Autor: Helga Thomas

  • Für Jürgen

    Wieder ist ein Freund gestorben…
    Wieder sind Schmerz
    und Trauer gross
    Es ist kein Trost
    noch nicht
    dass er nicht mehr leidet
    denn es leiden
    seine Frau
    seine Kinder
    Enkelkinder
    alle Freunde
    und auch ich

    Er war seit vielen Jahren
    ein wirklich guter Freund
    seine Meinung war mir
    immer wichtig
    sein Lächeln
    Schulterklopfen
    Händedruck
    belebten mich

    Ich habe es ihm
    nie gesagt
    und daran leide ich
    Jetzt könnte er es wissen
    Aber…
    andere sind ihm
    wichtiger als ich

    Ich werde mich erinnern
    und ich werde
    wieder seine Worte lesen
    vielleicht bin ich dann
    getröstet

    5.10.21

  • Vorbemerkung
    Durch einen Anruf von Helga Thomas erfuhr ich von dem Tod unserer Kollegin Pauline Abt am 01. Mai 2021. Helga hatte einen intensiven schriftlichen Nachruf von Frau Abts Tochter, Frau Dr. Dorothea Zitzmann, erhalten. Da ich Pauline Abt nur ganz am Anfang meiner BDSÄ-Mitgliedschaft (also Ende des vergangenen Jahrhunderts!) einmal persönlich getroffen und später nur vereinzelt telefonisch gesprochen hatte, und Helga einen dauerhafte und freundschaftliche Beziehung zu Frau Abt gepflegt hatte, schlug ich vor, dass Helga einen Nachruf für unsere Homepage schreibt. Sie war damit gern einverstanden, schrieb sofort einen liebevollen und freundschaftlichen Brief und schlug ihrerseits vor, dass wir Frau Zitzmanns Nachruf ebenfalls veröffentlichen. Da Frau Zitzmann freundlicherweise diesen Nachruf mit den Bildern jetzt zur Verfügung gestellt hat, will ich gern die Wünsche erfüllen und hoffe, dass wir hiermit Pauline Abt einen letzten respektvollen und freundlichen Dienst erweisen und uns angemessen für ihre Jahrzehnte lange Mitgliedschaft und ihre Beiträge zu unserem Verband bedanken.

    Dietrich Weller

     

     

    Dr. med. Pauline Theresia Abt, geb. Rauch

    Geboren am 13. November 1922 in Göppingen
    gestorben am 1. Mai 2021 in Burgheim

    Meine Mutter, Frau Dr. Pauline Theresia Abt, geborene Rauch, kam am 13. November 1922 in Göppingen zur Welt. Sie war die Tochter von Franz–Josef Rauch und seiner Ehefrau Dorothea. Er war Bahninspektor in Göppingen, zog aber 1924 zurück in seinen Heimatort Berg bei Friedrichshafen, wo noch mehrere Geschwister lebten. Johann, der älteste Bruder führte ein Café in Berg. Er konnte besonders gut malen und hat die Brandmalereien auf der Vertäfelung im Berger Häuschen angefertigt. Sohn Hermann bekam die Mühle, Sohn Wilhelm das Sägewerk.

    Die Mutter, Dorothea, war das 17. und letzte Kind ihrer Eltern, sie hatte eine Hauswirtschaftsschule besucht.
    Die Kindheit meiner Mutter muss sehr glücklich gewesen sein, wie sie auch in ihrem Buch „Der Fritzle, der Hermann und ich“ beschreibt. Sie war ein umhegtes und geliebtes Einzelkind, durfte ihren Vater auf der Jagd begleiten und mit ihrer Mutter Kastanienbier brauen.
    Alles änderte sich, als ihr Vater an einem Nasenkarzinom erkrankte. Im Frühjahr 1933 verstarb er schließlich, tief betrauert von seiner Frau, die zeitlebens nur noch schwarze Kleidung trug, und seiner Tochter.
    Pauline machte 1942 ihr Abitur in Friedrichshafen. Sie wollte Medizin studieren, musste aber zuvor den Reichsarbeitsdienst absolvieren. Danach hoffte sie nach Hause zu kommen, wurde aber noch zum Kriegshilfsdienst eingezogen. Sie arbeitete als Straßenbahnschaffnerin in Heilbronn. In ihrem Heimaturlaub zu Weihnachten wurde sie von einem Hund gebissen und musste nicht wieder zu ihrem Dienst erscheinen, was sie später als ihr großes Glück bezeichnete, da viele Mädchen zum Funkdienst abkommandiert wurden und aus dem Krieg nicht wiederkamen.
    1943 bekam sie einen Studienplatz in München und bezog ein kleines Zimmer in der Heßstraße. Im Sommer 1944 wurde sie bei einem Bombenangriff verschüttet, ihr Zimmer bestand nur noch aus rauchenden Trümmern. Aber sie konnte bei einem Bekannten und seiner Schwester unterkommen und ihr Studium beenden. Während des Studiums lernte sie auch ihren zukünftigen Mann Rudolf Abt aus Burgheim kennen.
    Nach dem Krieg aber musste sie zunächst ihre Assistenzarztzeit absolvieren. Sie tat dies in Markdorf bei Friedrichshafen. Dort lernte sie zwei tüchtige Frauen kennen, „Prezele“, zeitlebens ihre Freundin, und „Käthchen“, die mit ihr nach Burgheim zog und als Haushälterin die Familie versorgte.   1954 schließlich heiratete sie Dr. Rudolf Abt und zog zu ihm

