Schlagwort: Familie

  • IMPRESSION

    Als grüne Katze tanze ich durch meine Wohnung, eine rosafarbene Knospe hinter dem Ohr und wo ich bin, wächst eine schützende Rosen-Dornenhecke. Ich schlafe nicht, deshalb spüre ich die Toten, die bis zur Hecke kommen. Als ich fragte, was Sinnvolles aus meinem Schmerz erwachsen könne höre ich: denke an unsere Schmerzen… und ich sehe Kinder aus dem Jemen, dem Land der Königin von Saba. Ich möchte ihnen ein Schlaflied singen, damit sie endlich in den letzten Schlaf hinübergleiten. Wir brauchen einen neuen Gral, um die Tränen der Kinder zu sammeln, deren Lebensfäden gewaltsam durchschnitten wurden, damit sie im Quell der Tränen neu geboren werden können und nicht raus fallen aus der menschlichen Entwicklung.

     

     

     

  • Weil die Schönheit der Rose überwältigend ist
    Ihre Form
    Ihre Farbe
    Ihr Duft

    Auch das leise lautlose Lied
    beim Entfalten der Knospe…

    Die überwältigende Schönheit und all das
    was sie weckt in dir…
    So muss es im Paradies gewesen sein

    Vergiss nicht
    die Rose ist wie das göttliche Kind
    in jedem Menschen
    Die Rose…

    Versuch zu werden wie sie
    Sie ist dein Spiegelbild in Zukunft

    26.10.18

    Heute wäre der 99. Geburtstag meiner Mutter

  • Botschaften

    (30.11.2018)

     

    Für Verena Tobler

     

    Manchen Menschen bin ich noch nicht
    persönlich begegnet, und doch
    beleben mich ihre Botschaften
     wie die morgendlichen Sonnenstrahlen
    So mache ich mein Herzens Fenster
    willentlich weit auf
    damit ihre Düfte betörend einströmen
    Träumen wir von blühenden Landschaften
    als Entwicklungsraum der Kinder
    sind wir auf ein erleuchtetes Zusammenspiel
    aller Lebewesen angewiesen

    ֎֎֎

  • Für alle Fälle

    (30.11.2018)

     

    Sollte ich eines Tages
    nicht mehr wissen
    ob es die, der oder das Blume heißt
    oder was zwei plus vier ergibt
    so erzähle mir von der Farbentracht
    unserer Erlebnisse auf Wanderwegen
    vom befreienden Lachen
     unserer Kinder und Enkelkinder
    von den gemeinsam genossenen Sonnenuntergängen
    und sing mir ein altes Lied vor
    Gewiss werden dann manche Vernetzungen
    in meinem Gehirn beschwingt glänzen

    ֎֎֎

  • Spaziergang

    (30.9.2018)

     

    Klarer Himmel
    Kräftiges Hellblau
    Hieroglyphische Zeichen im Horizont
    eine Weile später als Zugvögel enträtselt
    bilden bewegte, bezaubernde Skizzen
    Ein paar Zeilen tiefer
    entfacht das Gedicht der frühherbstlichen Sonne
    rot-goldene Feuer auf Laubkronen
    Dein aufrichtiges Lächeln
    durchströmt mich wie helle Strahlen
    verkündet Geborgenheit und Lebensfreude

    ֎֎֎

  • Fünfundsiebzig  und nicht weise,
    wohin führt die weit´re Reise.
    Vorbestimmt und schicksalshaft,
    oder doch durch eigne Kraft.

    Die Wahrheit ist wie immer schlicht,
    einfach ist das Leben nicht.
    Und Goethe hat schon festgestellt,
    verwirrtes Handeln waltet über uns´re Welt.

    Das soll uns aber nicht verdrießen,
    wir wollen leben, voll genießen.
    Nun fahren wir die Ernte in die Scheuer ein!
    Zusammen lasst uns fröhlich sein.

     

     

  • Einladung

    (29.9.2018)

     

    Enkelkinder im Sinne
    Sterne im Blick
    das Herz voller Sehnsucht zu gestalten
    dichte und kämpfe ich
    dem Fest des Lichtes entgegen
    Wer möchte mitkommen?

