Monat: Juli 2013

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    Unsere Seniorengruppe „Hirnjogging“ lässt ihre Mitglieder auch immer mal von Ausflügen oder Urlauben berichten, die sie gemacht haben.

    Wir treffen uns an jedem Donnertag. Die Leitung hat Frau Ziegenbein übernommen, die, wie ich finde, auch noch so aussieht wie sie heißt.

    Heute berichtete Frau Ziegenbein selbst von einem Ausflug am 1. Advent zum Weihnachtsmarkt nach Annaberg-Buchholz. Das liegt gleich hinter Chemnitz im Erzgebirge, wo vor ein paar hundert Jahren Silber gefördert wurde.

    Frau Ziegenbein besuchte auch die Kirche Sankt Annen und war von den dortigen Reliefs „Lebensalter“ ganz begeistert.

    Auf der einen Seite in der Kirche sind zehn Frauen abgebildet, die erste zehn  Jahre alt, die letzte 100 Jahre alt. Die Veränderung wurde alle zehn Jahre festgehalten. Und zu jedem Bild und Alter wurde noch ein Tier abgebildet.

    Auf der anderen Seite in der Kirche ist das ebenso mit den Männern gemacht.

    „Was meinen Sie denn: Welches Tier würden Sie aussuchen für einen Mann von sechzig Jahren?“

    Die Männer der Gruppe empörten sich. Zuerst sollten die Frauenbilder besprochen werden.

    Frau Ziegenbein und die Frauen hatten nichts dagegen.

    „Mit Sechzig“, sagte Richard Beerenbeißer zögerlich, „ja, eine Taube ist, glaube ich, nicht richtig. Die Zeit ist wohl vorbei.“

    „Na“, sagte Wilhelm Dörsingmann, „da kommt es mit einer Glucke schon eher hin.“

    „Oder mit einer Eule“, grinste Friedrich Schlaftrinker.

    „Dann kannst du auch gleich eine Fledermaus nehmen“, meinte Paul Trostbeutel.

    „Vielleicht ist eine Elster das Richtige“, vermutete Heinz Tiefschneider, „von wegen Schmuck und so.“

    Emil Heißbaum dachte an Singvögel: „Ich bin für eine Krähe oder Amsel.“

    Doktor Pötter hatte lange überlegt: „Eine Gans könnte zutreffen.“

    Die Frauen waren mit den ganzen Vögeln nicht so richtig einverstanden.

    Doktor Pötter wiederholte: „Das kann nur eine Gans sein. Mit den Nachtigallen ist es doch wohl schon lange vorbei.“

    Frau Ziegenbein: „Und warum gerade eine Gans?“

    „Naja,“ meinte Doktor Pötter, „eine Gans ist doch ein schönes Tier. Sie ist niedlicher als Gössel und gibt einen guten Braten zu Weihnachten ab. Sie schnattert gerne mit anderen Gänsen, ist aber auch bissig, kennt die Gefahren und schlägt Alarm. Die ältere Frau wärmt mit ihrer Erfahrung die Kinder und Kindeskinder wie die Gans mit ihren Federn, die uns jede Nacht zudecken.“

    „Ja, das klingt gut“, sagte Paul. „Als Braten, hat meine Großmutter gesagt, ist die Gans ein närrischer Vogel: Für eine Person ist das zuviel, für zwei zu wenig.“

    „Mit den Federn und dem Bett hast du recht“, überlegte Emil. Vor den Gänsen muss man den Hut ziehen. Sie haben schon mehr Menschen kuriert als alle Doktoren zusammen.“

    „Und sie haben Plattfüße wie die Menschen“, machte sich Heinz bemerkbar.

    „Sehr schöne Gedanken“, lobte Frau Ziegenbein. „Eine Gans ist auch richtig. Na, wer sollte das wohl nicht heraus bekommen, wenn nicht unser Nervendoktor Pötter.“

    „Was fällt Ihnen denn sonst noch ein, wenn sie Gänse und Menschen in Verbindung bringen?“

    Nun riefen alle durcheinander.

    „Wenn einer auf der Geige übt, heißt es: Die Wildgänse schreien.“

    „Besser als gar nichts, sagte der Fuchs, und lag am Gänsestall.“

    „Gänsewein ist der beste Wein.“

    „Zwei Weiber und eine Gans machen zusammen schon einen Jahrmarkt aus.“

    „Das ist eine schlechte Gans, die nicht zum Ganter geht.“

    „Nun ist es genug“, sagte Frau Ziegenbein. „Oder hat noch einer einen ganz wichtigen Beitrag? Ja, Sie Herr Dörsingmann?“

    „Ich habe noch ein Rätsel für Kinder: Auf welcher Seite hat die Gans die meisten Federn? Antwort: Auf der Außenseite.“

    „Hm“, machte Frau Ziegenbein. Wir kommen nun zu den Männern mit sechzig. Welches Tier passt wohl dazu?“

    „Ja“, fing Erna Leisefeder an, da fällt mir ein Esel ein.“

    „Es kann auch ein Ochse sein“, meinte Gertrud Weinschäfer.