    nach Burgheim.
    Pauline und Rudolf bekamen zwei Kinder, meinen Bruder Andreas und mich, die  nach ihrer Großmutter benannt wurde. 1960 bekam meine Mutter die Kassenzulassung und baute ihre eigene Praxis auf. Sie war mit Leib und Seele Ärztin, liebte es, ihre Patienten nicht nur in medizinischen, sondern  in allen Lebensfragen zu beraten. Ihre Patienten dankten es ihr mit großer Treue, Anhänglichkeit und Respekt. Ich glaube, dass meine Eltern ein sehr erfülltes, glückliches Leben führten. Oft waren Freunde bei uns zu Besuch, meine Eltern bereisten zusammen viele Länder der Welt und konnten, trotz starker beruflicher Anspannung, auch ihren Alltag genießen.
    In den siebziger Jahren begann sich meine Mutter für den Umweltschutz zu interessieren und leitete einige Zeit den Bund Naturschutz in Neuburg. Sie interessierte sich zeitlebens für Flora und Fauna, liebte Tiere und hatte großes Wissen über die heimische Pflanzen-und Tierwelt. Schützenswerte Gebiete versuchte sie durch Anpachtung vor der Zerstörung zu bewahren. Für ihre Verdienste erhielt sie noch im Herbst 2020 in München den Bayerischen Umweltpreis verliehen. Sie hat diesen  Tag sehr genossen,.

    1989 übergab sie ihre Praxis an mich und meinen Ehemann Sebastian. Noch in den Folgejahren unterstützte sie uns bei Erkrankungen der Kinder oder sonstigen Notfällen immer gerne und mit großem Engagement in der Praxis. Auch für unsere Kinder war sie stets eine liebevolle und fantasievolle Großmutter, die sich viel Zeit für sie nahm.
    Einen tiefen Einschnitt in ihrem Leben bedeutet der Tod meines Vaters im Jahre 1997. Lange Zeit zog sie sich völlig zurück. Sie beendete ihre Tätigkeit im Pfarrgemeinderat, und ihre schriftlichen Beiträge für das Pfarrblatt wurden eingestellt. Nur ihre Kurzbeiträge für den „Burgheimer Zwoaring“ schrieb sie weiter.

    Allmählich begann sie, sich ein neues Leben ohne ihren Ehemann aufzubauen. Sie trat dem Kreis der Neuburger Lyrikerinnen bei und schloss dort intensive neue Freundschaften, sie schrieb etliche Bücher, Gedichte, Kindheitserinnerungen und Märchen.
    Bis ins hohe Alter war sie stets an anderen Menschen interessiert und nahmen regen Anteil an ihren Sorgen und Nöten. Ihre Ratschläge waren stets gefragt und jeden Abend telefonierte sie ausgiebig mit der einen oder anderen Freundin. Auch schrieb sie sehr gerne liebevolle Briefe.
    Sie konnte bis vier Wochen vor ihrem Tod alleine in ihrer Wohnung leben, unterstützt von ihren Kindern und Freundinnen.
    Am Karfreitag März 2021 erlitt sie einen Sturz, infolge dessen sie ins Krankenhaus  eingeliefert werden musste. Dort erlitt sie am Ostersonntag einen Schlaganfall mit linksseitiger Lähmung. Sie erholte sich zunächst wieder etwas und wurde im Pflegeheim Straß liebevoll versorgt. Am 1. Mai 2021 verstarb sie am frühen Morgen, nachdem sich ihr Zustand deutlich verschlechtert hatte. „Ich nehme alles an, was auch kommt“, sagte sie noch im Krankenhaus zu mir. Ihr offenes, liebevolles Wesen und ihr kluger Rat werden uns fehlen!

    Dr. Dorothea Zitzmann

    Jetzt folgt der Brief von Helga Thomas an Pauline Abt.

