geschichte. Und Mozart beendete sein Leben mit dem Requiem. Auch Verdi komponierte mit seiner Missa da Requiem ein zeitloses und erschütterndes Dokument tiefster Gläubigkeit. Die Schöpfung und Die Vier Jahreszeiten von Haydn, die Requien von Pergolesi, Dvorak und Fauré gehören für mich zu eindrucksvollen Werken der religiösen Kunst. Am Ostermontag 1969 erlebte ich in Wien Beethovens Missa solemnis mit den Wiener Philharmonikern unter Leonard Bernstein. Und das Deutsche Requiem von Brahms zeigt, wie gut deutsche Texte zu religiösen Kompositionen passen.

    Ich erinnere mich an die vier Passionen, die Hellmut Rilling in Auftrag gab zu seinem Bach Musikfest 2000 in Stuttgart: Tan Dun komponierte seine Water Passion nach Texten von Matthäus und leitete auch die Uraufführung. Eine Markus-Passion wurde von Osvaldo Golijov komponiert, Sofia Gubaidulina schuf eine Johannes-Passion, und Wolfgang Rihm steuerte seine Messe Deus passus nach Texten von Lukas bei. Ich bin glücklich, dass ich die Uraufführungen besuchen konnte.

    Denken wir auch an die Schreibkunst, die seit Menschgedenken den religiösen und spirituellen Gedanken Form gab und den verschiedenen Glaubens- und Machtinteressen Ausdruck verlieh. Die Bibel gehört hierher und Dantes Comedia divina, die Thora und der Koran. Und machen wir uns bewusst, wie viele Menschen Gebete, religiöse und spirituelle Texte, Romane und Gedichte verfasst und künstlerisch gestaltet haben. Die Bibliotheken und Museen weltweit sind voll davon!

    Auch die Baumeister aller Jahrhunderte wollten ihrem Gott Denkmäler und Kirchen aller Art und in allen Größen schaffen. Jedes Land, das religiös geprägt ist, hat seine berühmten Kirchen. Ich erinnere mich noch an meinen Besuch in der Al Aqsa Moschee in Jerusalem und in der Hagia Sofia in Istanbul. Der Asakusa-Schrein in Tokio, die Pyramiden von Gize und die Pyramiden der Azteken und Maja, und Tempelanlagen wie in Angkor Wat sind ebenso zeitlose Werke höchster Baukultur, die nur durch religiöse Kraft möglich waren und den Menschen alle Opfer, oft auch das Leben, abgefordert haben.

    In diese Reihe der unverzichtbaren Kulturdenkmäler gehört auch Notre Dame. Ich denke, es ist nur folgerichtig, dass sie wieder aufgebaut wird. Auch die Dresdener Frauenkirche wurde mit vereinten Kräften neu geschaffen und ist heute wieder ein Haus Gottes, in dem ihm mit Musik und Sprache, mit Stille und Glauben gedient und ein mahnendes Zeichen für Frieden und Versöhnung gesetzt wird.

    Vielleicht gibt es diesen Gott ja. Wenn es ihn nicht gibt, haben sich die Menschen mit der Vorstellung, Gott existiere, etwas geschaffen, das ihnen in und aus tiefster Verzweiflung helfen und schöpferische Kraft ohne Ende mobilisieren kann.

    Eine kleine Geschichte will ich als Beispiel anfügen.

    Drei Maurer, die an derselben Mauer arbeiteten, wurden gefragt, was sie da gerade tun.

    Der erste sagte: „Ich verdiene meinen Tagelohn.“

    Der zweite antwortete: „Ich verdiene Geld, um meine Familie ernähren zu können.“

    Der dritte strahlte: „Ich helfe beim Bau einer Kathedrale!“

  • Jene Melodie

    (1972)

     

    Von Jaleh Esfahani (1921-2007)

    Übersetzung aus dem Persischen von Amir Mortasawi und Andreas Schmidt

     

    Die Tulpe des Wunsches wird wieder aufblühen,
    des Herzens verschlossene rote Knospe wird aufgehen.
    Ich sage nicht, dass der vergangene Frühling zurückkehrt,
    dass die abgelaufene Zeit beginnt.
    Es gibt eine andere Zeit und einen anderen Frühling … 

    Es ist eine Kunst,
    fröhlich zu sein.
    Freude spenden ist eine noch erhabenere Kunst.
    Jedoch werden wir es uns nie zubilligen,
    wie eine leblose Figur Tag und Nacht
    ohne Kenntnis der Lage aller anderen Menschen
    fröhlich zu sein.
    Sorglosigkeit ist ein großer Fehler,
    der uns fern sein sollte. 

