-
Die Überlegungen zu einigen Exemplaren anatomischer Votive aus der Sammlung Stieda sind als Ergänzung zu dem kleinen Band „Kultische Anatomie“, der 2008 die Ausstellung im Medizinhistorischen Museum Ingolstadt begleitete, gedacht. Seit dieser Zeit hatten mich als Medizinerin die in anatomischer Hinsicht spärlichen Deutungsversuche nicht ruhen lassen. Das große Intervall zwischen dem Erscheinungsjahr und dem jetzigen Beitrag ist ohne mein Zutun entstanden.
Im Gegensatz zu den leichter interpretierbaren Darstellungen von Extremitäten, Sinnes- und Geschlechtsorganen geben die etruskischen Votive in Form der inneren Organe manches Rätsel auf. Ohne den Anspruch, wegweisende Deutungen gefunden zu haben denke ich es mir lohnend, offene Fragen, die sich der Ordinarius für Anatomie Ludwig Stieda in den ersten Publikationen zu seiner außergewöhnlichen Sammlung bereits gestellt hatte, neuerdings aufzugreifen[1].
Zunächst wollen wir uns mit zwei isolierten Organen befassen, T III-16 und T III-17. Wir halten sie, um das gleich vorweg zu nehmen, für Harnblasen[2] (Abb. 1).
Aufnahmen: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main
Inv. T III-16 Birnen – oder beutelförmiger Gegenstand (Abb. 1 links)
Lit.: Recke 2008, 3. 56-63. hier 61 Abb. 7; Recke, Neues aus der Antikensammlung – Jahresbericht 2009, 8 c; Recke 2010, 8 Abb. 8c (um 1800 gedreht); Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24 Abb. 4, 24. S. 65 f. und S. 109, Kat. Nr. 19 Abb. 34; Recke – Wamser-Krasznai 2008 Begleitheft, 11 Abb. 22 (um 1800 gedreht); Stieda 1899, 242; Stieda 1901, 109-111 Taf. 4/5, 24.
Stark glimmerhaltiger, hell rötlicher (2.5 YR 7/5) im Bruch rotbrauner Ton (2.5 YR 5/7). Reste von Engobe, keine Farbspuren.
L: 10,5 cm; B: 5,4 cm; H: 4,5 cm
Parallelen: Aus dem Depot der Minerva Medica Rom, Gatti lo Guzzo 1978, 138 Nr. 14 Taf. 51(unsere Abb. 4); C. Martini 1990, 18. 24 Abb. 9a (um 90o gegen den Uhrzeigersinn gedreht: „Placenta“; Holländer 1912 198 f. Abb. 108 „Herz oder Wasserblase“; ferner ders. Florenz Archäol. Mus. 198 Abb. 106. 107 (alle um 180o gedreht; ebenso Bartoloni 1970, 266 f. Nr. 33 Taf. 21c („Teil des männlichen Geschlechtsorgans“); Bartoloni – Benedettini 2011,566 f.Taf. 72 h-l (Vesciche/Blasen); Museum von Modena, Alexander 1905, 179 Abb. 10. 11 Taf. 1/2; ders. ebenda Abb. 106. 107 (alle um 180o gedreht): „Skrotum“; Decouflé 1964, 26f. Abb. 14. 15 „Uterus“; Schauerte 2010, 54 Abb. 7(unsere Abb. 3); Holländer 1912 198 f. Abb. 108; ferner ebenda Abb. 106. 107 (alle um 1800 gedreht).
Kommentar: Stieda hatte das Objekt, Abb. 1 links, zunächst als Hoden gedeutet, wie auch Alexander, der diese Auffassung weiterhin vertrat[3] als Stieda längst davon abgekommen war. Neuerdings lebte die Interpretation als männliches Geschlechtsorgan oder als Teil desselben wieder auf. Auch die Verfasserin dachte anfänglich an Hoden mit den anliegenden Nebenhoden (Abb. 2)[4].
Abb. 2: Männliche Genitalien und Harnwege nach Spalteholz 1907. Hier: Caput und Cauda epididymidis, Ureteren.
[1] Stieda 1899, 230-243; Stieda 1901; Recke – Wamser-Krasznai 2008. Die beiden menschlichen Torsen mit geöffneter Leibeshöhle sind zwischen 2008 und 2015 von M. Recke weiter intensiv bearbeitet worden. Zu den „pyramidalen Objekten“: W. Wamser-Krasznai, Herzen? 2021, Homepage des Bundesverbandes Deutscher Schriftstellerärzte.