    Liebe Pauline

    Das ist der erste Brief von mir an Dich, den Du nicht in Händen halten wirst. Aber ich bin davon überzeugt, Du kannst ihn trotzdem lesen. Das war eines unserer Themen; der Kontakt mit Verstorbenen, durch unsere Erinnerung, in uns, in unserem Unbewussten; sind sie dort oder ist das der Zugang zur realen Welt der Toten? Wir haben die Antworten offen gelassen und meinten, wir müssten da sehr wachsam sein und genau beobachten.
    Sicherlich ist jetzt der Brief, wenn ich mit Dir rede, mehr mit Deinem Bild, was ich von Dir in mir trage, aber es ist vielleicht die Brücke für die Zukunft. Gestern kam mir die Idee, dass ich Dir den Brief schreiben muss. Gestern, 8. Mai, Kriegsende, Kapitulation, in der SBZ nannten sie es den Tag der Befreiung. Ich glaubte beides nicht als Kind, ich war davon überzeugt, der Krieg geht immer noch weiter.
    Das ist eines der Themen, über die wir fast kaum geredet haben, Du hast nur meine Erzählungen, die Erinnerungen aus der Zeit sehr einfühlsam und sehr schön gefunden und meintest, das sei gut für meine Enkelkinder. Damals hatte ich noch keine, da waren sie noch in weiter Ferne.
    Wie fing unsere Beziehung an? Du, ich weiß es nicht. Das ist etwas, was ich Dich auch immer noch fragen wollte. Ich weiß, von Anfang an, als ich in den BDSÄ eintrat, warst Du und Deine Freundin da, die so schöne Skulpturen machte. Ich mochte euch beide, aber ich wollte euch in eurem Beisammensein nicht stören. Wahrscheinlich habt ihr´s gemerkt, denn immer dann, wenn wir eh zu mehreren waren, hattet ihr unauffällig mir einen Platz freigehalten. Das war Deine empathische, feinfühlende, im Hintergrund wirkende Art; die war so wohltuend in unserer lauten Zeit, in der oft Effekthascherei wichtiger ist als echtes Gefühl. Du hast mir unauffällig den Rücken gestärkt. Wie das so ist bei Lesungen, gibt es immer Leute, die begeistert von einem sind, ob die Sachen nun gut sind oder nicht; andere, die neutral bleiben, oft noch das beste Publikum; und wieder andere, die zeigen wollen, dass sie gute Lehrer sind, die einen belehrten oder Ja-aber sagten und Warum-nicht usw. usf. Mich störte das, mich verunsicherte das, aber andererseits war ich über jede Kritik froh, und wer sagte mir, dass der andere recht hat?
    Da kamst Du und meintest, warum ich mich denn so verunsichern lasse, wir hätten doch oft genug über schöpferische Prozesse geredet, und so wie ich schreibe, sei das doch sehr mütterlich. Heute denke ich, ja, Du hast von Dir gesprochen. Bevor ich ein Gedicht niederschreibe, ist es lange in mir gewachsen, manchmal parallel zu anderen. Und irgendwann einmal kann ich sie aufschreiben, und dann kann ich auch geringfügige Verbesserungen vornehmen, aber eigentlich ist es fertig. Und Du meintest, das ist eben das Zeichen, dass das Gedicht mein Kind ist; ich gehe mit ihm schwanger, und dann lasse ich es in die Welt, aber ich muss es weiter beschützen. Und als mal jemand kam von unseren Teilnehmern, der inzwischen auch nicht mehr unter den Lebenden ist, und einige Kritik äußerte und warum fragte, meinte Pauline, ganz schnell sich dazwischen schaltend: weil sie es so mag! Außerdem mag ich das Gedicht auch so, und das weiß die Helga. Und damit war das Thema erledigt.
    Ich versuch mich zu erinnern, welche von Deinen Sachen mir besonders gefallen haben, es war doch sehr vieles. Und das Viele hat jetzt etwas wie einen tragfähigen Teppich geschaffen; einen Teppich, der nicht nur von unten her wärmt und den Boden bedeckt, sondern der einen auch durch die Lüfte tragen kann. Irgendwann war ich so eingespannt, dass es nicht viel Zeit neben den Treffen für private Kontakte gab, auch weil die Arbeit in Bulgarien mich forderte, aber dann änderte es sich wieder. Und irgendwann kamst Du nicht. Und dann kam Deine E-mail, dass Du eigentlich austreten wolltest, worauf ich ganz bestürzt war und Schuldgefühle hatte, weil ich dachte, ich hätte doch längst Dir mal schreiben müssen und fragen, wie es Dir geht. (Damals waren wir noch per Sie, ich weiß auch das nicht mehr, wann wir zum Du übergegangen sind, ich glaube das war irgendwann mal ganz automatisch, ohne Feier, ohne Brüderschaft, einfach so: Pauline und Helga.) Und dann hattest Du aber überlegt, dass unser Verband das Geld vielleicht brauchen könnte, und Du bleibst drin. Und das fand ich so toll, dass ich Dir gleich ganz spontan schreiben musste. Und dann entwickelten sich diverse Gespräche, per Telefon, per Brief. Und ich hatte die Idee, beim nächsten Treffen solltest Du unbedingt Texte von Dir auswählen und einreichen – ich würde sie dann für Dich vorlesen. Ich weiß nicht mehr, warum es nicht dazu kam. Kam dann Deine Krankheit dazwischen? Oder war da schon der Lockdown? Ich weiß es nicht mehr.
    Deine Krankheit war erschreckend, aber es war bewundernswert, wie Du damit umgingst. Du teiltest mir mit, dass man ein kleines Mamakarzinom entdeckt hat, dass Du aber jetzt in dem Alter bist, dass Du denkst, es ist besser, nichts mehr zu machen; ich soll das nur zur Kenntnis nehmen und mich nicht wundern, wenn ich vielleicht mal keine Post mehr bekomme. Das hat mich natürlich sehr erschreckt, aber ich konnte ja schreiben.
    Aber wie gesagt, irgendwann kam der Lockdown, und da ging es mir sehr schlecht. Und das war ein Grund, warum ich Dir zwar noch schrieb, aber Dich nicht anrief. Wenn Du mich dann liebevoll fragst, wie es mir geht und ich auch ohne technische Hilfsmittel Deinen liebevollen Blick aus Deinen warmen Augen auf mir ruhen fühle, dann wusste ich, dann kann ich mich nicht mehr beherrschen, da muss ich weinen und muss dir klagen, was mir nicht gut geht; und dir gings doch schlechter! ich musste doch schließlich Rücksicht auf Dich nehmen.
    Und irgendwann wuchs ein neuer Gedanke in mir, was unsere Beziehung betraf. Es betraf nicht nur Dich, es betraf auch eine befreundete Kollegin in Bayern und eine junge Kollegin in Österreich, die sehr tapfer kämpft gegen die Vorurteile mancher Analytiker. Ich entschloss mich, irgendwann muss der Lockdown zu Ende sein, und dann reise ich! Ich mache eine Rundreise: zu Dir, nach München, bzw. an den Starnberger See und nach Wien. Ich wusste nur noch nicht welche Reihenfolge und in welcher Zeit. Ich teilte Dir das nie mit, weil ich Dir keinen Zeitpunkt sagen konnte und weil ich ja auch noch nicht so sicher war, ob Dich das wirklich freuen würde, ob Du nicht erschrecken wirst und Dich vielleicht als Gastgeber verpflichtet fühlst, obwohl ich dann sicher war, dass das dann doch nicht der Fall ist.
    Ja, das ist etwas, was ich Dir sehr gerne hatte sagen wollen, und dazu ist es nun nicht gekommen. Es ist aber nicht nur Dein Weggang, dass es jetzt nicht dazu kam, sondern immer noch dieser verdammte Lockdown.
    Du hast auch mit Deiner ruhigen, mütterlich-freundlichen und doch sehr klugen Art manchmal Streithähne auseinander gebracht, ohne dass Du billige Kompromisse vorgeschlagen hast. Du hast die Meinung eines anderen respektiert, aber hast ihm trotzdem die eigenen Grenzen aufgezeigt, auch das war immer sehr wohltuend.
    Ja, und jetzt weiß ich nicht mehr, was ich alles sagen wollte. Über Dich, über unsere Beziehung. Ich weiß auch gar nicht, ob ich für meine lieben Freunde im Verband Dich richtig habe in Erinnerung rufen können.
    Ein weiteres Thema, was uns sehr beschäftigte, neben den künstlerischen Prozessen, war überhaupt das Wachsen, das Sich-Entwickeln, von Tieren und von Pflanzen, ein unerschöpfliches Thema. Und drum hat es mich doppelt gefreut, als ich jetzt las, dass Du noch letztes Jahr den Preis für Umweltschutz von Bayern bekommen hast.
    Am 1. Mai ging es mir nicht gut, ich war furchtbar müde. Und ich verstand es nicht, aber ich bin in letzter Zeit öfter müde. Es hat sicherlich verschiedene Ursachen, die hier keine Rolle spielen. Jedenfalls wartete ich darauf, ob sich Kopfschmerzen einstellen, denn dann hätte ich gewusst, dass ein mir nahestehender Menschen stirbt, das ist bei mir manchmal so. Aber die Kopfschmerzen waren nur ganz schwach, so dass alles sehr unsicher war. Und eine Woche später, bzw. nicht ganz eine Woche später, es war schon der Freitag, wollt ich nicht nach Hause. Es fiel mir immer was ein, warum ich das Nachhausegehen hinauszögere, obwohl da Arbeiten auf mich warteten, angenehme Arbeiten. Ich hatte ja inzwischen Dir meine letzten Gedichte geschickt. Und dann kam ich nach Hause, und der sehr schöne Nachruf Deiner Tochter erwartete mich. Ich dachte, dass ich jetzt daraus einiges zitiere, aber ich weiß nicht; der ist so schön, dass ich ihn eigentlich nicht auseinander reißen möchte, und vielleicht wäre es gut, wenn man ihn an meine persönlichen Erinnerungen anfügt. Ich werde Deine Tochter fragen, ob sie damit einverstanden ist.