    Wie schön wäre es,
    wenn es einen Spiegel gäbe,
    der das Innere zeigen würde,
    damit wir uns in ihm betrachten könnten,
    all das sehen würden,
    was den Spiegeln verborgen bleibt.
    Wir würden uns jener erhabenen Kraft bewusst,
    die uns lehrt,
    zu leben,
    Beständigkeit zu erlangen,
    der Bote des Sieges und der Hoffnung zu werden … 

    Es ist eine Kunst, fröhlich zu sein,
    wenn sich andere Herzen an deiner Freude ergötzen.
    Das Leben ist die einzigartige Bühne unserer künstlerischen Tätigkeit.
    Jeder trägt seine Melodie vor und verlässt die Bühne.Die Bühne ist stets vorhanden.

    Blühend ist jene Melodie,
    die die Menschen in ihrer Erinnerung bewahren …

    ֎֎֎

  •  

     

    MUSIC

    Being able to achieve the ability to
    discover, comprehend and elucidate
    what the music precisely expresses to us,
    would simply imply that:
    the human being would no longer  be
    -as it is now-the unaware creature in darkness,
    who knows nothing reliably about self,
    neither of the world in which lives,
    nor about its true destiny.

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Musik

    Die Fähigkeit erreichen zu können,
    ‚zu entdecken, zu verstehen und zu verdeutlichen,
    was Musik genau für uns ausdrückt,
    würde einfach beinhalten:
    Das menschliche Wesen wäre nicht länger-
    wie jetzt –das unbewusste Geschöpf in der Dunkelheit,
    das nichts Verlässliches über das Selbst weiß,
    weder über die Welt, in der es lebt,
    noch über sein wahres Schicksal.

     

     

     

     

  • MEDICINE  ( )

     

     

           Guzheng                                                                  

     

     

     

     

     

     

    medicinal  herbs

     

     

     

     

    Chinese pictogram’ writing consists of a variety of symbols that represent an idea or a concept.

    The pictogram of a Guzheng (Chinese zither) symbolises the whole range of music in a general sense. Masters of the medical arts are themselves like musicians. Observing nature, they have learned the principles of harmony and as a result they have created their own kind of music.

    Various healing procedures corresponding to the music, and even medicinal herbs are used. Perhaps for this reason, the Chinese pictogram for “medicine” is a composition of the pictogram for music, and the pictogram of health-giving herbs

    ( +)

    Medicine = music + health giving herbs.

    Like the birds, with their many and variable songs, medical arts are used to help us to create living energy, wellbeing and harmony.

     

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Medizin

    Die chinesischen Piktogramm-Schriftzeichen bestehen aus einer Vielzahl von Symbolen, die eine Idee oder ein Konzept darstellen.

    Das Schriftzeichen einer Guzheng (Zither) symbolisiert die ganze Spanne der Musik in einem allgemeinen Sinn. Meister der medizinischen Künste sind selbst wie Musiker. Durch Beobachtung der Natur haben sie die Prinzipien der Harmonie gelernt, und als Ergebnis haben sie eine eigene Art von Musik erschaffen.

    Verschiedene Heilmaßnahmen, die mit Musik verbunden sind, und sogar medizinische Kräuter werden verwendet.

    Vielleicht ist aus diesem Grund das chinesische Schriftzeichen für Medizin eine Zusammenstellung aus dem Schriftzeichen für Musik und dem Schriftzeichen für gesundheitsförderliche Kräuter

    ( +).

     Medizin = Musik + gesundheitsfördernde Kräuter.

    Wie die Vögel mit ihren zahlreichen und wechselnden Gesängen werden die medizinischen Künste genützt, um uns zu helfen, Lebensenergie, Wohlgefühl und Harmonie zu erschaffen.