[2] Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24 Abb. 4, 24. S. 65 f. und S. 109.
[3] Vgl. Alexander 1905, 179 Taf. 1, 10. 11 („Skrotum“);
[4] Epididymis nach Spalteholz 1907, W. Wamser-Krasznai, Ungedruckte Magisterarbeit 1996, 42-44. „Probabilmente testicolo con vaso spermatico“, Baggieri 1996, 62 Abb. 57; MacIntosh Turfa 1994, 226 Abb. 20.1 D („Testis“).
Stieda, der sich gründlich mit der einschlägigen Literatur und den Stellungnahmen seiner Zeitgenossen befasst hatte, erkannte die Ähnlichkeit der ‚Beutel‘ mit den von ihm so genannten Nebenkörpern an Gebärmuttervotiven[5]. Allerdings irritierten ihn bei den Uterus-Nachbildungen die quer verlaufenden Runzeln, Falten und Streifen, sodass er sich in deren Einschätzung keineswegs sicher war. Am Ende hielt er sowohl seine „Nebenkörper“ als auch deren isolierte Exemplare für Harnblasen. Decouflé dagegen sah in den kleinen glatten ‚Beuteln‘ den Uterus. Das geht klar aus seiner Umzeichnung einer Eingeweidetafel[6] hervor, neben die er noch zwei Details skizzierte, Larynx und „Uterus“. Dabei weist er auf die Ähnlichkeit des letzteren mit Stiedas Nr. 24 hin (Abb. 1 links), ohne freilich dessen Deutung als Harnblase zu übernehmen.
[5] Stieda 1901, 108-120.
[6] Schauerte 2010, 54 Abb. 7; Decouflé 1964, 27 Abb. 14. 15 Taf. 11-12; Fabbri 2019, 33 Abb. 9; Lehmann 2006, 92 Abb. 35c; Kiderlen – Strocka 2006, 142 f. Nr. 60; „Etrusker in Berlin“ 2010, 73-75 Abb. 6.7; Parallele aus Falerii veteres, Tabanelli 1962, 44 Abb. 15.
Abb. 3 Heutiger Zustand der Tafel in Berlin, Inv. Tc 1333 Aufnahme der Verfasserin
Eine gut erhaltene Parallele aus dem Votivdepot des „Tempels der Minerva Medica“ in Rom wurde von Gatti Lo Guzzo und C. Martini als Mutterkuchen[7] gesehen, doch ist diesem Vergleich wegen des amorphen Zustandes der Säugetier-Placenta kaum zu folgen (Abb. 4).
Abb. 4: Aus dem Votivdepot der Minerva Medica. Nach E. Holländer 1912, 198 f. Abb. 108 (um 1800 gedreht
[7] Gatti lo Guzzo 1978, 138 Nr. 14 Taf. 51; C. Martini 1990, 18. 24 Abb. 9a (um 90o gegen den Uhrzeigersinn gedreht); anders Baggieri 1996, 62 Abb. 57; Holländer 1912, 198 f. Abb. 108.
Inv. T III-17 Flacher birnförmiger Gegenstand (Abb. 1 rechts)
Lit.: Recke – Wamser-Krasznai 2008, 67 und 109 f. Kat. Nr. 20 Abb. 35; Stieda 1899, 242; Stieda 1901, 109-112, S. 110; Pensabene 2001, 277 f. Nr. 284, Taf. 58 (um 1800 gedreht).
Stark glimmerhaltiger hellbrauner (7.5 YR 7/4), im Bruch mittelbrauner Ton (7.5 YR 6/5) mit grob sandigen Einschlüssen. Keine Reste von Engobe oder Bemalung.
L: 7,9 cm; B: 5,0 cm; T: 3,2 cm
Parallelen: Collezione Kircheriana, Pensabene 2001, 277 f. Nr. 284, Taf. 58 („Blase“); aus Fregellae, Ferrea1986, 138 Nr. 5.6 Taf. 83 („Votivblase“).
Über den Rücken des Objekts, das breiter und flacher ist als das Exemplar T III-16, läuft eine schmale Furche von geringer Tiefe.
Wir[8] halten also beide Objekte (Abb. 1) für Harnblasen. Die gewundenen ‚Schnüre‘, die sich bei besser erhaltenen Exemplaren des Typus T III-16 auf dem Rücken abzeichnen (Abb. 4) könnten auf ein Venengeflecht hindeuten[9]; die längs verlaufende Furche bei T III-17 wurde möglicherweise durch ein Ligament hervorgerufen.