    „Oder ein Bock“, überlegte Marie Steinschlaf. „Aber mit sechzig? Das ist wohl schon zu alt, jedenfalls für einen guten Bock.“

    Emma Sauerfeldt konnte sich mit einem Fuchs anfreunden. Der ist klug, vorsichtig, aber auch hinterlistig und verschlagen. Er kann seine Kräfte richtig einteilen. „Also ein Fuchs.“

    Ida Wurzelnass war abwägend. „Ein Fuchs ist nicht schlecht. Aber noch mit sechzig? Ich glaube, ein Wolf passt besser. In diesem Alter hat er es zu etwas gebracht. Und das verteidigt er mit Mut, Kraft und Klugheit. Er ist auch zu Geld gekommen, wenn die Inflation ihm das nicht wieder nimmt. Es stellt sich natürlich auch die Frage, ob er abgeben kann von dem, was er besitzt. Er ist nicht mehr so bissig wie vor zwanzig Jahren, aber noch nicht so angepasst wie ein Hund.“

    Frau Ziegenbein: „Ja, Wolf ist richtig. Was fällt Ihnen dazu noch so ein?“

    „Wenn Neumond ist, hat der Wolf den Mond aufgefressen.“

    „Wo der Wolf liegt, dort beißt er nicht.“

    „Auch, wenn du die Schafe gezählt hast, beißt der Wolf sie trotzdem.“

    „Wer sich zum Schaf macht, den frisst der Wolf.“

    „Die alten Propheten sind tot. Und die neuen frisst der Wolf.“

    „Beim Ringwechsel soll der Mann still zu sich sagen: Ich der Wolf, du das Schaf. Dann führt er das Regiment.“

    „Wenn man sich einen Wolf gelaufen hat, soll man sich an der Stelle einen Salzhering durchziehen.“

    Das war nun der Punkt, wo Frau Ziegenbein sich wieder einklinkte.

    „Da haben wir doch allerhand Gedanken zusammen bekommen. Und das waren erst die Tiere für die Sechzigjährigen. Wir könnten uns also, wenn wir wollten und die Zeit dazu hätten, glatt zehn Stunden mit dem Thema befassen.“

    Ida fragte: „Welches Tier ist denn da in der Kirche für die Siebzigjährigen vorgesehen?“

    „Ja, meine Damen“, sagte Frau Ziegenbein und holte tief Luft, „das ist für die Frauen ein Geier.“

    Die Männer riefen im Chor: „Und für uns?“

    „Für Sie ist das ein Hund.“

    „Und für achtzig?

    „Eule und Katze“.

    „Und für neunzig?“

    „Fledermaus und Esel.“

    „Und für hundert?“

    „Da gibt es keinen Unterschied mehr: Sensenmann für Frau und Mann. Bei hundert sind wir am Ende angelangt.“

    Doktor Pötter murmelte: „Oder am Anfang.“

     

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    1.

    Wohin man sich auch wendet, man trifft immer wieder auf Lehrer. Es gibt kein Entrinnen.

    Meine ersten Lehrer waren Frau Barth und Herr Möller in einem kleinen Dorf nahe einer kleinen Kreisstadt. Wir schrieben das Jahr 1947. Sie unterrichteten die erste und zweite Klasse in einem Raum, insgesamt wohl etwa 60 Schüler. Wenn sie der ersten Klasse etwas beibrachten, beschäftigten sie die zweite Klasse zum Beispiel mit Schreiben. Und umgekehrt. Die guten Schüler der ersten Klasse beherrschten dann am Ende des Schuljahres auch den Lehrstoff der zweiten Klasse. Und die guten Schüler der zweiten Klasse langweilten sich, weil sie ja schon alles wussten.

    Frau Barth war alleinstehend. War ihr Mann im Krieg geblieben? Ab und zu kaufte sie bei meiner Großmutter Eier. Solche Beziehungen, sagte meine Mutter, würden mir nur nutzen können.

    Herr Möller hatte im Krieg ein Bein verloren. Nun hatte er ein Holzbein als Ersatz, womit er humpelte. Er hat uns das Holzbein nie gezeigt. Dabei waren wir doch neugierig, wie so etwas funktioniert.

     

    2.

    Frau Barth war eine kluge Frau. Als sie einmal zum Eierholen kam, fragte sie mich, ob ich denn wüsste, was mein Name, Rogge, eigentlich bedeutet. Na ich konnte es mir denken:

    „Das kommt von Roggen, dem Korn, das bei uns wächst”.

