Autor: Waltrud Wamser-Krasznai Dr. med. Dr. phil.

  • wamser-krasznai-waltrud-Aquincum

  • Anfang 2010 gab ich der Zeitschrift medintern eine gedrängte Zusammenfassung dessen was man damals über das Syndrom dachte. Sie stand unter dem Titel „Aus der Taufe gehoben: Das Fibromyalgiesyndrom – jetzt eine richtige Krankheit?“ (1/2010, 21 f.). Schlaglichtartig referierte ich den Konsens der Fachgesellschaften sowie der S3-Leitlinie, die bis 3/2011 gelten und dann vollständig revidiert werden sollte. Das Krankheitsbild wurde zum Weichteilrheumatismus gezählt. Namhafte Rheumatologen, V. R. Ott und Klaus L. Schmidt, an der Klinik und dem Institut für Physikalische Medizin, Balneologie und Rheumatologie der Universität Gießen in Bad Nauheim[1] hatten mir die notwendige rheumatologische Basis vermittelt. Darauf konnte ich bei den Erfahrungen mit Fibromyalgie-Patientinnen aufbauen. Das Syndrom ging mit großflächigen Schmerzen, die sich über mehrere Körperregionen und einen Zeitraum von über drei Monaten erstreckten, einher. Dazu kamen vegetative Symptome und verschiedene psychische Störungen. Im Gegensatz zu den oft als unerträglich empfundenen Schmerzen waren die Labor- und Röntgenbefunde völlig unauffällig. Medikamentöse Therapieversuche endeten oft enttäuschend. „Polymodale“ Konzepte und „multidisziplinäre“ Behandlung wurden empfohlen, nicht ohne vor den Gefahren der Polypragmasie zu warnen. Die Patientinnen waren darüber zu informieren, dass ihnen zwar im Rahmen der Fibromyalgie keine Organschäden drohten, ihre Beschwerden aber real und sehr langwierig seien[2]. Eine Patientin wurde geradezu abhängig von meinen lokalanästhetischen Infiltrationen und war nur mit großer Mühe von ihrem beständigen Drängen abzubringen.          
        Nun berichtet – den Göttern sei Dank! – das Hessische Ärzteblatt 6/2023, 351 vom  Paradigmenwechsel bei chronischen Schmerzzuständen…
    Die Rede ist von chronischen Schmerzen in mindestens drei oder mehr Körperquadranten (obere/untere/linke/rechte Seite des Körpers; im Achsenskelett Nacken, Rücken, Brust, Bauch) unter Betonung psychischer und sozialer Faktoren. Das Fibromyalgie-Syndrom sei  nicht nur aus der Gruppe der rheumatologischen Erkrankungen verschwunden sondern als Begriff im ICD-11 nicht mehr zu finden. Künftig befindet sich das chronische ausgedehnte Schmerzsyndrom bei den primären Schmerzzuständen (MG30.01). Damit werden wir vorläufig leben können, auch mit dem Begriff Körperquadranten. Die Beschreibung dieser Regionen ist jedoch in einer so heillos infantilen Diktion abgefasst (obere/untere/linke/rechte Seite des Körpers) dass ich mich gezwungen sehe, eine Revision des ‚medizinischen‘ Sprachgebrauchs zu empfehlen.   


    [1] Später Kerckhoff-Klinik, Abteilung Rheumatologie.

    [2] Da schaute dem erfahrenen Diagnostiker der eigene Zweifel am real existierenden Krankheitsbild aus allen Knopflöchern,  Klaus L. Schmidt (Checkliste Rheumatologie, Stuttgart – New York 2000) 368-373 .

  • Die Überlegungen zu einigen Exemplaren anatomischer Votive aus der Sammlung Stieda sind als Ergänzung zu dem kleinen Band „Kultische Anatomie“, der 2008 die Ausstellung im Medizinhistorischen Museum Ingolstadt begleitete, gedacht. Seit dieser Zeit hatten mich als Medizinerin die in anatomischer Hinsicht spärlichen Deutungsversuche nicht ruhen lassen. Das große Intervall zwischen dem Erscheinungsjahr und dem jetzigen Beitrag ist ohne mein Zutun entstanden.

        Im Gegensatz zu den leichter interpretierbaren Darstellungen von Extremitäten, Sinnes- und Geschlechtsorganen geben die etruskischen Votive in Form der inneren Organe manches Rätsel auf. Ohne den Anspruch, wegweisende Deutungen gefunden zu haben denke ich es mir lohnend, offene Fragen, die sich der Ordinarius für Anatomie Ludwig Stieda in den ersten Publikationen zu seiner außergewöhnlichen Sammlung bereits gestellt hatte, neuerdings aufzugreifen[1].

        Zunächst wollen wir uns mit zwei isolierten Organen befassen, T III-16 und T III-17. Wir halten sie, um das gleich vorweg zu nehmen, für Harnblasen[2] (Abb. 1).    

    Aufnahmen: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main

        Inv. T III-16  Birnen – oder beutelförmiger Gegenstand (Abb. 1 links)

    Lit.: Recke 2008, 3. 56-63. hier 61 Abb. 7; Recke, Neues aus der Antikensammlung – Jahresbericht 2009, 8 c; Recke 2010, 8 Abb. 8c (um 1800 gedreht); Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24 Abb. 4, 24. S. 65 f. und S. 109, Kat. Nr. 19 Abb. 34; Recke – Wamser-Krasznai 2008 Begleitheft, 11 Abb. 22 (um 1800 gedreht); Stieda 1899, 242; Stieda 1901, 109-111 Taf. 4/5, 24.

    Stark glimmerhaltiger, hell rötlicher (2.5 YR 7/5) im Bruch rotbrauner Ton (2.5 YR 5/7). Reste von Engobe, keine Farbspuren.

    L: 10,5 cm; B: 5,4 cm; H: 4,5 cm

    Parallelen: Aus dem Depot der Minerva Medica Rom, Gatti lo Guzzo 1978, 138 Nr. 14 Taf. 51(unsere Abb. 4); C. Martini 1990, 18. 24 Abb. 9a (um 90o gegen den Uhrzeigersinn gedreht: „Placenta“; Holländer 1912 198 f. Abb. 108 „Herz oder Wasserblase“; ferner ders. Florenz Archäol. Mus. 198 Abb. 106. 107 (alle um 180o gedreht; ebenso Bartoloni 1970, 266 f. Nr. 33 Taf. 21c („Teil des männlichen Geschlechtsorgans“); Bartoloni – Benedettini 2011,566 f.Taf. 72 h-l (Vesciche/Blasen); Museum von Modena, Alexander 1905, 179 Abb. 10. 11 Taf. 1/2; ders. ebenda Abb. 106. 107 (alle um 180o gedreht): „Skrotum“; Decouflé 1964, 26f. Abb. 14. 15 „Uterus“; Schauerte 2010, 54 Abb. 7(unsere Abb. 3); Holländer 1912 198 f. Abb. 108; ferner ebenda Abb. 106. 107 (alle um 1800 gedreht).

        Kommentar: Stieda hatte das Objekt, Abb. 1 links, zunächst als Hoden gedeutet, wie auch Alexander, der diese Auffassung weiterhin vertrat[3] als Stieda längst davon abgekommen war. Neuerdings lebte die Interpretation als männliches Geschlechtsorgan oder als Teil desselben wieder auf. Auch die Verfasserin dachte anfänglich an Hoden mit den anliegenden Nebenhoden (Abb. 2)[4].

               Abb. 2: Männliche Genitalien und Harnwege nach Spalteholz 1907. Hier: Caput und Cauda epididymidis, Ureteren. 


    [1] Stieda 1899, 230-243; Stieda 1901; Recke – Wamser-Krasznai 2008.  Die beiden menschlichen Torsen mit geöffneter Leibeshöhle sind zwischen 2008 und 2015 von M. Recke weiter intensiv bearbeitet worden. Zu den „pyramidalen Objekten“: W. Wamser-Krasznai, Herzen? 2021, Homepage des Bundesverbandes Deutscher Schriftstellerärzte.  

    [2] Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24 Abb. 4, 24. S. 65 f. und S. 109.

    [3] Vgl. Alexander 1905, 179 Taf. 1, 10. 11 („Skrotum“);

    [4] Epididymis nach Spalteholz 1907, W. Wamser-Krasznai, Ungedruckte Magisterarbeit 1996, 42-44. „Probabilmente testicolo con vaso spermatico“,  Baggieri 1996, 62 Abb. 57; MacIntosh Turfa 1994, 226 Abb. 20.1 D („Testis“).


        Stieda, der sich gründlich mit der einschlägigen Literatur und den Stellungnahmen seiner Zeitgenossen befasst hatte, erkannte die Ähnlichkeit der ‚Beutel‘ mit den von ihm so genannten Nebenkörpern an Gebärmuttervotiven[5]. Allerdings irritierten ihn bei den Uterus-Nachbildungen die quer verlaufenden Runzeln, Falten und Streifen, sodass er sich in deren Einschätzung keineswegs sicher war. Am Ende hielt er sowohl seine „Nebenkörper“ als auch deren isolierte Exemplare für Harnblasen. Decouflé dagegen sah in den kleinen glatten ‚Beuteln‘ den Uterus. Das geht klar aus seiner Umzeichnung einer Eingeweidetafel[6] hervor, neben die er noch zwei Details skizzierte, Larynx und „Uterus“. Dabei weist er auf die Ähnlichkeit des letzteren mit Stiedas Nr. 24 hin (Abb. 1 links), ohne freilich dessen Deutung als Harnblase zu übernehmen.  


    [5] Stieda 1901, 108-120.

    [6] Schauerte 2010, 54 Abb. 7; Decouflé 1964, 27 Abb. 14. 15 Taf. 11-12; Fabbri 2019, 33 Abb. 9; Lehmann 2006, 92 Abb. 35c; Kiderlen – Strocka 2006, 142 f. Nr. 60; „Etrusker in Berlin“ 2010, 73-75 Abb. 6.7; Parallele aus Falerii veteres, Tabanelli 1962, 44 Abb. 15.


                     Abb. 3  Heutiger Zustand der Tafel in Berlin, Inv. Tc 1333  Aufnahme der Verfasserin

    Eine gut erhaltene Parallele aus dem Votivdepot des „Tempels der Minerva Medica“ in Rom wurde von Gatti Lo Guzzo und C. Martini als Mutterkuchen[7] gesehen, doch ist diesem Vergleich wegen des amorphen Zustandes der Säugetier-Placenta kaum zu folgen (Abb. 4).  

    Abb. 4: Aus dem Votivdepot der Minerva Medica.    Nach E. Holländer 1912, 198 f. Abb. 108 (um 1800 gedreht


    [7] Gatti lo Guzzo 1978, 138 Nr. 14 Taf. 51; C. Martini 1990, 18. 24 Abb. 9a (um 90o gegen den Uhrzeigersinn gedreht); anders Baggieri 1996, 62 Abb. 57; Holländer 1912, 198 f. Abb. 108.


        Inv. T III-17  Flacher birnförmiger Gegenstand (Abb. 1 rechts)

    Lit.: Recke – Wamser-Krasznai 2008, 67 und 109 f. Kat. Nr. 20 Abb. 35; Stieda 1899, 242; Stieda 1901, 109-112, S. 110; Pensabene  2001, 277 f. Nr. 284, Taf. 58 (um 1800 gedreht).

    Stark glimmerhaltiger hellbrauner (7.5 YR 7/4), im Bruch mittelbrauner Ton (7.5 YR 6/5) mit grob sandigen Einschlüssen. Keine Reste von Engobe oder Bemalung.

    L: 7,9 cm; B: 5,0 cm; T: 3,2 cm

    Parallelen: Collezione Kircheriana, Pensabene 2001, 277 f. Nr. 284, Taf. 58 („Blase“); aus Fregellae, Ferrea1986, 138 Nr. 5.6 Taf. 83 („Votivblase“).

    Über den Rücken des Objekts, das breiter und flacher ist als das Exemplar T III-16, läuft eine schmale Furche von geringer Tiefe.

        Wir[8] halten also beide Objekte (Abb. 1) für Harnblasen. Die gewundenen ‚Schnüre‘, die sich bei besser erhaltenen Exemplaren des Typus T III-16 auf dem Rücken abzeichnen (Abb. 4) könnten auf ein Venengeflecht hindeuten[9]; die längs verlaufende Furche bei T III-17 wurde möglicherweise durch ein Ligament hervorgerufen.

        Die ebenfalls häufigen Darstellungen des Organs in Kugelform geben vermutlich einen höheren Füllungsgrad der Blase wieder, an den sich das außerordentlich dehnbare Organ anpasst[10].

        Dass es sich bei den Objekten um eine Vesica fellea (Gallenblase) handeln könnte, war von Stieda gar nicht erst erwogen worden. Er hatte Wiedergaben der Gallenblase in Darstellungen der Leberschau nur als lang gestreckt und dünn kennengelernt[11].

        Wir wenden uns jetzt den Eingeweidetafeln zu.

    In der Sammlung Stieda sind zwei Typen vertreten, die sich nach Form und Anordnung der Organe unterscheiden, sowie zwei menschliche Torsen, in deren Öffnungen innere Organe zu erkennen sind (Abb. 5[5]).


    [8] Recke – Wamser-Krasznai 2008, 65 f. 109 f. ; Bartoloni – Benedettini 2011, 566 f. Taf. 72 h-l.

    [9] Gatti lo Guzzo 1978, 138 Nr. 14 Taf. 51; C. Martini 1990, 18. 24 Abb. 9a; Baggieri 1996, 62 Abb. 57.

    [10] Z. B. aus Lavinium, Fenelli 1975, 265 Abb. 358; Decouflé 1964, 28 f. Abb. 19. 20; Stieda 1901, 101 Nr. 11. 15. 26; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 112 f. Abb. 38. 39.

    [11] F. P. Moog, in: Recke – Wamser-Krasznai 2008, 142-144 Abb. 60-62.

    [12] Weibliches Gegenstück s. Recke – Wamser-Krasznai 2008, 120 Nr. 25 Abb. 47.


                  Abb. 5: Männertorso mit Fenster zum Leibesinneren T III-9

                             Aufnahme M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main

        Eingeweidetafel Typ 1:

    Instruktive Beispiele für komplette Tafeln dieses Typs zeigt Tabanelli 1962, 65 Abb. 30 b und 31 a[13].

        Oberer Teil einer Eingeweidetafel,  Inv. T III-34

    Lit.: Lewis 2016/2017, 126 Abb. S. 35; M. Recke, Auf Herz und Niere, Spiegel der Forschung 25. 2, 2008, 58 Abb. 3a; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24 Abb. 4,14.  S. 67. 110 Kat. Nr. 21a Abb. 36; Stieda 1901, 70 f. Taf. 4/5, 14; Tabanelli 1962, 70 f. Nr. 17.

    Hellbrauner (7.5 YR 7/5) glimmerhaltiger Ton mit vielen Einschlüssen. Keine Spuren von Farbe oder Engobe.

    H: 14,4 cm; B. 13,9 cm

        Mittlerer Teil eines Eingeweidevotivs, Inv. T III-12 (Abb. 6)

    Lit.: Recke 2008, 58 Abb. 3b; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 111 Kat. Nr. 21 b Abb. 37; Recke – Wamser-Krasznai 2008 Begleitheft,13 Abb. 25; Stieda 1901, 100 f; Tabanelli 1962, 70 f.

    Hell rotbrauner Ton (5 YR 7/5) mit Spuren von Glimmer und vielen feinen dunkleren Einschlüssen. Keine Reste von Bemalung oder Engobe.

    H: 14,4 cm; B: 12,1 cm


    [13] Deutsches Archäologisches Insitut  Rom; gleiche Anordnung der Organe bei einem männlichen Torso mit Einblick in die Leibeshöhle, Rom, Sambon 1895, 148 Abb. 5.


                                                       Abb. 6: T III-12

                           Aufnahme: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main


                                                       Abb. 7: T III-33

                             Aufnahme: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main

      Mittlerer und unterer Teil eines Eingeweidevotivs, Inv. T III-33 (Abb. 7)

    Lit.: Lewis 2016/2017, 126 Abb. S. 35; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24. 111-112 Kat. Nr. 21c  Abb. 4, 11. 38; Stieda 1901, 100 f. Taf. 4/5, 11.Hell beige-rötlich brauner (10 YR 7/3-10 R 7/5) glimmerhaltiger Ton mit dunkleren Einschlüssen. Blaue Bemalung der `Gallenblase´. H: 11,5; B: 14,0  cm.

        Unterer Teil einer Eingeweidetafel, Inv. T III-13

    Lit.: Recke 2012-13, 402 Abb. 3; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 113 Kat. Nr. 21d Abb. 39; Stieda 1901, 100 f. Nr. 15 Taf. IV/V.

    Glimmerhaltiger hellbrauner Ton (5 YR 7/5) mit dunklen Einschlüssen. Keine Engobe- oder Farbspuren.

    H: 9,5 cm; B: 13,0 cm

    Recke konnte dem Fragment ein Teilstück aus dem Fundus der über Jahrzehnte in den Kriegs- und Nachkriegswirren verschollen geglaubten Objekte zuordnen,  Neues aus der Antikensammlung – Jahresbericht 2012-2013, 402,  Abb 3.

    Parallele: Votivdepot Minerva Medica Rom, C. Martini 1990, 18 Abb. 9 b (um 180o gedreht).

        Mittlerer und unterer Abschnitt einer verschollenen Eingeweidetafel (Abb. 8)

    Stieda 1901, 100 Abb. 26 Taf. IV/V; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24 Abb. 4. 114 Kat. Nr. 21 e Abb. 40; Tabanelli 1962, 70 f. Nr. 19. 

    H: 20,9 cm; B: 20,2 cm (nach Abbildung)  

                                  Abb. 8 nach Stieda 1901, 100 Taf. IV/V, 26

        Kommentar zu Typ 1: Die Tafeln schließen nach oben als annähernd gleichseitige Dreiecke mit einer Spitze ab. Zwei darunter liegende Wülste bilden ebenfalls einen spitzen Winkel miteinander und nehmen eine kleine Kugel in die Mitte, ein Ensemble, das übereinstimmend als Herz mit den Lungenflügeln erkannt worden ist. Nach unten folgen zwei Paar langgezogene Wülste, die jeweils durch stumpfe Winkel miteinander verbunden sind. Das erste Paar stellt anscheinend das Zwerchfell dar[14], das zweite die „dreilappige Leber“, deren kleinerer mittlerer „Lappen auf dem verhältnismäßig großen Magen“ ruhe[15].


    [14] Stieda 1901, 100.

    [15] Stieda ebenda; de Lait – Desittere 1969, 23 f. Nr. 19 Taf. 7 Zeichnung.


    Gegen diese Interpretation aber sprechen die tropfenförmige Gestalt des „Lappens“ und seine farbige Fassung, die ihn deutlich von der Umgebung absetzt (T III-33 Abb. 7[16]).  

        Im nächst tieferen Register schließt eine Sequenz von C-Schlingen an eine Sigma-Form an. Offenbar handelt es sich um Darmwindungen. Am unteren Rand sitzt ein kugeliges Objekt, darüber liegt horizontal ein breiter Wulst, der symmetrisch von zwei spindelförmigen Körpern flankiert wird. Stieda bezeichnet die kleine Kugel als Harnblase, die drei übrigen Gegenstände im untersten Register deutet er nicht. Andere Autoren sehen in den symmetrischen Organen die beiden Harnleiter (Ureteren), in dem breiten Gebilde dazwischen die Harnblase (Vesica urinaria) und in der kleinen Kugel am unteren Rand die Harnröhre (Urethra). Das weiter oben gelegene glatte Dreieck mit leicht abgerundetem Unterrand und aufliegendem ‚Tropfen‘ bezeichnen sie ebenso wie Stieda als „Magen“[17].

        Wir schlagen stattdessen vor: der ‚Tropfen‘ mit seiner blauen, ursprünglich wohl grünen Farbe bietet sich förmlich als Gallenblase an, die sich vom großen Leberlappen, Stiedas „Magen“, wirkungsvoll abhebt[18]. Der Magen selbst und auch die Nieren sind bei diesem Modell nicht dargestellt, wie überhaupt die Eingeweide-Votive kein vollständig getreues Abbild der Natur geben. Bisweilen wird, wie bei unserem Typ 1, auf den Magen, die Milz und die Nieren verzichtet. Koroplast und Käufer bzw. Besteller setzten gewiss Prioritäten. So zeigt sich ja auch die Unterseite der Leber mit der Gallenblase in Frontansicht, d. h. nach oben herumgedreht. Die „intestinale Seite“ der Leber war und ist ja auch interessanter[19]! In der Sammlung Decouflé befindet sich der Torso eines jungen Mannes, der in der großen Öffnung seines Leibes eine vertikal positionierte Leber erkennen lässt, die aus zwei mächtigen Lappen, zwei kleinen Lobuli und der Gallenblase besteht, ein Ensemble, das die Nähe zu einer Terrakotta-Leber aus Falerii (Abb. 9) und dem Modell in der Hand eines Haruspex aus Volterra deutlich macht[20], wenn man es um 90o im Uhrzeigersinn dreht.


    [16] Recke – Wamser-Krasznai 2008, 111 f. Abb. 38; eine dreilappige Leber (ohne Gallenblase) zeigt die  männliche Figur mit geöffneter Leibeshöhle Stieda 1901 Taf. II, 5, hier  unsere Abb. 3.  

    [17] de Laet – Desittere 1969, 23 f. Nr. 19 Taf. 7.

    [18] Beim Menschen Lobus dexter, beim Schaf, das vielleicht für die etruskischen Terrakotta-Nachbildungen der inneren Organe Modell gestanden hat, sind die beiden Hauptlappen etwa gleich groß.

    [19] Decouflé 1964, 28.  

    [20] Decouflé 1964, 28 f. Abb. 19- 21; Cristofani 1985, 141 mit Abb.


           Abb. 9: Terrakotta-Leber aus Falerii Nach Cristofani 1985, 141 Abb. B

    Auch der poliviscerale Torso Malibu[21] zeigt eine mehrlappige Leber mit der auf die Ansichtsseite projizierten Gallenblase. Magen, Milz und Nieren sind nicht dargestellt.      Problematisch ist das unterste Register. Die paarigen Organe können nicht die Nieren darstellen, denn diese sind weiter oben positioniert und meist bohnenartig  kurz und dick wiedergegeben (vgl. unseren Typ 2 Abb. 10). De Laet – Desittere bezeichnen sie als Ureteren, was jedoch ihrer Form als lange dünne Schläuche im Situs des gesunden Säugers widerspricht[22]. Decouflé freilich deutet einen voluminösen gebogenen Schlauch im linken Unterbauch seines Terrakotta-Jünglings als den linken Ureter, der scheinbar vom größten Leberlappen nach unten zur kugeligen Harnblase führt[23]. Könnte eine Harnleiter-Entzündung (Ureteritis) zu dieser Auftreibung geführt haben? Darstellungen krankhafter Veränderungen an Körperteilvotiven sind zwar bekanntlich eine Rarität, doch fällt dieser Einwand hier kaum ins Gewicht, weil nach Decouflé die tönernen Körperteile eher als Lehrmaterial an etruskisch-italischen Medizinschulen taugten denn als Kollektion anatomischer Votive[24]. Wie auch immer – Decouflés asymmetrischer „Harnleiter“, der eher einen Abschnitt des Darmes vertritt, steht den paarigen Organen im Unterbauch (Abb. 7) als Vergleichsbeispiel allzu fern. Sollten knöcherne Beckenteile, die Schambeine (Ossa pubis) etwa, als Rahmen der ableitenden Harnwege dienen? Unvorstellbar ist das nicht. Die kleine Kugel am Unterrand der Tafeln überzeugt als Harnblase, aber nicht als Harnröhre (Urethra) oder deren Mündung (Orificium urethae). Das oberhalb der Kugel gelegene Element könnte sowohl eine Harnblase vorstellen wie einen Darmabschnitt, beim weiblichen Situs sogar einen Uterus. Was bliebe dann für die kleine Kugel? Die Symphyse?          


    [21] s. F. P. Moog, in: Recke – Wamser-Krasznai 2008,131 -148, Abb. 57.

    [22] de Laet – Desittere 1969, 23 f. Nr. 19 Taf. 7. Dagegen der „Ureter“ nach Spalteholz 1907, unsere Abb. 2.

    [23] Decouflé 1964, 28 Abb. 20.

    [24] Decouflé 1964, 19-24.


    Typ 2:

    Vollständige Tafeln dieses Typs, leicht variiert, in Modena: Tabanelli 1962, 69 Nr. 14 Abb. 35[25]; aus Veji: Bartoloni – Benedettini 2011, 577 f. Taf. 78 g.

        Unterer Teil einer Eingeweidetafel, Inv. T III-10 (Abb. 10)

    Lit.: Korobili 2016/2017, 127 Abb. S. 75; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24. 68. 114 f.  Abb. 4, 27. Kat. Nr. 22 a Abb. 42; Stieda 1901, 101 f. Taf. 4/5, 27; Tabanelli 1962, 71 Nr. 20

    Glimmerhaltiger hell rötlich-brauner Ton (5 YR 6/5) mit feinen sandigen Einschlüssen. Keine Engobe, Spuren dunkelbrauner Bemalung am linken Rand.

    H: 10,4 cm; B: 18,0 cm; Stärke der Platte 0,7 cm – 1,2 cm, mit Relief 2,5 cm.

                                                        Abb. 10:  T III-10

                                Aufnahme M. Recke/Gießen-Frankfurt am Main

        Kommentar: Das horizontal gelagerte birnförmige Element setzt sich in Zick-Zack-Schlingen bis zum unteren Rand der Tafel fort. Damit sind offenbar  Magen und Darm gemeint. Die paarigen nach innen konkaven Organe entsprechen den Nieren, von denen die rechte etwas höher positioniert ist als ihr schlankeres Gegenstück. Das pyramidale Gebilde links vor dem Ende des Darmes entspricht wohl der Harnblase. Für den spindelförmigen Wulst am rechten Rand kommt kaum etwas anderes in Frage als die Milz[26].   


    [25] Alexander 1905, 181 f. 184 Abb.18 Taf. 1/2; Fabbri 2019, 107 Abb. 60c..

    [26] Bartoloni – Bendettini 2011, 577 Taf. 78 g;  Stieda 1901, 101 f. Nr. 27. 28 Taf. IV/V; Alexander 1905, 182. 184  Taf. 1/2, 18.


        Fragment einer stark verschliffenen Eingeweidetafel, Inv. T III-11

    Lit.: Recke – Wamser-Krasznai 2008, 116 Kat. Nr. 22 b Abb. 43; Stieda 1901, 101 f. Taf. 4/5, 28.

    Sandgemagerter glimmerhaltiger Ton, an der Oberfläche beige (10 YR 7/3), im Bruch mittelbraun (10 YR 6/4), im Kern grau (6/1).

    H: 8,1 cm; B: 15,8 cm; Stärke der Platte 1,3 cm – 1,6 cm, mit Relief 2,3 cm.                Kommentar: Hier sind lediglich einige vertikal angeordnete Schlingen zu erkennen (Darm). Davor deutet sich die Kegelform der ‚Blase‘ an. Links erscheint der untere Pol der rechten Niere, während die linke nur schemenhaft erhalten ist, ebenso wie der untere Abschnitt der ‚Milz‘. 

        Fragment einer verschollenen Eingeweidetafel (Abb. 11)

    Lit. Recke – Wamser-Krasznai 2008, 117 Nr. 23 a Abb. 45; Stieda 1901, 102 Abb. 28 Taf. IV/V. Tabanelli 1962, 71 f.

    H: 15,4 cm; B: 17,7 cm (nach Abbildung)

                       Abb.11: Nach Stieda 1901, Taf. 4/5, 28 

        Kommentar: Leicht variiert präsentieren sich die Abdominalorgane auf der  nur als Abbildung vorhandenen Eingeweidetafel. An den runden ‚Magen‘ schließen sich die Darmschlingen an, Zick-zack-artig vertikal. Die paarigen ‚Nieren‘ sind auf gleicher Höhe positioniert. Unmittelbar oberhalb der linken Niere (auf der Abbildung rechts) folgt die fragmentierte spindelförmige ‚Milz‘. Der Abstand zwischen rechter Niere (auf der Abbildung links) und  ‚Harnblase‘ ist geringer als bei T III-10.  

    Es zeigt sich, dass genügend Fragen offen bleiben.