    In Gedanken umarme ich Dich so, wie wir uns immer zum Abschied umarmt haben.

    Deine Helga

  • Es gibt viele Gründe – warum wir zu Demonstrationen gehen sollten und genauso viele Gründe gibt es wahrscheinlich für mich, warum ich nicht gehe. Der Hauptgrund wurde mir eben über einen Umweg bewusst.

    Heute ist in der Christengemeinschaft eine Veranstaltung zum 50. Todes- und 100 sten Geburtsag von Paul Celan. Aus allen seinen Büchern werden Gedichte vorgetragen, eingerahmt von Musik. Gotthard Kilian und ich wollten eine vergleichbare  Veranstaltung für Nelly Sachs machen zu ihrem Geburtstag und 50. Todestag  Corona hat es verhindert. Durch Nelly Sachs haben Gotthard Kilian und ich uns näher kennengelernt, das heisst hier hat unsere gemeinsame schöpferische Arbeit begonnen, die – wenn sie in unserer Welt unterbrochen wurde – in der anderen Welt ungemerkt weiterging.

    Ich habe lange überlegt, ob ich zu der Veranstaltung für Paul Celan gehe, denn eigentlich kann ich es nicht, es doch zu versuchen käme einem Erzwingen gleich. Ich überlegte, was ich, sozusagen tröstend, statt dessen tue… Und plötzlich wusste ich: Statt einer wunderbaren Frucht aus kreativen Prozessen zu konsumieren (eigentlich sind es drei: die Gedichte, der Vortrag, und die tragende und einrahmende Musik) wäre ich mich selbst in einem, meinen kreativen Prozess begeben. Plötzlich sah ich die Demonstration und sah, wie etwas aus dem Gleichgewicht kommt (kommen muss) und sah, wie wichtig das echte Gleichgewicht ist: Die Demonstration auf dem materiellen physischen Plan… Unsere Innenräume – unser persönlicher Zugang zur geistigen Welt- sind leer, verlassen… Es muss Menschen geben, die aktiv in eigenen Eigenraum sich an der Demo beteiligen, dann ist das Gleichgewicht wiederhergestellt.