    „Ja”, erklärte sie mir, “da hast du recht. Weißt du denn auch, dass man die ersten Roggenehren, die man im Sommer sieht, durch den Mund ziehen soll? Das hilft gegen Fieber.”

    Ich wusste das nicht, aber ich fragte: “Haben Sie schon einmal den Roggenfuchs und den Roggenwolf gesehen?”

    Frau Barth verneinte.

    “Der Roggenfuchs sitzt in der letzten Garbe und der Roggenwolf ist das Tier, das man in den Wellen des wogenden Korns sehen kann.”

    “Woher weißt du das denn”.

    “Von meiner Oma. Sie hat es mir bei der letzten Roggenernte erzählt”.

    “Ein kluger Junge”, sagte Frau Barth zu meiner Mutter.

    “Ja”, antwortete diese.

    Und ich musste an den ersten Schultag denken, als meine Mutter gesagt hatte: “Wie komme ich nur zu diesem Kind!”

    Wir sollten auf der Schiefertafel Kreise zeichnen, was mir nicht so gelang, wie ich einen Kreis kannte, nämlich rund.

     

    3.

    In späteren Jahren habe ich nachgelesen, dass man Hexen dann erkennen kann, wenn man drei heile Roggenkörner in einem Brot findet. Das ist mir nie gelungen.

    Und dass man eine Warze mit drei Roggenähren bestreichen soll, habe ich auch nicht gewusst. Diese hängt man dann in den Schornstein. Dann würde die Warze weggehen. Dieses Verfahren praktizierte ich mit Erfolg.

    Und meine Oma legte drei Roggenähren unter das Butterfass. Das half gegen Verhexung.

    Unsere Butter schmeckte immer besonders gut.

    Und meine Tante Marie erzählte, dass eine junge Frau eine doppelte Roggenehre nicht pflücken soll, sonst bekommt sie Zwillinge. Das habe ich Brigitte erzählt, meiner Freundin in der ersten und zweiten Klasse.

    Sie wollte aufpassen.

     

    4.

    Nachdem Frau Barth mir klar gemacht hatte, dass alle Namen eine Bedeutung haben, fragte ich sie, was denn ihr Name, also Barth, bedeutete. Hatte das was mit dem Bart der Männer zu tun?

    “Ja”, berichtete sie. “Der Bart der Männer gehört zu ihnen wie der Schwanz zum Hund. Er ist in seinen verschiedenen Formen Schmuck, Nistplatz, Speisekammer und Tarnung. Manche Männer bringen sich hinter ihm in Deckung. Ein langer Kinnbart ist ein Zeichen von Alter und Lebenserfahrung. So heißt es denn auch: Der muss etwas wissen; dessen Bart ist durch einen steinernen Tisch gewachsen. Und von sinnlos Betrunkenen sagt man: Der kann nicht mehr über den Bart spucken. Wenn man jemandem schmeichelt, geht man ihm um den Bart.”

    “Aber warum haben Frauen keinen Bart?”

    “Weil sie den Mund nicht so lange still halten können, wie das Beschneiden des Bartes dauert. Ein Mann, der ein Mädchen zum Kuss auffordert, kann schon mal sagen: Mädchen, komm und jag mir die Flöhe aus dem Bart. Und wenn ein Mann bartlos ist, heißt es: Der hat einen Bart wie ein nacktes Gössel.”

    Ich dachte an Brigitte und fragte: “Kratzt oder sticht denn so ein Bart nicht, wenn man sich einen Kuss gibt?”

    Frau Bart lachte: “Wenn der Kuss nicht schmeckt nach Priem und Bart, hat die ganze Küsserei keine Art.”

    Ich fragte weiter: “Kann man am Bart denn sehen, ob jemand klug oder dumm ist?”

    Frau Bart: “Auch den Dummen wächst der Bart. Sonst würde man sie gleich erkennen.”

    “Eine Frage habe ich noch”, sagte ich. “Es gibt doch aber Männer, die keinen Bart haben, wie kommt denn das?

    Die Antwort von Frau Bart war: “Wenn ein Junge mit dem selben Taufwasser getauft wurde, wie vor ihm ein Mädchen, bekommt er keinen Bart.”

    Das habe ich Brigitte weiter gesagt.

     

    5.

    “ Wenn alle Namen eine Bedeutung haben”, sagte ich, “dann bedeutet der Name von unserem Lehrer Möller, dass es sich um einen Müller handelt.

    “Ja”, antwortete Frau Barth, “das besprechen wir beim nächsten Mal, ich muss noch den Unterricht vorbereiten”. Komisch, erst erzählt sie lang und breit, und dann hat sie plötzlich keine Zeit.

    Ich wollte aber doch mehr wissen zum Namen von Herrn Möller.