    Als die etruskisch-italischen Kunsthandwerker Körperteile und innere Organe formten, bedienten sie sich des Tones, eines billigen überall verfügbaren Werkstoffs, den sich auch ärmere Bevölkerungsschichten leisten konnten. Ihre Aufgabe bestand nicht darin, Werke von hoher wissenschaftlicher Präzision zu schaffen. Sie verfertigten Devotionalien, die ihre potentiellen Käufer erkennen konnten, da sie ungefähr, im Großen und Ganzen, die Bestandteile und das Innere eines vierfüßigen Wesens wiedergaben. Dabei waren die Wünsche der Kunden zu berücksichtigen, denen die Koroplasten die Qualität ihrer Arbeit und das  günstige Preis-Leistungsverhältnis zu suggerieren versuchten.  

    Noch heute besteht keine Gewissheit darüber, ob und wann die antike Medizin auf dem Gebiet der Anatomie ein Niveau erreichte, das dem der Neuzeit annähernd entsprach. Die Kenntnis eines Handwerkers und das Verständnis des Käufers für die Verhältnisse im Inneren des Körpers gingen gewiss nicht so weit[27]. Der  Koroplast musste vom Ertrag seiner Arbeit leben, der Offrant hingegen wollte seine Gottheit durch eine bescheidene Gabe erfreuen, wenn er sie um Hilfe bat oder für ihren Beistand dankte. Ob die Terrakotta-Organe den Ort des Leidens bezeichneten oder ähnlich wie Fußstapfen im Heiligtum die Anwesenheit des Gläubigen dokumentierten oder ob sie gar, wie Decouflé vermutete, den Anatomie-Schülern als Lehrmaterial dienten – werden wir das jemals wissen? Wenn wir der Bedeutung der nachgebildeten Organe so weit wie möglich näher kommen wollen, haben wir weiterhin mit derartigen Unsicherheiten zu rechnen.    


    [27] Fabbri 2019, 34 f.; Tabanelli 1962, 87-89.


    Literatur:

    Alexander 1905: G. Alexander, Zur Kenntnis der etruskischen Weihgeschenke, Anatomische Hefte Wien 90, 1905, 157-198

    Baggieri 1996: G. Baggieri (Hrsg.), Speranza e sofferenza nei votivi anatomici della antichità (Roma 1996)

    Bartoloni 1970: G. Bartoloni, Alcune terrecotte votive delle Collezioni Medicee ora al Museo Archeologico di Firenze, StEtr 38, 1970, 257-270

    Bartoloni – Benedettini 2011: G. Bartoloni – M. G. Benedettini, Veio (Roma 2011)

    Cristofani 1985: M. Cristofani, Die Etrusker (Stuttgart und Zürich 1985)

    Decouflé 1964: P. Decouflé, La notion d’ex-voto anatomique chez les Étrusco-Romains, Latomus 72, 1964, 15-42    

    Fabbri 2019: F. Fabbri, Votovi anatomici fittili (Bologna 2019)

    Ferrea – Pinna 1986: L. Ferrea – A. Pinna, Il deposito votivo, in: F. Coarelli (Hrsg.), Fregellae 2. Il Santuario di Esculapio (Roma 1986) 89-144

    Gatti Lo Guzzo 1978: L. Gatti Lo Guzzo, Il deposito votivo dall‘ Esquilino detto di Minerva Medica (Firenze 1978)

    Holländer 1912: E. Holländer, Plastik und Medizin (Stuttgart 1912)

    Korobili 2016/2017: G. Korobili, Ernährung  Leben und Gesundheit des beseelten Körpers, in: Die Seele ist ein Oktopus. Antike Vorstellungen vom belebten Körper (Berlin/Ingolstadt 2016/2017) 127 Abb. S. 75

    S. J. de Laet – M. Desittere, Ex voto anatomici di Palestrina del Museo Archeologico dell‘ Università di Gand, L’Antiquité classique 38, 1969, 16-25

    Lewis 2017: O. Lewis, Gehirn und Herz als Organe der Seele, in: Die Seele ist ein Oktopus. Antike Vorstellungen vom belebten Körper (Berlin – Ingolstadt 2017) 37-45

    MacIntosh Turfa 1994: J. MacIntosh Turfa, Anatomical Votives and Italian Medical Traditions in: R. D. de Puma – J. Penny Small, Murlo and the Etruscans. Art and Society in Ancient Etruria (Madison – London 1994) 224-240

    C. Martini 1990: C. Martini, Il deposito votivo del Tempio di Minerva Medica (Roma 1990)

    Pensabene 2001: P. Pensabene, Le terrecotte del Museo Nazionale Romano II. Materiale dai depositi votivi di Palestrina (Roma 2001) Anatomici 258-278

    Recke 2008: M. Recke, Auf Herz und Niere, Spiegel der Forschung 25. 2, 2008, 3. 56-63

    Recke 2013: M. Recke, Jahresbericht aus der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität Gießen 2012-2013, in: Mitteil. d. Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 98, 2013, 400-408, hier 402 Abb. 3

    Recke – Wamser-Krasznai 2008: M. Recke – W. Wamser-Krasznai, Kultische Anatomie (Ingolstadt 2008)

    Sambon 1895: L. Sambon, Donaria of Medical Interest, British Medical Journal II, 1895, 146-150. 216-219

    Schauerte 2010: G. Schauerte, Archäologie des Krieges (Berlin 2010) 54

    Stieda 1899: L. Stieda, Über alt-Italische Weihgeschenke, RM 14, 1899, 230-243

    Stieda 1901: L. Stieda, Über die ältesten bildlichen Darstellungen der Leber. Anatomisch-Archäologische Studien I (Wiesbaden 1901) 1-48

    Stieda 1901: L. Stieda, Anatomisches über Alt-Italische Weihgeschenke (Donaria)  Anatomisch-Archäologische Studien I (Wiesbaden 1901) 51-131

    Tabanelli 1962: M. Tabanelli, Gli ex-voto poliviscerali etruschi e romani (1962)

  • Fußspur – Planta pedis[1]     04.05.2022 

        Die Fußspuren göttlicher Wesen, von denen uns antike Autoren berichten, sind flüchtig und manifestieren sich nur während eines begrenzten Zeitraumes. ἲχνος, ἲχνιον, ἲχνια heißt es griechisch, lateinisch vestigium, vestigia und im Deutschen sind neben „Fußspur“ auch Fußstapfen und Fußabdruck gebräuchlich[2]

        Göttliche Fußspuren in antiken schriftlichen Quellen:

    da schritt ihm Pallas Athene
    nun behende voran ; er folgte den Spuren der Göttin – μετ‘ ἲχνια βαῖνε θεοῖο[3].
     …schritt sodann, die hehre Göttin Kalypso,
    ihm [Odysseus] behende voran; er folgte den Spuren der Göttin –  ὁ δ‘ ἔπειτα μετ‘ ἴχνια βαῖνε θεοῖο[4].

        Odysseus folgt den Spuren der Athena und der göttlichen Nymphe Kalypso. Schuhe können wie Fußabdrücke die Erscheinung der Gottheit vertreten, sei es aus kultischem Anlass oder als Gewähr für ihre ständige Gegenwart.

        Manche Fußstapfen hingegen sind so charakteristisch, dass

    der Erdenerschütterer [Poseidon] nicht verwechselt werden kann:

    Aias erkannt ihn zuerst, der hurtige Sohn des Oϊleus,
    …das war einer der olympischen Götter..
    ich hab es an seinen Fußspuren gesehen…
    daran erkennt man Götter leicht…[5]

        Ein Hufabdruck vom Pferd des Castor soll sich am Felsen bei Tusculum, dem heutigen Frascati, befinden[6]. Er und sein Bruder Pollux [Polydeukes] hatten an der Schlacht am Regillus-See teilgenommen, seien aber, nachdem die Römer die Latiner besiegt hatten, sofort verschwunden. Nur eine Huf-Spur bezeuge ihre Anwesenheit. Streng genommen ist Castor kein Gott sondern der sterbliche Bruder des Halbgottes Polydeukes/Pollux. Die Mythologie der Brüder ist so variabel, dass es nicht verwundert, wenn sie in demselben homerischen Hymnos gleichzeitig als Dioskuren, Söhne des Zeus und als Tyndariden, Söhne des Tyndareos, bezeichnet werden[7]

        Das ist keine Ausnahme. Dieses Phänomen begegnet überall dort, wo der oberste der Götter, Zeus, in Frauengeschichten verwickelt ist, etwa bei seinem berühmten Sohn Herakles, den ihm die schöne Alkmene geboren hat, der aber zugleich als Sprössling ihres Gemahls, des sterblichen Königs Amphitryon, gilt.

        … einen Fußstapfen des Herakles, der zwei Ellen lang ist, zeigen die Skythen an einem Felsen in der Nähe des Flusses Tyres [in Dakien][8]. Lukian von Samosata fabuliert von einer Insel jenseits der Säulen des Herakles:

    ich schiffte mich zu Cadix ein…wir wurden 79 Tage lang vom Sturm herumgetrieben; am 80. aber erblickten wir..eine waldichte Insel…und begannen deren Beschaffenheit  zu erkunden. Ungefähr zweitausend Schritte vom Ufer wurden wir eine eherne Säule gewahr…auf der die Aufschrift zu lesen war: Bis hierher sind Bacchus und Herkules gekommen. Auch entdeckten wir nicht weit davon zwei Fußstapfen in dem Felsen, wovon mir der eine einen ganzen Morgen Landes groß, der andere aber etwas kleiner zu sein schien. Ich vermutete, dass der kleinere vom Bacchus, und der andere vom Hercules sei[9].

        Ein sterblicher Halbgott, ein Heros, lebt demnach auf  ‚größerem Fuße‘ als der zu den olympischen Gottheiten gezählte Dionysos, den er noch dazu an Bedeutung übertrifft? Ja. Lukian ist freilich bekannt für Übertreibungen und Lügengeschichten. Dadurch relativiert sich die Größe des Hercules-Fußes (einen ganzen Morgen Landes!) ein wenig. Geht das aber weit genug um die Darstellung eines Fußspuren-Paares unterschiedlicher Größe  (Abb. 1) für diese Fabel in Anspruch zu nehmen?                                              

     

    Abb. 1: Aus Dion, Makedonien,    Nach Egelhaaf-Gaiser 2013, 150

         Dem widerspricht die Inschrift. Die Weihgeberin, Ignatia Erennia Ermanou, hat „auf Weisung“, kat epitagin, gehandelt. Der Marmorblock zeigt den  Abdruck eines Fuß-Paars von ungleicher Länge und Breite. Die Ferse des  linken größeren und die des kleineren rechten Fußes setzen an derselben Grundlinie an, daher steht eine Schrittstellung nicht zur Debatte[10]. Auch als Fußspuren der Stifterin, die damit ihre Anwesenheit vor Ort dokumentiere, sind sie nicht zu deuten[11], es sei denn der Kunsthandwerker hätte eine – ungewöhnliche – Fehlentwicklung darstellen wollen. Für sonstige Krankheitszeichen sind keine Anhaltspunkte vorhanden[12].

        Der Hercules-Kult geht in Rom weit zurück bis in die Zeit vor „Gründung der Stadt“. Als Beleg für seine Göttlichkeit gilt der „sehr große“ Altar, die Ara maxima. Ihre mächtigen Quader sind, wenn auch nach einigen Umbauten in    deutlich späterer Zeit, am Forum Boarium in der Krypta der Kirche Santa Maria in Cosmedin zu sehen[13]. Hercules hatte im Kampf mit dem dreigestaltigen Geryon(eus) eine Anzahl besonders schöner, wertvoller Rinder erbeutet. Der wilde Cacus bemächtigt sich der edelsten von ihnen:   

        Cacus…der grässlich gestaltete Halbmensch
    …stahl aus den Hürden vier herrliche Stiere
    Ebenso viele Kühe von unvergleichlicher Schönheit.
    Um nicht Spuren zu geben von Füßen, die vorwärts gerichtet,
    Zog er am Schwanz sie zur Höhle empor…[14]

        Hercules lässt sich von den abwärts gerichteten Hufspuren nicht lange täuschen. Er sprengt die Höhle, befreit die Rinder und tötet den Dämon.   

        Die irreführenden Spuren erinnern an den Höhepunkt einer Kriminal-Geschichte unserer Zeit. Zwei seriöse Herren, die durch den Leichtsinn und die Gleichgültigkeit junger Leute ihr Liebstes verloren haben, verschaffen einander wechselseitig eine späte Genugtuung. Einer trägt den toten Delinquenten auf dem Rücken und hängt ihn an einen Baum, um dessen Selbstmord zu simulieren. So entsteht eine Fußspur von erstaunlicher Tiefe. Der erfahrene Kommissar schöpft Verdacht, doch er kann (und will) nichts beweisen. Die Folge ist eine Art von individueller Gerechtigkeit, zu der nun auch der zweite der beiden Rächer umgehend seinen Beitrag leisten wird[15].

        In Termessos gab es den inschriftlich bestätigten Fußabdruck eines nicht namentlich genannten Gottes, ἲχνει θεοῦ, in den die Bittsteller hineintraten, um ihm ganz nahe zu kommen[16]. Man dachte an Sarapis, der seine therapeutischen Kräfte bisweilen übertragen konnte, etwa auf sein Pferd, von dessen Hufschlag ein Kranker genesen sei[17], oder auf den Kaiser Vespasian, den ein Patient im Serapeion von Alexandria bat, seine kranke Hand mit der Fußsohle zu berühren. Danach sei die Hand wieder gebrauchsfähig geworden[18].  

        Auch am Eingang zum Mithräum in Ostia traten die Mysten zum Zeichen ihrer Nachfolge in den Fußabdruck des Mithras[19].

        Als die Kaiserin Helena nach Jerusalem gelangte, erwies sie den Fußstapfen Christi auf dem Ölberg die gebührende Verehrung[20].

        Im „Lügenfreund“ schildert Lukian von Samosata die eindrucksvollen Zeugnisse der uralten Wege-Göttin Hekate:

    Da stampfte die Hekate mit ihrem Schlangenfuß auf den Boden und schuf dadurch eine sehr große Kluft, so tief, dass sie bis zum Tartaros reichte und Einblick in den Hades gewährt[21].

        Herodot berichtet von Chemmis im Gau von Theben, dort gibt es einen heiligen Bezirk des Perseus, des Sohnes der Danae… Da finde man im Tempel eine der Holzsandalen, die er trägt, zwei Ellen lang; wenn die sich zeige, dann gehe es ganz Ägypten gut[22] .

        Fußspuren in archäologischen Zeugnissen

        Im Gegensatz zu den flüchtigen Tritten göttlicher Füße hinterlassen sterbliche Wesen am Boden mehr oder weniger deutliche Spuren. Eignet sich ein Untergrund zur Bearbeitung, so können mit Hilfe von Hammer und Meißel flache Reliefs entstehen (Abb. 1). Sogar ein glatter harter Untergrund bewahrt  einen Abdruck, der von der Spurensicherung fixiert werden und ggf. zur Aufklärung einer Tat beitragen kann[23].

        Aber auch der Besuch einer Gottheit kann greif- und sichtbare Spuren hinterlassen.

        Göttliche Fußspuren in archäologischen Zeugnissen:

        Übergroße Spuren:

        Wie wir den antiken Quellen entnehmen, können für die Bestimmung der Göttlichkeit Schuhe in Übergröße und Abdrücke von überlebensgroßen Füßen maßgebend sein[24]. Freilich sind nicht alle großformatigen Stapfen geeignet, von ihrer göttlichen Herkunft zu überzeugen. Der Fuß auf einer Stele aus der Nekropole von Kition/Zypern weist zwar die beachtliche Länge von 38 cm auf,  ist aber so nachlässig umrissen und beliebig platziert, dass es schwerfällt, an göttlichen Ursprung zu glauben[25].

        Bei den „Sarapis-Füßen“ handelt es sich nicht um Abbildungen von Fußspuren, sondern um rundplastische Darstellungen meist übermenschlich großer beschuhter Füße. ἲχνος bedeutet ja sowohl Fuß als auch  Fußspur[26]. Bekrönt wird der Fuß mit einer – häufig verlorenen – Büste des ägyptisch-römischen Sarapis[27]. Dieser Heilgott war uns bereits in schriftlichen Quellen als möglicher Übermittler seiner therapeutischen Fähigkeiten begegnet. Die vorhandenen Denkmäler, die sich vielleicht an einem verlorenen Kultbild im Serapeion von Alexandria orientierten, stellen nach den Inschriften  Votivgaben dar, doch lasse ihre Monumentalität – teilweise sind sie „übernatürlich groß, ja manchmal kolossal-groß“ – eine Erscheinung des Gottes vermuten[28].         

        Inschriften:

        Eine kleine Säule im Museum von Alexandria trägt neben dem Fußabdruck die Inschrift: Ἴσιδος πόδας/Füße der Isis. Kein Zweifel, dass hier die Epiphanie der Göttin epigraphisch bestätigt wird. Gleichwohl hielt M. Guarducci den nicht „allzu seltenen Frauennamen Isis“ für den der Stifterin[29].

        Wegen des unvollständigen Erhaltungszustandes einer kanellierten Säule bei Pogla/Pisidien bleibt offen, ob die Fußspur der inschriftlich genannten  Göttin Artemis selbst zugehört oder ihr von einer Stifterin namens Artemeis gewidmet ist[30].

        In Termessos fand sich ein 65 cm hoher Altar, dessen Inschrift sich an den „gnädig hörenden“ Theos Hypsistos Epekoos richtet. Sie endet mit den Worten „Ichnei theou“= Füße oder Fußspuren des Gottes. Das räumt alle Zweifel aus[31]

         Motivisches:

        Auf den Blöcken vor dem Tempel der Isis Domina in Belo/Spanien kommen den Eintretenden als Paar zusammengehörige Füße in Schrittstellung entgegen. Dunbabin hält sie deshalb (?) für Fußspuren der Göttin Isis[32]. Der doppelseitige Hallux valgus spricht durchaus nicht gegen ihre Göttlichkeit[33]!

        Berühmt und viel diskutiert sind die Marmorfußspuren in der Quo-vadis-Kapelle an der Via Appia in Rom. Dort soll Christus den aus der Stadt flüchtenden Petrus zur Umkehr bewogen haben[34].

        Votive: Gaben an die Gottheit

        Das in Rhamnous im Tempel der Nemesis gefundene separat gearbeitete Sohlenpaar[35] aus Poros gleicht einem anspruchslosen Votiv.

        Eine Marmortafel aus Lavinium/Pratica di Mare bietet zwei Paar gegensinnig ausgerichtete Füße, die als Flach-Relief in den Text integriert sind. Isidi Reginae C Sempronius Chryse/ros votum solbuit – der Königin Isis. Gaius Sempronius Chryseros hat sein Gelübde erfüllt[36].     

        Auf einem Felsen beim Heiligtum der Athena Sammonia im Osten Kretas lässt eine Inschrift aus dem 6./5. Jh. v. Chr. wissen: dem Denios gehören diese Füße. Das abwärts zeigendes Fuß-Paar ist offenbar mit Sandalen beschuht. Zwei einzelne unbekleidete rechte Füße zeigen nach links[37].  

        Ebenfalls im Osten Kretas hat sich eine aus derselben Zeit stammende  linksläufige Fels-Inschrift mit dem Namen des Weihenden, Thyandros, erhalten. Sie ist von einem nach links gerichteten Fuß-Paar und einem gleichfalls nach links gewandten Einzelfuß flankiert[38]

        Zwei gegensinnige Fußabdruck-Paare aus Italica mit einer Inschrift aus dem  2./3. Jh. n. Chr. sind der Nemesis Augusta geweiht, die hier als Schutzgöttin der Amphitheater angesprochen wird. Vermutlich war der Auftraggeber ein Gladiator[39].

        In Akrokorinth fand sich im Heiligtum der Demeter und Kore ein Mosaik, dessen Bildfeld von zwei mit Schlangen umwundenen Körben eingefasst ist. Zwischen ihnen erkennt man den Abdruck von einem Paar Schuhe, dessen Spitzen auf eine Tabula ansata zeigen[40]. Aus der Inschrift geht der Name des Weihgebers hervor: Oktavios Agathopous, der mit dem trefflichen Fuß= πους,  passend zu unseren Betrachtungen!

        An Zeus Hypsistos richtet sich die Inschrift auf einer Marmorplatte von der Pnyx in Athen: Eutychia euchen theo Hypsisto anetheka = Eutychia hat sie dem allerhöchsten Gott, Hypsistos, geweiht

                       

    Abb. 2: Dem Hypsistos geweiht, Athen, 1./2. Jh. n. Chr. ,   Nach Forsén 1996, 71f. Abb. 68

        Die ganze übrige Tafel wird von einem Paar Fußsohlen eingenommen (Abb. 2[41]).

        Auf der Insel Delos gibt es überregionale Heiligtümer für ägyptische Gottheiten. Eine im Serapeion gefundene Steinplatte lässt zwei große nackte Fußsohlen erkennen[42]. In der Dedikationsinschrift der vier Stifterpersönlichkeiten werden Isis und Anubis als Adressaten genannt. 

        Wenn wir der Göttlichkeit der Sarapis-Füße nicht folgen, ist hier der Ort für die dargebrachten Votive[43].

        In  manche Heiligtümer gelangten gemalte, umrissene oder gezeichnete Körperteil-Votive, etwa in Golgoi/Zypern, wo der heilkundige Theos Hypsistos die Reliefs von Sinnes- und Geschlechtsorganen sowie Kalksteinplatten mit farbig gefassten Augenpartien erhielt[44]. Zugehörig ist wohl auch eine Tafel mit geritztem Augenpaar, einem Jünglingskopf im Profil und einem menschlichen Vorfuß mit den ersten drei Zehen.

        Menschliche Fußspuren

        Literarische Quellen, nicht nur aus der Antike:

    quamquam a pueritia vestigiis ingressus patris et tuis = obwohl ich von Kindheit an in die (Fuß)-Spuren des Vaters und die deinen trat und ihnen so als meinen Leitbildern nachfolgte…[45].

        Als Orest das Grab seines Vaters Agamemnon besucht, hinterlässt er einen Fußabdruck, eine Haarlocke und ein Stück Stoff, die Zeichen an denen ihn seine Schwester Elektra erkennt[46].   

        Ein Rezept gegen Eifersucht:

       … ein treffliches Mittel, ihm die Phöbis zu verleiden, ich sollte …ihren Stapfen mit dem meinigen auslöschen, sodass mein rechter Fuß auf den Stapfen ihres linken und umgekehrt mein linker auf ihren rechten zu stehen käme, und dazu sagen:

    nun bin ich über dir
    und du bist unter mir.
    Und ich tat wie sie mir befohlen hatte.[47]

        Von der Heilkraft des aufgesetzten Fußes:

     Bei manchen Menschen haben von Geburt an einzelne Körperteile eine wunderbare Wirkung gegen irgendwelche Leiden, so bei König Pyrrhos die große Zehe des rechten Fußes, in der eine besondere göttliche Kraft stecke[48].

        Himmelfahrt eines Propheten:

    Während seiner Reise durch die Alte Welt besucht Mark Twain die  Omarmoschee von Jerusalem mit dem „Wunderfelsen in der Mitte der Rotunde“. Mohammed war mit diesem Stein wohlvertraut. An der Stelle wo er stand, hat er bei der Auffahrt „in dem massiven Stein seine Fußabdrücke hinterlassen“[49].

        Archäologische Zeugnisse

        „Ich war hier“. Votanten im Heiligtum[50]:  

        Auf Isis nimmt eine Marmorplatte aus Thrakien Bezug. An den Seiten sind ihre Klanginstrumente (Sistra) dargestellt. Die Abdrücke zwischen ihnen gehören zu zwei rechten Füßen verschiedener Größe. Das spricht für Besucher, die ihre Anwesenheit im Heiligtum dokumentieren[51].

        Am Hymettos in Athen fanden sich in felsigen Untergrund eingraviert die Umrisse von wenigstens fünfzehn Fußpaaren, die in das späte 5. Jh. v. Chr. datiert werden[52].  

        Menschliches, allzu Menschliches:

        Die einprägsame Liebesbotschaft einer Kurtisane wiederholt sich auf einem Ton-Lämpchen ägyptisch-römischer Zeit (Abb. 3).

                                

    Abb. 3: Akoluthi! Folge mir! 2./3. Jh. n. Chr.,   Nach Lau 1967, 93 Abb. 19

        Aus dem Alltag:

        Eine Reihe kleinasiatischer Grabreliefs besteht im Wesentlichen aus  Scheintüren mit Abbildungen von Sandalen-Paaren und Gebrauchs-Gegenständen wie Kamm, Spiegel oder Wollkorb aus dem Umfeld der Frau bzw. Gerätschaften für Symposion, Palästra oder Werkstatt aus der Welt des Mannes[53]. Man legte die Sandalen ab um Sport zu treiben, an einem Symposion teilzunehmen, zum Bad oder vor dem Betreten eines Boudoirs. Ihre Form  erinnert an die so genannten Flip-Flops, ungeformte Kunststoffsohlen mit Zehensteg und Schrägriemenbefestigung.

                                      

    Abb. 3: Mosaik aus Sabratha/Libyen,    Aufnahme der Verfasserin

        Das Mosaik zeigt antike „Flip-Flops“ in sehr stilisierter Form (Abb. 3), begleitet von guten Wünschen für ergötzliches Baden[54].    

        Reiseschutz[55]:

        Die Ausrichtung der Sandalen und Füße ist bedeutsam. Eine Marmorplatte, die auf dem Forum Holitorium in Rom als Schwelle gedient hatte, zeigt das Relief zweier gegensinnig angeordneter Fußstapfen und wünscht Glück pro itu et reditu /für Reise und Rückkehr. Nach Aussage der severischen Inschrift hat ein gewisser Iovinus sein Gelübde gegenüber der Dea Caelestis Triumphalis erfüllt (Abb. 4). Dieser Göttin entspricht die punische Tanit, der nach der Eroberung von Karthago in Rom ein Heiligtum am Kapitol errichtet worden war[56].

                      

    Abb. 4: Rom, Kapitolinische Museen. Frühes 3. Jh. n. Chr.,   Aufnahme der Verfasserin

        Reisen war stets unsicher und gefährlich. Solcher Ungewissheit verdanken wir wohl die Weihung eines interessanten Reliefs vom Tor Marancia in Rom. Wiedergegeben sind energisch umrissene nach oben gerichtete Füße und ein  schemenhaft angedeutetes Gegenpaar[57]. Interpretieren wir richtig, so ist die Hinreise bereits glücklich vonstatten gegangen. Nun muss noch die Rückfahrt  bewältigt werden, wofür die Reisenden weiterhin des göttlichen Schutzes bedürfen.      

        Siegeln und Stempeln    

        Im Ashmolean Museum in Oxford befindet sich ein skaraboides Siegel in Form eines nackten linken, nach links gerichteten, Fußes[58]. Exakt sind der ausgeprägte Ballenbereich und die Zehen mit den feinen Falten an der Beugeseite angegeben. Aus orthopädischer Sicht handelt es sich um einen Ballen-Hohlfuß. In zyprischer Silbenschrift ist ein Name angegeben: Pigreus[59]

         Ebenfalls auf Zypern zeigt man einen schuhförmigen Bronze-Stempel (5-10 n. Chr.) vom Typus Planta pedis, wie sie von Töpfern und Steinmetzen verwendet wurden[60].

        Götterspuren – machtvoll und zart

        Nemesis, die Rächerin der Hybris, setzt starke Zeichen. Ihr gestiefelter Fuß tritt den Kopf eines völlig hilflosen Mannes nieder (Abb. 6). Handelt es sich um personifizierten Übermut oder um einen der überwundenen Feinde Roms?[61]  

                         

    Abb. 6: Nemesis Malibu. 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr.,   Ausschnitt. Aufnahme der Verfasserin

        In der Aenaeis heißt es:

    Tu regere imperio populos, Romane, memento –
    hae tibi erunt artes – pacisque imponere morem,
    parcere subiectis et debellare superbos[62].   

    Denk‘ dran, Römer, die Völker Kraft deines Amts zu regieren,
    Übe die Kunst, die Sitten in Frieden zu ordnen,
    Unterlegene schone, den Hochmut aber bezwinge!    

        So ist ein Bogen geschlagen, zurück zu den göttlichen Fußspuren, auch wenn sie im Falle der Nemesis etwas kriegerisch daherkommen. Ganz anders äußert sich Zeus gegenüber Venus/Aphrodite, der schönsten und anmutigsten seiner Töchter: 

    Dir sind nicht gegeben, mein Kind, die Werke des Krieges.
    Wende dich lieber zu den lieblichen Werken der Hochzeit[63].