Die ebenfalls häufigen Darstellungen des Organs in Kugelform geben vermutlich einen höheren Füllungsgrad der Blase wieder, an den sich das außerordentlich dehnbare Organ anpasst[10].
Dass es sich bei den Objekten um eine Vesica fellea (Gallenblase) handeln könnte, war von Stieda gar nicht erst erwogen worden. Er hatte Wiedergaben der Gallenblase in Darstellungen der Leberschau nur als lang gestreckt und dünn kennengelernt[11].
Wir wenden uns jetzt den Eingeweidetafeln zu.
In der Sammlung Stieda sind zwei Typen vertreten, die sich nach Form und Anordnung der Organe unterscheiden, sowie zwei menschliche Torsen, in deren Öffnungen innere Organe zu erkennen sind (Abb. 5[5]).
[8] Recke – Wamser-Krasznai 2008, 65 f. 109 f. ; Bartoloni – Benedettini 2011, 566 f. Taf. 72 h-l.
[9] Gatti lo Guzzo 1978, 138 Nr. 14 Taf. 51; C. Martini 1990, 18. 24 Abb. 9a; Baggieri 1996, 62 Abb. 57.
[10] Z. B. aus Lavinium, Fenelli 1975, 265 Abb. 358; Decouflé 1964, 28 f. Abb. 19. 20; Stieda 1901, 101 Nr. 11. 15. 26; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 112 f. Abb. 38. 39.
[11] F. P. Moog, in: Recke – Wamser-Krasznai 2008, 142-144 Abb. 60-62.
[12] Weibliches Gegenstück s. Recke – Wamser-Krasznai 2008, 120 Nr. 25 Abb. 47.
Abb. 5: Männertorso mit Fenster zum Leibesinneren T III-9
Aufnahme M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main
Eingeweidetafel Typ 1:
Instruktive Beispiele für komplette Tafeln dieses Typs zeigt Tabanelli 1962, 65 Abb. 30 b und 31 a[13].
Oberer Teil einer Eingeweidetafel, Inv. T III-34
Lit.: Lewis 2016/2017, 126 Abb. S. 35; M. Recke, Auf Herz und Niere, Spiegel der Forschung 25. 2, 2008, 58 Abb. 3a; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24 Abb. 4,14. S. 67. 110 Kat. Nr. 21a Abb. 36; Stieda 1901, 70 f. Taf. 4/5, 14; Tabanelli 1962, 70 f. Nr. 17.
Hellbrauner (7.5 YR 7/5) glimmerhaltiger Ton mit vielen Einschlüssen. Keine Spuren von Farbe oder Engobe.
H: 14,4 cm; B. 13,9 cm
Mittlerer Teil eines Eingeweidevotivs, Inv. T III-12 (Abb. 6)
Lit.: Recke 2008, 58 Abb. 3b; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 111 Kat. Nr. 21 b Abb. 37; Recke – Wamser-Krasznai 2008 Begleitheft,13 Abb. 25; Stieda 1901, 100 f; Tabanelli 1962, 70 f.
Hell rotbrauner Ton (5 YR 7/5) mit Spuren von Glimmer und vielen feinen dunkleren Einschlüssen. Keine Reste von Bemalung oder Engobe.
H: 14,4 cm; B: 12,1 cm
[13] Deutsches Archäologisches Insitut Rom; gleiche Anordnung der Organe bei einem männlichen Torso mit Einblick in die Leibeshöhle, Rom, Sambon 1895, 148 Abb. 5.
Abb. 6: T III-12
Aufnahme: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main
Abb. 7: T III-33
Aufnahme: M. Recke, Gießen/Frankfurt am Main
Mittlerer und unterer Teil eines Eingeweidevotivs, Inv. T III-33 (Abb. 7)
Lit.: Lewis 2016/2017, 126 Abb. S. 35; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24. 111-112 Kat. Nr. 21c Abb. 4, 11. 38; Stieda 1901, 100 f. Taf. 4/5, 11.Hell beige-rötlich brauner (10 YR 7/3-10 R 7/5) glimmerhaltiger Ton mit dunkleren Einschlüssen. Blaue Bemalung der `Gallenblase´. H: 11,5; B: 14,0 cm.
Unterer Teil einer Eingeweidetafel, Inv. T III-13
Lit.: Recke 2012-13, 402 Abb. 3; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 113 Kat. Nr. 21d Abb. 39; Stieda 1901, 100 f. Nr. 15 Taf. IV/V.