  • Fragiler Frieden

    (23.9.2018)

     

    Seit meiner Kindheit höre ich
    die tragische, beschwichtigende Aussage
    der Unwissende lebe leichter
    Mit ihr habe ich mich nicht angefreundet
    wohl wissend
    dass eine derartige, kurzweilige Leichtigkeit
    Vergehen und Verbrechen
    in sich tragen kann
    Ich habe längst eingesehen
    dass der harte Stein bricht
    und das schmiegsame Wasser verdampft
    wenn gewisse Grenzen überschritten werden
    Daher führe ich heute erneut
    Friedensverhandlungen mit meiner Trauer

    ֎֎֎

  • Sehnsucht zu fliegen

    (22.9.2018)

    Inspiriert durch die iranische Dichterin Jaleh Esfahanai (1921-2007) entstand der folgende Text.

     

    Die große Sehnsucht zu fliegen
    wallt auf  in den Zugvögeln
    in meiner Brust
    und in den herbstlichen Blättern
    diesen zierlichen bunten Booten
    nach der Melodie des Windes tanzend
    auf gelb-grünen Wellen der Wiesen

    ֎֎֎

  • Tischlein deck dich! – Andere Sitten.

     

    August 2018: Ein eigenartiges Erlebnis mit zwei älteren Herren/Männern in Budapest. Der eine, nennen wir ihn Ádám, versteht und spricht nur wenig deutsch. Er war einst als Motorboot-Europameister unter anderem auf dem Masch-See unterwegs, zu einer Zeit als mein späterer Ehemann ebenfalls Hannover unsicher machte. Der andere, den wir Dezső nennen wollen, hatte 35 Jahre in Norddeutschland gelebt, nach einander mit drei deutschen (Ehe-) Frauen, beruflich erfolgreich. Noch heute verbringt er die Hälfte jeden Jahres in Deutschland. Zwischen Bremen und Budapest pendelt er mit dem Zug hin und her, erster Klasse.

    Es war ausgemacht, dass ich in Budapest endlich einmal kosher essen sollte. Davon war seit zehn Jahren die Rede, ohne dass es bisher geklappt hatte. Die beiden alten Buben hatten sich angeboten, mich zu begleiten. Sie waren nett und höflich; nur packte Ádám mich beim Reden ständig am Arm, eine mediterrane Gewohnheit, die mein preußisches Gemüt wallen lässt, sodass ich schließlich meine Aktentasche als Barriere zwischen uns stellte. In der kosheren Gaststätte, sehr gepflegt und fast leer, waltete ein levantinischer Kellner, der mir gegenüber die erwartete Distanz an den Tag legte, vor allem weil Dezső, den ich eigens gebeten hatte, ungarisch mit mir zu sprechen, hartnäckig bei der deutschen Sprache blieb.

    Jetzt kommt endlich so etwas wie eine Pointe: Àdám bestellt lediglich ein Bier, aber  nichts zu essen. Er hatte schon zu Hause gegessen! Seine Frau lasse ihn nicht ohne Mittagessen auf die Straße. Ich versuche zu verstehen, was mir halbwegs gelingt als ich höre, dass seine Frau eine begnadete Sólet (Scholet)- Köchin ist. Mit meinem Essen, Lekváros csirke, einem in Pflaumenmus und Honig geschmorten Geflügel, bin ich sehr zufrieden. Es naht die Rechnung. Inzwischen ist mir schon klar, dass ich den Löwenanteil selbst werde bestreiten müssen, einschließlich des einsamen Bieres. Ein wenig peinlich scheint das dem guten Dezsőke im Nachhinein doch gewesen zu sein, denn er lädt uns anschließend noch zu einem Kaffee ein, in eine Rom-Kocsma, eine „Ruinen-Kneipe“, wie sie heute von unternehmungslustigen Bio-Anhängern betrieben werden, auf Grundstücken mit den Ruinen 100 Jahre alter Bauwerke. So hoffen die jungen Leute das stilvolle Ambiente zu retten. Diese Etablissements sind meist von schönen Höfen, Gärten und alten Bäumen umgeben. Man sitzt dort sehr angenehm. Ich fühle mich an eine ebenso gemütliche, längst aufgelassene Wirtschaft in der Straße neben der Wohnung meiner Schwiegereltern erinnert. Dieses Grundstück ist jetzt Personal-Parkplatz für das benachbarte Kinderkrankenhaus. Einige der hohen alten Bäume stehen noch.