         Flüchtig und fruchtbringend ist ihre Spur:             

     Heraus aber stieg die hehre herrliche Göttin, und ringsumher
     unter dem Tritt ihrer schlanken Füße spross frisches Grün.
     Götter und Menschen nennen sie Aphrodite…[64]

    Abgekürzt zitierte Literatur und Bildnachweis:

    Boardman – Vollenweider 1978: J. Boardman – M. L. Vollenweider, Cat. of the Engraved Gems and Finger Rings (Oxford 1978)

    Buchholz 2000: H.-G. Buchholz, Kyprische Bildkunst zwischen 1100 und 500 v. Chr. Images as media. Orbis Biblicus et Orientalis 175, 2000, 215-266 

    F. Castagnoli (Hrsg.) Lavinium I (Rom 1972)  

    Castiglione 1967: L. Castiglione, Tables votives a empreintes de pied dans les temples d’Égypte, Acta Orientalia Hung. 20.2, 1967, 239-252

    Castiglione 1968: L. Castiglione, Inverted Footprints. Acta Ethnographica Academiae Scientiarum Hungaricae 17,  1968, 121-137  

    Castiglione 1971: L. Castiglione, Zur Frage der Sarapis-Füße, Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 97, 1971,  Festschr. Walther Wolf zum 70. Geburtstag, 30-43 

    Dunbabin 1990: Katherine M. D. Dunbabin, Ipsa  deae vestigia… Footprints divine and human on Greco-Roman monuments, JRA 3, 1990, 85-109    

    Egelhaaf-Gaiser 2005: U. Egelhaaf-Gaiser, Herodot und der Fußabdruck des Herakles, Habilitationskolloquium 21. Dezember 2005

    Egelhaaf-Gaiser 2013: U. Egelhaaf-Gaiser, „Ich war ihr steter Diener“ Kultalltag im Isis-Buch des Apuleius, in: Imperium der Götter. Isis – Mithras – Christus. Kulte und Religionen  im Römischen Reich (Badisches Landesmuseum Karlsruhe 2013) 150      Abb. 1

    Faletti 2016: G. Faletti, Auf fremde Rechnung, in: Gefährliche Ferien. Italien (Zürich 2016) 7-73

    Forsén 1996: S. Forsén, Griechische Gliederweihungen (Helsinki 1996)   

    Abb. 2

    M. Guarducci, Le impronte del Quo vadis e monumenti affini, figurati ed epigrafici, Rendiconti Pontificia Accademia Romana di Archeologia 19, 1942-1943, 305-344  

    Hermary 1989: A. Hermary, Cat. des Antiquités de Chypre. Musée du Louvre. Sculptures (Paris 1989) 

    Kötting 1972: B. Kötting, Fuß, RAC (Reallexikon für Antike und Christentum) 8, 1972, 722-743    

    Kötting 1983: B. Kötting, Fußspuren als Zeichen göttlicher Anwesenheit, Boreas 6, 1983, 197-201       

    Krug 2001: A. Krug, Björn Forsén, Griechische Gliederweihungen, Klio 83, 2001, 2, 528- 530

    Langdon 1985: M. K. Langdon, Hymettiana I, Hesperia 54, 1985, 257-270

    Lau 1967: O. Lau, Schuster und Schusterhandwerk in der griechischen und römischen Literatur und Kunst (Bonn 1967)    Abb. 3

    Manganaro 1964: G. Manganaro, Peregrinazioni epigrafiche, ArchCl 16, 1964, 291-295 Taf. 69-72

    O. Masson, Les Inscriptions Chypriotes Syllabiques (Paris 1961)

    F. Meynersen, „Zwei Stapfen im Fels!“ Ikonographie und Bedeutung künstlich erzeugter Fussabdrücke in der Antike, in: A. Merl – G.-R. Puin – O. Siebisch (Hrsg.), Zwischen Sanaa und Saarbrücken. Hans-Caspar Graf von Bothmer zum 70. Geburtstag (Saarbrücken 2012) 65-103

    Michaelidou-Nicolaou 2000: I. Michaelidou-Nicolaou, A short note on a Bronze Stamp of the PLANTA PEDIS Type, Periplus. Festschrift für Hans-Günter Buchholz zu seinem achzigsten Geburtstag am 24. Dezember 1999 (Jonsered 2000)   

    Nista 1994: L. Nista (Hrsg.) Castores (Roma 1994)

    Petridou 2009: G. Petridou, Artemidi to ichnos: divine feet and hereditary Priesthood in Pisidian Pogla, Anatolian Studies 59, 2009, 81-93

    Simon 1990: E. Simon, Die Götter der Römer (München 1990)

    Simon 2004: E. Simon, Heilende Heroen, AfR 6, 2004, 39-43 Taf. 11, 1 

            Van Straten 1981: T. van Straten, Gifts for the Gods, in: H. S. Versnel (Hrsg.)  

            Faith, Hope and Worship (Leiden 1981)  

            Touchais 1984: G. Touchais, Chronique des Fouilles en 1983, BCH 108, 1984,

            733-843

    Travlos 1971: J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Athen (Tübingen 1971)

    Waelkens 1986: M. Waelkens, Die kleinasiatischen Türsteine (Mainz 1986)   

    Wamser-Krasznai 2015: W. Wamser-Krasznai, Fehldiagnose! in: Fließende Grenzen (Budapest 2015) 13-21.

    Wamser-Krasznai 2016: W. Wamser-Krasznai, Bene lava, in: Beschwingte Füße (Budapest 2016) 64-78  

    Wamser-Krasznai 2016: Unter dem Diktat der Schuhmode im Altertum, in: Beschwingte Füße (Budapest 2016) 99-116

    Weinreich 1909: O. Weinreich, Antike Heilungswunder, Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 8,1 (Gießen 1909)  67-73

    Weinreich 1912: O. Weinreich, ΘΕΟΙ  ΕΠΗΚΟΟΙ, AM 37, 1912, 1-68

    Yon – Callot 1987: M. Yon – O. Callot, Nouvelles  découvertes dans la nécropole ouest de Kition, RDAC 1987, 149 -166.


    [1] Zu diesem Thema stellte mir A. Klöckner, Frankfurt am Main, ihre umfangreiche Literaturliste zur Verfügung. Dafür danke ich ihr sehr herzlich.

    [2] Meynersen 2012, 67 Anm. 12.

    [3] Hom. Od. 2, 404; 3, 30; 7, 38.

    [4] Hom. Od. 5, 193.

    [5] Hom. Il. 13, 71 f. Meynersen 2012, 72 Anm. 38.  

    [6] Cicero macht sich darüber lustig, de nat. deor. 3, 11; Kötting 1983, 198; Meynersen 2012, 66.

    [7] Hom. h. an die Dioskuren; Nista 1994, 9.

    [8] Hdt. hist. 4, 82; Meynersen 2012, 73.

    [9] Lukian. Ver. Hist. 1, 7; Guarducci 1943, 309 Anm. 11.

    [10] Vgl. dagegen die Schrittstellung eines Fußpaares am Eingang zum Isistempel in Belo/Spanien, Dunbabin 1990, 86. 89 Abb. 4. Die Autorin hält den Abdruck aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen für denjenigen der Göttin.

    [11] Anders Egelhaaf-Gaiser 2013, 150.

    [12] Bekanntlich sind an Weihgaben in Form von Körperteilen pathologische Veränderungen außerordentlich selten dargestellt worden. s. Grmek – Gourevitch 1998, 293 Abb. 230; Wamser-Krasznai 2015, 14 Bild 3.

    [13] Simon 1990, 72. Die großen sorgfältig geglätteten Quader aus Anienetuff seien nicht früher als in die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. zu datieren, Coarelli, Rom  2019, 303.

    [14] Verg. Aen. 8, 208 – 272.

    [15] Faletti 2016, 40 f.

    [16] Kötting 1983, 199; Weinreich 1912, 36 f.

    [17] Iama Epidaur. IG IV 952, 110 ff.

    [18] Sueton, Vesp. 7, 2-3; Tac. hist. 4, 81, 1-3; Castiglione 1971, 33; Simon 2004, 42; Weinreich 1909, 68.

    [19] Kötting 1972, 740; ders. 1983, 199 Anm. 17; Weinreich 1912, 37 Anm. 1; ferner Castiglione 1968, 122 und Anm. 9: außer Caelestis und Mithras empfange auch Kybele als dritte der orientalischen Gottheiten in Rom Fußabdruck-Weihungen.

    [20] Eusebius, vita Constantini 3, 42, zit. bei Kötting 1983, 200 Anm. 25 f.

    [21] Lukian, Philopseudes c. 24.

    [22] Hdt. II, 91; Castiglione 1967, 251; Kötting 1983, 198.

    [23] Meynersen 2012, 66.

    [24] Dunbabin 1990, 86-88 Anm. 16; Kötting 1983, 198 f.  Anm. 10; Meynersen 2012, 69 f. Anm. 26.

    [25] Yon – Callot 1987, 160 f. Abb. 9 a.

    [26] Castiglione 1971, 36 Nr. 8; Weinreich 1912, 37.

    [27] Castiglione 1971, 30-43 Abb. 3; Petridou 2009, 86 f. Abb. 9.

    [28] Castiglione 1971, 32 f.

    [29] Guarducci 1943, 315; Meynersen 2012, 73. Anders Dunbabin 1990, 86 Anm. 16; Castiglione 1967, 244 Anm. 16; eher skeptisch: Kötting 1983, 198 f. Anm. 10-15. 20.

    [30] Petridou 2009, 81-93 Abb. 1-5.

    [31] Petridou 2009, 84 f. Abb. 7.

    [32] Dunbabin 1990, 86. 89 Abb. 4. 5.

    [33] Wamser-Krasznai 2016, 108 Bild 16.

    [34] Guarducci 1942-1943,  305 f. Abb. 1; Kötting 1983, 201 Anm. 32.

    [35] Petridou 2009, 83; Touchais 1984, 7550 f. Abb. 30.

    [36] Castagnoli 1972, 75 Abb. 76; Castiglione 1968, 124 f. Abb. 6. Dunbabin 1990, 90 Abb. 8; Meynersen 2012, 77.  91 Abb. 8.

    [37] Dunbabin 1990, 90 Abb. 7; U. Egelhaaf-Gaiser 2005, T 3, stellte mir freundlicherweise ihren Text zum Habilitationskolloquium  zur Verfügung; Guarducci 1943, 311 Abb. 3; Meynersen 2012, 71. 85 Abb. 2; Petridou 2009, 85 Abb. 8.

    [38] Egelhaaf-Gaiser 2005, T 2; Guarducci 1943, 310 f. Abb. 2.

    [39] Castiglione 1968, 124 Abb. 8. 

    [40] Dunbabin 1990, 85. 87. 108 Nr. 11 Abb. 1; N. Bookidis, Hesperia 43, 1974, 280 f. Taf. 56 f.

    [41] Travlos 1971, 572  Abb. 718;  van Straten, 1981, 144 f.; Guarducci 1942-43, 337 Abb. 17.

    [42] Guarducci 1943, 313 Abb. 4; Meynersen 2012, 74 Abb. 4.

    [43] Castiglione 1971, 36-43.

    [44] Kötting 1983, 197. Hermary 1989, 452. 454 Nr. 934. 940-942.

    [45] Cic. rep. 6, 24; Kötting 1972, 734; ders. 1983, 199.

    [46] deúteron tekmérion podon…Fußstapfen …von zwei Paar Füßen.. Aischyl. Choeph. 205 f.

    [47] Lukian, Hetärengespräche 4, 5, Melissa und Bacchis.

    [48] Plin. n. VII, 20; XXVIII, 9  42; XXVIII, 34, Weinreich 1909, 67. 72; Plut. Pyrrh. c. 3.

    [49] Mark Twain, Reise durch die Alte Welt [1867] (Hamburg 1964) 389 f. weitere Fußabdrücke Mohammeds: Moscheen in Alexandria, Tanta, Kairo; Castiglione 1967, 246:

    [50] Meynersen 2012, 79.

    [51] Dunbabin 1990, 86 f. Abb. 3.  

    [52] „At least fifteen pair of outlines of the feet (platae pedis) of children, adults, and a giant“, Langdon 1985, 264 f. Abb. 1 Taf. 73 c. d; Meynersen 2012, 71.  

    [53] Waelkens 1986, 124-361 Nr. 297-584 Taf. 45-81.

    [54] Dunbabin 1990, 100 Abb. 17 f. Wamser-Krasznai 2016, 64 Bild 1.

    [55] Kötting 1983, 197.

    [56] ThesCra I, 389 Nr. 512 Taf. 106 (E. Simon). Die Taube zwischen den gegensinnigen Fußabdruck-Paaren verbinde Caelestis auch mit Aphrodite, Castiglione 1968, 122 f. Abb. 5; ferner ThesCra I,  435 Empreintes de pieds 897. 898 ohne Abb. (V. Brouquier-Reddé); Guarducci 1943, 320 f. Abb. 9.

    [57] Guarducci 1943, 318-320 Abb. 8.

    [58] „A right foot shown from below“, Boardman – Vollenweider 1978, 15 Nr. 71 Taf. 13.

    [59] Buchholz 2000, 231 Abb. 4i. 250 Anm. 127; Masson 1961, 348 Nr. 360 Abb. 116 und Taf. 60, 10; Meynersen 2012, 86 f. Abb. 3a und b.

    [60] Sie werden unterschiedlich interpretiert: als Segenswunsch, Michaelidou-Nicolaou 2000, 119 Taf. 32, 1-3;  apotropäisch, Kötting 1972, 733; als Zeichen der Praesenz; Zustimmung im Zusammenhang mit Verträgen, Meynersen 2012, 81. Kaiserzeitliche beschriftete Abdrücke auf Kalksteinplatten,  Manganaro 1964, 294, 2 Taf. 71, 1.

    [61] LIMC VI [1992] 758 (P. Karanastassi); Hornum 1998, 136 f.; „und ich werde deine Feinde zum Schemel deiner Füße machen“, Psalm 110, Schweitzer 1931, 215 f. Abb. 11.

    [62] Verg. Aen. VI 851-853.      

    [63] Hom. Il. 5, 428.

    [64] Hes. Theog. 195 f.

  • Wir Ärzt/innen können uns leidtun. Da haben wir geschlagene fünf Jahre studiert, weitere fünf Jahre für eine Spezialisierung daraufgesetzt, und dann kommen die Patienten und wissen alles besser, weil sie längst das Internet, eine Wunderheilerin oder einen Scharlatan befragt haben. Die helfen zwar bisweilen und wer heilt hat Recht, doch hätten die Halb-Informierten gern noch den Segen von uns [Akade]Mikern, unter deren Augen sie dann weiter auf ihren esoterischen Pfaden wandeln. Sei’s drum. Auch in der Antike war dergleichen gang und gäbe. So heißt es, der älteste Kult auf der Tiberinsel in Rom habe dem Flussgott Tiberinus gegolten; doch als die Stadt 293 v. Chr. von einer schweren Seuche heimgesucht wurde, verlangten Bürger und Magistrate nach der Hilfe eines Größeren. Also holten sie sich aus Epidauros den berühmten Heilgott Asklepios, der in Gestalt einer Schlange den Ort für seinen künftigen Tempel auf der Insel bestimmte[1].      

    Über Asklepios und die andere große Heilgottheit der Antike, Hygieia, ist so viel Rühmliches geschrieben worden, dass hier kein Wasser ins Meer getragen werden soll. Es gibt ja genügend Göttinnen und Götter, die unter verschiedenen Aspekten verehrt werden, auch – wenngleich eher nebensächlich – unter demjenigen der Heilkunst. Heilgottheiten zweiter Ordnung[2]! Ihre Zahl ist groß, sodass eine Auswahl getroffen werden muss, eine sehr subjektive, versteht sich.

        1. Apollon/aplu/Apollo.

    Das ist zunächst Apollo. Wie kann das sein? Apollon, ein Heilgott zweiter Ordnung? Nun, sein Sohn Asklepios stellt ihn bei Weitem in den Schatten. Die Verdienste des Vaters sind im Hinblick auf Heilungen weniger bekannt und lange nicht so spektakulär. Sie werden oft nicht genügend gewürdigt. Der schöne, ewig jugendliche Apoll jedoch, Herr des Orakels, Musenführer, trefflicher  Bogenschütze und Vegetationsgott, kann sich Großmut leisten. Einem seiner Lieblinge, Iapyx, verleiht er sogar die Gabe der Heilkunst[3]. Im Übrigen wird er bereits im 5. Jh. v. Chr. als Heilgott Apollon Maleatas verehrt. Das hoch über Epidauros gelegene Heiligtum entwickelt sich am mykenischen Kultort des Heil-Heros Maleas[4]. Jüngere Heilstätten, die Asklepieia, schließen sich gern an die älteren des Apollon an, wie Mantinea, Aigeira oder Sikyon[5].

    In der Ilias tritt der Gott in Doppelfunktion als Verursacher und Überwinder von Katastrophen auf. Er sendet ins Heer den Pestpfeil und gebietet der Seuche dann wieder Einhalt, nachdem er durch Sühneleistungen zufrieden gestellt ist[6].

     Als Diomedes dem Aineas mit einem Steinwurf das Hüftgelenk zerschmettert, greift Apollon helfend ein. Aphrodite will gerade ihren Sohn vom trojanischen Schlachtfeld entrücken, wird dabei aber selbst von Diomedes verwundet. Apollon springt ihr bei, birgt Aenaeas und lässt ihn von Mutter Leto und Schwester Artemis im Adyton seines Tempels in Troja pflegen[7].

     Hektor wird ebenfalls durch einen Stein verletzt, über dem Schildrand nahe dem Halse[8]. Zeus beauftragt Apollon, sich um ihn zu kümmern. Die Therapie ist eher suggestiv als chirurgisch. Dem trojanischen Königssohn wird Kraft eingehaucht – mit vollem Erfolg, denn gleich darauf nimmt der Genesene zum Schrecken der Achäer wieder am Kampfgeschehen teil[9].    

     Psychosomatisch behandelt Apollon auch den Glaukos, den ein Pfeil des Teukros in den Arm getroffen hat, sodass er die Lanze nicht fest zu halten vermag[10]. Er bittet den Gott:

    Schläfre die Schmerzen ein, gib Kraft mir
    es hörte ihn Phoibos Apollon,
    Stillte sofort die Schmerzen und ließ an der leidigen Wunde
    Trocknen das schwarze Blut und legte Kraft in den Mut ihm[11].

    Arzt der Götter ist nach Aussage der Ilias Paiéon. In mykenischer Zeit verehrt man ihn als individuelle Gottheit Paiawon oder pa-jo-wo[12], bevor er später unter den Namen Iepaiéon und Paián mit Apollon verschmilzt[13]. Aus der Odyssee erfahren wir, dass Leute aus Ägypten, die sich besonders gut auf Pharmaka verstehen, vom Geschlechte des Paiéon abstammen[14].

     Vor Troja wird auch Ares verwundet. Zeus trägt dem Paiéon auf, ihn zu heilen,

    Und Paiéon streute ihm auf schmerzstillende Kräuter,
    und er heilte ihn…[15]

     Ähnlich kuriert er den von einem Pfeilschuss des Herakles getroffenen Hades mit lindernden Kräutern, die er darüber streute[16].

     Seit der Zeit der Tarquinier, im späten 6. Jh. v. Chr. wird in Rom der etruskische Aplu (=Apollon/Apollo) verehrt. Weihinschriften und anatomische Votive weisen auf die spezifischen Aspekte von Fruchtbarkeit, Genesung und Gesundheit[17] hin. Im 5. Jh. v. Chr. führt er die Beinamen ἀλεξίκακοϛ/Übelabwehrer, Παιάν und Apollo Medicus. Seit 449 v. Chr. befindet sich auf dem Marsfeld sein Altar, das Apollinar[18]. Ein Tempel wurde ihm während einer Seuche gelobt und 431 v. Chr. eingeweiht[19]. Im 4. und 2. Jh. v. Chr. erfolgten Umbauten. Weitere 100 Jahre später erkennt C. Sosius die Zeichen der Zeit und schließt sich dem Octavian/Augustus an, nachdem er zuvor ein Parteigänger des MarcAnton gewesen ist. Von 34 v. Chr. an lässt Sosius den Tempel des Apollo Medicus grundlegend erneuern[20].

    Julius Caesar berichtet in den Jahren 51/50 v. Chr. von den Galliern, sie seien der Meinung, dass Apollo die Krankheiten vertreibe[21]. In Alesia, dem gallischen Oppidum der Mandubier, berühmt wegen des Vercingetorix und der Belagerung und Eroberung durch die Römer, trägt Apollo den einheimischen Namen Moritasgus (Abb. 1)[22].

                        

    Abb. 1: Oberschenkel mit Knie für Apollo Moritasgus, Nach: Cazanove 2009, 358. 361 Abb. 7

        Besser bekannt und weiter verbreitet ist im gallo-römischen Raum der Gott Grannus, der ebenfallsdieZüge desApollo Medicus übernommen hat. In Aachen, dem lateinischen Aquae Granni, nutzen Heilung suchende bis heute die alkalischen schwefelhaltigen Kochsalzquellen. Votiv-Altäre mit Inschriften für Grannus und seine Kultgenossin Sirona stammenu. a.ausdem kleinen Pilgerheiligtum Hochscheid im Hunsrück. Mit Schlange und Schale ist Sirona an Hygieia angeglichen[23]. Die Verehrung des Paares Apollo Grannus und Sirona führt weit über Gallien und die Germania inferior hinaus. Mit Weihinschriften belegen Heilstätten wie Aquincum in Pannonien oder Sarmizegetusa in Dakien die Verbreitung des Kultes in den Donauländern[24].

          2. Athena/Menrva/Minerva

     Am Wege zum sogenannten Alpion befindet sich ein Tempel der Athena Ophthalmitis. Den soll Lykurgos geweiht haben, als ihm das eine Auge von Alkandros ausgeschlagen wurde, weil die Gesetze, die er gab, dem Alkandros nicht gefielen. Er floh an diesen Platz, und die Lakedaimonier verteidigten ihn, dass er nicht auch noch das andere Auge verlor, und daher baute er den Tempel der Athena Ophthalmitis[25].Ein prophylaktisches Weihgeschenk. Ob Athena dem Lykurg wieder zum beidäugigen Sehen verholfen hat, lässt Pausanias offen.

     In kultischer Hinsicht ähnelt die römische Minerva Medica der griechischen Athena Hygieia, als Schützerin der Gesundheit [26]. Topographische Schriften aus dem 3. Jh. n. Chr. erwähnen einen in der Regio V Augustea (Esquiliae)[27] gelegenen Tempel der Minerva Medica, dessen Areal annähernd der heutigen Via Carlo Botta entspricht[28]. Auf dem Fragment einer Tonlampe aus dem nahen Votivdepot ist in „archaischen“ lateinischen Buchstaben der Name der Göttin eingeritzt[29]. Vom Heiligtum selbst sind heute keine Reste mehr zu sehen[30]. Einen gleichfalls auf dem Esquilin an der Via Giovanni Giolitti gelegenen zehneckigen Kuppelbau, der zu den Horti Liciniani gehört, aber „unter dem Phantasienamen Tempio di Minerva Medica“ (Abb. 2) bekannt ist, schließen die Altertumsforscher definitiv aus[31].

           

    Abb. 2: Fälschlich als „Tempel der Minerva Medica“ bezeichneter Bau.                                            Aufnahme der Verfasserin.

        Nicht nur im Heiligtum auf dem Esquilin wurde Minerva als göttliche Ärztin  verehrt. Bei Travo/Piacenza gefundene Inschriften, in denen sie ausdrücklich „Medica“ genannt wird, weisen auf ein Heil-Heiligtum hin. Coelia Iuliana, die aus schwerer Krankheit gerettet und Tullia Superana, die von einem  entstellenden Haarausfall befreit wurde[32], richten Dank-Adressen an Minerva.

                         

    3: Frauenkopf mit „Darstellung von Haarausfall“? Nach Holländer 1912, 304 Abb. 196

    Die Schriftquelle allerdings mit einem Terrakotta-Kopf vom Votivdepot auf dem Esquilin (Abb. 3) zu verbinden ist zwar reizvoll aber unzutreffend. Für die vermeintliche „Alopezia areata“ gibt es eine rein mechanische Erklärung: die nachträglich applizierten ornamentalen Hakenlocken konnten dem kontinuierlichen Abrieb, dem sie über Jahrhunderte hinweg ausgesetzt waren, auf die Dauer nicht standhalten[33].

     Außer Köpfen und Statuetten enthielt das Depot Fragmente von Gliedmaßen, die scheinbar mit „Pusteln“ übersät waren (Abb. 4). Auch hier rivalisiert nüchterne Betrachtungsweise mit retrospektiven Diagnosen: Statuen von Satyrn und Silenen zeigen häufig ein fellartiges Integument, dessen „Erhabenheiten“[34] den Plaques der Extremitäten ähneln. Es sind Statuen-Fragmente, keine Körperteil-Votive mit pathologischen Veränderungen.

                            

    Abb. 4 : Armfragment  vom Esquilin, Terrakotta.   Nach: Baggieri 1999, 49 Abb. 27 

    Unter den zahlreichen Terrakotten aus dem Depot befinden sich weibliche Gewandfiguren, von denen einige mit Schild und Aegis als gewappnete Minerva charakterisiert sind, außerdem Doppelgöttinnen, Wickelkinder, Votivköpfe, anatomische Votive und Tierfiguren[35].   

     Im Norden des antiken Fiesole liegt ein weiteres der Minerva Medica zugeschriebenes Heiligtum, in dem eine kleine bronzene Eule, die Begleiterin  der Athena/Minerva, zum Vorschein kam. Weitere Bronzen, Körperteilvotive in Form von Beinen und Füßen, spielen möglicherweise auf die therapeutischen

    Fähigkeiten der Göttin an[36]. Ähnliches gilt vermutlich für einen als Votiv-Herz gedeuteten Miniatur-Cippus aus Lavinium. Nach der eingeritzten Inschrift hat ihn die Etruskerin Senenia der Göttin Menrva geweiht; die Form der Buchstaben weist in das 3. Jh. v. Chr.[37]

     Auch eine kleine in der Gallia Romana entstandene Tavola ansata aus Bronze, auf der ein Augenpaar dargestellt ist, trägt eine Weihinschrift an Minerva[38].  

    Ein „perfektes Beispiel für die Angleichung einer römischen und einer lokalen Gottheit“ sei die Göttin Sulis Minerva[39]. Ihre Verehrung in Bath/Aquae Sulis ist an zahlreichen Inschriften, beeindruckenden Tempelruinen und großartigen Badeanlagen ablesbar.      

        3. Aphrodite/Turan/Venus:

    Im Kampf gegen den Latiner Turnus wird Aenaeas von einem Pfeil getroffen.

    … mitten im Worte, da schwirrte.
    Sieh, ein gefiederter Pfeil, …
    man weiß nicht,
    Welche Hand ihn geschnellt…Aenaeas,
    Der nur Schritt vor Schritt am langen Speere sich stützte.
    Grimmig ringt er, den haftenden Pfeil am zerbrochenen Rohre
    Auszuziehn

    Schon kam Iapyx, …ein Liebling des Phoebus
    Eilends herbei, dem einst, von heftiger Liebe ergriffen,
    Seine eigenen Künste und Gaben freudig Apollo
    Anbot…[40]

    Doch auch der Arzt Japyx ist machtlos, der Pfeil sitzt fest wie eingewachsen. Da naht Venus, die ihren Sohn Aenaeas nicht länger leiden sehen kann, mit ihrem kretisches Heilkraut,

    heimlichdas Gesicht in dunkle Wolken sich hüllend, (Abb. 5) mischt sie die heilsamen Tropfen der Pflanze in das Wasser, mit dem Japyx die Wunde reinigt, da entflieht der Schmerz aus dem Körper und das Geschoss fällt heraus, von selber und zwanglos. 

                            

    Abb. 5: Pompeianisches Wandbild, um 70 n. Chr..      Nach: Simon 1990, 222 Abb. 280

    In Lavinium gründet Aenaeas für seine göttliche Mutter ein von Strabon erwähntes Heiligtum namens Aphrodisium. Körperteilvotive des 4. und 3. Jhs. v. Chr. belegen den Heilcharakter der Stätte[41].