    Haben Demos und schöpferische Prozesse etwas gemeinsam? Eine Demonstration…. Ist….kann…sollte…ein schöpferischer Prozess im Sozialen sein und schöpferische Prozesse führen manchmal in individuellen zu Umwälzungen, also Revolutionen! Wer nicht hauptberuflich Künstler ist, muss sonst auch demonstrieren, um im gewohnten Alltag Raum und Zeit für schöpferische Prozesse finden.

    Vielleicht sollten wir nicht nur überlegen, was Demos und schöpferische Prozesse gemeinsam haben, wie physische Aussenwelt und psychische Innenwelt, die Welt des Sozialem und die Welt des Geistes einander Spiegelbild sind, sondern aktiv versuchen, sie miteinander sichtbar zu verbinden.

    Helga Thomas

  • Von fleißigen Hausfrauen, leidenden Kindern und Elementarwesen

    Auch unter Anthroposophen gibt es gute Hausfrauen…

    Nichts gegen gute Hausfrauen, aber wenn sie Zeugen Jehovas gleich für gutes Hausfrauendasein werben… oder die moralische Keule, pardon Kochlöffel schwingen…

    O-Ton meiner Mutter: „Du kriegst nie einen Mann, wenn Du nicht richtig putzen kannst“ (ich begriff als Kind nicht, warum ich auch den Staub wegwischen muss, den keiner sieht… und auf dem man so gut zeichnen konnte).

    Zum Glück behielt sie recht (ehrlichkeitshalber muss ich aber sagen, dass ich meine Männer nicht wegschickte, weil sie wollten, dass ich besser putze).

    O-Ton einer Freundin aus früherer gemeinsamer Zweigarbeit: „Deine Elementarwesen leiden aber unter Deinem Chaos“. Ich beherrschte mich und vermied die Rechtfertigungserklärungsschiene…

    Heute würde ich fragen: „Meinst Du wirklich?“. Ich vermute mal sie leiden mehr unter meinen Schmerzen und der damit verbundenen miesen Stimmung, als unter rum liegenden Büchern Zeitschriften und Zetteln.

    Und die Mutter, die ihr Kind zur Ordnung drillen will?

    Merkt sie nicht, dass ihre Kinder mehr leiden, zumindest genauso viel wie die Elementarwesen in der unaufgeräumten Wohnung?

    Ende vom Lied: Irgendwann ziehen die Kinder und Elementarwesen aus.

    Helga Thomas

    28.09.2020

  • Persönliche Gedanken – ausgelöst vom Tag der Deutschen Einheit

    Anmerkung zu meiner Person am Ende meiner Gedanken

    Ich wollte davon erzählen. Für wen? Für mich selbst, meine Kinder, meine Zeitgenossen? Plötzlich brachen Assoziationen über mich herein:

    Nazis – zum Teil wiederauferstanden in der AfD.

    Flüchtlinge mit den wenigen Habseligkeiten auf der Suche nach einem Raum, wie Maria und Josef. Zum Teil wiedererstanden als die Verfolgten, die nicht im Mittelmeer ertranken.

    Die Menschen, die ungute Entwicklungen aufzeigten, wurden verfolgt in Ost (und auch in West). Der Überlebenswille, der das sogenannte Wirtschaftswunder zur Blüte brachte, ist wiedererstanden in überheblicher Selbstüberschätzung…

    Das Eingesperrtsein in Ost (und auch in West, dort in den eigenen Privaträumen) führte als Gegenbewegung zur Eroberung aller Lebensräume (Wasser, Erde, Luft) und wandelte sich zur Weltbeherrschung durch Handel und Tourismus. Dann hat Corona dem allem ein Ende bereitet. Für wie lange? Und wenn sich nichts ändert? Wird deshalb vielleicht die Situation jetzt als 3. Weltkrieg empfunden? Materialisten fantasieren vom Auswandern auf einen anderen Planeten… und die Idealisten? Die Hoffnungsträger?

    Wer rief in einer Zeitenwende der Menschheit zu: Ändert Euren Sinn?

    Solange wir die Existenz einer geistigen Welt nicht ernst nehmen, kann sich nichts ändern. Auch Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Fakenews, Verschwörungstheorien sind nur ein Tropfen auf den heissen Stein und zeigen die verzweifelte Suche nach einem Sündenbock, den wir in die Wüste schicken können.

    Ich bin im Krieg geboren. Nach der Bombardierung Berlins evakuierte meine Mutter sich, mich und ihre Großmutter nach Schlesien in die vertraute Heimat ihres Vaters. Von dort Flucht vor den Russen nach Erfurt. Dort Kriegsende und bewusste erste Kirschen erlebt. Heimkehr in das zerbombte Berlin, Umzug nach Köpenick in den Osten Berlins. Nach dem Umzug erfolgte Trennung in Ost und West. 1957 verließen wir illegal die DDR. Dort erlebte ich die Grenzschließung vom 17. Juni 1953 und am 13. Oktober 1957. Das illegale Verlassen der DDR – mein Vater schon ein Vierteljahr vor uns – hatte verhindert, dass ich zum Glück den Mauerbau nur von Ferne erlebt hatte. Immer wieder Umzüge bis schließlich in den Südwesten Deutschlands, in die Nähe der Schweiz. Was für mich beruhigend und Sicherheitsgebend war. Dass das eine Illusion war, erkannte ich im Zusammenhang mit der Grenzschließung wegen Corona.

    Helga Thomas, 03.10.2020

  • Rache des Schicksals?