    Nun – die beiden Herren zeigen mir anschließend noch manches Interessante in diesem Viertel, in dem wenigstens die glatt-kosheren Lokale geschlossen sind  wie es sich gehört – es ist nämlich Samstag, Schabbes. Als wir um die Ecke biegen, stehe ich plötzlich vor dem wohlbekannten Rókus-Kórház und der Semmelweis-Statue an der Rákóczi-út. Jetzt bin ich wieder orientiert.

    Bleibender Eindruck von dieser Mittagsstunde: Man kann jemanden zum Essen treffen, ohne selbst mit zu essen. Kurios.

    Etliche Jahre früher: Wir besuchen ein Arztehepaar – Freunde, die viel gereist und häufig „draußen“ sind, auch bei uns. Das Abendessen brutzelt auf dem  Herd. Die Möbel des angrenzenden sogenannten Wohnzimmers sind unter Schonbezügen verborgen. Wir trinken etwas. Mein Mann hält sich wie immer streng an die in Ungarn von jeher geltende Null-Promille-Regel für Autofahrer. Unsere Gastgeber legen uns reichlich vor, essen selbst aber nichts. Sie haben bereits gegessen, sagen sie. Das wiederholt sich bei späteren Gelegenheiten. Beide sind wohlbeleibt, irgendwann werden sie wohl essen. „Draußen“, bei uns, ist mir nichts aufgefallen. Ich erkenne: Man kann Gäste zum Abendessen einladen ohne mit ihnen zu essen.

    Weitere Jahre zurück, unsere Altvorderen konnten noch dabei sein, folgen wir der Einladung eines vor 20 Jahren aus Ungarn nach Paris ausgewanderten Paares. Auf dem Montmartre steigen wir mühsam in einen fünften Stock, mein armer Vater schafft es kaum. Dann werden wir üppig bewirtet. Aber die Hausfrau isst nicht mit uns, ja sie hat nicht einmal für sich selbst gedeckt, springt nur herum, trägt auf und ab, lächelt, nötigt und sorgt für eine ungemütliche Atmosphäre. Kurios.

    Ganz so merkwürdig ging es bei der Patentante meines Mannes nicht zu. Sie sprach nicht nur ausgezeichnet deutsch und russisch, sondern war überhaupt eine kluge, gebildete Frau mit ihren ganz eigenen Kategorien. Es gab deren zwei: A wie ardinär und B wie brima! In der Nachkriegszeit hatte Tante Ágnes auf Grund ihrer Sprachkenntnisse mehr zum Lebensunterhalt der Familie beigetragen als ihr Mann. Immerhin liegt ein Gedeck für sie bereit, auch wenn sie sich nicht hinsetzt, damit sie sich besser um das „Wohl“ der lieben Gäste kümmern kann.

    Auch dies kommt mir, einer biederen Europäerin aus dem mittleren Westen, kurios vor. Ich bin nur froh, dass meine Schwiegermutter bei ihren Einladungen zwar alles überblickte und im Griff hatte, im Übrigen aber verstand, Gast bei sich selbst zu sein.

    Das ist lange her. Heute sprechen und hören die jungen Leute in Ungarn ebenso Amerikanisch wie unsere, sind ebenso arbeitslos, tragen die gleichen zerrissenen Jeans, lassen sich tätowieren und piercen, starren und lauschen in den unphysiologischsten Haltungen ohne Unterlass auf das, was ihnen ihre Smartphones vermitteln und werfen, wenn man Glück hat, kurz ein Hallo hin, ein Hey, Hi, oder auch „Szía“ – mit ähnlicher Bedeutung, vielleicht ist es eine verstümmelte Form von „Grüß dich“!

    Andere Sitten? Nein, Globalisierung!