    Unter den Aspekten von Reinheit und Reinigung wurden panitalische und lokale Göttinnen mit Venus assoziiert. Zu den ersteren gehört Mefitis, diealleÜbel zu heilen und Befleckung und Krankheit hinweg zu nehmen vermag. Ihre Macht äußert sich zwar im ‚berüchtigten‘ Dunst, beruht aber auf der reinigenden Kraft des Schwefels[42]. Mit ihrer römischen Kultgenossin Juno Lucina teilt sie die Verehrungsstätte, einen Hain (lucus) an der Nordspitze des Esquilin[43]. Venus Cloacina trägt Sorge für die Reinheit der ganzen Stadt[44]. Ihr Heiligtum liegt auf dem Forum Romanum, nicht weit von der Cloaca Maxima.     

        4. Artemis/Artumes/Diana

       Dass Artemis zusammen mit ihrer Mutter Leto den von Apoll aus dem Schlachtgetümmel entrückten Aeneias im Heiligtum auf der Burg von Trroja pflegt, war schon angeklungen[45].

    Wie ihr Bruder kann sie Wunden schlagen, aber auch heilen.

    wenn in der Stadt die Menschen das Alter erreichen,
    Kommt die Freundin der Pfeil‘ und der Gott des silbernen Bogens,
    welche sie unversehens mit sanften Geschossen erlegen[46].
       

    In großer Bedrängnis wegen einer schrecklichen Seuche ruft der Chor in Sophokles‘ Oedipus drei Zeus-Kinder an:

    Himmlische Tochter des Zeus, erhabne Athene, dich ruf ich zuerst.
    Artemis dann, deine Schwester, die Schützerin unseres Landes,
    Und den Fernhintreffer Apoll, euch Wehrer des Todes.
    Habt ihr schon früher die Flamme des Unheils verscheucht,
    Dann kommet auch jetzt[47].

        Die kleinasiatische Artemis Anaeitis trägt in Anspielung auf ihren Begleiter Men bisweilen eine Mondsichel[48]. Manchmal ist sie durch ihre Tracht an Artemis Ephesia, durch begleitende Tiere an Potnia Theron angeglichen. Auf lydischen Marmorstelen aus der Gegend von Sardes sprechen Genesene der Großen Mutter und gnädig Hörenden Anaeitis[49] den Dank für ihre Hilfe bei Augenleiden, wunden Füßen, Brustkrankheiten und intestinalen Problemen aus.

    Unter dem Schutz der Ortsgöttin Diana Abnoba[50]steht die Therme von Badenweiler.EinAltar verkündet den Namen[51]. Der Fluss Hister [Oberlauf der Donau] entspringt in Germanien an den Abhängen des Berges Abnoba gegenüber der Stadt Rauricum in Gallia und gleitet jenseits der Alpen…unter dem Namen Danuvius dahin…[52]

    Auch zu Mattiacum in Germanien jenseits des Rheins gibt es warme Quellen; das aus ihnen geschöpfte Wasser bleibt drei Tage lang heiß, setzt aber an den Rändern Bimsstein an[53]. In Aquae Mattiacae/Wiesbaden fand sich eine Statuenbasis mit Dank-Inschrift an Diana Mattiaca.

           5. Herakles/Hercle/Hercules:

        …in Hyettos aber steht ein Tempel des Herakles; Kranke können hier Heilung finden;…und in Messene auf Sizilien befreie Herakles von Krankheiten aller Art[54]. In Ephesos habe er den Ausbruch der Pest verhindert[55]. Überhaupt rühmen Beinamen wie Alexikakos, Apotropaios und Soter, lateinisch Custos, Tutor, Defensor, ihn als Abwehrer und Retter in Seuchengefahr[56].  

      

    Abb. 6: MarmorRelief Athen, 4. Jh. v. Chr. Körperteil-Votive für Herakles.    
    Nach: van Straten 1981, 106 Nr. 1.1 Abb. 50.           

    Das Relief aus pentelischem Marmor (Abb. 6) zeigt links den an seiner Keule kenntlichen Herakles, vor dem eine Adorantin kniet. Auf dem rechten Abschnitt der Tafel erkennt man Extremitäten und weibliche Körperteile[57].

        Eine Inschrift aus einer dakischen Villa rustica ist dem Hercules Magusanus pro salute sua et suorum gewidmet[58]. Er schützt die  Heilquellen, und auch die vulkanischen Seen im Zentrum der Apenninenhalbinsel seien ihm zu verdanken[59]. In Tibur/Tivoli lindern die Schwefelquellen der Aquae Albulae   rheumatische Schmerzen und Muskelverspan-nungen[60].

        6. Hermes/Turms/Mercurius:

    Wieder geht es um Seuchen, lateinisch pestilentia, griechisch Loimós genannt. Durch Herumtragen eines Widders befreit Hermes die Stadt Tanagra von der Pest[61].

     In Tanagra…in Bezug auf die Heiligtümer des Hermes, des Kriophoros [des Widderträgers] …erzählen sie …dass Hermes ihnen eine Epidemie abwehrte, indem er einen Widder um die Mauer herumtrug, und deshalb schuf Kalamis eine Kultstatue des Hermes mit einem Widder auf den Schultern.

    Wer aber von den Epheben als der schönste erklärt wird, dieser läuft am Fest des Hermes rings um die Mauer mit einem Schaf auf den Schultern[62].

                     

    Abb. 7:  Hermes kriophoros, Paris Louvre, frühklassisch. Nach Jeammet 2003, 30 Abb. 10

     Der homerische Hymnos preist Hermes als den Führer im Traumland und als Vermittler des süßen Schlafs, den er nach Belieben nehmen oder gewähren kann[63]. Das Hermodaktylon, ein dem gleichnamigen Gott zugeschriebenes mit Colchicum autumnale gleichgesetztes Kraut rufe Lethargie und Träume hervor[64].

        Hermes chthonios geleitet die Toten und sorgt für Regeneration und Wohlergehen aller lebenden Wesen.

        Als Gott der Fruchtbarkeit wird er auch in Phallos-Gestalt und als Φάλης verehrt[65]. Die Hermen mit ihrem wichtigsten Kennzeichen, dem männlichen Geschlechtsorgan, sind ihm geweiht[66].

                             

    Abb. 8: Hermes-Herme, München, frühklassisch.  Aufnahme der Verfasserin                

    Hermes ist imstande, die männliche Kraft wieder herzustellen[67]. Die Linozostis oder das Parthenion wurde von Hermes entdeckt. Daher nennen es bei den Griechen viele Hermu poa, bei uns nennen es aber alle Mercurialis[68],was bei Krankheiten der Geschlechtsteile Verwendung findet[69].                                     

     …

    Doch wir sind nicht so ganz, wir alte Heiden, verlassen,
    Immer schwebet ein Gott über der Erde noch hin,

    Eilig und geschäftig, ihr kennt ihn alle, verehrt ihn!
    Ihn, den Boten des Zeus, Hermes, den heilenden Gott.
    Fielen des Vaters Tempel zu Grund, bezeichnen die Säulen
    Paarweis kaum noch den Platz alter verehrender Pracht,      
    Wird des Sohnes Tempel doch stehn, und ewige Zeiten
    echselt der Bittende stets dort mit dem Dankenden ab[70].

     Wem die vielen Zitate den Sinn verwirren, tausche den Gott Hermes gegen die lateinische Version, Mercurius, und wechsle von den Römischen Elegien zu den Venezianischen Epigrammen:

    Camper der jüngere trug in Rom die Lehre des Vaters
    Von den Tieren uns vor, wie die Natur sie erschuf,

    Armer Camper, du hast ihn gebüßt, den Irrtum der Sprache,
    Denn acht Tage danach lagst du und schlucktest Merkur[71].

         7. Demeter/Vea/Ceres

     In Fontanile di Legnisina/Vulci wurden Uterus-Modelle gefunden, von denen zwei eine geritzte Inschrift tragen: Vei, „der Vea„, der etruskischen Entsprechung zu Demeter/Ceres. Die Uteri sind reliefartig flach, mit nahezu konzentrisch angeordneten Wülsten. Das ungewöhnliche Motiv ließ an eine Darstellung der Gebärmutter post partum denken[72].      

     In Troizen hatte Demeter einen sehr alten Kult, bei dem Ferkel, Phallen aus Teig und Pinienzapfen in Gruben geworfen wurden, ein chthonisches Frauenfest, das sich auf Empfängnis und glückliche Geburt bezog[73]. Sieben Demeter-Heiligtümer liegen im Umkreis von Troizen.   

     An der Küste aber befindet sich an der Grenze von Hermione ein Heiligtum der Demeter mit Beinamen Thermasia[74]. Der Name weist auf nahe gelegene warme Quellen und Bäder hin. Für die Demeter Thermasia sind Heiligtümer gebaut, das eine an der Grenze gegen Troizen…und eins in der Stadt [Hermione] selbst. …  

    Vom troizenischen Land springt eine Halbinsel weit ins Meer vor, und darauf ist ein nicht großes Städtchen…Ungefähr dreißig Stadien davon befinden sich warme Bäder…Wasser…das noch jetzt hervorkommt, warm und furchtbar salzig. Wenn man hier gebadet hat, ist weder kaltes Wasser in der Nähe, noch kann man sich ins Meer werfen und ohne Gefahr schwimmen; denn es gibt hier neben anderen Tieren sehr viele Haie[75].

    Auch die Demeter von Eleusis hat Verbindung zur Heilkunst und empfängt, gemeinsam mit Asklepios, kultische Ehren[76]. In Lakonien …ist ein Heiligtum der Demeter mit Beinamen der eleusinischen. Hier soll…Herakles von Asklepios verborgen worden sein, als er seine Wunde heilte[77].       

     Aus dem Hydromanteion[78] des Demeter-Heiligtums von Patrai/Patras berichtet Pausanias über ein „untrügliches“ Orakel für Kranke. Lasse man einen Spiegel bis zur Wasserfläche der heiligen Quelle herab und bete zur Göttin, so zeige sich der Kranke im Spiegel noch lebend oder bereits tot[79].     

     In erstaunlich umfassendem Sinn rühmen kaiserzeitliche Schriftsteller die therapeutischen Fähigkeiten der Göttin. Artemidoros berichtet von einer  glücklichen Rettung mit Hilfe von Demeter, Kore und Iakchos: die Gottheiten hätten die Kranken angewiesen von ihren Betten aufzustehen. Die danach prompt eingetretene mythische Heilung entspricht dem aus Joh. 5, 8 bekannten Wunder[80]. Der Orphische Hymnus an Demeter 19-20 preist sie als Bringerin von Gesundheit, Wohlfahrt, Frieden und wirtschaftlicher Prosperität.

    Frühzeitig erkannte man in einem Relief aus Plovdiv/Philippopolis einen  Beleg für ihre augenärztliche Tätigkeit. Die Inschrift nennt eine Stratia, die der Göttin für ihren Beistand bei einem ophthalmologischen Problem dankt. Ob die Weihgeberin tatsächlich als Blinde oder Sehbehinderte dargestellt ist[81]?

                                  

    Abb. 9: Demetri Eukrates, 4. Jh. v. Chr. (?).    Nach: Steinhart 1995, 34 f. Taf. 9

        Das Marmor-Relief aus dem Telesterion von Eleusis (Abb. 9) ist durch eine horizontale Zierleiste zweigeteilt. Den oberen Abschnitt beherrscht der mit einem Diadem geschmückte Kopf der Göttin. Von ihrem Hals und den Wangen gehen Strahlen aus,

     – Weithin strahlt es von Licht aus ihrem unsterblichen Körper… das feste
    Haus erfüllte ein strahlendes Funkeln, als wären es Blitze –

    so heißt es im homerischen Demeter-Hymnos[82]. Die im unteren Feld dargestellten Sinnesorgane, Augen und Nase, erinnern an Votive aus anderen Werkstoffen in der Form von maskenartigen Teilen des Gesichts[83].     

         Ein Epigramm des Antiphilos[84] schildert die Erfahrung eines Mysten im Telesterion von Eleusis: 

    Zum Tempel hin ging ich am Stock, uneingeweiht wie ich war,
    …die Göttinnen initiierten mich  und noch in derselben Nacht
    war ich geheilt von der Umnachtung der Augen.
    Ohne Stock ging ich hinunter zur Stadt und verkündigte die heiligen Riten
     der Demeter, lebhafter mit meinen Augen als mit meiner Zunge.

    – aus gutem Grund, denn bekanntlich hatten die Initiierten über die geheimen Vorgänge während der Eleusinien strengstes Stillschweigen zu bewahren.

    Immer wieder wird Demeter mit Augen-Heilungen in Verbindung gebracht[85]

    Bezieht sich aber das (wieder) erworbene Sehvermögen auf eine physische oder eine rituelle Fähigkeit oder auf beide? Wurde den Initianten während der geheimnisvollen Vorgänge im Telesterion das Sehen im sensorischen oder/und das „Schauen“ im höheren spirituellen Sinne zuteil?[86]

    Wie ist die Häufung von Augen-Darstellungen in bestimmten Votiv-Depots zu erklären? In Ponte di Nona bei Rom schwanken die Zahlenangaben zwischen 400 und 1000[87]! Eine Begründung für die Weihung von Augen-Darstellungen bietet in erster Linie die Bitte um Genesung des Organs „Auge“ bzw. der Dank für dessen Heilung, gefolgt von der apotropäischen Bedeutung gegen einen  „bösen“ Blick, sowie das schützende Auge der beschenkten, über ihre Gläubigen wachenden Gottheit. Endlich könnten die Augenvotive den eleusinischen Göttinnen deshalb gewidmet sein, da sie im Verlauf der Mysterien den zu Iniziierenden im metaphorischen Sinne den Übergang von ihrer Blindheit in das Licht gewähren[88].         

        8. Dea Febris/Θεὸς Πυρετός und Malaria:

        In Rom besaß die Fiebergöttin neben ihrem Haupttempel auf dem Palatin noch zwei weitere Heiligtümer[89]. Wie aus den Abhandlungen Galens, dem  Corpus Hippokraticum und verschiedenen Inschriften hervorgeht, verehrte man die Gottheit in drei Varianten, Tertiana, Quartana und der gefährlichsten, ἡμιτριταῖος, die wir  Tropica nennen[90]. Nach den antiken Beschreibungen der intermittierenden Fieberattacken besteht kein Zweifel, dass nicht nur banales Fieber sondern die verschiedenen Malaria-Typen bekannt waren. Das männliche Äquivalent, der griechische Fiebergott Θεὸς  Πυρετός, wird selten genannt, ist aber in Kilikien durch die Inschrift auf einem kleinen Altar aus dem 3. Jh. n. Chr. belegt[91].

        Die häufigen Funde anatomischer Votive des Typus „Organi Poliviscerali“ in einer Region Mittelitaliens, wo bis vor wenigen Jahrzehnten noch die Geißel der  Malaria  wütete, ließen F. Fabbri vermuten, dass Weihgaben in Form von Eingeweiden mit eben dieser Krankheit in Verbindung stehen, treten doch häufig genug neben den charakteristischen Fieberanfällen auch gastrointestinale Symptome  auf[92]. Zahlreiche etrusko-italische Terrakotta-Votive geben die inneren Organe wieder, sei es als Rundplastik, in Form von Eingeweidetafeln oder als menschliche Körper mit fensterartigem Einblick in die Leibeshöhle[93].                    

    Abb. 10: Aus der Sammlung Stieda, Gießen, Inv. T III-9
    Aufnahme M. Recke, Gießen- Frankfurt am Main

    Zu letzteren gehört das Terrakotta-Votiv aus der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität Gießen, Stiftung Ludwig Stieda (Abb. 10). Es zeigt einen bekleideten männlichen Körper, durch dessen Fenster-Öffnung von  inneren Organen vor allem Herz, Lunge und Leber zu sehen sind, während etwa die Darmschlingen nur noch vermutet werden können[94].

     Der von Fabbri formulierte hypothetische Zusammenhang zwischen Votivi poliviscerali und Malaria überzeugt nicht so recht. Milz und Leber haben bei der Erkrankung zwar Schwerstarbeit zu leisten und können erheblich anschwellen.  Wir wissen heute, dass Körperteil- Votive nur äußerst selten mit pathologischen Veränderungen wiedergegeben wurden. Wie hätte man das Wechselfieber als Leitsymptom der Malaria ins Bild setzen wollen? Sind die Koroplasten deshalb auf das gastrointestinale System ausgewichen, das sie im Ganzen und wie üblich „normal“ darstellten und dabei die Milz ganz und gar vernachlässigten? Sektionen fanden bei den Etruskern wohl (nur?) an Tieren statt… 

    Das sind kurz angerissene Überlegungen einer heutigen pathologisch-anatomisch orientierten Medica, die sich bisher von Eingeweide-Votiven als spezifischem Geschenk an die Fiebergöttin nicht hat überzeugen lassen können.           

        9. Glykon, der neue Heilgott eines Scharlatans 

    Lukian von Samosata[95] berichtet in „Alexander oder der Lügenprophet“ von einem in die Jahre gekommenen Lustknaben, der mit großer Umsicht und viel  kaufmännischem Geschick auf eine zweite Karriere hinarbeitet. In  Paphlagonien, an der Südküste des Schwarzen Meeres, gibt er sich als Enkel des Asklepios aus und etabliert eine zahme Riesenschlange als neuen Heilgott  Glykon. Seine Aktion ist, wenn auch vorwiegend regional[96], außerordentlich erfolgreich. Eines der „Bildnisse“ des neuen Gottes schafft es sogar auf die Agora von Athen[97]

                           

    Abb. 11:  Athen, Agora-Museum, frühes 3. Jh. n. Chr..    Nach Grimm 2008, 45 Abb. 24

        Es ist einmal so: wer heilt, hat Recht!

    Abgekürzt verwendete Literatur und Abbildungsnachweis:

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    Wamser-Krasznai 2021: W. Wamser-Krasznai, Nymphe: Göttin – Junge Frau – Puppe , in: Füllhorn (Filderstadt 2021) 159-183


    [1] Coarelli 2019, 334; Krug 1985, 163 f.; Wamser-Krasznai 2021, 125 f.

    [2] Divinità secondarie, dii accensi, Fabbri 2019, 175.

    [3] s. Abb. 5. Verg. Aen. 12, 391- 429.

    [4] DNP 7, 768; Krug 1985, 130.

    [5] Paus. VIII 9, 1; VII 26,6; II 10,1.

    [6] Il. 1, 44-61. 382 f. 455 f. 471 f. Laser 1983, S 88.

    [7] Il. 5, 311f. 445-448;  Wamser-Krasznai 2021, 111.

    [8] Il. 14, 409-413; Laser 1983, S 89.

    [9] Il. 15, 262. 286-290.

    [10] Il. 16, 517-520.

    [11] Il. 16, 527-529

    [12] DNP 5, 244; Laser 1983, 95.

    [13] Hom. h. an Apollon 272. 500.517 f.; Plut. quaest. conv. 745a, ThesCra VI, 225 f.

    [14] In Ägypten.. bringt die fruchtbare Erde mancherlei Kräuter hervor…dort ist jeder ein Arzt der kundiger ist als die andern , Hom. Od. 4, 229-232.

    [15] Il. 5, 899-901; Laser 1983, S 94; Wamser-Krasznai 2021, 111 f.

    [16] Hom. Il. 5, 401 f.

    [17] Fabbri 2019, 197-202.

    [18] Liv. III 63, 7.

    [19] Liv. IV 25, 3  Die Seuche (pestilentia) führte in diesem Jahr dazu, dass die anderen Dinge ruhten. Dem Apollo wurde für die Genesung des Volkes ein Tempel gelobt. Comella1986, 196 und Anm. 600.  

    [20] Fabbri 2019, 198; La Rocca 1988, 121 f.  Coarelli 2019, 267.

    [21] Galli…habent opinionem: Apollinem morbos depellere, C. J. Caesar, De bello gallico VI, 17.

    [22] Deyts 1992, 108; Krug 1985, 178; LIMC VII (1994) 779-781 Nr. 1. 2 Taf. 562 (Á. M. Nagy).

    [23] Krug 1985, 176 Abb. 80.

    [24] Schäfer 2001, 259 f. 269.

    [25] Paus. III 18, 2.

    [26] C. Martini 1990, 12. 

    [27] Zwischen dem Campus Viminalis und dem Tempel der Isis Patrizia, Gregorovius 1926, 22 f.;  C. Martini 1990, 9.

    [28] Coarelli 2019, 215-218 mit Plan vom Esquilin. Etwa bei halb sechs ist die wahrscheinliche Lage des Tempels markiert.     

    [29] Die Lokalisierung und die Zuordnung der Votivgaben an Minerva Medica sind „nicht unumstritten“, DNP 8, 213; Gatti Lo Guzzo 1978, 14-16. 145 f. Taf. 55 b; LIMC II, 1075, CIL I2 2 460= VI4   2, 30980; VI2  10133; Cic.div. 2, 59, 123; Cic.de divinat. C. Martini 1990, 9 f. Abb. 1.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              

    [30] In Grabungsberichten vom Ende de 19. Jahrhunderts seien Reste des Heiligtums bei einer Tuffmauer beschrieben, C. Martini 1990, 8.

    [31] C. Martini 1990, 9; Coarelli 2019, 29.

    [32] CIL XI, 1305: Minervae memori Tullia Superiana restitutione facta sibi capillorum votum solvit libens merito; De Cazanove 2009, 366; Fabbri 2019, 67 Abb. 21. S. 122. 181; Gatti Lo Guzzo 1978, 16; C. Martini 1990, 11.

    [33] = umschriebener Haarausfall. Vgl. Kopf vom Votivdepot Tessenano, Costantini 1995, 33 f. Taf. 5 a, an dessen ‚Schnittlauchlocken“ der Zahn der Zeit besonders intensiv genagt hat; ferner: Baggieri1999, 37  Abb. 2; Gatti Lo Guzzo 1978, 87 f. Taf.33 a; Grmek – Gourevitch 1998, 344-347 Abb. 275: „Ce mal est archéologique et non médical. Certaines boucles … pourraient être tombées parce que mal fixées“; Holländer 1912, 304 Abb. 196. MacIntosh Turfa 367 Nr. 330 a; C. Martini 1990, 11; Ongaro1978, 752-754, Abb. 3-5, drei Ansichten des Kopfes; Sambon 1895, 147 f.; Wamser-Krasznai 2015, 39 f. Bild 4. 

    [34] „In realtà potrebbe essere un frammento di una statua di satiro“, Baggieri 1999, 49; Gatti Lo Guzzo 1978, 139 Nr. 9 Taf. 52 d; Grmek – Gourevitch 1989, 344 f. Abb. 273 f.; Holländer 1912, 307-309 Abb. 201-203; Wamser-Krasznai 2015, 36 f. Bild 1.

    [35] Coarelli 2019, 218; C. Martini 1990, 13-19 Abb. 3-19; RE 30 (1932) 1788.

    [36] Germogli – De Marco 2011, 17. 40; Fabbri 2004/05, 135 Nr. 37; Fabbri 2019, 178 f. Abb. 77. S. 181; LIMC II, 1051 (G. Colonna).

    [37] Fenelli 1984, 336 Anm. 38-40 Abb. 11; de Cazanove 2009, 355 f. Anm. 3 Abb. 2; Macintosh Turfa 2004, 363 Nr. 303; Wamser-Krasznai 2021, 66 Anm. 17.

    [38] Aus Mirebeau-sur-Bèze, Arrondissement Dijon, De Cazanove 2009, 359. 362 Abb. 10 Umzeichnung.

    [39] Solinus, Collectanea rerum memorabilium, 3. Jh. n. Chr., Cuncliff 52012, 24.  26. 51 Abb. 28; DNP 2000, 213 f. Krug 1985, 180.

    [40] Verg. Aen. 12, 311-429.

    [41] Aphrodite-Frutis-Venus, Simon 1990, 218.

    [42] Hom. Il. 16, 228 ff.  Od. 22, 481 f.; Simon 1990, 221-223. Mefitis=Mofette. Cic. de divin. I 79; LIMC VI, 400-402; anders Plin. n. 208; Verg. Aen. VII 84; RE XV, 1, 118. Coarelli 2019, 218; DNP 1131.

    [43] Ov. fast. 2, 440 ff. Plin. n. 16, 235.

    [44] Simon 1990, 223 Abb. 281.

    [45] Hom. Il. 5, 311f. 445-448

    [46] Hom. Od.15, 407 f.; Hoenn 1946, 80.

    [47] Hoenn 1946, 95.

    [48] Diakonoff 1979, 139-188.

    [49] Megale Meter, Thea epekoo, Diakonoff 1979, 141 Nr. 2 Abb. 3a-c. 145. 154. 187  Nr. 48 Abb. 37. 144. 180 Nr. 7 Abb. 8. 144 Nr. 8 Abb. 10; van Straten 1981, 136 Nr. 42.1. Nr. 40.2. Nr. 42.2; Hoenn 1946, 198 Anm. 106-108.

    [50] Krug 1985, 174 f. 

    [51] Heinz 1983, 151 Abb. 157

    [52] Plin. n. IV  24, 79.

    [53] Plin. n. XXXI 17, 20.

    [54] Böotien, Paus. IX 24, 3; Forsèn 1996, 149; ThesCra VI, 232.

    [55] Philostrat. v. Ap. 8, 7, 28 Jones, ThesCra VI, 232.

    [56] Schol. Aristoph. Ran. 501; Forsèn 1996, 149; Simon 1985, 159.

    [57] Hygieia 2014, 215 f. Abb. 82; van Straten 1981, 106 Nr. 1.1 Abb. 50.

    [58] Dazu Schäfer 2001, 260 f.

    [59] Benedum 1985, 144; Fabbri 2004/05, 119; Fabbri 2019, 202-204; Forsèn 1996, 149 f.; LIMC V (1990) 196-253; Wamser-Krasznai 2016, 71 Bild 5; dies. 2021, 166 Abb. 4. 

    [60] Fabbri 2019, 167 f.

    [61] Perdrizet 1903, 311; Steinhart 2004, 95.

    [62] Paus. IX 22,1; Veyries 1884, 3.

    [63] Hom. h. an  Hermes 4, 14. 449. 578; Hom. Od. VII, 138. XXIV 3-5; Il. XXIV 445 f.

    [64] Dioscur. IV 189 f.

    [65] Lukian. Apol. 3. Iupp. tr. 42.

    [66] RE VIII, 1, 774. 788-790.

    [67]Aristoph. Pax 711 f.; Petron. sat. 140; RE VIII, 1, 788.

    [68] Plin. n. XXV 38. 39.

    [69] Plin. n. XXIV 166; RE VIII, 1, 775.

    [70] J. W. Goethe, Römische Elegie 17, 35-42.

    [71] J. W. Goethe, Venezianische Epigramme 146.

    [72] de Cazanove 2009, 355 Anm. 4; Fabbri 2019, 124 f. Abb. 67 a; J. Macintosh Turfa, ThesCra I, 2004, 363 Nr. 302; Ricciardi 1988/89, 189 Abb. 48

    [73] Benedum 1986, 142 f. Anm. 38.

    [74] Paus. II 34, 6. 7; II 34, 12.

    [75] Paus. II 34, 1. 2.

    [76] Benedum 1986, 145 f.

    [77] Paus. III 20.

    [78] Wasser-Orakel. Paus. VII 21. 12.13.

    [79] Benedum 1986, 147; Petridou 2017, 102 f .

    [80] Artemidoros, Oneirocritica 2.39.10-24; Joh. 5, 8: „Steh auf, nimm dein Bett und wandle. Und alsbald wurde der Mensch gesund“.

    [81] 3. Jh. n. Chr., Petridou 2017, 107 f.; Rubensohn 1895, 362.

    [82] Hom. h. An Demeter, 278-280.

    [83] Fabbri 2019, 70 Abb. 23; Lehmann 2006, 93 Abb. 38 a; Hygieia 2014, 218 Abb. 86.

    [84]Anthologia Palatina 9. 298, 10. Jh. n. Chr.; Forsén 1996, 142 f.; Petridou 2017, 104; Rubensohn 1895, 363.

    [85] Rubensohn 1895, 362; DNP 3, 1997, 423 (F. Graf).

    [86] Forsén 1996, 142-144. 157; Epopteia, der höchste Grad der Initiation bei den eleusinischen Mysterien, van Straten 1981, 122 Nr. 13.1 Abb. 56; Hesych, Epopis? Petridou 2017, 103; Wamser-Krasznai 2017, 67.

    [87] Fabbri 2019, 73 Anm. 121; Potter 1989, 41-43.