    Sie las in ihrem neuen Buch (Tatiana De Rosnay, Sarahs Schlüssel, Berlin 2007). Sie las, um sich den Weg in den Tag leichter zu machen. Als sie das Buch schloss, hatte sie plötzlich eine Idee. Als sie genauer zu planen begann, war ihre Morgendepression und das Gefühl der Sinn- und Hoffnungslosigkeit verschwunden. Es war nicht einfach, den Plan, die Idee unauffällig umzusetzen. Schließlich montierte sie in der Tiefgarage den Schlauch an ihr Auto, führte ihn in das Innere (durch den Spalt in einem Fenster) des Autos, dann ließ sie den Motor an. Da fiel ihr ein, was sie vergessen hatte. Sie nahm ein Stück Papier (ein alter Parkschein) und schrieb darauf: „Ich muss denen folgen, die vor mir gegangen sind, und muss mich mit ihnen durch das Gas verbinden.“ Sie schloss die Augen und dachte an die, die am Gas erstickt waren. Sie sah Gesichter. Eins kam auf sie zu, schaute sie verzweifelt an und sagte: „Du darfst uns nicht folgen. Es ist nicht dein Weg! Wer soll sonst von uns erzählen? Folge unseren Spuren, die wir im Leben hinterließen, damit auch wir uns erinnern.“ Sie stellte mit letzter Kraft den Motor ab, öffnete die Autotür, ließ Luft einströmen, wählte auf ihrem Handy den Notruf. Man fand sie schnell und führte sie wieder auf den Weg ins Leben zurück. Den zerknüllten Zettel in ihrer Hand hatte niemand beachtet. Die Kriminalpolizei vermutete Mord, ausgeführt von einem noch lebenden Nazi aus ihrer Nachbarschaft, der viele anonyme Leserbriefe gegen ihre Artikel über die Vergangenheit verfasst hatte. Er beteuerte seine Unschuld, was ihm niemand glaubte.

    Helga Thomas

    14. Okt. 2020 um 10:12 Uhr

  • TAG
    – Angela
    -Ohren

    Es gibt Menschen, deren Boshaftigkeit mit ihren Worten in mein Ohr dringt. Im Allgemeinen kann ich mich schützen. (Der Versuch, sie zu verstehen, ist auch solch Schutz.) Doch manchmal beginnt in mir Wut zu glimmen. Im Allgemeinen kann ich auch damit umgehen. Ich versuche, das Feuer in ein nutzbringendes Herdfeuer zu wandeln. Manchmal juckt mich mein Ohr, dann nehm ich die Hörgeräte raus… Die Distanz für die Worte wird größer, sie verlieren durch das schwerere Hören von ihrer Boshaftigkeit. Aber… ganz schlimm, wenn ich den Menschen nicht sehe. (Ich meine es konkret, weil er nicht anwesend ist). Seine Worte dringen durch das Telefon zu mir, was durch die Muschel des Telefons einfach zu nah ist… Meine Haut des Ohres scheint überfordert zu sein… Sie schmerzt und juckt… Muss ich wegen der boshaften Worte der anderen mich jetzt mit Antibiotika vergiften?

  • Tagebuch

    Was mir mein Freund, das Papierwesen, riet

    Auf dem Weg von der S-Bahn zu meiner Praxis komme ich an einem Straßenantiquariat vorbei. Jedes Buch, egal wie alt, wie neu, wie groß, wie klein, wie dick, wie dünn, wie gut erhalten oder weniger gut, kostet 1 Euro. Eine unendliche Versuchung für mich, aber zudem noch eine unendlich viel größere Bereicherung und … ich habe immer Geschenke parat. Heute fiel mein Blick auf den Anfang eines Titels, doch bevor ich ihn rausnehmen konnte, oder es, das Buch, sah ich ein anderes schönes Bild: die Sixtinische Kapelle. Ich nahm es, fing an zu lesen im Klappentext. Natürlich machte es mich neugierig, ich bin verführbar. Ich wollte aber auch das andere Buch anschauen. Da hörte ich wieder, ohne zu hören, es war mehr ein Gefühl, das ich grade hörte, dieses unangenehme Kreischen. Ich wusste, das ist jetzt ein Elementarwesen, ein Gnom oder ähnliches. Nein, es war mein Papierwesen. Es sagte: „Kauf beide, nimm beide mit!“ Ich zögerte einen Moment, guckte mir inzwischen das andere an, es war ein Thriller, ich wollte es zurücklegen. Es sagte: „Lies weiter.“ Ich las weiter. Da geht es darum: eine junge Schülerin, die Wahnideen hat und mit Wahnideen kämpft und in denen lebt. Also sozusagen Fachliteratur. Und dann wusste ich nicht, nehm ich nun den Roman über die Sixtinische Madonna und irgendeine obskure Geliebte eines Papstes? Da sagte das Papierwesen wieder: „Nimm es mit, leg es hin, dann lesen wir es. Und wenn wir es gelesen haben, sagen wir dir, welche Seiten wichtig sind. Und die liest du dann und dann weißt du, ob du es lesen musst, willst oder sollst. Du musst nur ab und zu das Buch in die Hand nehmen und darüber meditieren, dann können wir dir leichter sagen die Seiten, die du lesen musst. Das vergisst du immer. Und das ist dann so mühsam für uns, bis du endlich kapierst, dass du diese Seite aufschlagen sollst.“ Aha, ich hatte viel gelernt. Ich fing an, darüber nachzudenken. Da fiel mir ein: Ich stehe mit meinem Hund und zwei Gepäckstücken mitten auf der Straße, ich muss jetzt die 2 Euro einwerfen und gehen. Und als ich ging, sagte ich in Gedanken zu dem lieben Freund, ob er mir nicht gleich sagen könne, was am Buch für mich gut sei. „Nein, wir müssen es gelesen haben.“ „Okay, versteh ich. Ja aber dann könnt ihr mir doch sagen…“ „Nein. Wir lieben andere Bücher als du.“ Aha. Und dann hörte ich eine gesetztere, ruhigere Stimme, während das jetzige wie ein Kind klang, könnte das sein Vater gewesen sein? Diese Stimme sagte: „Wir brauchen andere Bücher für unsere Entwicklung als du.“ Ist das nicht schön gesagt? Das werde ich jetzt immer sagen, wenn sich so ein Oberlehrer-Besserwisser empört, dass – weiß nicht – Schwiegertochter, Schwiegermutter oder wer auch immer, natürlich ein weibliches Wesen, solche „Schundliteratur“ liest, dann werde ich lächelnd zu ihm sagen: „Es liest halt jeder Mensch das, was er gerade für seine Entwicklung braucht.“