  • MUSIC  THERAPY

     

    The ancient Emperor Qin hoped that his son would follow in his footsteps. However, the boy became ill. His heart rate increased and his breathing did not keep in perfect harmony with his pulses. To restore the harmony, the best herbalists tried to cure the boy by administering   various plants and herbal remedies. But, all was in vain … in vain…

    The Emperor therefore invited The Master of Harmony, who was the best-known player of the zither (guzheng), and whose music compositions were created on an uninhabited island, and inspired by the songs of the native birds.  His musical mastery was described thus: “During all his performances, it is as though the Sun that descends from heaven during the playing into the heart of the player, follows his music, and then ascends to the heavens again. Such marvellous music overwhelms both the player and listeners alike with great joy”.

    Daily, The Master of the most beautiful sounds  played on his zither by the boy’s bedside. This heavenly harmonious music firstly reduced The Crown Prince’s respiratory rate, and consequently his heart rate, which resulted in a perfect balance of his pulses. Thanks to the music The Crown Prince miraculously fully recovered and many years later, inherited the Throne. During his long reign, the Master of Harmony continued to play his wonderful melodies over many years.

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Musiktherapie

    Der alte Kaiser Qin hoffte, dass sein Sohn ihm in seinen Fußstapfen folgen würde. Aber der Junge wurde krank. Sein Herzschlag stieg an, und seine Atmung behielt die perfekt e Harmonie mit dem Puls nicht. Um die Harmonie wieder herzustellen, versuchten die besten Kräuterkundigen den Jungen zu heilen, indem sie verschiedene Pflanzen und Kräuterheilmittel anwandten.  Aber alles war vergebens, vergebens.

    Der Kaiser lud deshalb den Meister der Harmonie ein, der der bekannteste Zither-Spieler (guzheng) war und dessen musikalischen Kompositionen auf einem unbewohnten Eiland erschaffen und von dem Gesang der einheimischen Vögel beseelt waren. Seine musikalische Meisterschaft wurde so beschrieben: Während allen seinen Darbietungen ist es, als ob die vom Himmel in das Herz des Spielers absteigende Sonne seiner Musik folgt und dann in den Himmel wieder aufsteigt. Solch wunderschöne Musik überwältigt sowohl den Spieler als auch den Zuhörer gleichermaßen vor Freude.

    Täglich spielte der Meister der schönsten Klänge am Bett des Jungen auf seiner Zither. Diese himmlische harmonische Musik verringerte zuerst die Atemfrequenz des Kronprinzen und danach seinen Puls. Das Ergebnis war ein  vollkommenes Gleichgewicht seiner Pulsschläge. Dank der Musik erholte sich der Kronprinz vollständig und erbte viele Jahre später den Thron. Während seiner langen Regierungszeit spielte der Meister der Harmonie über viele Jahre weiter seine wunderbaren Melodien.

  • Zwiespalt

     

    Ich möcht` so gerne einen Schlager schreiben –

    Von Herz und Schmerz und Lust und Leid und so.

    Und anderen und mir die Zeit vertreiben,

    Den Augenblick genießen, unbeschwert und froh.

    Wie oft hat man es schon versucht, dem Ernste zu entfleuchen,

    Emporzusteigen aus dem engen Tal,

    Die Grübeleien wegzuscheuchen,

    Doch stand im Weg der intellektuelle Sündenfall.

    Dort auf dem Berge wohnt das Licht –

    Hinaus aus tiefer, düstrer Enge !

    Der Aufstieg nimmt die letzten Kräfte nicht,

    Dort oben tönen and`re Klänge.

    Und neue Kräfte werden frei,

    Sie schaffen uns das Einfach – Wahre.

    Die Grübeleien sind vorbei.

    Es gilt nur noch das Helle, Klare.

    Und also weitet sich der Sinn

    Und heiter kann ich wieder abwärts steigen

    Mit der Erkenntnis: Nicht der Welt entflieh`n –

    Ihr ist nicht nur der Ernst zueigen!

    Denn ernst ist jede Heiterkeit.

    Ohn` tief`re philosophische Gedanken,

    Nur soviel: Alles kommt zu zweit –

    Die Rose mit der Dornen Ranken.

    Drum möcht` so gern ich einen Schlager schreiben,

    Von Herz und Schmerz und Lust und Leid und so.

    Das eine wie das andere nicht übertreiben –

    So zwischen zappenduster – lichterloh.

    Copyright Dr. Wilfried Dinter