    [88] Fabbri 2019, 186; Petridou 2017, 111.

    [89] Sayar – Siewert – Taeuber 1989, 16 f. Anm. 35-41.

    [90] RE 14, 1 (1928) 833-844.

    [91] Sayar – Siewert – Taeuber 1989, 16 f. Nr. 7 Abb. 8.

    [92] Magen-Darm-Bereich, Fabbri 2004/05, 113-115. 119 f. Dies. 2019, 105-115.

    [93] Fabbri 2019, 106 f. Abb. 58-60; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 110-122 Abb. 36-47

    [94] Recke – Wamser-Krasznai 2008,  118-120 Abb. 46

    [95] Satiriker des 2. Jhs. n. Chr. aus dem Süd-Osten von Anatolien, am oberen Euphrat.

    [96] Grimm 2008, 43-46 Abb. 24.

    [97] Burr Thompson 1959, 79; Wamser-Krasznai 2017, 80 Bild 8.

  • 15.10.2021

        Wer da glaubt, unter diesem Titel verberge sich eine zu Herzen gehende Seifenoper, wird eine herbe Enttäuschung erleben. Es geht nämlich um handfeste Dinge wie antike Nachbildungen menschlicher oder tierischer Herzen, die man den Göttern darbrachte, um für erfahrene Hilfe zu danken oder Beistand in Krankheit und Not zu erbitten. Die Tradition setzt sich in Wallfahrtskirchen fort, wo Bilder und Altäre von Heiligen mit Devotionalien in Form von Herzen und anderen Körperteilen aus Wachs, Holz, Blech oder Kunststoff geschmückt werden[1].

        Antike  Körperteil-Votive bestehen aus örtlichem Kalkstein, Marmor, Holz oder dem preisgünstigen fast überall verfügbaren Ton. Die große Vielfalt der als Herzen interpretierbaren Terrakotta-Objekte gab von jeher Anlass zu  kontrovers geführten Diskussionen[2].      

                                             

    Abb. 1: Blick in den Thorax, nach Spalteholz 1907, 381 Abb. 427

        Beim Blick in den Brustraum des menschlichen Körpers erkennt man zwischen den zur Seite geklappten Lungenflügeln das Herz mit den beiden blattähnlich flach aufliegenden Vorhöfen/Atrien (Abb. 1).

        Seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts war ein Terrakotta-Gegenstand (Abb. 2) neuerdings in den Blick der angehenden und etablierten Gießener Archäologen geraten.

                  

    Abb. 2: Terrakotta aus Veji, Gießen, Inv.-Nr.  T III-18. Aufnahmen: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main.

        Er gehört mit einigen gleichartigen Objekten zur bedeutenden Sammlung antiker etruskischer Körperteilvotive, die der ehemalige Ordinarius für Anatomie in Königsberg, Ludwig Stieda, 1913 dem Archäologischen Institut der Universität Gießen zum Geschenk machte. Stieda, der seinen Lebensabend in Gießen verbrachte, hatte die Terrakotten in Mittelitalien, vor allem in Veji/Latium, erworben und 1899 in einer ersten Publikation sorgfältig beschrieben[3]. Gegenstände wie Abb. 2 fasste er unter der Überschrift: „Rätselhafte Organe“ zusammen.“… Die Leute in Veji wussten keinen Namen dafür, die Bediensteten der Museen in Rom benannten sie …’bubboni‘ [und] deuteten auf die Leistengegend…Ich bin vorläufig mit dieser Deutung nicht einverstanden… [und] halte die betreffenden Stücke für die krankhaft veränderte Eichel des männlichen Gliedes (glans penis)“. Zwei Jahre später folgte eine sehr viel ausführlichere, reich bebilderte Monographie mit dem Titel „Anatomisches über Alt-Italische Weihgeschenke (Donaria)“[4]. Darin blieb er, was die „konischen“ oder „pyramidalen“ Objekte betraf, zunächst bei seiner ersten Einschätzung, wurde aber „nachträglich an dieser Deutung irre“ und dachte an „eine vergrößerte Nachbildung der erkrankten Brustwarze“[5].

        Heute wissen wir, dass bei anatomischen Votiven nur ausnahmsweise pathologische Veränderungen angegeben sind. Krankheitszeichen an Brustdrüsen und männlichen Genitalien, Beulen[6] („Bubboni“) oder gar Pestbeulen[7] an Weihgeschenken wären eine Rarität, deren Echtheit ernsthaft bezweifelt werden dürfte. Die Konsultation von Ärzten verschiedener Fachrichtungen rief Ratlosigkeit und Kopfschütteln hervor.

        Konische und pyramidale Tongebilde kommen aus Fundorten in Mittelitalien/Etrurien, landen in Museen und Antikensammlungen mit entsprechenden Schwerpunkten und verschwinden häufig in Magazinen[8]. Im italienischen Schrifttum begegnet die Bezeichnung Cippi[9], Cippetti[10],  Cippetto votivo a pigna (Pinienzapfen)[11]. Cippus ist eine Grenzmarkierung, gilt aber im archäologischen Sprachgebrauch meist als Hinweis auf ein Grabmal (Abb. 3). In den Nekropolen von Cerveteri/Caere sind die Markierungen nach Geschlechtern differenziert: steinerne Häuschen bezeichnen weibliche, Cippi die männlichen Grabstätten[12].

    .

                      

    Abb. 3: Cippus aus Kalkstein, Palestrina, 3./2. Jh. v. Chr.,
    nach: Pensabene 1982, 71 Nr. 10 Taf. 11, 4

        Terrakotta-Cippi wie sie unter anderem aus dem Tiber geborgen werden[13], sind ovoidal, konisch oder pyramidal geformt, variieren jedoch beträchtlich in Form und Größe. Die von A. Comella und G. Stefani vorgenommene Gruppen-Einteilung[14] liegt etwas modifiziert auch dieser Untersuchung  zugrunde.

        1. Glatte konische oder ovoidale Objekte mit mehr oder weniger gerundeter Spitze[15].

        2. Konische oder ovoidale Objekte mit umlaufender Einziehung oberhalb der Basis[16]. Ein Exemplar aus Lavinium ist mit einer geritzten Weihinschrift an die etruskische Göttin Menrva (lateinisch Minerva) versehen[17]. Die  Form der Buchstaben weist in das 3. Jh. v. Chr.

        3. Konische Objekte mit Blattmotiv[18] oder geschlossenem Blattkranz an der Basis. Sie stammen u. a. aus Fregellae, Rom und Veji (Abb. 4) [19].                         

    Abb. 4: Gießen, Inv.-Nr.  T III 43/12, aus Veji. Aufnahme: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main

        4. Konisch geformter Cippus, an dessen Basis zwei farbige Markierungen einander gegenüber liegen[20]. Andeutungen von „Herzohren“ ?  

        5. Konische Objekte mit zwei gegenständigen V-förmigen Inzisionen an der Basis[21]. Angedeutete „Herzohren“?

        6. Konische Objekte mit zwei gegenständigen blattartigen Protuberanzen an der Basis. „Herzohren“[22]?.

        Sambon hatte keine Bedenken, einen solchen Gegenstand, den er aus einer Privatsammlung kannte, als Herz mit aufgelagerten „auricles“ (Herzohren, Vorhöfe) zu bezeichnen (Abb. 5).

                                              

    Abb. 5:  Terrakotta-„Heart“,  nach: Sambon 1895, 148 Abb. 8

        7. Ein Exemplar im Nationalmuseum von Tarquinia ließ nach Entfernung von Inkrustationen außer den beiden plastisch angesetzten „Herzohren“ rot aufgemalte ‚Coronargefäße‘[23] erkennen.

        8. Die pyramidalen Objekte von dem nach seinem Haupt-Fundort hier so genannten ‚Typus Veji‘ (Abb. 2, 6) zeigen senkrechte Einziehungen und Rillen auf dem Körper. Rund um die Basis sitzen Protuberanzen verschiedener Größe. Allein im Votivdepot von Campetti in Veji kamen 346 solcher Exemplare zum Vorschein[24].

                                     

    Abb. 6: Gießen Inv.-Nr.  T III-18, Veji.  Aufnahme M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main 

    Auf Grund der Ähnlichkeit mit Darstellungen von Herzen innerhalb eines thoracalen Eingeweideverbundes hatte Comella die pyramidalen Gebilde als „Cuori“/Herzen gedeutet[25]. Befestigt man einen Gegenstand wie T III-18 (Abb. 2. 6. 11) dergestalt an einer Fläche, dass die Spitze des Konus nach vorn zeigt, so erschließt sich die Vergleichbarkeit mit Herzen, die in einen Organverbund integriert sind[26] oder aus dem „Fenster“ einer Leibeshöhle hervor lugen[27]. Die Sammlung Stieda in Gießen enthält zwei spektakuläre Exemplare dieser Art, Inv.-Nr. T III-9 (Abb. 7) und T III-37 (Abb. 8) [28].

                                          

    Abb. 7: Gießen T III-9; aus Veji. Aufnahme M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main

        Bei der Inv.-Nr. T III-9 handelt es sich um die linke obere Körperseite eines Mannes. Über dem horizontalen Mantelbausch öffnet sich das von einem Wulst eingefasste „Fenster“. Unter dem Bogen springt zwischen stilisierten „Lungenflügeln“ das Makronen-ähnlich gestaltete Herz hervor.

        Allerdings unterscheiden sich die Protuberanzen in Form und Ausrichtung. Während sie an der Basis von T III-18 breit und rund aufsitzen, entfalten sie sich beim Torso T III-37 (Abb. 8) wie kleine Blätter und streben in alle Richtungen auseinander. So bleibt für den ‚Typus Veji‘ im Hinblick auf die „Diagnose Herz“ ein Rest Unsicherheit [29].

                                         

    Abb. 8: Gießen T III-37, aus Veji, Aufnahme: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main

        Frühere Deutungen wie „pathologisch veränderte Glans penis, Lymphknoten oder Abszess[30]“ überzeugte ebenso wenig wie die Vermutung, es handele sich um die anikonische Darstellung des Weihgebers[31].

        Näher liegt der Vergleich mit einem von griechischen sog. Totenmahlreliefs[32] wohlbekannten (Opfer-) Gebäck, dessen Form zu der Bezeichnung „Pyramides“ geführt hatte[33] (Abb, 9).

                        

    Abb. 9: Athen, National-Museum, spätes 4. Jh. v. Chr., 
    nach: Thönges-Stringaris, 1965, 80 Nr. 78 Beil. 11, 2

        Allerdings fehlen in etruskischen Bankett-Szenen die Darstellungen ähnlich geformter Backwaren. Das gilt auch für die Wandmalereien in etruskischen Gräbern.

        Von der üblichen approximativen Datierung um das 3. Jh. v. Chr. war man lange nicht abgewichen. Ein wenig beachteter Fund aus dem Entengrab/Tomba delle Anatre in der Nekropole Riserva del Bagno in Veji[34] lässt aufmerken. Das 1958 entdeckte Kammergrab war schon früh von Grabräubern aufgebrochen und ausgeraubt worden[35]. Farben und Stil der Enten-Fresken sowie die in der Kammer verbliebenen Keramik-Scherben datieren das Grab in das 7. Jh. v. Chr. Die Beifunde der sog. Coppette d’impasto, Becher aus brüchigem, von vielen groben Einschlüssen durchsetztem graubraunem Ton[36] (Abb. 11 a) beschrieb A. Medoro als konvex oder konisch, im Inneren hohl und glatt, an der Oberfläche ungleichmäßig und mit Protuberanzen besetzt. Nach Photo und  Zeichnung erinnern sie in verblüffender Weise den Votiv-„Herzen“ vom ‚Typus Veji‘ (Abb. 10 und 11).

                            

    Abb. 10: „Coppette d’impasto“, Tomba delle Anatre. 
    Zeichnung  C. Damiani – D. De Angelis, A. Medoro 2003, 80 Abb. 97

        An der Deutung als Behälter für flüssige oder feste Ingredienzien zweifelte   Medoro anscheinend selbst[37]. Die angegebenen Maße übertreffen die der ‚Gießener‘ Votive etwa um 0,5-1,5 cm. Schwerer wiegt aber die Abweichung im vermuteten Zeitraum der Entstehung: „Coppette“ und Votive vom ‚Typus Veji‘ wären durch mindestens 400 Jahre getrennt! Außerdem stammen die ersteren aus einem Grab, letztere, wie die anatomischen Weihgaben allgemein, aus Heiligtümern und deren Depots. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Jahr 2003 waren die „Becher“ noch nicht inventarisiert. Ich habe sie kürzlich, Anfang Oktober 2021, betrachten können, ohne die Möglichkeit sie zu photographieren. Sie sind  in einer Vitrine der Abteilung Veji im Etruskischen Nationalmuseum der Villa Giulia in Rom ausgestellt. Die Legende lässt ihre Bedeutung offen. Für mich hat sich die aus Photo und Zeichnung abgeleitete Vergleichbarkeit der beiden Objektgruppen (Abb. 11) relativiert. Die „Coppette“ erscheinen größer, dunkler und an der Oberfläche weniger strukturiert als gedacht. Gegen eine Parallelisierung der Funde sprechen ja auch die Entdeckung der „Becher“ in einem Grab und vor allem die vom Kontext abgeleitete Datierung in das 7. Jh. v. Chr.

    Abb. 11:  Veji, „Coppette d’Impasto“[38]          Votiv Gießen T III-18

        Dem gegenüber stehen eine gewisse Ähnlichkeit in der Form und der Fundort auf dem Gelände der alten Etruskerstadt Veji. Aber: Herzen? Falls die Votive vom Typus Veji wie Gießen T III-18 noch als solche durchgehen[39] – dem Betrachter der „Coppette d’Impasto“ fällt dieser Vergleich gewiss nicht ein.   

    Abgekürzt verwendete Literatur und Bildnachweis:

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    Martini 2003: W. Martini, Sachwörterbuch der Klassischen Archäologie (Stuttgart 2003)

    Medoro 2003: A. Medoro, Necropoli di Riserva del Bagno, Tomba delle Anatre, in: I. van Kampen (Hrsg.), Dalla Capanna alla Casa. I primi abitanti di Veio (Formello 2003) 73- 80 Nr. 97 Taf. 11 d       Abb. 10 und 11

    Pensabene 1977: P. Pensabene, Cippi, Busti, Ritratti. Nota in Margine a M. F. Kilmer, The Shoulder Bust in Sicily and South Italy, ArchCl 29, 1977, 430 f.

    Pensabene 1982: P. Pensabene, Sulla tipologia e il Simbolismo dei Cippi funerari a Pigna con corona di foglie d’Acanto di Palestrina, ArchCl 34, 1982, 71 Nr. 10 Museo di Palestrina 38-97 Taf. 9-36        Abb. 3

    Pensabene 2001: P. Pensabene, Le Terrecotte del Museo Nazionale Romano II Materiali dai Depositi Votivi di Palaestrina: Collezioni ‚Kircheriana‘ e ‚Palestrina‘ (Roma 2001)

    P. Pensabene  – M. A. Rizzo – M. Roghi – E. Talamo 1980: P. Pensabene – M. A. Rizzo – M. Roghi – E. Talamo, Elementi aniconici a „pigna“, in: Terracotte votive dal Tevere (Roma 1980) 321 f. 

    Recke 2000: M. Recke, Die Klassische Archäologie in Gießen. 100 Jahre Antikensammlung (Gießen 2000) 53 f, Abb. 29

    Recke 2008: M. Recke, Auf Herz und Niere, Spiegel der Forschung 25 Nr. 2, 2008, 59 f. Abb. 4-6

    Recke 2012-2013: M. Recke, Neues aus der Antikensammlung – Jahresbericht 2012-2013,  6 Abb. b.

    Recke 2015: M. Recke, Neues aus der Antikensammlung – Jahresbericht 2015, 12 Abb. a.

    Recke – Wamser-Krasznai 2008: M. Recke – W. Wamser-Krasznai, Kultische Anatomie. Etruskische Körperteil-Votive aus der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität Gießen. Stiftung Ludwig Stieda (Ingolstadt 2008)

    Recke – Wamser-Krasznai 2008a: M. Recke – W. Wamser-Krasznai, Kultische Anatomie. Begleitheft zur Ausstellung (Ingolstadt 2008)

    Sambon 1895: L. Sambon, Donaria of Medical Interest in the Oppenheimer Collection of Etruscan and Roman Antiquities, British Medical Journal II, 1895, 146-150 und 216-219.        Abb. 5

    Spalteholz 1907: W. Spalteholz, Handatlas der Anatomie des Menschen II (Leipzig 1907)        Abb. 1

    Stieda 1899: L. Stieda, Über alt-italische Weihgeschenke, Römische Mitteilungen 14, 1899, 230-243  

    Stieda 1901: L. Stieda, Anatomisches über Alt-Italische Weihgeschenke (Donaria). Anatomisch-Archäologische Studien II (Wiesbaden1901) 51-131

    Thönges-Stringaris 1965: R. N. Thönges-Stringaris, Das griechische Totenmahl, AM 80, 1965, 1-99 Beil. 1-30        Abb. 7

    Torelli – Pohl 1973: M. Torelli – I. Pohl, Regione VII. Veio. Scoperta di un piccolo santuario etrusco in Località Campetti. La Stipe Votiva, in: NSc 370, 1973, 227-258 

    Vagnetti 1971: L. Vagnetti, Il Deposito votivo di Campetti a Veio (Sansoni 1971)     

    Van Kampen 2003: I. van Kampen (Hrsg.), Dalla Capanna alla Casa. I primi abitanti di Veio (Formello 2003)

    Wamser-Krasznai 1996: W. Wamser-Krasznai, Die Italischen Terrakotten aus der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität Gießen. Ungedruckte Magisterarbeit 1996

    Wamser-Krasznai 2007: W. Wamser-Krasznai, Antike Weihgeschenke im Blickpunkt der Andrologie, in: E. G. Jung (Hrsg.), Kleine Kulturgeschichte der Haut (Darmstadt 2007) 100-103


    [1] Wamser-Krasznai 2007, 100.

    [2] Di Giuseppe 2012, 309, Nr. 16 Abb. 5.98 (E 44)

    [3] Stieda 1899, 241; ähnlich Bartoloni 1994, 521.

    [4] Stieda, 1901. 105 f.

    [5] Stieda 1901, 131 Anm. 1.

    [6] Im Sinne einer ausgeprägten umschriebenen Lymphknotenschwellung, Alexander 1905, 178 f. Auch Stieda erwähnt diese Bezeichnung, verwirft sie jedoch, Stieda 1901, 105; desgleichen Holländer 1912, 313 f.

    [7] Brijder – Beelen – van der Meer 1989/90, 168. 218 Abb. 162.

    [8] z. B.: Sammlung Gorga, Rom, Palazzo Altemps; Sammlung Kircheriana, Pensabene 2001, 281 Taf. 59, 288; Sammlung Stieda, ders. 1901, 82. 105 f. 131 Abb. 5. 9. 18. 22 Taf. 2-5; Modena, Museo Civico, Alexander 1905, 173 f. 178 f. Abb. 7-9 Taf. 1/2; Antikensammlung  Bonn, Bentz 2008, 158 f. Abb. 160; Florenz, Rom, Holländer 1912, 313-315 Abb. 206-208; Bartoloni 1970, 257-270. 267 Nr. 35-36 Taf. 21 d

    [9] Comella 1982, 151; Coarelli 1986, 141 f.

    [10] Comella 1978, 82-86 Taf. 37 f.; dies.1986, 79-81 Taf. 43; Vagnetti 1971, 103 Taf. 58. 

    [11] Pensabene 2001, 281.

    [12] Blumhofer  1993, 6-64. 73-82; Coarelli 1986, 142; Martini 2003, 54.

    [13] Pensabene – Rizzo – Roghi – Talamo 1980, 43. 322  Nr. 1212 Taf. 113; Holländer 1912, 314 Abb. 208.

    [14] Comella – Stefani 1990, 109-112  Taf. 34d-g.

    [15] Comella 1982, 154 Nr. D19XIV und XV Taf. 91 b; Bartoloni – Benedettini 2011, 697 Nr. L V Taf. 86 g; Comella 1986, 80 Taf. 43 a; Comella – Stefani 1990, Taf. 34 e H II; Vagnetti 1971, 103 Nr. 1 Taf. 58. Einige   Exemplare erinnern an babylonische Gewichte, Comella 1978, 83 Nr. E 2 Taf. 37, 217; Märtin 2012, 57 Abb. 35.

    [16] Comella 1978, 84 Nr. E 6, Taf. 37, 221.

    [17] Fenelli 1984, 336 Abb. 11.

    [18] Coarelli 1986, 142 Taf. 92, 3. 4.

    [19] Aus Veji: Bartoloni – Benedettini 2011, 696 Taf. 86 e-f; Recke 2012-2013, 7 Abb. 6 b; aus dem Tiber: Pensabene – Rizzo – Roghi – Talamo 1980, 321 f. Nr. 1207-1209 Taf. 113.; Holländer 1912, 314. Abb. 208.

    [20] Comella – Stefani 1990, 111 Nr. H II Taf. 34 e.

    [21] Comella 1978, 84 f. Nr. E 7 Taf. 38; Comella 2001, 84  Taf. 33 b.

    [22] Comella 1978, 84 f. Nr. E 4-6 Taf. 37; Comella 2001, 84 Taf. 33 b.

    [23] Baggieri 1999, 98 Abb. 20. auch  Abb. 1, mit vertikal geschwungenen Furchen; Macintosh Turfa, ThesCRA I, 2004, 365 Nr. 314.

    [24] Cascino – Di Giuseppe – Patterson 2012, 308 f.  Nr. 16  E44 Abb. 5.98 und S. 401 (Appendix 3); Bartoloni – Benedettini 2011, 695 f. Taf. 86 a-d; Comella – Stefani 1990, 110 Taf. 34 d. Stieda 1901, 82. 105 f. 131 Abb. 5. 9. 18. 22 Taf. 2-5.. 

    [25] Comella 1982, 150-157, Taf. 89 b-d. 90-91 a. c; Comella 1978, 82-86 Taf. 37 f.

    [26] Comella 1982, 157 Taf. 93 a; Comella – Stefani 1990, 110.

    [27] Bartoloni – Benedettini 2011, 571 f. Taf. 77 a; Recke 2008, 60 f. Abb. 5. 6. Überlegungen dazu, allerdings noch mit abweichenden Schlussfolgerungen, stellte die Verfasserin bereits in ihrer unpublizierten Magisterarbeit an,  W. Wamser- Krasznai, Die italischen Terrakotten der Antikensammlung der Justus- Liebig- Universität Gießen, 1996, 57-59. 

    [28] Recke – Wamser-Krasznai 2008,  118-123. 130 Abb. 46 f. 48 f. 54. 136 Abb. 57.

    [29] So auch Edlund-Berry, ThesCra I, 2004, 372 Nr. 5.

    [30] „Bubonen, Bubboni, entzündliche Geschwülste der Inguinaldrüsen“, Alexander 1905, 173 f.

    [31] Pensabene 1977, 430 f. Taf. 118-121; ders. – Rizzo – Roghi – Talamo 1980, 321;  „Typ H I“, Comella – Stefani 1990, 109-112 Taf. 34d-g.

    [32] Thönges-Stringaris 1965, 15. 78 Nr. 63 Taf. 8, 2;  S. 81 Nr. 85 Taf. 9, 1; S. 80 Nr. 78 Taf. 11, 2.

    [33] Sinn 2000, 116 f. Abb. 13; Backwerk: Recke – Wamser-Krasznai 2008, 70 f. und 122 f. Abb. 48. 49; Holländer 1912, 313-315 Abb. 206. 207; „Tortine votive“ Torelli – Pohl 1973, 248 Abb. 125; ebenso neuerdings Bouma 1996, 277 Abb. 12i; das Depot Acquoria bei Tivoli habe außer Votivköpfen kleine Kuchen, „focacce“, und  konische Gegenstände aus Ton enthalten, Comella 1981, 738-739, Nr. 63; Edlund-Berry, ThesCRA I, 372 Nr. 5.

    [34] „Uno dei punti più suggestivi di Veii“, De Agostino 1965, 139.

    [35] De Agostino 1965, 140; Brocato 2008, 70.

    [36] Medoro 2003, 80  Nr. 97 Taf. 11 d.

    [37] Die Dissertation zum Entengrab, Arianna Medoro, Perugia1998-1999, ist nicht publiziert, van Kampen 2003, 137.

    [38] Foto M. D ‚Eletto.

    [39] Eher skeptisch auch Fabbri 2019, 118-121 Abb. 64 c.

  • Hilfsmittel zwischen Last und Nutzen – heute und in alter Zeit

        Kaum etwas anderes ist uns augenblicklich so lästig wie die Maske.

    Das Wort kommt aus dem Arabischen, Maskharat, und bedeutet Narr, Posse, Scherz. Über das französische Masque und das italienische Maschera gelangte es in die deutsche Sprache, und es überrascht uns kaum, dass der Name für Wimperntusche, Maskara, nichts anderes bedeutet als Possenspiel oder Narrheit. Schauspieler „machen Maske“ wenn sie für den Auftritt hergerichtet werden. Der Schminkraum im Theater heißt kurz „die Maske“. 

    In der antiken Kunst bezeichnet man als Masken die vom Kopf vertikal abgetrennten Gesichter, die sich durch ihren starren Ausdruck, ihre übersteigerte Mimik und ihre unnatürlichen Züge als künstlich erweisen[1]. Anders als eine   Protome oder Büste schließt die Maske am Kinn oder mit der Bartspitze ab. Daher trifft das Wort „Maske“, das wir in der jetzigen Pandemie-Situation für  die vorgeschriebene Mund-Nase-Bedeckung verwenden, nicht so richtig ins Schwarze. Besser wäre „Halbmaske“, doch denken wir dabei eher an die Verkleidung der oberen Gesichtshälfte – aus virologischer Sicht natürlich unsinnig. 

                     

    Abb. 1 Kleine Halb-„Maske“ aus Bronze, Lucus Feroniae, „4.-2. Jh. v. Chr.“, nach: Baggieri 1999, 92 Abb. 7

        Wie die „blinden“ Augen des kleinen Bronzevotivs  (Abb. 1) zeigen, trifft der Ausdruck Maske auch hier nicht zu. Ob es sich allerdings, wie der Autor suggeriert[2], um die Darstellung einer Augenkrankheit handelt, ist mehr als fraglich.   

        Antike Theatermasken bedecken nicht nur das Gesicht, sondern umschließen den Kopf einschließlich Hinterhaupt und Haaren. Eine Schlaufe erleichtert die Handhabung[3] (Abb. 2).

                                 

    Abb. 2: Gefäßfragment Athen, um 470 v. Chr.,  nach Bieber 1961, 23 Abb. 74

         Lebensgroße zum Teil Schrecken erregende Terrakotta-Masken aus dem 7. und frühen 6. Jh. v. Chr. wurden aus dem Heiligtum der Artemis Orthia bei Sparta[4] und aus Opfergruben von Tiryns geborgen. Für den Gebrauch waren sie zu schwer und zu scharfkantig; sie hatten ihre Funktion im Kult der Göttinnen Artemis und Demeter. In den religiösen Festen des Dionysos sollte das Tragen von Masken aus Holz, Leder oder Leinwand die kultische Vereinigung mit dem Gott gewährleisten. Seit dem späteren 6. Jh. v. Chr. wurde der Brauch in die szenischen Aufführungen übernommen[5]

        Dionysos, der Gott des Theaters, gilt als Maskengott schlechthin. Zwar fließen die antiken Schriftquellen zu diesem Thema nur spärlich[6], doch gibt es bildliche Darstellungen von der Verehrung des Gottes in Maskenform[7].

        Das Relief (Abb. 3) zeigt ein Standbild des Dionysos, vor dessen Angesicht die Personifikation der Bühne, Skene, und der Dichter Euripides gemeinsam eine Maske halten[8]. Die drei Namen sind beigeschrieben.         

                  

    Abb. 3: Marmor-Relief Istanbul, ca. 1. Jh. v. Chr.-1. Jh. n. Chr., Aufnahme der Verfasserin.

        Hinter den Protagonisten erkennt man jeweils einen kleinen Altar mit einer weiteren Maske. So ist der Gott dreifach gegenwärtig, im Kultbild und in „Persona“, wie die Maske im Lateinischen heißt. Unser Wort Person beschreibt daher ein Wesen, das sein wahres Gesicht hinter einer Maske verbirgt!