    Dankeschön, ihr Papierwesen.

    07.07.2020

  • Spürst du
    wirklich nicht
    die Nähe deines Engels?
    Nimmst du seine
    Spuren nicht wahr?
    Das glitzernde Funkeln
    auf Wasser Schnee
    und Blütenblättern?
    Der Duft der Blumen
    der selbst im Herbst
    noch im Erinnern wirkt?
    Die leisen Abschiedslieder
    der Vögel
    das sanfte Rascheln
    der Blätter im Windhauch
    Doch
    du nimmst sie wahr
    aber erkennst sie nicht
    als Spuren deines Engels

    Du erkennst auch nicht
    den Blick deines Engels
    wenn er dich
    mit den Augen
    eines anderen Menschen
    betrachtet
    Du wunderst dich nicht
    über das leichte Glücksgefühl
    so wunderst du dich
    auch nicht
    über die unerklärliche Trauer
    die dich manchmal befällt
    Oh, würdest du doch erkennen
    dass es die Trauer deines Engels ist
    auch er
    möchte wahrgenommen werden

    Helga Thomas
    12.12.2019

    Der neue Tag beginnt
    Rosa Sonnenaufgangslicht
    und weißer Raureifschleier
    verschönen unsre Welt
    lassen Hässliches verschwinden
    Der neue Tag beginnt
    mit ihm beginnt
    das neue Jahr
    das wiederum den Reigen eröffnet
    von einem neuen Jahrzehnt!
    Rosa Sonnenaufgangslicht
    und weißer Raureifschleier
    scheinen ein Versprechen
    zu verkünden
    Ob wir es entschlüsseln?
    Die nächsten Stunden
    Tage Jahre
    was werden sie uns bringen?
    Lasst uns versuchen
    gutes tun in Schönheit vollendet
    unserer Welt einzufügen


    Helga Thomas
    1. Januar 2020

    Wir müssen heimatlos
    werden damit
    wir die Heimat
    suchen und finden
    in uns
    die Heimat
    die Spiegelbild ist
    der wahren Heimat
    dort haben auch
    Liebe und Frieden
    Heimat gefunden

    Helga Thomas
    8.1.2020

    Sind Bäume nicht
    aufrechte Spiegelbilder
    von Lebensströmen
    die im Verborgenen fliessen?
    Wähle den Baum
    der Bild ist für
    dein augenblickliches Leben
    Vielleicht verstehst du so
    besser den Sinn
    von Hindernissen
    und Umwegen
    Und noch eins…
    Hast du bemerkt?
    Der Fluss
    gradlinig und zielgerichtet
    hat viel Kraft aber
    er musste die Schönheit opfern!

    Helga Thomas

    8.1.2020

  • Alle Sterne unserer Welt
    am Himmel und auf Erden
    als Stein Blüte Frucht und Schneekristall
    sind Teil der göttlichen Schöpfung
    Aus den Augen
    des göttlichen Kindes
    (und seinem Spiegelbild in den Kindern der Erde)
    leuchten und strahlen sie
    Folge ihrem Licht
    Wie der Stern die Könige
    führte so führen sie dich
    ins eigene Innere
    wo im Dunkel
    das göttliche Kind wartet
    … auf uns

    Was waren die Worte,
    mit denen Ihr das Kind begrüßtet,
    das Kind und seine Mutter?
    Welche Wesen entschwebten
    Eurem in Liebe sprechenden Mund?
    Wenn ich Euch
    das frage, lautlos,
    und anderen
    mit begeisterndem Feuer
    davon erzähle,
    welche Kinder werden geboren
    aus dem Schoß meines Mundes?
    Dürfen sie einst
    die Schüler oder Gefährten
    Eurer heiligen Kinder sein?

    Die Luft vereinigt in sich
    das wärmende Feuer
    als Licht,
    das kühlende Wasser
    als Feuchte.
    Das Wort lebt in der Luft,
    sein feuriges Erkennen
    steigt als Licht empor,
    erleuchtet den Raum.
    Die Wogen des Fühlens
    tropfen zur Erde,
    münden dort
    im Strome der Zeit.
    Einander durchdringend
    bilden sie den Stern,
    der dich führt
    auf dem Wege des Königs
    zum Kind,
    geboren durch dich
    in dir.

