Schlagwort: Lebenskonflikt

  • Unvermeidlichkeiten der Zeit

     

    Ein Gedicht von Mohammad Reza Shafi’i Kadkani
    Übersetzung aus dem Persischen von Afsane Bahar

    ۞۞۞

     

    Manchmal ist er ein Ketzer,
    manchmal ein Gotteslästerer,
    manchmal ein Atheist.
    Manchmal ist er ein Feind des Volkes,
    manchmal ein Unruhestifter.
    Die Qual der Einsamkeit muss der Mensch kosten,
    der seiner Zeit voraus ist

    ۞۞۞

     

     

  • Vermisst

    Ein Gedicht von Mohammad Reza Shafi’i Kadkani  aus dem Jahr 2010
    Übersetzung aus dem Persischen von Afsane Bahar۞۞۞

     

    Ein Kind namens Fröhlichkeit
    wird seit geraumer Zeit vermisst,
    mit hellen leuchtenden Augen,
    mit langen Haaren, der Größe der Sehnsucht entsprechend.
    Wenn jemand von ihr ein Zeichen hat,
    soll er uns benachrichtigen,
    und das ist unsere Anschrift:
    auf der einen Seite der Persische Golf
    auf der anderen Seite das Kaspische Meer

    ۞۞۞

     

     

  • Wenn du Mann genug bist

     

    Ein Gedicht von Mohammad Reza Shafi’i Kadkani  aus dem Jahr 1995

    Übersetzung aus dem Persischen von Afsane Bahar

    ۞۞۞

     

    Komm mein Freund hierher, verweile in der Heimat,
    hab Teil an meinem Leid und an meinen Freuden.
    Die Frauen kämpfen hier wie wilde Löwinnen.
    Sei hier, wenn du Mann genug bist, und sei eine Frau!

    ۞۞۞

     

     

  • Zitternde Macht

    (4.3.2017) 

    Rainer Mausfeld gewidmet

     

    Dich werde ich
    entschieden entwurzeln
    Deine Vergangenheit
    vielschichtig vernichten
    Deines Gehirns Schaltkreise
    gewaltig umgestalten
    Ohne Verbindung zu deinen Vorfahren
    ähnelst du einem wehrlosen Wesen
    So werde ich meine Macht
    Tag für Tag neu beschreiben
    Und doch wird meine Angst
    vor dir
    zum Denken befähigt
    nicht völlig berechenbar
    quälend fortbestehen.

     

  •  

     

    SOFTNESS ( Dr. André Simon )                                                               

    Speaking on paradoxes Master Xi asked: “Does gentleness and softness have power?”

    “No, softness is weakness“: answered the pupil.

    Sage explained: “Gentleness is not a weakness, but a power and a force that can be used to bring about positive changes. With gentleness and a smooth temper one can achieve spiritual victory. Being hard or violent is the way to defeat.

    One can lose teeth, never the soft gums. A single large tree can grow on a mountain, between two delicate flowering shrubs. The tempest may bring all or part of a large tree down, but the shrubs bow and remain…

    In life one needs to bend like a bamboo, without becoming bent or broken, through flexible  resistance to a situation. Through nonresistance, the wind passes and one returns upright.

    Aggressive people may attack us, but with our kind behavior they are conquered. Softness of great power touches the hearts and minds of all wounded beings. One does not need to be violent or hard towards others, but gently nudge them in the right direction, towards gentle love. There will be an opportunity to express gentle love, which will open new doors for you.

    All you need to do is to allow some time and space and provide the power of softness.

    Like a flower that won’t blossom by force, but flourishes only in its own time.

    Dr. med. André Simon  ©  Copyright     

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Sanftmut 

    Als Meister Xi über Weichheit sprach, fragte er: „Haben Sanftmut und Weichheit Kraft?“

    „Nein, Sanftmut ist Schwachheit!“, antwortete der Schüler.

    Der Weise erklärte: „Sanftmut ist keine Schwäche, sondern eine Kraft und Macht, die genützt werden kann, um positive Veränderungen zu vollbringen. Mit Sanftmut und sanftem Temperament kann man spirituellen Sieg erreichen. Hart und gewalttätig zu sein, ist der Weg zur Niederlage.

    Man kann Zähne  verlieren, aber nicht das weiche Zahnfleisch. Ein einzelner großer Baum kann auf einem Berg wachsen zwischen zwei zarten blühenden Büschen. Der Sturm mag den ganzen Baum oder Teile davon niederreißen, aber die Büsche beugen sich und bleiben stehen.