    In Gräbern und Heiligtümern bestehen Masken zumeist aus Ton, Marmor oder – selten – aus Kalkstein. Sie besitzen keine Rückseite, sind ganz auf  ‚Konfrontation‘, auf die Vorderansicht hin, angelegt. Prósopon – das was man ansieht – ist das griechische Wort für Maske. Widersprüchlich kann sie sein, belustigend und furchteinflößend zugleich. Der Spötter Martial hat diese Ambivalenz in ein Epigramm gefasst[9]:  

    Persona Germana

        Sum figuli lusus russi persona Batavi,
        quae tu derides, haec timet ora puer.

    Germanische Maske

        Scherz eines Tonbildners bin ich, Maske des roten Batavers,
        Magst du auch lachen, jedoch ängstigt die Fratze das Kind[10].

             

    Abb. 4: Tonmaske aus Alteburg bei Köln, frühe römische Kaiserzeit, Aufnahme: H. Rose, Köln

        Die Augäpfel (Abb. 4) mögen aus einem anderen Material eingesetzt gewesen sein, was die erschreckende Wirkung sicher noch steigerte.

        Aus den Nordwestprovinzen des römischen Reiches kennen wir weibliche Terrakotta-Masken im Miniatur-Format, die im 3. und 4. Jahrhundert

    n. Chr. entstanden. Im Gegensatz zu den leeren, offenen Augenhöhlen sind die Lippen fest geschlossen (Abb. 5)[11].                                  

                                      

    Abb. 5: Miniaturmaske, Gießen T II-2., Aufnahme N. Eschbach, Gießen

        Dies erinnert an die Pantomime, den stummen rhythmischen Tanz, der sich seit dem Ende der römischen Republik bis zum 6. Jh. n. Chr. großer Beliebtheit erfreute. Tänzerinnen und Tänzer drücken den Inhalt ganzer Dramen allein durch die Bewegungen ihres Körpers und der Hände aus. Nur die Masken werden entsprechend den Rollen gewechselt. Solo-Sänger oder Chöre, unterstützt von Klang-Instrumenten, bringen die Texte zu Gehör[12].

        Bei Terrakotta-Masken aus etruskischen Votivdepots ist die Augenpartie nicht offen, sondern wie bei den Gesichtern von Statuen geschlossen und ausgearbeitet[13] (Abb. 6).  

                    

    Abb. 6: Terrakotta-Votiv aus Narce/Latium 3./2. Jh. v. Chr., Nach: Fabbri 2019, 70 Abb. 23 a

        Als Adressaten für Augen- und Masken-Votive gelten die Gottheiten Selvans/Silvanus, Vei/Ceres, Bona Dea, Menerva/Minerva, Apollo, Feronia, Nortia, Fortuna und die Nymphen. Da aber die epigraphischen Belege fehlen,  bleiben Zuordnungen meist spekulativ[14].      

        Wir Heutigen aber werden noch für geraume Zeit „Masken“-Träger sein. Das ist keineswegs beispiellos. Während der Epidemien – im 17. Jahrhundert sorgte die Pest u. a. in Venedig 18 Monate lang für Angst und Schrecken  – trugen die Ärzte Masken mit schnabelartig verlängerten Nasen, die eine Kräuterfüllung zur vermeintlichen Reinigung der Luft enthielten (Abb. 7). 

                                        

    Abb. 7: Ärztin mit Pestmaske, Aufnahme: Petúr L. Krasznai, Budapest

    Also: Pazienza!

    Abgekürzt zitierte Literatur und Abbildungsnachweis:

    Baggieri 1999: G. Baggieri, Archaeology, Religion and Medicine (1999) 80-103, Abb. 1

    Bieber 1961: M. Bieber, The History of Greek and Roman Theater (Princeton 1961)    Abb. 2

    Fabbri 2019: F. Fabbri, Votivi anatomici fittili (Bologna 2019)    Abb. 6

    Frickenhaus 1912: A. Frickenhaus, Lenäenvasen. 72. BWPr 1912

    Froning 2002: H. Froning, Masken und Kostüme, in: S. Moraw – E. Nölle (Hrsg.), Die Geburt des Theaters in der griechischen Antike (Mainz 2002) 70-95

    Grassinger – Scholl 2008: D. Grassinger – A. Scholl, Dionysische Skulptur in der Berliner Antikensammlung, in: R. Schlesier – A. Schwarzmaier (Hrsg.), Dionysos. Verwandlung und Ekstase (Berlin 2008) 107-117

    Lezzi-Hafter – Zindel 1991: A. Lezzi-Hafter – Chr. Zindel (Hrsg.), Dionysos. Mythes et Mystères.Vases de Spina (Kilchberg / Zürich 1991)

    Moraw 2002: Die großen Dramatiker – Aischylos, Sophokles, Euripides, Aristophanes und Menander, in: S. Moraw – E. Nölle (Hrsg.), Die Geburt des Theaters in der griechischen Antike (Mainz 2002) 119-140

    Rose 2000: H. Rose, …sum figuli lusus…Die römischen Terrakottamasken in den Nordwestprovinzen (Köln 2000) 81 f.    Abb. 4

    Rose 2003: H. Rose, Spätrömische Miniaturmasken in Germanien und der Gallia Belgica, Xantener Berichte 3, 2003, 325-351

    Schwarzmaier 2008: A. Schwarzmaier, Dionysos, der Maskengott: Kultszenen und Theaterbilder, in: R. Schlesier – A. Schwarzmaier (Hrsg.), Dionysos. Verwandlung und Ekstase (Berlin 2008) 80-93

    Summerer 1999:  L. Summerer, Masken, in: dies., Hellenistische Terrakotten aus Amisos (Stuttgart 1999) 65-82.

    Wamser-Krasznai 2017: W. Wamser-Krasznai, Masken für Pantomimen und die weiblichen Miniaturmasken in den Nordwestprovinzen des römischen Reiches, in: Streufunde (Filderstadt 2017) 149-171

    Wamser-Krasznai 2018: W. Wamser-Krasznai, Faszination Maske, in: Scholien und Spolien (Filderstadt 2018) 25-30

    Wrede 1926: G. Wrede, Der Maskengott, AM 53, 1926, 66-95


    [1] Summerer 1999, 65-82.

    [2] Baggieri 1999, 92.

    [3] Froning 2002, 72 Abb. 89. 76 Abb. 96. 81 Abb. 105 f.; Wamser-Krasznai 2018, 26 Abb.1.

    [4] Froning 2002, 84 Abb. 83.

    [5] Grassinger – Scholl 2008, 107.

    [6]Lezzi-Hafter – Zindel 1991, 4-3; Schwarzmaier 2008, 90.

    [7]Athenaios, Deipnosophistai 14, 622 b-d;  Schwarzmaier 2008, 88 Abb. 6. 9. 10; Wrede 1926, 81 Abb. 1. 83 Abb. 2. 89 Abb. 4. 

    [8] Bieber 1961, 30 Abb. 109; Moraw 2002, 123 Abb. 157; Wamser-Krasznai 2018, 27 Abb. 3.

    [9] Mart. epigr. XIV. Apophoreta 176.

    [10] Übertragung: W. Wamser-Krasznai.

    [11] Wamser-Krasznai 2017, 166 Abb. 17.

    [12] Rose 2003, 341 f. ; Wamser-Krasznai 2017, 151 f.

    [13] s. auch unsere Abb. 1.

    [14] Fabbri 2019, 170.

  •     Böotien und seine Bewohner im Nord-Westen von Attika galten als provinziell, rückständig und bar jeden schöpferischen Impulses[1]. Man sagte ihnen mangelnde Weltoffenheit nach und ließ dabei ganz außer Acht, dass die ersten Kolonisten in West-Griechenland, die Kyme/Cumae in Kampanien, Naxos und Zankle/Messina auf Sizilien gründeten, aus Böotien und von Euböa kamen. Vor allem jedoch ist Böotien die Heimat so bedeutender Schriftsteller- und Dichter-Persönlichkeiten wie Hesiod (vermutlich aus Thespiai), Korinna (Tanagra), Pindar[2] (Kynoskephalai bei Theben) und Plutarch (Cheironeira), sowie großer Strategen wie Epaminondas[3].

        Hesiod, der um 700 v. Chr. schrieb, beginnt seine Epen wie sein dichterischer Vorgänger Homer mit der Anrufung der Musen. Ihr ältester Kult-Ort soll der Olymp (im Grenzgebiet von Thessalien und Makedonien) gewesen sein,

    Kündet, Musen, mir nun, die ihr Häuser bewohnt im Olympos –
    Göttinnen seid ihr ja, wisst alles…[4]

    doch ihr eigentlicher Sitz ist der Helikon in Böotien[5],

    Von Helikonischen Musen will ich mein Singen beginnen,
    die an dem großen, heiligen Berg, dem Helikon, wohnen…
         Diese nun lehrten einst auch Hesiodos schöne Gesänge,
    als er am Fuße des heiligen Helikon Lämmer gehütet. 
    Solche Rede vernahm ich zuerst von den göttlichen Frauen,
    den olympischen Musen, den Töchtern des Herrschers der Aigis.
    …Dort errang ich als Sieger im Lied den gehenkelten Dreifuß.
    Aufgestellt hab ich ihn den Helikonischen Musen,
    wo sie zum ersten Mal mich begabten mit hellem Gesange[6].

        Der Name des Berges, ΗΛΙΚΟΝ, ist auf der berühmten Helikon-Lekythos  beigeschrieben (Abb. 1[7]). Lekythen dieser Gruppe, deren farbenreiche Figuren sich prachtvoll vom weißen bzw. sehr hellen Grund abheben, entstanden in hochklassischer Zeit als Öl-Gefäße für den Grab-Kult. 

                              

    Abb. 1: Weißgrundige Lekythos, um 440 v. Chr.
                                        Nach: Simon 21981, 137 f. Taf. XLV  

        Von Korinna[8], die als einzige in Tanagra Gesänge dichtete, von dieser befindet sich das Grabmal auf einem ansehnlichen Platz der Stadt und ein Gemälde im Gymnasion, auf dem Korinna sich die Binde um den Kopf legt wegen des Sieges, den sie über Pindar in Theben im Gesang gewann. Sie scheint mir aber wegen ihrer Sprache gesiegt zu haben, weil sie nicht im dorischen Dialekt dichtete wie Pindar, sondern in einem Dialekt, den Aitolier verstehen konnten, und weil sie die schönste der Frauen damals war, wenn man nach dem Gemälde urteilen darf[9]Die Tanagräer behaupten, ihr Gründer sei Poimandros [ein Abkömmling des Apollon] und er habe als Frau Tanagra, eine Tochter des Aiolos, heimgeführt. Korinna hat von ihr aber gedichtet, sie sei  Tochter des Asopos[10].

        Da wir über Pindars Lebensdaten einigermaßen unterrichtet sind und Pausanias von ihm und Korinna als Zeitgenossen spricht, gehen wir davon aus, dass die Werke der Dichterin ebenfalls in der Frühklassik entstanden. Einige Forscher setzen ihre produktive Phase jedoch in den Hellenismus, weil Sprache und Buchstabenform der Lieder, die sich auf zwei Papyrusfragmenten erhalten haben, denjenigen böotischer Inschriften von 320-250 v. Chr. entsprechen. In diesen und den folgenden Jahrzehnten erreichte auch die tanagräische Koroplastik eine hohe Blüte[11] (Tanagra-Figuren, Tanagräerinnen). So lag es nahe, die Hochphase der bildenden Kunst mit der Schaffenszeit der in Tanagra  geborenen Korinna zu verbinden.     

        Pindar (ca. 520-446 v. Chr.) wird vor allem wegen seiner Epinikien gerühmt, den Preisliedern zu Ehren der Sieger bei den Spielen von Olympia, den Pythien und den Spielen in Delphi, Isthmia und Nemea. Nach der Bedeutung der Wettkämpfe standen die Oden für Siege im Wagen- und Pferderennen an erster Stelle, gefolgt von Pankration, Ringen, Boxen, Pentathlon (mit Speer – und Diskuswurf, Sprung, Stadionlauf und Ringen) und dem Lauf als Einzeldisziplin[12].    

        Plutarch (1. Jh. n. Chr.) stellte in seiner frühesten (verlorenen) Parallel-Biographie den Römer Scipio dem böotischen Strategen Epaminondas gegenüber. Mehr als die Geschichtsschreibung interessierte ihn die Persönlichkeit seiner Protagonisten. Er war Anhänger der Lehren Platons und unterhielt in seiner Heimatstadt Cheironeira eine Akademie[13]. Wie von sich selbst erwartete er auch von seinen Freunden und Schülern, dass deren  Lebensführung mit ihrer philosophischen Ausrichtung harmonierte.      

        Ungeachtet der vielen positiven Aspekte hielten die Athener an ihrer Abneigung und Geringschätzung der Böotier fest[14]. Zwar bestreite niemand ihre  militärische Tüchtigkeit,

        Die Thebaner aber gewannen in der Schlacht von Leuktra den glänzendsten Sieg, den je Griechen über Griechen errungen haben. Von den Thebanern und den Boiotern, die bei ihnen geblieben waren, fielen siebenundvierzig Mann, von den Lakedaimoniern aber mehr als tausend[15].  

    ihre Körperkraft sei jedoch mit einem Mangel an geistiger Regsamkeit verbunden[16]. In künstlerischer Hinsicht begnügten sie sich mit Nachahmungen der Vorbilder aus den Ateliers von Korinth, Ionien und Attika, während ihr eigener Beitrag in der ‚Kunst‘ des Tradierens und Retardierens bestehe[17]. Der poröse Tuff, den sie für größer-formatige Bildwerke verwendeten, komme dem unplastischen Formwillen böotischer Bildhauer entgegen, sodass „provinzielle Werke von linearem Manierismus“ entstanden[18].

         Andere, positive, Stimmen heben die umfangreiche böotische Produktion von Terrakotten und keramischen Gefäßen im 7. Jh. v. Chr. hervor. Für die vogelköpfigen Statuetten gibt es keine Entsprechung in anderen Landschaften. Auch die nach der  hohen Kopfbedeckung orthodoxer Priester genannten „Pappades“ gelten als charakteristisch für die  Koroplastik Böotiens[19]. Die anthropomorphen Figuren seien durchaus keine einfachen Übernahmen[20]. Nachdem die ansässigen Koroplasten aus dem Angebot berühmter auswärtiger Manufakturen gewählt hätten, ließen sie sich von den Vorlagen anregen, gestalteten ihre Figuren aber so gründlich um, dass eigenständige Bildwerke von besonderem Reiz gelangen[21]. Denken wir an die weiblichen Statuetten frühklassischer Zeit mit hohem Polos und aufragender gezackter Schmuckplatte (Abb. 6), einem spezifisch böotischen Merkmal[22], oder an die unverwechselbar böotischen Frauen- und Jünglingsfiguren der fortschreitenden Klassik (Abb. 2) mit ihren üppigen, ausladenden Festfrisuren[23].

                        

    Abb. 2: Jüngling mit Festfrisur und Gans auf dem Arm[24].
                 1. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. München. Aufnahme der Verfasserin

        Bereits von 730 v. Chr. an hatte ein zunächst in Attika bezeugter Typus von Plattenfibeln eine spektakuläre Entwicklung in böotischen Werkstätten erlebt.

    Aus einem schlichten Gebrauchsgegenstand war ein Kleinod geworden, mit dem sich vornehme Frauen zu besonderen Gelegenheiten schmückten und das kostbar genug war, es den Göttern in ihre Heiligtümer zu weihen[25]. Im 7. Jh. v. Chr. entstanden vorzügliche Relief-Pithoi[26].

        Der Bildhauer Kalamis war wohl ebenfalls Böotier, doch ist die topographische Einordnung unsicher und die Zeitangaben sind widersprüchlich[27]. Seine Tätigkeit fiel anscheinend in die Zeit der Frühklassik. Pausanias berichtet über einen Tempel des Ammon in Theben; die Kultstatue weihte Pindar, und sie ist ein Werk des Kalamis[28]. InTanagra, im Tempel des Dionysos ist auch das Kultbild sehenswert aus parischem Marmor und ein Werk des Kalamis[29].

        Weiter schildert Pausanias, wie Hermes ihnen [den Tanagräern] eine Epidemie abwehrte, indem er einen Widder um die Mauer herumtrug und deshalb schuf Kalamis eine Kultstatue des Hermes mit einem Widder auf den Schultern… Wer aber von den Epheben als der schönste erklärt wird, dieser läuft am Fest des Hermes rings um die Mauer mit einem Schaf auf den Schultern[30].

                        

    Abb. 3: Hermes als Widderträger. 1. Hälfte 5. Jh. v. Chr.
                                    Louvre. Nach Jeammet 2003, 30 Abb. 10

        Zahlreiche Gruppen mit Hermes und einem Widder als Begleittier, unter dem Arm oder auf den Schultern getragen, sind erhalten. Sie bestehen aus Bronze oder Ton und erscheinen sogar in einer merkwürdig verkürzten Form als Hermes-Hermen[31]. Zwar ist die eigentliche Heimat des Hirten-Gottes Arkadien, doch Pausanias überliefert eine böotische Version[32],

    In Tanagra befindet sich … der Berg Kerykion, wo Hermes geboren sein soll[33].

        Auch außerhalb Böotiens könne man Werke des Kalamis bewundern, wie das Weihgeschenk des Hieron von Olympia, das um 466 v. Chr. in Zusammenarbeit mit dem Aigineten Onatas entstanden sei[34].

        Im Sachwörterbuch der Klassischen Archäologie wird die böotische Keramik zwar als rückständig und retardierend[35] bezeichnet, doch ist ihr in archaischer Zeit eine besondere Schöpferkraft nicht abzusprechen. Die hohen Formen des korbähnlichen Polos (κανοῦν) und die sog. Vogel- Schalen des 6. Jhs. v. Chr. sind ohne Parallelen in der übrigen griechischen Welt. Bei den Vogel-Schalen, genannt nach ihrem Haupt-Dekor, den stilisierten fliegenden Vögeln, handelt es sich eigentlich um Schüsseln (Lekanis, Luterion) mit unterschiedlich hohen Füßen[36].

        Eine „seltsame Gattung archaisch-böotischer Kultobjekte“ vertreten die etwa 20 cm hohen Poloi, dickwandige Ton-Röhren[37] die ornamental oder figürlich bemalt und mit plastischen Details geschmückt sind. Das unten  abgebildete Würzburger Exemplar (Abb. 4)

                           

    Abb. 4: Böotischer Polos, Würzburg. 6. Jh. v. Chr.
                                               Aufnahme der Verfasserin

    stammt aus Theben. Es ist in drei übereinander  liegende Zonen gegliedert und mit Punktrosetten, Fischgrät-Mustern und einfachen Blattmotiven dekoriert. Den oberen Rand umgibt ein Wulst aus plastischen Körnern, auf denen ein dicker Granatapfel sitzt. Ein kleinerer plastisch geformter Granatapfel mit aufwärts gerichtetem Blütenstand akzentuiert die mittlere Zone[38]

        Weitere Poloi befinden sich u. a. in Berlin, Bonn und Dresden[39], in London, Paris, Stockholm und Boston[40] sowie in Rhizona/Böotien[41]. Sie dienten meist als Grabbeigaben, vielleicht als Brautkrone für junge vor der Eheschließung verstorbene Mädchen[42].

         Als dritte rein böotische Gattung des 6. Jhs. v. Chr. kommen die aus demselben Werkstatt-Zusammenhang hervorgegangenen tönernen Brettidole  (Abb. 5) hinzu[43].

                         

     Abb. 5: Brettidol München 1. Hälfte d. 6. Jhs. v. Chr.
                                                 Aufnahme der Verfasserin

        Sie tragen meistens einen mehr oder minder hohen Polos, der mit  plastischen Appliken, Voluten, Scheiben oder Rosetten versehen sein kann[44]. Die Produktion der drei Gattungen, isolierter Polos, sog. Vogelschale und

    Brett-Idol  dauert während des ganzen 6. Jahrhunderts an und läuft in den beiden ersten Jahrzehnten des 5. Jhs v. Chr. aus[45].

        In frühklassischer Zeit entstehen in Böotien rein menschlich gebildete weibliche Figuren, die offenbar besonders als Grabbeigabe geschätzt waren. Meist stehen sie auf hohen Basen und sind mit dem Peplos bekleidet. Der Polos wird von einer gezackten Schmuckplatte überragt[46] (Abb. 6). Diese Besonderheit halten einige Autoren für eine Nachwirkung „der archaischen Vorläufer“[47].

         

    Abb. 6: Junge Frau mit Polos-Aufsatz, Halai/Böotien. 1. Hälfte 5. Jh. v. Chr.  
                         Nach: Demakopoulou – Konsola 1981, 64 f. Abb. 21

        Könnte es sich nicht um eine Metapher für den Opferkorb, das κανοῦν/Kanoun, handeln? Poloi mit Aufsatzplatten erinnern nämlich an eine Kategorie des korbartigen „calathos chypriote“ wie er im 4. Jh. v. Chr. zyprische  Frauenfiguren schmückte[48]. Die Form des Kalathos ähnelt dem Opferkorb, den die Kanephore (κανοῦν! ) auf den Kopf setzt und mit den Armen ein wenig stützt (Abb. 7).

                

     Abb. 7:  Antikensammlung München [49], 3. Viertel 5. Jh. v. Chr.
                                               Aufnahme der Verfasserin

        Die Vertreterinnen mit Polos und Schmuckplatte allerdings verzichten auf den Stützgestus. Entweder hängen beide Arme locker herab oder der eine Arm ist angewinkelt und die  Hand umfasst einen (Opfer-) Gegenstand. Sogar manche Hydriaphoren[50] tragen ihre Wassergefäße so geschickt, dass sie mit einer Hand oder ganz ohne Unterstützung auskommen.

        Eine sehr viel später in Fresko-Technik wiedergegebene Kanephore balanciert den Opferkorb mit einer Hand, während die andere frei gestikuliert (Abb. 8). Auf dem Kanoun sind gleichseitige Dreiecke zu erkennen, deren Spitze nach oben gerichtet ist. Sie erinnern an gezackten Aufsatzplatten der böotischen Polosträgerinnen (Abb. 6).

                 

    Abb. 8: Wandgemälde, ca. 30-20 v. Chr. Villa Farnesina, Rom.
                                   Palazzo Massimo, Aufnahme der Verfasserin

        Im späten 5. und frühen 4. Jh. v. Chr. krönt der Polos, der nun flacher und viel breiter geworden ist, eine ausladende, häufig durch künstliche Haarteile ergänzte Festfrisur (Abb. 2). Auch bei dieser Gruppe männlicher und weiblicher Terrakotta-Statuetten handelt es sich um eine rein böotische Spezialität.

                            

    Abb. 9: Gießen, Inv. T I-34. Ca. 420/410 v. Chr.
                                            Aufnahme M. Recke, Gießen

        Unter der aufwendig arrangierten Perücke tritt in fein gebogenen Strähnen das eigene Stirnhaar hervor (Abb. 9).

        Schließlich die Tanagräerinnen! Sie sind nach ihrem Haupt-Fundort, den Nekropolen von Tanagra, benannt. Ihre technische, ikonographische und stilistische Entwicklung verdanken sie den Werkstätten von Attika. Dort stellte man bereits in der 1. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. unter dem Einfluss der Großplastik (Praxiteles) qualitätvolle figürliche Gefäße und Tonfiguren her. Reizvolle Modelle eleganter Damen in stoffreichen Gewändern und legerer Haltung gelangten in die böotischen Ateliers und wurden bald zur  Grundlage einer blühenden eigenen Produktion. Als das Handels- und Gewerbezentrum Theben 335 v. Chr. von Alexander dem Großen zerstört war, trat Tanagra die Nachfolge an[51]. Nicht immer ist leicht zwischen attischen Originalen und böotischen Nachbildungen zu unterscheiden. In der ausgedehnten Nekropole von Tanagra/Schimatari musste stets mit beiden gerechnet werden. Tatsächlich standen im ausgehenden 4. Jh. und während des 3. Jhs. v. Chr. die böotischen Statuetten in technischer und künstlerischer Hinsicht kaum hinter den attischen zurück[52] (Abb. 9). Sandiger gelblich-hellbrauner Ton weist nach Böotien, ein orange-roter Ton eher nach Attika. Die böotischen Figuren erhielten häufig nur eine aus der Matrize geformte Vorderseite, während die Rückseite schlicht geglättet und mit einem großen Brennloch versehen wurde.

        In hellenistischer Zeit waren die Tanagräer*innen weit über die Mittelmeerländer hinaus verbreitet. Ihre graziösen Gestalten trafen den Geschmack des 19. Jahrhunderts u. Z. so genau, dass Raubgräber und Händler mit dem Bedarf nicht Schritt halten konnten. So begann eine lukrative Zeit für Nachahmer und Fälscher.         

                     

    Abb. 10: Tanagräerin, München, 1. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr.
                Aufnahme der Verfasserin. Bildbearbeitung: H. Zühlsdorf, Gießen

        Fassen wir zusammen:

    Nach gebührender Würdigung der berühmten Philosophen, Dichter*innen und Strategen aus dem antiken Böotien gilt dessen lokaler bildender Kunst unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Schon im 8. Jh. v. Chr. machen kostbare Plattenfibeln und vorzügliche Relief-Pithoi auf sich aufmerksam, gefolgt von archaischen Terrakotta-Idolen mit anthropomorphen und Vogelschnabel-artigen Köpfen. Gleichzeitig entstehen dekorative sog. Vogelschalen und die merkwürdigen isolierten tönernen Poloi mit vegetabilen Appliken. Böotien bringt aber auch großformatige menschliche Figuren hervor, selbst wenn sie kritischen Urteilen zu Folge in ästhetischer Hinsicht nicht ganz an die ionischen und attischen Statuen heranreichen. Seit der Frühklassik tritt die böotische Terrakotta-Plastik erneut hervor, nimmt Anregungen aus Attika, Korinth und Ionien auf und gestaltet eigene unverwechselbare Typen, bis sie zur Zeit des Hellenismus in den „Tanagräerinnen“ kulminiert.         

    Abgekürzt zitierte Literatur und Bildnachweis.:

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    Abb. 3

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    [1] DNP 2, 734-738; 4, 207; 6, 738

    [2] Himmelmann 1996, 103-107 Abb. 47-51.

    [3] Paus. IX  14, 4.

    [4] Hom. Il. 2, 484. 491;  Il. 11, 218. Il. 1, 566.

    [5] Hes. theog. 1 f.  22 f.; LIMC VI 1992, 658 (A. Queyrel). Im Helikon liegt links vom Wege zum Hain der Musen… Paus. IX 29, 5.

    [6] Hes. erg. 656-659; auf dem Helikon steht unter anderen Dreifüßen auch als ältester der, den Hesiod in Chalkis am Euripos erhalten haben soll, als er im Sangeswettkampf gesiegt hatte, Paus. IX 31, 3.

    [7] Antikenmuseum München. Die Inschrift befindet sich rechts unten neben der Kithara spielenden Muse.

    [8] Jeammet 2003, 23.

    [9] Paus. IX  22, 3. 

    [10] Paus. IX  20, 1.

    [11] DNP 6, 1999, 737 f.;  Jeammet 2003, 26 Anm. 24. S. 30 f. Anm. 18.

    [12] DNP 9, 2000, 1031-1035.

    [13] DNP 9, 2000, 1165.

    [14] Pherekyd. frg. 7; Dikaiarchos frg. 59, 25, RE 1958, 646.

    [15] Eine Schlacht, in der sich der oben genannte Stratege Epaminondas erneut auszeichnet, Paus. IX 13, 11.12. und  IX 14, 4.

    [16] Cic. fat. 7; Athen. V 186 f. Demosth. V 61. XVIII 240; Hor. epist. II 1, 244; Plut. Alk. 2;  RE 1957, 646.

    [17] Martini 2003, 40; ders. 1990, 208.

    [18] Lullies 1936, 150. 152.

    [19] Richter 1966, 258 f.; Szabó 1993,  21 Anm. 1; Paul 1958, 4. 79-83; Strocka 2006, 137 „Papades“.

    [20] „Adoption of Corinthian elements, employed in an independent manner“, Szabó 1993, 50.

    [21] Szabó a. O. 134; Schild-Xenidou1972, 1.