    Schweigen kann heißen:
    Hören
    auf die Worte der Engel,
    Schweigen kann heißen:
    Warten
    auf das Wort des Du.
    Beide Wege des Schweigens
    sind Wege des Königs,
    der beim Kind
    das Gefäß seiner Hände
    öffnet
    zum Streicheln
    und,
    um das Wort zu empfangen.

    Das Wort der Drei Könige
    Was habt Ihr gesagt,
    als ihr Euch gefunden,
    was habt Ihr gefragt,
    als der Stern verschwunden?
    Was war Euer Wort,
    als ihr den Raum betratet,
    in dem sich
    die Welt zu ändern begann?
    Euer Wort,
    es wirkt fort
    durch alle Welt
    bis ans Ende der Zeiten
    und doch
    ist es verstummt,
    weil unsere Herzen
    nicht hören.

    Der Schatten der drei Könige
    Wo blieb Euer Schatten,
    als ihr Euch beim Kinde verneigtet,
    Eure Geschenke der Mutter zu Füßen legtet?
    In was hat er sich gewandelt,
    am Boden liegend,
    vom Kinde fliehend,
    zum Weg werdend
    IHM
    zum Dunkel der Menschen.
    Er folgte Euch nicht,
    als ihr wieder gingt,
    er blieb
    bei Mutter und Kind
    und sang leise
    das Lied vom Verzeihen.

    Einst
    führte uns der Stern
    und unsere Füße fanden
    den Weg.
    Heute,
    suchen unsere Augen
    den Stern.
    Vielleicht
    wird er nur
    im Dunkel sichtbar?

    Dunkel
    liegt über dem spurlosen Weg,
    den Ihr einst gegangen.
    Schweigen
    erfüllt den Raum,
    als Euer letztes Wort verklungen.
    Aber Euer Stern
    erhellt die Winternacht
    und Sommers
    blüht die Blume
    über dem dunklen
    schweigenden See.


    Der König
    mit dem Kelch in der Hand
    aus Gold, rot wie sein Gewand,
    sprach fordernd zu mir:
    Gib mir Dein Chaos,
    ich nehme es auf
    in meinen ordnenden Kelch
    und bewahre es und bewahrend
    ordnet es sich.
    Dann geb ich es Dir zurück übers Jahr,
    damit Du geben kannst,
    allen
    die Deiner Gabe bedürfen.


    Ich gehe
    und folge
    den Weisen,
    folgend dem Weg weisenden Stern.
    Die Töne
    Eurer Taten
    klingen im Glockenklang
    uns entgegen.
    Unsere Schritte
    bilden den Rhythmus,
    Gedanken
    die Melodie.
    Wer komponiert das Werk,
    zu dem dein Herz singen soll?
    fragte mich einer der Weisen.

    In der Mitte von Ende und Anfang
    stiegen die Sterne nachts herab
    und geleiteten Menschen,
    die ihren Weg suchten.
    Zum Neubeginn erblühen sie nun tags
    und weisen den Suchenden
    den Blick wieder nach oben.


    Und wenn wir sternenähnlich geworden sind
    und wir dem neu geborenen Kinde leuchten,
    werden unsere drei Könige kommen
    und die Schätze aus unserer Vergangenheit uns geben
    und dann wird ein vierter bei ihnen sein.

    Hoffnung
    Ich bin die Mutter, die das Kind gebiert
    und das Kind, das geboren wird.
    Ich bin der Stern, der leuchtet
    und die drei Könige, die ihm folgen,
    und ich bin der vierte König,
    der Mensch, der alles dieses ist.

    Der Ruf erging an Euch,
    aufzubrechen.
    Ihr folgtet ihm und dem Stern
    wie die anderen
    dem Lichte des Engels folgten.
    Nacht –
    dunkel und kalt,
    doch Euch
    schützt und wärmt und führt
    das Licht der Himmel.
    Ich aber sitze hier,
    bei meinem eigenen winzigen Licht
    und warte,
    bis er kommt,
    einzukehren
    in meinen
    engen Raum.

    Auch ich war einst ein König
    wie Ihr,
    ich aber scheute die Mühe des Aufbruchs.
    Auch ich war einst ein Hirte,
    furchtsam und dumm wie diese,
    ich aber konnte nicht glauben.
    So blieb ich immer zurück
    mal traurig, mal zornig,
    Einer muss bleiben.
    Denn wer empfängt sonst
    das Kind,
    bereitet ihm Wohnung
    und Nahrung den Eltern?


    Wo sind sie,
    die drei Weisen,
    die einst
    am Tage der Tage
    den Stern sahen und ihm folgten.
    Wo sind sie heute?
    Wer folgt heute dem Stern?
    Wem leuchtet der Stern heut?
    Wann wird der Sucher
    erleuchtet,
    wann der Erleuchtete
    zum König?
    Wenn er sich auf den Weg gemacht hat,
    dem Stern seiner Erleuchtung zu folgen!
    Ich bin auf dem Weg,
    ich bin aufgebrochen
    in finsterer Nacht,
    denn ich weiß,
    der Stern leuchtet,
    auch wenn ich ihn nicht seh.

    Gute Gedanken – liebevolles Tun,
    harmonisch übereinstimmend,
    rhythmisch wiederholt,
    sind die Melodie,
    die aus den Schritten
    der drei Menschen ertönt,
    die seit Geburt des Kindes
    unterwegs sind,
    sich Nacht für Nacht
    ihm langsam, aber stetig nähern.