    Im Leben muss man sich wie ein Bambusstab biegen ohne verbogen oder gebrochen zu werden, indem man sich geschmeidig an eine Situation anpasst. Indem man sich nicht widersetzt, weht der Wind vorbei, und man kann sich wieder aufrecht stellen.

    Aggressive Leute können uns angreifen, aber mit unserem freundlichen Verhalten werden sie erobert. Weichheit mit großer Macht berührt das Herz und den Geist von allen verwundeten Lebewesen. Man muss nicht gewalttätig oder hart gegenüber anderen sein, sondern sie nur sanft in die richtige Richtung schubsen zur sanften Liebe hin. Es wird eine Gelegenheit geben, diese sanfte Liebe zum Ausdruck zu bringen, und das wird dir neue Türen öffnen.

    Alles, was du machen musst, ist, einige Zeit und Raum zuzulassen und die Macht der Weichheit zur Verfügung zu stellen.

    Wie eine Blume, die nicht durch Zwang blüht, sondern nur in ihrem eigenen Zeitmaß gedeiht.

     

     

     

     

  • Rahaavi *

     

    Ein Gedicht von Mohammad Reza Shafi‘i Kadkani (April 1993)

    Übersetzung aus dem Persischen von Afsane Bahar

    ۞۞۞

     

    Die bescheidenste Äußerung eines Wunsches ist,
    dass dem Menschen Wasser und Brot zustehe
    und dann Gesang.
    Betrachte die Kanarienvögel,
    im Käfig,
    um wahrhaft zu begreifen,
    warum sie trotz ihrer Enge
    so fröhlich sind**.

    Das bescheidenste Bild eines Daseins ist:
    Wasser,
    Brot,
    Gesang,
    und wenn du mehr wünschst als das,
    ab und an
    Fliegen,
    und wenn du mehr wünschst als das,
    die Freude des Anfangens,
    (und wenn du
    noch mehr wünschst …
    soll ich offen sprechen?)

    Uns ist wegen Wasser und Brot
    hier eine solche Enge entstanden,
    dass niemand an Singen denken wird.
    Gibt es aber keinen Gesang,
    so wird es keine Sehnsucht geben zu fliegen.

    ۞۞۞

    Bemerkungen:

    (*) ‚Rahaavi‘ ist ein Modus der iranischen Musik.

    (**) Wörtliche Übersetzung: Warum es dennoch in ihrer Enge besonders süße Freuden gibt.

     

  • Spiegel

    Eine iranische Weisheit

    (18.10.2009)

     

    Wenn dir der Spiegel
    dein wahres Gesicht zeigt
    zerbrich nicht den Spiegel
    ändere dich selbst

     

  • Frühlingsbrise

    (März 2010)

    Inspiriert durch Omar Khayyam (1048-1131) entstand der folgende Text.

     

    Liebkosen soll die Frühlingsbrise
    das zarte, liebliche Blumengesicht.
    Die grüne Zärtlichkeit der Wiese
    ergänze eine Schönheit, wie im Gedicht.
    Sprich nicht über das Gestrige,
    lass das Vergangene vergangen sein.
    Sei froh und genieße das Heutige,
    der Zauber kann bald verflogen sein.

    ۞۞۞

     

  •  

    Verse von Molawi (Dschalāl ad-Dīn Mohammad Balchi) (1207-1273)

    Sinngemäße Übersetzung aus dem Persischen von Afsane Bahar

    ۞۞۞

     

    Lege zwei Fingerspitzen auf beide Augen.
    Sei  gerecht, kannst du irgendetwas von der Welt sehen?
    Wenn du Nichts siehst,
    ist die Welt deshalb nicht verschwunden.
    Der Fehler liegt nur
    an deinen Unheil bringenden Fingerspitzen.

    ۞۞۞

     

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    Ein Gedicht von Siavash Kasraii  (1927-1996)
    Freie Übersetzung aus dem Persischen von Afsane Bahar

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    An wem liegt es,
    wenn  keine Antwort aufkommt.
    Habe ich etwas versäumt,
    als ich die Botschaft aussprach,
    rein und anziehend,
    von dem harten Unternehmen sprechend,
    auf das glückliche Ergebnis hinweisend.
    Oder liegt es vielleicht an denen,
    die verzaubert und verliebt in den Boten
    das Antworten der Botschaft vergessen haben.

    ۞۞۞