    [22] z. B. Demakopoulou – Konsola 1981, 64 f. Abb. 2;  mit ausführlicher Literaturangabe Schürmann 1989, 38 f. Nr. 81 Taf. 17.  S.  40 f. Nr. 86 Taf. 18; Liepmann 1975, 18. 61 T 45; Hamdorf 1996, 50, Abb. 50; Szilágyi – Castiglione 1955, 25 Taf. 13, 2.

    [23] „Reiche“ Frisur: ebenso reich an Volumen wie an Details, Frey-Asche 1997, 50 f. Nr. 30; Maischberger 2002, 282-284  Nr. 173-176.

    [24] Hamdorf 2014, 211 D 174; Schmaltz 1974, 161 Nr. 153 Taf. 12.

    [25] Hampe – Simon 1980, 66 Abb. 93. 94. S. 98 Abb. 149. 150; Jeammet 2003, 84 f. S. 30 f. Abb. 10. 106 Abb. 62.

    [26] Richter 1988, 32.

    [27] RE 1532-1536 (Stuttgart 1919).

    [28] Paus. IX 16, 1.

    [29] Paus. IX 20, 4.

    [30] Paus. IX 22, 1.

    [31] Hamdorf  2014, 223 f. Abb. D 207 mit menschlich angegebenen Armen, die Hände umfassen die Beine des Widders. D 208 mit Arm-Bossen.  

    [32] Strocka 2007, 135.

    [33] Paus. IX 20, 3.

    [34] Paus. VI 12, 1. Ferner eine Nike apteros, also eine flügellose Nike, und eine Aphrodite in Athen, sowie ein bartloser Asklepios in Sikion, Paus. V 26, 6. Paus. I 23, 2. Paus. II 10, 2.   

    [35] Martini 2003, 40.

    [36] Krähenvögel, Simon 1972,  209. 213. 212 f.

    [37] Simon 1972, 205.

    [38] E. Langlotz, Griechische Vasen II (München 1932) Abb. 67 Taf. 8 a und c. Simon, RA 1972, 207 Abb. 4;  Simon 31985, 58 Abb. 53. 

    [39] Tc. Inv. 8401,  AA 10, 1895, 127 Nr. 15, Abb.: Der Polos 1915,  31 Taf. III  und Taf. II  links; AA 48, 1933, 7. Nr. 10 Abb. 7; AA 17, 1902, 114 Nr. 15 Abb. 8.

    [40] Higgins 1986, 84 Abb. 87; Pierre Devambez, Autel creux en terre cuite, Mélanges offerts à K. Michalowski, Warschau 1966, 367-273; Simon, RA 1972, 2, 205-220; AA 1899, 141 Nr. 2. 

    [41] Ure 1934,  61 Taf. 18. 73 Nr. 136. 1 Taf. 19.

    [42] Simon 1972, 214. 220.

    [43] Nach der hohen Kopfbedeckung orthodoxer Priester auch „Pappas, Pappades“ genannt, Szabó 1994, 51 f.  54 Anm. 77 Abb.  37. 77

    [44] Jeammet 2003, 88-96 Abb. 44. 46. 52. Simon 1972, 210 f.

    [45] Vgl. Higgins 1954, 209 Nr. 780. 781 Taf. 103 sowie ebenda 208 Nr. 779 Taf. 104. Simon 1972, 218.

    [46] Bol – Kotera 1986, 81 Abb. 43; R. Higgins 1986, 100 f. Abb. 116. 117; mit Ärmelchiton bekleidet: S. 99 Abb. 112; Jeammet 2003, 108 Abb. 64.   

    [47] Simon 1972, 218 mit Anm. 2.

    [48] A. Queyrel, Calathoi en terre cuite à décor de Sphinx, in: F. Vandenabeele – R. Laffineur (Hrsg.), Cypriote Terracottas (Brussels – Liège 1991) 201-212 Taf. 48 f. 50 c. d. 5 b.

    [49] s. auch Hamdorf 1996, 50 Abb. 50 Figur rechts; ferner Reeder 1996, 235 f. Abb. 60; Higgins 1954,  195 Nr. 729 Taf. 95; ders. 1967, 62 Taf. 25 B; Schelp1975,  95 Taf. 3, 1; Schürmann 1989, 40 f. Nr. 86 Taf. 18.

    [50] E. P. Papaioannou, Koroplastika Erga tou Archaiologikou Mouseiou Peiraios (Athena 2011) 188 f. 275 f.  Nr. 47.887. 49.714 f.

    [50] Simon 1972, 218 f.

    [51] Uhlenbrock 1990, 48 f.; ferner Frey-Asche  1997, 70; Jeammet 2003, 121; R. Higgins 1986, 119; Zimmer 1994, 21.

    [52] Uhlenbrock 1990, 51.

  • 25.08.2021

        Belegstellen aus dem Gallischen Krieg (Caes. Gall.) sind im Text durch in Klammern gesetzte römische und arabische Ziffern gekennzeichnet. Auf die einschlägigen Passagen aus der Germania des P. Cornelius Tacitus (Tac. Germ.) wird mit Fußnoten hingewiesen. Wörtliche Zitate aus den Übersetzungen ins Deutsche stehen in Kursivschrift. Die Verfasserin hat versucht, sich möglichst eng an die lateinischen Quellen zu halten.

        Gallien in seiner Gesamtheit gliedert sich in drei Teile; davon bewohnen einen  die Belger, einen anderen die Aquitaner, den dritten diejenigen, die in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier genannt werden (I 1,1[1]). Sie unterscheiden sich in Sprache und Gebräuchen sowie in den staatlichen Einrichtungen. Zu jener Zeit nimmt Aquitanien nach Ausdehnung und Einwohnerzahl … ein Drittel ganz Galliens ein (III 20, 1). Die beiden Landesteile werden von der Garonne/Garunna  getrennt.

        Am tapfersten sind die Belger. Sie wohnen nämlich am weitesten entfernt von der Kultur und Zivilisation der römischen Provinz, sind nicht durch eingeführte Luxusgegenstände verweichlicht und üben sich in ständiger Fehde mit ihren unmittelbaren Nachbarn, den rechtsrheinischen Germanen (I 1, 2.3). Ähnlich verhält es sich mit den keltischen Helvetiern, deren kleines Land, eingeengt zwischen dem breiten und tiefen Rhein/Rhenus, dem hoch ansteigenden Jura und der Rhone[2] (Rhodanus) sowie dem Genfer See/Lacus Lemannus sich fast täglich gegen die germanischen Nachbarn wehren muss (I 1, 4 und I 2, 3). Beim Eintreffen Caesars – er spricht von sich stets in der dritten Person – führten Haeduer und Sequaner die gallischen Stämme an (VI 12, 1.2). Durch ihr Gebiet fließt die Saône/Arar und zwar mit einer so geringen Strömung, dass man ihre Fließrichtung nicht wahrnimmt (I 12, 1[3]).

        Geltung und Ansehen genießen in Gallien nur Druiden und Ritter; alle übrigen Bevölkerungsteile sind rechtlos (VI 13). Die Druiden versehen den Götterdienst, sorgen für die Opfer und legen die religiösen Satzungen aus. Als härteste Strafe gilt der Ausschluss vom Gottesdienst. Verlockt durch die großen Vorrechte der Druiden gehen viele junge Männer freiwillig bei ihnen in die Lehre. Es heißt, dass sie dort Verse in großer Zahl auswendig lernen, denn es gilt bei ihnen als Sünde, etwas schriftlich niederzulegen. Sie wollen nicht, dass ihre Lehre unter der Menge verbreitet werde noch dass die Schüler sich auf das Geschriebene verlassen und das Gedächtnis zu wenig üben. Vor allem wollen sie davon überzeugen, dass die Seelen nicht vergehen, sondern nach dem Tode von einem zum anderen wandern. In Staats- und Privatangelegenheiten benützen sie die griechische Schrift (VI 14).

        Ritter haben keine andere Aufgabe als Kriege zu führen. Ihre Bedeutung wächst mit der Zahl der Gefolgsleute (VI 15).

        Die Gallier sind sehr religiös. Gewöhnlich opfern sie ihren Göttern Tiere, bei schwerer Krankheit, Kampf und Gefahr aber auch Menschen. Wenn die Zahl der Verbrecher dazu nicht ausreicht, müssen auch Unschuldige herhalten (VI 16). Die Leichenbegängnisse sind aufwendig und prächtig. Was dem Verstorbenen im Leben teuer war, wird im Feuer mit verbrannt, kurz vor unserer Zeit sogar Sklaven und Hörige (VI 19, 4). Von den Göttern verehren sie besonders Merkur (keltisch Teutates). Dann folgen Apollo (Belenos), Mars (Esus), Jupiter (Taranis) und Minerva, deren keltischer Name nicht genannt wird. Ähnlich wie bei anderen Völkern gilt Apollo als heilkundig, Minerva kümmert sich um Handwerk und Künste, Mars ist Kriegsgott und Jupiter  herrscht über die anderen Götter (VI 17). Auf den Vater Dis (lat. Pluto, Gott der Unterwelt) führen die Gallier ihre Abstammung zurück (VI 18).

        Sie leben in Städten, Dörfern und Einzelgehöften (I 5, 2). Als ein von Natur aus hervorragend geeigneter Wohnsitz gilt ihnen eine Stadt mit steilen abschüssigen Felsabhängen ringsum, sowie mit einem sanft ansteigenden Zugang, den eine sehr hohe doppelte Mauer mit gewaltigen Steinen und Palisaden schützt (II 29, 3). Zum Haushalt steuern Mann und Frau gleich viel bei, aber der Mann hat Gewalt über Leben und Tod der Frauen, Kinder und Sklaven. Zutritt zum Vater erhalten in der Öffentlichkeit nur die erwachsenen Söhne (VI 19, 1-3).

        Von Charakter sind die Gallier neugierig und unbeständig, in ihren Beschlüssen wankelmütig und auf Umsturz bedacht (II 1, 3; IV 5, 1. 2 und 13, 2.). Ihrer Neugierde tragen die Behörden Rechnung, indem sie Gerüchte, die den Staat betreffen, nur der Obrigkeit melden oder in der Volksversammlung berichten lassen und niemandem sonst (VI 20, 2).

        Ganz anders ist die Lebensweise der Germanen (I 31, 11). Sie haben keine Druiden und halten auch nicht viel von Opferhandlungen. Als Götter gelten ihnen Sonne, Mond und Feuer, deren Eingreifen sie sichtbar wahrnehmen und augenscheinlich erfahren (VI 21, 2). Tacitus schildert ihren Glauben differenzierter. Wieder sei es Merkur, den sie am meisten verehren und dem sie an bestimmten Tagen auch Menschenopfer darbringen zu müssen glauben. Dann folgen Herkules und Mars. Ein Teil der Sueben opfert auch der Isis, deren heiliges Zeichen, eine Barke, auf die Einführung ihres Kultes auf dem Seewege hinweise. Im Übrigen glauben die Germanen, dass es mit der Hoheit der Himmlischen unvereinbar sei, sie mit menschlichen Zügen auszustatten; sie weihen Lichtungen und Haine [4].

        Bei den Sueben, dem bei Weitem größten und kriegerischsten Stamm, stehen die erwachsenen Männer ständig unter Waffen. Agri culturae non student. Nur ein Jahr lang bleiben sie an einem Ort, dann ziehen sie weiter. Während Caesar den Germanen eine Art Agrarkommunismus zuschreibe (VI 22, 1-3) berichtet Tacitus rund 150 Jahre später von einer Aufteilung des ackerbaufähigen Landes nach Rang und Würde[5]. Ungebundenes Leben, Abhärtung, tägliche körperliche Übung und Keuschheit wenigstens bis zum 20. Lebensjahr lassen ungeheuer große Menschen heranwachsen (IV 1, 9. VI 21, 4), deren Miene und stechenden Blick die Gallier kaum ertragen könnten (I 39, 1). Im kältesten Klima tragen die Germanen ausschließlich Felle, die einen großen Teil des Körpers unbedeckt lassen, und sie baden in den Flüssen. Ihre kleinen unansehnlichen Pferde reiten sie ohne Sattel.

        Bei der Ernährung spielt Brot keine große Rolle. Sie leben von Milch, Kleinvieh und Jagdbeute. Wein lassen sie nicht einführen, da dieser die Widerstandskraft breche und die Männer so schwächlich wie Frauen mache (IV 1. 2). Wieder äußert sich Tacitus abweichend: Als Getränk dient ihnen eine Flüssigkeit aus vergorenem Getreide; die Anwohner des Rhein- und Donauufers kaufen sich auch richtigen Wein…Wenn man ihnen so viel zu trinken gäbe wie sie wollen, wird man sie ebenso leicht durch ihre eigenen Laster wie durch Waffengewalt bezwingen können[6].

        In Friedenszeiten gibt es keine zentrale Führung, nur im Krieg werden militärische Oberbefehlshaber gewählt (VI 23, 5-8). Auch herrsche der Brauch, dass die Frauen (matres familiae) den Ausgang einer Schlacht vorhersagen. Vor dem Neumond zu kämpfen sei zu vermeiden, denn dann stehen die Zeichen schlecht (I 50, 4 f.[7]). Mit breiten Flächen unbebauten Landes versuchen die Germanen ihre Grenzen zu sichern (IV 3, 1-3). Daher liegt, wie es heißt, auf der einen Seite des Suebenlandes das Land ungefähr 600 Meilen breit brach. An der andern Seite schließen sich die Ubier an… Sie sind etwas zivilisierter als [die anderen Stämme], weil sie am Rhein wohnen … und sie sich wegen der Nachbarschaft an gallische Sitten gewöhnt haben…Die fruchtbarsten Gegenden Germaniens [liegen] um das Herzynische Waldgebirge, das sich vom Gebiet der Helvetier, Nemeter und Rauraker parallel mit dem Donaulauf bis zum Gebiet der Daker, also etwa bis an die Theiss, erstreckt (VI 25, 3). Die Schilderung der phantastischen Tierwelt, Arten, die man anderswo nicht sieht, traut man einem so nüchternen Staatsmann und Heerführer wie Caesar nicht zu. Insbesondere der Absatz über die Elche, die keine Knöchel und Gelenke haben und im Stehen an Bäume gelehnt schlafen, sodass sie durch Ansägen dieser Bäume leicht gefangen werden können, wird  zumeist für Interpolation und Kolportage gehalten (VI 27, Anm. 256-258 und S. 521: Caesars Glaubwürdigkeit).

        Ein anderes unermesslich großes Waldgebirge, der Bacenische Wald, umfasst das Hessische Bergland, den Harz, den Thüringer Wald und das Erzgebirge (VI 10, 5 Anm. 235). Der Rhein, Schicksalsstrom schon zur Zeit Caesars, entspringt im Gebiet der Lepontier, eines Alpenstammes, und fließt reißend in einer langen Strecke durch das Land der Nemeter, Helvetier, Sequaner… und Treverer, teilt sich in Meeresnähe in mehrere Arme, bildet zahlreiche große Inseln, von denen ein großer Teil von wilden Völkern bewohnt wird, darunter einigen, die von Fischen und Vogeleiern leben sollen, und fließt in vielen Armen in den Ozean (IV 10, 2-5).

        Für Caesar ist die Rheingrenze eine ständige – wie man heute bis zum Überdruss zu sagen liebt –  Herausforderung. Germani qui trans Rhenum incolunt (I 1, 3). Während in Gallien die Haeduer und Averner um den Vorrang streiten, sei es dazu gekommen, dass von beiden Stämmen Germanen als Söldner angeworben wurden. Von diesen hätten anfangs nur ungefähr 15 000 den Rhein überschritten. Als aber diese wilden Barbaren am Lande, an der Kultur und Wohlhabenheit der Gallier Geschmack gefunden hätten, seien mehr übergesetzt. Jetzt seien in Gallien schon an die 120 000 Mann. Gegen diese …hätten sie eine schwere Niederlage erlitten…In wenigen Jahren werde es so weit sein, dass sie alle vom gallischen Boden vertrieben würden und alle Germanen den Rhein überschritten. (I 31, 3-6 und10 f.) Es sei nämlich so, dass „die Germanen sich allmählich daran gewöhnten, … in großen Massen nach Gallien zu kommen“. Darin sah auch Caesar eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das römische Volk, da die wilden Barbaren, wenn sie erst einmal ganz Gallien besetzt hätten, sich nicht zurückhalten würden … in die Provinz [Provence] einzudringen und von dort nach Italien zu ziehen, zumal nur die Rhône das Land der Sequaner von unserer Provinz trenne (I 33, 3.4).  Nach Beendigung des Germanenkrieges beschloss Caesar … den Rhein zu überschreiten (IV 16, 1). Auf seine Forderung an die Sugambrer, einen germanischen Stamm zwischen Sieg, Lippe und Rhein, ihm die Gegner, die bei ihnen Schutz gesucht hatten, auszuliefern, erhielt er zur Antwort: Der Rhein sei die Grenze der Herrschaft des römischen Volkes…warum fordere er [Caesar] da überhaupt etwas an Macht und Herrschaft rechts des Rheines? (IV 16, 4). So entschließt sich der Feldherr, den Germanen Schrecken einzujagen, an den Sugambrern Rache zu nehmen und die Ubier von ihrer Bedrängnis zu befreien. Letztere hatten ihn darum gebeten, wenigstens ein Heer über den Rhein zu setzen. So ließ er in der Gegend von Köln eine Brücke über den reißenden Strom schlagen (IV 16, 7-8. 17, Anm. 160). Nach einem Aufenthalt von nur wenigen Tagen im Feindesland, wo er nach eigenen Aussagen hemmungslos gewütet hatte, erfuhr er, dass sich die Germanen im Gebiet der Sueben zusammenrotteten und sich zur Entscheidungsschlacht rüsteten. Er marschierte daraufhin nach Gallien zurück und ließ die Brücke wieder abbrechen, bestrebt seinen Misserfolg zu verschleiern (IV 19, Anm. 162). Als er aber ins Land der Treverer gekommen war, beschloss er neuerdings, den Rhein zu überschreiten …und ließ etwas oberhalb der Stelle, an der er schon einmal das Heer hinübergeführt hatte, eine Brücke schlagen (VI 9, 1-4, in der Nähe von Bonn, Anm. 234). Die Treverer, ein keltischer Stamm mit rechtsrheinischen Kontakten und germanischen Wurzeln[8], die sich ebenso wie die Ubier auf das Taktieren verstanden, baten Caesar um Schonung, damit nicht bei dem allgemeinen Hass gegen die Germanen Unschuldige statt Schuldiger büßten (VI 9, 7). Als Caesar nun durch die ubischen Spähtrupps erfuhr, dass die Sueben sich in die Wälder zurückgezogen hatten, beschloss er aus Furcht vor Proviantmangel – die Germanen kümmern sich allesamt, wie erwähnt, sehr wenig um Ackerbau – nicht  weiter vorzurücken (VI 29, 1). Zwar blieb der Brückenbau als solcher erhalten, doch ihren letzten Teil… am ubischen [rechtsrheinischen] Ufer lässt er einreißen (VI 29, 3), den Brückenkopf am linken Rheinufer aber verstärken. Von nun an konzentriert Caesar alle militärischen Kräfte gegen die Gallier in Gallien (VI 29, 4-VIII).

    Quellen:

    1. Julius Caesar, Der Gallische Krieg, Lateinisch-Deutsch, Herausgeber: G. Dorminger. Artemis Verlag, Sammlung Tusculum (München – Zürich 81986)

    2. Tacitus, Germania. Lateinisch- Deutsch (Leipzig, Lizenz Wiesbaden o. J.)

    Dem Aufsatz liegt ein Referat im Mittel-Seminar Alte Geschichte 1989, „Caesar als Historiker“, Prof. Dr. Helga Gesche, JLU Gießen, zu Grunde.


    [1] Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, alteram Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Keltae nostra Galli apellantur.

    [2] Eigentlich: der Rhone, frz. le Rhône.

    [3] Flumen est Arar, quod per fines Haeduorum et Sequanorum in Rhodanum influit incredibili lenitate, ita ut oculis, in utram partem fluat, iudicari non possit.

    [4] Tac, Germania 9.

    [5] Tac, Germania 26.

    [6] Tac. Germ. 23.

    [7] Tac. Germ. 8. 10.

    [8] Tac. Germ. 28.

  •     Nicht alles Gold … [1]

               Hütet euch vor den vergoldeten Kugeln!

    Alle kennen wir die „vergoldeten Kugeln“, die uns der Teufel auf unseren Weg und mitten zwischen unsere Füße wirft. Davon erzählt uns eine alte Sage aus dem Mutterland des Sports, aus Griechenland: Eine schöne Königstochter ist nur zu gewinnen, wenn sie im Wettlauf besiegt wird. Immer wieder sind trainierte junge Männer mit ihr an den Start getreten. Keiner hat sie besiegt, alle wurden von ihr abgehängt. Wieder einmal hat es ein junger Mann gewagt. Der Lauf beginnt, aber schon nach 10 Metern überholt sie ihn und jagt aufs Ziel los. Wie das Mädchen vor ihm dahinrast, zieht er plötzlich eine vergoldete Kugel aus der Tasche und schleudert sie mit Macht in die Bahn, in der das Mädchen läuft. Einen Augenblick stutzt sie. Das Gold blendet und zieht. Sie vergisst, dass es um den Sieg geht und rennt der goldenen Kugel nach, die längst aus der Bahn ins freie Feld läuft. Der Jüngling stürmt an ihr vorüber und ist als erster am Ziel. Er hat durch diese List gesiegt.[2]

     Bei Ovid, der den Mythos von Atalante und ihrer aufdringlichen Freierschar ausführlich schildert, sind es drei goldene Äpfel, tria aurea poma. Sie sind eng mit der Liebesgöttin Aphrodite verknüpft. Tändelnd wendet sich die Göttin an ihren Adonis:

    Vielleicht hast du schon von einer gehört, die im Wettlauf selbst die schnellsten Männer besiegt[3]

    Atalante war berühmt, nicht nur als flinke Läuferin, sondern auch wegen ihrer Schönheit. Ein Gatte, Atalanta, ist deine Sache nicht, wird ihr vorhergesagt[4]. Darum meide den Vollzug der Ehe – fuge coniugis usum. Wehe, wehe! ist man versucht auszurufen, doch Apollon orakelt weiter: Du wirst diesem Schicksal nicht entgehen und dabei deine Persönlichkeit verlieren- nec tamen effugies teque ipsa viva carebis. Nachdem viele junge Männer im Wettlauf gegen die Heroine verloren und ihr Leben verwirkt haben, versucht es Hippomenes mit einer von Aphrodite erdachten List. Die Göttin ist nämlich von Liebesverweigerungen wenig erbaut und steht darum auf Seiten des Freiers.

    Ein Feld gibt es, die Einheimischen nennen es das tamasenische, es ist der beste Teil Zyperns . … Von da kam ich [Cytherea=Aphrodite] gerade, in der Hand trug ich drei goldene Äpfel…tria aurea poma…, die ich dort gepflückt hatte[5]. Die  übergibt sie dem Hippomenes, der im Lauf erwartungsgemäß weit hinter Atalante  zurückbleibt. Da wirft er ihr die goldenen Früchte in die Bahn. Arglos bückt  sich die Läuferin danach und verliert Zeit und Sieg. Die Fortsetzung der Sage ist nicht weniger spannend[6], hat aber mit den goldenen Äpfeln nichts mehr zu tun.

    Eine andere Mythenversion[7] lässt die wunderbaren Früchte aus dem Garten der Hesperiden stammen.

    …aber die Nacht gebar…
    ferner die Hesperiden, die jenseits des ruhmvollen Ringstroms
    goldene Äpfelμῆλα χρύσεα – und Bäume, von Früchten prangend, bewache n[8] .         

    Zur Heiligen Hochzeit von Zeus und Hera hatte die Erdgöttin Ge extra für die Götter-Königin einen Baum des Lebens mit den goldenen Äpfeln der ewigen Jugend wachsen lassen[9]. Sie werden von den Hesperiden und dem Drachen/der Schlange Ladon bewacht. Um die Früchte zu gewinnen muss Herakles die Schlange unschädlich machen und den Titanen Atlas, der die Himmelskugel trägt[10], dazu bringen, ihm die Äpfel zu holen. Dafür schultert Herakles inzwischen den schweren Globus[11]. Anschließend ist er, wie die von Lysipp konzipierte Statue zeigt (Abb. 1) vollkommen erschöpft, aber er hat seine Aufgabe erfüllt. In der rechten Hand hinter dem Rücken hält er die goldenen Äpfel! 

                            

    Abb. 1: Herakles Typ Farnese. Gipsabguss Kassel.
                                       Nach Gehrke 2007, 100 f. Abb. 22.5
           

    Eine um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. datierte Terrakotta-Gruppe stellt den jugendlichen, auf seine Keule gestützten Heros mit dem kleinen Hesperiden-Baum, um den sich die Schlange windet, dar. Auf den vier großen Früchten sind Sektoren angegeben, sodass es sich um Quitten handeln könnte[12].  

    Wenden wir uns dem ‚Zankapfel‘, malum discordiae, zu. Eris, die Personifikation der Zwietracht[13], ist als einzige Gottheit nicht zur Hochzeit des Peleus und der Thetis eingeladen. Voller Zorn wirft sie einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „Der Schönsten/ Τῇ καλῇ τὸ μῆλον“ zwischen Hera, Athena und Aphrodite. Aus dieser beinahe spielerisch anmutenden Geste entwickelt sich die Tragödie des trojanischen Krieges[14].    

              

    Abb. 2:  Laufende Eris. Schwarzfigurige Schale, ca. 560-540 v. Chr.
                                      Nach Thomsen 2011, 261 f. Abb. 109

    Haben wir die goldenen Früchte als Äpfel, Quitten oder Granatäpfel zu betrachten? Zur Kernobst-Familie gehören alle drei. Bei den antiken Schriftstellern wird die Quitte eigentlich μῆλον κγδώνιον/malum cydonium genannt, der kretische Apfel. Gebräuchlich ist jedoch die Kurzform μῆλον, auch wenn andere apfelähnliche Sorten, die sich in Form und Farbe unterscheiden,  gemeint sind.  Der Granatapfel, ῥοιή /malum punicum[15] wird als scharlachrot beschrieben[16], während Quitten zwischen grüngelb und goldgelb changieren. Plinius bezeichnet eine von ihren Unterarten geradezu als Goldquitte, chrysomela[17]. Er lobt ihren feinen Duft und erwähnt die Einteilung in Sektoren. Nachbildungen lassen allerdings die botanische Exaktheit häufig vermissen; auch von der farbigen Bemalung ist oft nicht viel erhalten. Das erschwert natürlich die Unterscheidung[18]. Auch ein Granatapfel weist manchmal  Sektoren-ähnliche Einziehungen auf. Hauptmerkmal ist jedoch der besonders dicke Blütenstand[19], der bei der Quitte fehlt. Speiseäpfel zeigen verschiedene Farben und Muster, doch wäre ein Goldgelb wie bei der Quitte für den Apfel untypisch.  

     Sowohl Granatäpfel als auch Quitten gelten als Zeichen für Liebe und Ehe,  Unsterblichkeit und Fruchtbarkeit[20]. Beide Früchte sind weit über den Mittelmeerraum hinaus verbreitet. Ihre Darstellungen schmücken Reliefs und Münzen, Wandgemälde und Vasenbilder[21]. In Form rundplastischer Terrakotten brachte man sie den Göttern dar und gab sie den Verstorbenen mit auf ihre Reise ins Jenseits[22]. In Wohnbezirken gefundene Exemplare spielten vermutlich eine Rolle im häuslichen Kult[23]. Neben einer Auswahl anderer nahrhafter Dinge ordnete man sie auf Tontellern an.

         

    Abb. 3: Aus Paestum, Antikensammlung Kassel, Schloss Wilhelmshöhe. 
                                              Aufnahme der Verfasserin.

    Zu Abb. 3: bei 11 Uhr Käse (?) unterhalb Granatapfel, dann Quitte; bei 1Uhr Traube, darunter Feige, Quitte. Bei 7/8 Uhr Gebäck. 5 Gurke (?) Bei 9 und 3 Uhr Scheiben von Zitrusfrüchten (?)

     Quitten aus Ton zeigen eine Einteilung  in sechs, fünf oder vier Sektoren[24]. Für speziell Interessierte folgt hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – ein  ‚Quitten-Katalog‘.

    6 Sektoren:

    1. Hamburg, Inv. 1968.13, in Italien erworben, Ton rötlich-orange. Frey-Asche

        1997, 64-66 Abb. 41; Frey 1974, 75 f. Nr. 43 Abb. 34; Frey-Asche 1988, 135-

        140 Abb. 1.

    2. Ferrara, aus Spina, Inv. 1968, Ton rötlich (5YR 6/6) 1. Hälfte des 4.

        Jhs. v. Chr.  Desantis 1987, 29 Nr. 23 Abb. 18 a; Spina 1993, 166 f.