Glimmerhaltiger hellbrauner Ton (5 YR 7/5) mit dunklen Einschlüssen. Keine Engobe- oder Farbspuren.
H: 9,5 cm; B: 13,0 cm
Recke konnte dem Fragment ein Teilstück aus dem Fundus der über Jahrzehnte in den Kriegs- und Nachkriegswirren verschollen geglaubten Objekte zuordnen, Neues aus der Antikensammlung – Jahresbericht 2012-2013, 402, Abb 3.
Parallele: Votivdepot Minerva Medica Rom, C. Martini 1990, 18 Abb. 9 b (um 180o gedreht).
Mittlerer und unterer Abschnitt einer verschollenen Eingeweidetafel (Abb. 8)
Stieda 1901, 100 Abb. 26 Taf. IV/V; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24 Abb. 4. 114 Kat. Nr. 21 e Abb. 40; Tabanelli 1962, 70 f. Nr. 19.
H: 20,9 cm; B: 20,2 cm (nach Abbildung)
Abb. 8 nach Stieda 1901, 100 Taf. IV/V, 26
Kommentar zu Typ 1: Die Tafeln schließen nach oben als annähernd gleichseitige Dreiecke mit einer Spitze ab. Zwei darunter liegende Wülste bilden ebenfalls einen spitzen Winkel miteinander und nehmen eine kleine Kugel in die Mitte, ein Ensemble, das übereinstimmend als Herz mit den Lungenflügeln erkannt worden ist. Nach unten folgen zwei Paar langgezogene Wülste, die jeweils durch stumpfe Winkel miteinander verbunden sind. Das erste Paar stellt anscheinend das Zwerchfell dar[14], das zweite die „dreilappige Leber“, deren kleinerer mittlerer „Lappen auf dem verhältnismäßig großen Magen“ ruhe[15].
[14] Stieda 1901, 100.
[15] Stieda ebenda; de Lait – Desittere 1969, 23 f. Nr. 19 Taf. 7 Zeichnung.
Gegen diese Interpretation aber sprechen die tropfenförmige Gestalt des „Lappens“ und seine farbige Fassung, die ihn deutlich von der Umgebung absetzt (T III-33 Abb. 7[16]).
Im nächst tieferen Register schließt eine Sequenz von C-Schlingen an eine Sigma-Form an. Offenbar handelt es sich um Darmwindungen. Am unteren Rand sitzt ein kugeliges Objekt, darüber liegt horizontal ein breiter Wulst, der symmetrisch von zwei spindelförmigen Körpern flankiert wird. Stieda bezeichnet die kleine Kugel als Harnblase, die drei übrigen Gegenstände im untersten Register deutet er nicht. Andere Autoren sehen in den symmetrischen Organen die beiden Harnleiter (Ureteren), in dem breiten Gebilde dazwischen die Harnblase (Vesica urinaria) und in der kleinen Kugel am unteren Rand die Harnröhre (Urethra). Das weiter oben gelegene glatte Dreieck mit leicht abgerundetem Unterrand und aufliegendem ‚Tropfen‘ bezeichnen sie ebenso wie Stieda als „Magen“[17].
Wir schlagen stattdessen vor: der ‚Tropfen‘ mit seiner blauen, ursprünglich wohl grünen Farbe bietet sich förmlich als Gallenblase an, die sich vom großen Leberlappen, Stiedas „Magen“, wirkungsvoll abhebt[18]. Der Magen selbst und auch die Nieren sind bei diesem Modell nicht dargestellt, wie überhaupt die Eingeweide-Votive kein vollständig getreues Abbild der Natur geben. Bisweilen wird, wie bei unserem Typ 1, auf den Magen, die Milz und die Nieren verzichtet. Koroplast und Käufer bzw. Besteller setzten gewiss Prioritäten. So zeigt sich ja auch die Unterseite der Leber mit der Gallenblase in Frontansicht, d. h. nach oben herumgedreht. Die „intestinale Seite“ der Leber war und ist ja auch interessanter[19]! In der Sammlung Decouflé befindet sich der Torso eines jungen Mannes, der in der großen Öffnung seines Leibes eine vertikal positionierte Leber erkennen lässt, die aus zwei mächtigen Lappen, zwei kleinen Lobuli und der Gallenblase besteht, ein Ensemble, das die Nähe zu einer Terrakotta-Leber aus Falerii (Abb. 9) und dem Modell in der Hand eines Haruspex aus Volterra deutlich macht[20], wenn man es um 90o im Uhrzeigersinn dreht.