    So fragte ich erst meine Mutter und dann meine Oma, aber die hatten auch keine Zeit. Also ging ich zu meiner Tante Marie, sie wohnte gegenüber von der Schule.

    “Tja”, sagte sie, “die Müller gelten, natürlich nicht alle und nicht der aus unserem Dorf, als unehrlich. Sie werden Mehldiebe genannt.”

    “Aber warum?”

    Da gibt es verschiedene Ansichten. Es heißt zum Beispiel, dass der Müller von der Katze die Milch aufgesogen hat. Dadurch hat er das Mausen gelernt.”

    Und plötzlich lachte Tante Marie. “Weißt du, warum der Storch nicht auf der Mühle baut? Weil er Angst hat, dass der Müller ihm die Eier stiehlt.”

    “Da hat Herr Möller aber keinen schönen Namen”, erklärte ich.

    “Es kommt nicht auf den Namen an”, sagte Tante Marie, “sondern auf den Menschen, der ihn trägt. Ich meine, ob er ein guter oder ein böser Mensch ist. Dein Lehrer hat ein gutes Herz. Er hat im Krieg ein Bein verloren und beklagt sich nicht. Er zeigt euch, dass man trotz Schwachstellen Gutes vollbringen kann.

    Und: Lehrer sind auch nur Menschen”.

     

  • Denn Alles ist nur relativ

    Die Dinge laufen hin und wieder
    dem Plan der Ausführung zuwider.
    Manches gelingt und Vieles nicht,
    betrachtet man es recht bei Licht.
    Doch bleib entspannt, läuft etwas schief,
    denn Alles ist nur relativ.


    Ob Reichtum, Macht, ob Gut und Geld;
    Allein das Leben wirklich zählt.
    Lass nicht betören Dich vom Schein,
    bestimmend ist Dein Selbst, Dein Sein.
    Nur dies ist solide und konstitutiv,
    denn Alles ist nur relativ.


    Ob schlecht, ob gut, arm oder reich;
    für Gott sind alle Menschen gleich.
    Das Bessersein wollen, Besserwissen,
    lässt wahre Menschlichkeit vermissen.
    Verhalte Dich redlich, nicht konspirativ,
    denn Alles ist nur relativ.


    Hohes Amt und große Würden
    sind verknüpft mit manchen Bürden.
    Schaut man hinter die Kulissen
    wird man echten Glanz vermissen.
    Vieles davon bleibt fiktiv,
    denn Alles ist nur relativ.

  • Gerechtigkeit

    Gerechtigkeit wolln alle gern,
    doch was bedeutet es im Kern.
    Denn allen Menschen recht getan,
    ist eine Kunst, die keiner kann.
    Man mag es drehen oder wenden,
    das Ganze wird wohl wieder enden
    in neuem Frust und neuem Gram.
    Wo bleibt das Recht, das ich bekam?
    Was ist gerecht, was angemessen,
    geht´s um selbstsüchtige Interessen.
    Verdienst hat Dienen im Wortstamm,
    das ist es, was uns helfen kann.
    Der Maßstab ist das Menschenleben,
    das in Gemeinschaft uns gegeben.
    Im Füreinander wird ersichtlich,
    was falsch ist oder eben richtig.

  • Fünfzig Jahre Abitur

     

    Fünfzig Jahre Abitur
    erinnern uns an Eid und Schwur.
    Dem eitlen Wunsch im Sturm und Drang
    durch uns das Wohl der Welt gelang.

    Fünfzig Jahre Abitur
    blickt man nicht allein retour,
    was die Zeit am Werk vollbracht,
    uns vergönnt war, wir geschafft.

    Fünfzig Jahre Abitur
    gewinnt dann manches an Kontur.
    Mit Talent, Fleiß und Bestreben
    lässt sich vieles doch bewegen.

    Fünfzig Jahre Abitur
    tickt wie die Unruh einer Uhr;
    die Jahre mit Leben zu erfüllen,
    gestalten mit Verstand und Willen.

    Fünfzig Jahre Abitur,
    wo blieb die Zeit, wo war sie nur?
    Gar manches haben wir erfahren
    und blieben doch, die wir stets waren.

    Fünfzig Jahre Lebenszeit
    im Auf und Ab von Freud und Leid
    haben wir verbracht gerungen
    und manch Unbill wohl bezwungen.

    Fünfzig Jahre Abitur
    bleibt Imperativ, oberste Richtschnur;
    alles Leben ist kostbar, ein Wert,
    wie es ein Jeder erlebt und erfährt.

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    Eine Lappalie

     

    Ist es nur eine Lappalie
    oder gar nur Marginalie,
    Wörter korrekt hinzuschreiben,
    Fehler möglichst zu vermeiden,
    Sinn und Klarheit anzugeben,
    danach lasst uns ständig streben.
    Nur wer richtig spricht und schreibt,
    den versteht man jederzeit!