        Abb. 140 a. S. 356 Nr. 905. 

    3.Tarent, Inv. 208348, Barra Bagnasco 1996, 182. 187 Abb. 183, 2 c.

    4. München, Inv. 1101, angeblich aus Vulci/Etrurien, Ton hellbraun-gelblich

        (10YR 7-8/4), Hamdorf  2014, 618 Nr. E 916, „Granatapfel, 3. Jh. v. Chr.“, m.

        E. Quitte; Knauß 2012, 457 f. Abb. 31.16 a.

    5. München, Inv. 1100, angeblich aus Vulci/Etrurien, Ton rötlich-braun (5YR

        7/6), Hamdorf 2014, 617 f.  Nr. E 915 „Granatapfel“, m. E. Quitte, 3. Jh. v.

        Chr. Knauß 2012, 457 f. Abb. 31.16 b.

    6. Foce del Sele hellenistisches Votivdepot, Zanotti-Bianco 1936, 231 f. Abb.

        13, vordere Reihe, vierte von links.

    7. Foce del Sele, hellenistisches Votivdepot, Zanotti-Bianco 1936, 231 f. Abb.

        13, hintere Reihe, erste von links.

    8. Morgantina, „Pomegranate“, m. E. Quitte, Ton lederbraun, 3. Jh. v. Chr., Bell

        1981, 228 Nr. 900 Taf. 135.

    9. Sizilisch, 4./3. Jh. v. Chr. „Granatapfel“, Froning 1989, 177 Nr. 285 Taf. 110.

        Optisch eher Quitte.

    5 Sektoren:

    1. Hannover, Inv. 1937, 240, FO unbekannt, Ton hellrötlich-brau bis hellbraun,

        Liepmann 1975, 58 T 40, 1. Hälfte 5. Jh. v. Chr. „attisch oder böotisch (?)“.

    2. London, Inv. 61.10-24.9, FO Nekropole Kamiros/Rhodos, Ton ockergelb-

        braun,  Higgins 1954, 80 Nr. 198 Taf. 34 „Apfel, frühes 5. Jh. v. Chr.“  Eher

        eine Quitte.

    3. London, Inv. 64.10-7.58, aus derselben Matrize. FO Nekropole

        Kamiros/Rhodos, Ton braun, Higgins 1954, 81 Nr. 199, „Apfel“.

    4. London, Inv. 64.10-7.1931, aus derselben Matrize. FO Nekropole

        Kamiros/Rhodos, Ton braun, Higgins 1954, 81 Nr. 200, „Apfel“.

    5. Mykonos, Inv. 69,Grabfund aus Rheneia, dunkler ockerfarbener Ton,  Délos

        23, 93 Nr. 218 Taf. 21.

    6. Delos, Inv. B 6077, Heraion, Grabfund aus Rheneia, Tonfarbe hell ocker, 

        Délos 23, 88 Nr. 191 Taf. 21.

    7. Rhitsona/ Böotien, Grab 112. 82 , Ure 1934, 72 Taf. 18 „Quitte oder Apfel,

        spätarchaisch“.

    8. Rhitsona/Böotien, Grab 18.264, Ure 1934, 72 Taf. 18 „Quitte oder Apfel,

        spätarchaisch“.

    9.Olynth, Inv. 513, Schicht 9, Ton lederbraun, „Apfel oder Melone, 5. Jh. v.

        Chr.“, Robinson 1931, 61 Nr. 343 Taf. 34.

    10. Olynth, Inv. 514, Schicht 9, aus derselben Matrize wie Nr. 9.

    11. Würzburg, Inv. H 1659, FO unbekannt, Ton gelblich rot (5 YR 5/8) Schmidt

          1994, 46 f. Nr. 43 Taf. 11, Ende 6. Jh. v. Chr.; dies. 1988, 823 Taf. 130, 2. 3.  

    12. und 13. Tarent, Inv. 24588 und Inv. 11922, Schale auf hohem Fuß mit zwei 

          Quitten und einer kürbisartigen Frucht[25], de Iuliis – Loiacono 1985, 389  

          Abb. 479.

    14. Tarent, Inv. 208349, Barra Bagnasco 1996, 182. 187 Abb. 183, 2 b. 

    15. Foce del Sele, hellenistisches Votivdepot, Zanotti-Bianco 1936, 231 f. Abb.  

          13, vordere Reihe, erste von links.

    16. Ebenda, siebente von links.

    17. Ebenda, hintere Reihe, dritte von links.

    18. Paestum, Inv. 2818,Umgebung des Tempels Hera II, Tonfarbe  orangerot,

          Zammarelli 1996, 217. 219 Abb. 145-155 ( große Frucht).

    19. Herakleia, Inv. 205433, aus Lukanien, Loprete 1996, 265 f. Nr. 3.40.35,  

          Fragment „Votivfrucht, Granatapfel“[26], m. E. Quitte.

    20. Kassel, Inv. Alg 78 a, FO Centuripe/Mittelsizilien, Nekropole, Frucht auf

          Sockel. Sektoren durch weitere kurze Längsinzisionen unterteilt, 3./2. Jh. v.

          Chr. Wintermeyer 1981, 148 f. Abb. 72 a.

    21. Kassel, Inv. Alg 78 b, analog,  Abb. 72 b.

    22. München, Inv. 1102, angeblich aus Vulci/Etrurien, Ton hellbraun gräulich

          (10YR8/3), Hamdorf  2014, 618  Nr. E 917, „Granatapfel 3. Jh. v. Chr.“

          m. E. Quitte; Knauß 2012, 457 f. Abb. 31.16 c.

    23. Basel, Inv. Hess 110, aus Vulci/Etrurien, Ton rötlich-braun, Reusser 1988,

          82 Nr. E 115, „Apfel“, m. E. eher Quitte, 5.-4. Jh. v. Chr. (?)

    24. Spina, Desantis 1987, 29 Nr. 25 Ton hellgrau, Taf. 36 Abb. 18 a, „Apfel“,

          m. E. Quitte.

    25.Rom, Villa Giulia, Inv. 11532, 3. Jh. v. Chr. “Granatapfel”, viel eher Quitte,

          keine Angaben zur Tonfarbe, Satricum 1986, 170 f. Abb. 326 a.

    26. Paris, Inv. CA 2343, aus Amisos, Ton ocker-braun, Besques 1971, 81 Nr. D

          482 Taf. 105 e.

    27. Paris, Inv.Nr. CA 2342, aus Amisos, Ton rot-gelblich, dies. a. O. Nr. D 483

          Taf. 105 f.

    28. Berlin, Inv. TC 7653, aus Orvieto, Früchteteller, rechts von der Mitte rundes 

        „Objekt mit fünf Rillen und einem Kreis von Löchern in der Mitte“, rosa

          Farbspuren, 4.-3. Jh. v. Chr., Dittebrand 2006, 134 f. Abb. 56 und Frontispiz.  

    29. Makedonien. Thessaloniki, Palli  2017, 164 Abb. 2 c „Apfel als Rassel, Ende

          5. Jh. v. Chr.“, m. E. eher Quitte.

    30. – 35. Tarquinia, Inv. 1346, Stefani 1984, 69 -71 Nr. 165. 169. 171[27]. 173.

          177 Taf. 41.

    4 Sektoren:

    1. Athen, Inv. KER 13726, Südhügel des Kerameikos, Tonwannengrab eines

        Kindes, Ton hell orange, Glimmer, Vierneisel-Schlörb 1997, 161, Nr. 506

        Taf. 88, „Frucht? Sicher keine Quitte“. Nach Fundkontext um 470 v. Chr.;

    2. Böotien, Vassiliopoulou – Skoumi – Nassioti 2015, 477. 480  Abb. 13 a[28].  

    3. Baltimore, Inv. 38.26, FO Olynth, Haus B vi 7, Raum a, Ton rot, „Fragment

        einer Frucht, 1. Hälfte 4. Jh. v. Chr.“  Robinson 1952, 259 Nr. 355 Taf. 106.

    4. Baltimore, Inv. 34.128, FO Olynth, Grab 364, „Matrize eines Apfels oder

        einer Quitte, 5. Jh. v. Chr.“, Ton rötlich, ebenda 259 f. Nr. 355 A Taf. 108.

    5. Würzburg, Inv. H 4834,FO unbekannt, Ton hell graubraun (10 YR 6/2) bis

        hell rötlich (2,5 YR 6/8) 3.-2. Jh. v. Chr., Schmidt 1994, 114 f. Nr. 169 Taf.

        32 e; dies. 1984, 823-826 Taf. 130, 1.

    6. Kopenhagen, Inv. ABc 1012, FO unbekannt, in Athen erworben, Ton braun,

       „Apfel, wohl spät archaisch“, Rassel. Breitenstein1941,19 Nr. 170 Taf. 17.

    7. London, Inv. 64.10-7.11, aus Kamiros/Rhodos, Fikellura, Grab 172, Ton

        orange, Mitte 5. Jh. v. Chr., Quitte (?) im Körbchen mit anderen Früchten,

        Higgins 1954, 97 Nr. 280 Taf. 48; Muthmann 1982, 80 f. Anm. 280 Abb. 66.

    8. Paestum, Inv. 2547,Umgebung Tempel Hera II, Ton rötlich, Zammarelli

        1996, 217. 219 Abb. 146 bei 7 Uhr.

    9. Bonn, Inv. D 252, aus Unteritalien (?) „apfelähnliche Frucht (Quitte?) 5.-3.

        Jh. v. Chr. Ton glimmerhaltig, beige-orange (7.5YR 7-6/4) Hübinger –

        Menninger 2007, 258 f. Abb. 3.

    10. Morgantina, „Pomegranate“ 3. Jh. v. Chr., lederbraun, m. E. Quitte, Bell

        1981, 228 Nr. 897 Taf. 134.

    11. und 12. Morgantina, Ton lederbraun, Bell 1981, 228 Nr. 901. 902  Taf. 135,

        „Miniatur-Pomegranate“,  m. E. Quitten, 3. Jh. v. Chr.

    13. Herakleia, Inv. 211101, aus Lukanien, Loprete 1996, 272.  275 Nr.

          3.45.23 Fragment „Votivfrucht“, vermutlich Quitte. 

    14.Rom, Villa Giulia, Inv.Nr. 11532, geschlossener Grabkontext 3. Jh. v. Chr.

        “Granatapfel”, Satricum 1986, 170 f. Abb. 326 b.

    15. Berlin, Inv. TC 7653, aus Orvieto, Früchteteller, bei 10 Uhr kugeliges 

         Objekt mit anliegenden Blättchen in der Mitte, von denen vier  

          unterschiedlich lange vertikale Eintiefungen ausgehen, 4.-3. Jh. v. Chr.

          Dittebrand 2006, 134 f. Abb. 56 und Frontispiz.

    16. Ebenda, bei 11 Uhr kugeliges Objekt mit vertikalen Ritzungen.

    17. Kurashiki Ninagawa Museum Nr. 145, aus Süditalien, 4./3. Jh. v. Chr., als

        Rassel gestaltet, „Pomegranate“, Simon 1982, 214 f. Abb. 145, m. E. eher

        Quitte. 

    18.-22. Tarquinia, Inv. 1346, Stefani 1984, 69-71 Nr. 164. 166. 167. 168. 172

        Taf. 41 „Mela“, m. E. Quitten[29].

    23. Rom, Villa Giulia, Inv. 11581, 3. Jh. v. Chr. “Granatapfel”, eher Quitte,

         Satricum1986, 170 f. Abb. 326 b.

        Anscheinend beschränken sich die Funde von Terrakotta-Quitten mit sechs Sektoren auf die Apenninen-Halbinsel, während Exemplare mit fünf oder vier Sektoren sowohl von dort als auch aus den griechischen Kernlanden, von den Inseln und aus Kleinasien stammen.

        Zur Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität Gießen gehört eine von der Verfasserin als Quitte gedeutete rundliche Ton-Frucht unbekannter  Herkunft[30]. Fünf vertikale Inzisionen gliedern sie in annähernd gleichgroße Abschnitte (Abb. 4 und 5).    

                             Abb. 4 und 5: T I-54 Antikensammlung Gießen

                           Aufnahmen: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main

        Das Objekt gehört demnach zu der größten Gruppe von Terrakotta-Quitten. In der Form ähnelt sie Vergleichs-Exemplaren aus Rhodos[31], Böotien[32], Tarent[33] und Etrurien[34]. Von einer engen Parallele in Hannover ist der Fundort ebenfalls nicht bekannt[35]. Die Tonfarben – bei T I-54 ist es ein helles Braun – geben  keinen sicheren topographischen Hinweis. Mäßig tiefe Rillen setzen sich von einem dreieckigen Querschnitt aus in die Wölbung der Sektoren hinein fort. Die Ähnlichkeit mit Früchten aus Gräbern in Rhitsona/Böotien, die an den Anfang des 5. Jhs. v. Chr. datiert sind[36], lässt auch für das Exemplar Gießen T I-54 die gleiche Entstehungszeit vermuten.                

            Timareta hat vor der Hochzeit…den geliebten Ball und das Haarnetz

    … und die korai [Puppen], dir Artemis Limnatis, der Kore [Jungfrau], als kore [Mädchen], wie es Brauch ist, geweiht,

     und dazu die Gewänder der Korai [Puppen].

    Tochter der Leto, halte du die Hand über des Timaretos‘ Kind

    und beschütze  fromm die Fromme.[37]

    Reizvoll spielt das bekannte Epigramm mit dem Wort „Kore“ in seinen verschiedenen Bedeutungen.    

        Die wenigsten Spielbälle sind tatsächlich „golden“. Sie zeigen geometrische Muster[38] oder, wie ein Terrakotta-Exemplar aus Spina, flüchtig gemalte vertikale Linien auf ‚goldfarbenem‘ Grund[39]. Meist wurden die Bälle aus einem ledernen Corpus gefertigt und mit Stoff überzogen[40].

                 Abb. 6: Bälle aus Terrakotta. Süd-Russland. Altes Museum Berlin.

                                                Aufnahme der Verfasserin.

        Auch die von Unterhaltungskünstlern verwendeten Glasbälle waren mit Stoff oder Leder umkleidet. Man färbte sie rot, grün oder „golden“ ein. Die Bälle auf Schultern, Hüfte und Handrücken des Jongleurs (Abb. 7) jedoch bestehen gewiss nicht aus Glas und waren wohl auch nicht golden bemalt. Sie sehen so aus wie das was sie sind: deformierte, platt gedrückte ‚Ton-Batzen‘. 

                              Abb. 7: Terrakottafigur mit beweglichen Beinen.

        Nach Derewitzki – Pavlowski – von Stern (Odessa 1897/98) 30 f. Taf. 14, 1

    Abgekürzt zitierte Literatur und Abbildungsnachweis:

    Andres 2000: M. Andres, Die Antikensammlung. Griechische, Römische, Altorientalische Puppen und Verwandtes (Hanau 2000)

    Barra Bagnasco 1996: M. Barra Bagnasco, La coroplastica votiva, in E. Lippolis (Hrsg.), Arte e artigianato in Magna Grecia, 181 f.

    Baumann 2000: H. Baumann, Pflanzenbilder auf griechischen Münzen (München 2000)

    Bell 1981: M. Bell, Morgantina Studies I. The Terracottas (Princeton 1981)

    Besques 1971/1972: S. Besques, Cat. raisonné des figurines et reliefs en terre-cuite grecs étrusques et romains III (Paris 1971/72)

    Borger 1977: H. Borger, Das Römisch-Germanische Museum Köln (München 1977)

    Breitenstein 1941: N. Breitenstein, Cat. of Terracottas (Copenhagen 1941)

    De Juliis – Loiacono 1985: E. de Juliis – D. Loiacono, Taranto. Il Museo Archeologico (Milano 1985) 389 Abb. 479.

    Desantis 1987: P. Desantis, Statuette votive, in: F. Berti – C. Cornelio Cassai – P. Desantis – S. Sani, La coroplastica di Spina. Immagini di Culto (Ferrara 1987) 28-30 Abb. 17-19. 36

    Dittebrand 2006: J. Dittebrand, Früchteteller fürs Heiligtum, in: M. Kiderlen – V. M. Strocka (Hrsg.) Die Götter beschenken (München 2006) 134 f. Abb. 56

    Döpp 1995: S. Döpp, ΜΗΛΟΝ  ΚΥΔΩΝΙΟΝ (Malum cydonium) – Quitte oder Apfel? Hermes 123, 1995, 341-345

    Dörig 1958: J. Dörig, Von griechischen Puppen, AntK 1, 1958, 41-52

    Fittà 1998: M. Fittà, Spiele und Spielzeug in der Antike (Stuttgart 1998)

    Frey 1974: L. Frey, Terrakotten. Erwerbungen des Museums für Kunst und

    Gewerbe Hamburg 1963-1972, AA 1974, 72-78  Abb. 34.

    Frey-Asche 1988: L. Frey-Asche, ΠΟΛΛΑ  ΜΕΝ  ΚΥΔΩΝΙΑ  ΜΑΛΑ, in: H. Büsing – F. Hiller (Hrsg.), Bathron. Heinrich Drerup zu seinem 80. Geburtstag (Saarbrücken 1988) 135-140

    Frey-Asche 1997: L. Frey-Asche, Tonfiguren aus dem Altertum (Hamburg 1997)

    Froning 1989: H. Froning, Granatapfel, in: E. Simon (Hrsg.), Die Sammlung Kiseleff II (Mainz 1989) 177 Nr. 285 Taf. 110.

    Gehrke 2007: P. Gehke – N. Zimmermann-Elseify, Antike Steinskulpturen und neuzeitliche Nachbildungen in Kassel (Mainz 2007)      Abb. 1

    Graepler 1997: D. Graepler, Tonfiguren im Grab (München 1997)

    Hamdorf  2014: F. W. Hamdorf, Die figürlichen Terrakotten der Staatlichen Antikensammlungen München (Lindenberg im Allgäu 2014)   

    Higgins 1954: R. A. Higgins, Cat. of the Terracottas in the Department of Greek and Roman Antiquities, British Museum I (London 1954)

    Hübinger – Menninger 2007: U. Hübinger – M. Menninger, Terrakotten der Westgriechen im Akademischen Kunstmuseum der Universität Bonn (Rahden/Westf. 2007)

    Kiderlen – Strocka 2006: M. Kiderlen – V. M. Strocka (Hrsg.), Die Götter beschenken. Antike Weihegaben aus der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin (München 2006)

    Knauß 2012: F. S. Knauß (Hrsg.), Die unsterblichen Götter Griechenlands (Lindenberg im Allgäu 2012)

    Lattanzi 1987: E. Lattanzi (Hrsg.), Il Museo Nazionale di Reggio Calabria (Roma 1987)

    Liepmann 1975: U. Liepmann, Griechische Terrakotten, Bronzen, Skulpturen (Hannover 1975)

    Lullies 41979: R. Lullies, Griechische Plastik (München 41979)

    Muller – Laflι 2015: A. Muller – E. Laflι (Hrsg.), Figurines de terre cuite en Méditerranée grecque et romaine 2 (Villeneuve d’Ascq 2015)

    Muthmann 1982: F. Muthmann, Der Granatapfel (Bern 1982)

    Palli 2017: O. Palli, Figurines as Toys, in: Figurines, a microcosmos of clay (Thessaloniki 2017)

    Chr. Reusser, Etruskische Kunst. Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig (Basel 1988)

    Robinson 1952: D. M. Robinson, Excavations at Olynthus 14 (Oxford 1952)

    Satricum 1985: nieuw licht op een oude stad. Italiaanse en Nederlandse opgravingen in Satricum (Groningen 1986)

    Schmidt 1984: E. Schmidt, Eros auf der Quitte, in: Alessandria e il mondo ellenistico-romano. Studi in onore di Achille Adriani 6 (Rom 1984) 823-826 Taf. 130, 1-3

    Schmidt 1994: E. Schmidt, Katalog der antiken Terrakotten. Martin-von-Wagner-Museum der Universität Würzburg. Teil 1. Die figürlichen Terrakotten (Mainz 1994)

    Schneider-Herrmann 1971: G. Schneider-Herrmann, Der Ball bei den Westgriechen, BaBesch 46, 1971, 123-133.

    Simon 1982: E. Simon, The Kurashiki Ninagawa Museum. Greek Etruscan and Roman Antiquities (Mainz 1982)

    Spina. Storia di una Città tra Greci ed Etruschi (Ferrara 1993)

    Thomsen 2011: A. Thomsen, Die Wirkung der Götter (Berlin – Boston 2011)     Abb. 2

    Ure 1934: P. N. Ure, Aryballoi and Figurines from Rhitsona in Boeotia (Cambridge 1934)

    Stefani 1984: G. Stefani, Materiali del Museo Archeologico Nazionale di Tarquinia VII. Terrecotte figurate (Roma 1984)

    Trumpf 1960: J. Trumpf, Kydonische Äpfel, Hermes 88, 1960, 14-22

    Vierneisel-Schlörb 1997: B. Vierneisel-Schlörb, Kerameikos 15. Die figürlichen Terrakotten (München 1997)

    Wamser-Krasznai 2016: W. Wamser-Krasznai, Beschwingte Füße (Budapest 2016) 13-63

    Wamser-Krasznai 2017: Quitte, https://www.uni-giessen.de/fbz/fb04/institute/altertum/klassarch/einrichtungen/antikensammlung/bestaende/terrakotten/quitte

    Wamser-Krasznai 2017: Satyrfigur T I-52, https://www.uni-giessen.de/fbz/fb04/institute/altertum/klassarch/einrichtungen/antikensammlung/bestaende/terrakotten/schwarzmeergebiet

    Wintermeyer 1981: U. Wintermeyer, Ein Grabfund aus Centuripe, in: P. Gercke (Hrsg.), Funde aus der Antike. Sammlung Paul Dierichs (Kassel 1981) 129-149 und dies., Herakles und die Äpfel der Hesperiden, ebenda 140 f.

    Zammarelli 1996: M. Zammarelli, I luoghi di culto nella città lucana, in: I Greci in Occidente. Poseidonia e i Lucani (Neapel 1996) 217. 219.

    U. Zanotti-Bianco, Archaeological Discoveries in Sicily and Magna Grecia, JHS 56, 1936, 228-233.


    [1] Bekanntlich heißt die vollständige Redewendung: „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“.

    [2] Ansprache des Pfarrers Herbert Schott zu 1. Kor. 16, 13, „seid wachsam und männlich… seid mutig und stark!“ Weidig-Bergfest Butzbach 1957, Vereinsmitteilungsblatt  FÜR DICH 1/3  September 1957, 27.

    [3] Ov. met. 10, 560.

    [4] Ov. met. 10, 565.

    [5] Ov. met. 10, 645-651.

    [6] Ov. met. 10, 695-697.

    [7] u. a. Hes. Eöe. Schol.; Verg. Ecl. VI 61; RE 15 (1912) 1245 [Sittig].

    [8] Hes. theog. 211. 215 f.

    [9] Pherekydes FHG I 78, 33 aus Ps.-Eratosth. catast. 60 ff. Schol. Apoll. Rhod. IV 1396. Apollod. II 5, 11, 2.

    [10] s. Atlasgruppe Neapel, R.-P. Märtin, Jenseits des Horizonts (Berlin 2012) 140 Abb. 106.

    [11] Atlas-Metope Olympia, s. z. B. Lullies 41979, 72 Abb. 92.

    [12] Wintermeyer 1981, 140 f. Abb. 66.

    [13] Hes. theog. 225-232. Nach Hesiod tritt Eris außer unter dem bekannt negativen Aspekt noch unter einem positiven auf, dem des Wettbewerbs, Hes. erg. (Werke und Tage) 11 f. Wamser-Krasznai 2016, 48 f. Bild 30.

    [14] Kypria; Motiv des goldnen Apfels hellenist. DNP 73; RE 6,1 (11, 1907) 465 [Waser]; Kypria frg. 4 und 5 A.= 3 und 4 K., RE 11, 2 (22 1922) 2381 [Rzach].

    [15] Hom. Od. 7, 115. 11, 589. 24, 340,  Döpp 1995, 341-345; Theophr. hist. plant. 2, 2,5. 4, 8, 11, Trumpf 1960, 16 mit Anm. 1; Frey-Asche 1997, 64-66. 

    [16] κόκκος, z. B. Hom. h. an Demeter 372.

    [17] „Color ad aurum inclinatus“,  Plin. n. 15, 37 f.

    [18] z. B. Apfel: Higgins 1954, 80 f. Nr. 198-200 Taf. 34; Quitte oder Apfel: Ure 1934, 72 Taf. 18; Granatapfel: Baumann 2000, 33 Abb. 57, dagegen Quitte: ebenda 51 Abb. 118; Granatapfel:  Bell 1981,  228 Nr. 897-902  Taf. 134 f.; Apfel:  Reusser 1988, 82  Nr. E 115.

    [19] Vgl. S. Bianco – M. Tagliente, Il Museo Nazionale della Siritide di Policoro (Bari 1993) 135 Abb. 2 a. b.

    Clara Rhodos 4, 1931, 120 Abb. 110, 2; Muthmann 1982, 59 Abb. 44. 45, S. 62 Abb. 48; Die griechische Klassik. Idee oder Wirklichkeit (Berlin 2002) 454 f. Kat. 301 d.

    [20] Trumpf 1960, 16.19; Frey-Asche 1988, 135-140 Abb. 1. 2. 

    [21] Muthmann 1982, 80 f. Abb. 69. 71, sowie S. 100 Abb. 85; E. Pfuhl – H. Möbius, Die ostgriechischen Grabreliefs (Mainz 1977) 78 Nr. 103 Taf. 24; Baumann a. O. 32 f. 50 f; Schneider-Herrmann 1971, 123-133.

    [22] In Attika und Böotien, Olynth, auf den ägäischen Inseln, an der kleinasiatischen Schwarzmeerküste und vor allem auf der Apenninen-Halbinsel, Frey-Asche 1997,  65.

    [23] Olynth XIV, 259 Taf. 106, Haus B.

    [24]Auch: Fächer, Scheiben, Teile, Pässe genannt. Für die Eiziehungen: Rillen: Zäsuren, Kerben, Eintiefungen, Frey-Asche 1988, 135.

    [25] Anders Frey-Asche 1997, 65: ein Kürbis könne kaum gemeint sein, Kürbisse und Gurken hätten „die Griechen erst ziemlich spät kennengelernt“. (?)

    [26] T. C. Loprete, in: I Greci in Occidente. Greci, Enotri e Lucani  nella Basilicata meridionale (Neapel 1996) 265 f.  s. auch 272. 275.

    [27] Dazu Frey-Asche 1997, 64 „die anderen dort eher Äpfel“.

    [28] Muller – Laflι 2015, 473-480.

    [29] Anders Frey-Asche 1997, 64 f.: „die anderen …eher Äpfel“.

    [30] Wamser-Krasznai 2017, uni-giessen/Terrakotten/Quitte.

    [31] Higgins a. O. 80 f. Nr. 198-200 Taf. 34.

    [32] Ure a. O. 72 Nr. 18.264 Taf. 17.

    [33] De Juliis – Loiacono a. O. 389 Abb. 479

    [34] Reusser a. O. 82 Nr. E 115; Hamdorf a. O. 617 f., Nr. E 915. E 917.

    [35] Liepmann 1975, 58 Nr. T 40.

    [36] Ure a. O. 68. 72  Nr. 112.82 und 18.264 Taf. 18; zur zeitlichen Einordnung Frey-Asche 1988, 135 f.

    [37] Anthol. Palat. grec. 6, 280; Andres 2000, 9; Dörig 1958, 42; Graepler 1997, 216. Wie eine Illustration dazu wirkt die bronzene Spiegelstütze in Form eines Mädchens mit einem Ball in der linken Hand, während die Rechte nach einer Haarsträhne greift, Lattanzi 1987, 60 Abb. b. 

    [38] Mit kreuzförmigen Ritzlinien markiert und als Kinderrasseln konzipiert: Borger 1977, 91 Abb. 1; Fittà 1998, 99. 104 Abb. 174; Schneider-Herrmann 1971, 123-133, Abb. 2. 4. 5. 7.

    [39] Spina 1993, 166 f. Abb. 140 b.

    [40] Andres 2000, 195 Kat. Nr. 121.