[16] Recke – Wamser-Krasznai 2008, 111 f. Abb. 38; eine dreilappige Leber (ohne Gallenblase) zeigt die männliche Figur mit geöffneter Leibeshöhle Stieda 1901 Taf. II, 5, hier unsere Abb. 3.
[17] de Laet – Desittere 1969, 23 f. Nr. 19 Taf. 7.
[18] Beim Menschen Lobus dexter, beim Schaf, das vielleicht für die etruskischen Terrakotta-Nachbildungen der inneren Organe Modell gestanden hat, sind die beiden Hauptlappen etwa gleich groß.
[19] Decouflé 1964, 28.
[20] Decouflé 1964, 28 f. Abb. 19- 21; Cristofani 1985, 141 mit Abb.
Abb. 9: Terrakotta-Leber aus Falerii Nach Cristofani 1985, 141 Abb. B
Auch der poliviscerale Torso Malibu[21] zeigt eine mehrlappige Leber mit der auf die Ansichtsseite projizierten Gallenblase. Magen, Milz und Nieren sind nicht dargestellt. Problematisch ist das unterste Register. Die paarigen Organe können nicht die Nieren darstellen, denn diese sind weiter oben positioniert und meist bohnenartig kurz und dick wiedergegeben (vgl. unseren Typ 2 Abb. 10). De Laet – Desittere bezeichnen sie als Ureteren, was jedoch ihrer Form als lange dünne Schläuche im Situs des gesunden Säugers widerspricht[22]. Decouflé freilich deutet einen voluminösen gebogenen Schlauch im linken Unterbauch seines Terrakotta-Jünglings als den linken Ureter, der scheinbar vom größten Leberlappen nach unten zur kugeligen Harnblase führt[23]. Könnte eine Harnleiter-Entzündung (Ureteritis) zu dieser Auftreibung geführt haben? Darstellungen krankhafter Veränderungen an Körperteilvotiven sind zwar bekanntlich eine Rarität, doch fällt dieser Einwand hier kaum ins Gewicht, weil nach Decouflé die tönernen Körperteile eher als Lehrmaterial an etruskisch-italischen Medizinschulen taugten denn als Kollektion anatomischer Votive[24]. Wie auch immer – Decouflés asymmetrischer „Harnleiter“, der eher einen Abschnitt des Darmes vertritt, steht den paarigen Organen im Unterbauch (Abb. 7) als Vergleichsbeispiel allzu fern. Sollten knöcherne Beckenteile, die Schambeine (Ossa pubis) etwa, als Rahmen der ableitenden Harnwege dienen? Unvorstellbar ist das nicht. Die kleine Kugel am Unterrand der Tafeln überzeugt als Harnblase, aber nicht als Harnröhre (Urethra) oder deren Mündung (Orificium urethae). Das oberhalb der Kugel gelegene Element könnte sowohl eine Harnblase vorstellen wie einen Darmabschnitt, beim weiblichen Situs sogar einen Uterus. Was bliebe dann für die kleine Kugel? Die Symphyse?
[21] s. F. P. Moog, in: Recke – Wamser-Krasznai 2008,131 -148, Abb. 57.
[22] de Laet – Desittere 1969, 23 f. Nr. 19 Taf. 7. Dagegen der „Ureter“ nach Spalteholz 1907, unsere Abb. 2.
[23] Decouflé 1964, 28 Abb. 20.
[24] Decouflé 1964, 19-24.
Typ 2:
Vollständige Tafeln dieses Typs, leicht variiert, in Modena: Tabanelli 1962, 69 Nr. 14 Abb. 35[25]; aus Veji: Bartoloni – Benedettini 2011, 577 f. Taf. 78 g.
Unterer Teil einer Eingeweidetafel, Inv. T III-10 (Abb. 10)
Lit.: Korobili 2016/2017, 127 Abb. S. 75; Recke – Wamser-Krasznai 2008, 24. 68. 114 f. Abb. 4, 27. Kat. Nr. 22 a Abb. 42; Stieda 1901, 101 f. Taf. 4/5, 27; Tabanelli 1962, 71 Nr. 20
Glimmerhaltiger hell rötlich-brauner Ton (5 YR 6/5) mit feinen sandigen Einschlüssen. Keine Engobe, Spuren dunkelbrauner Bemalung am linken Rand.
H: 10,4 cm; B: 18,0 cm; Stärke der Platte 0,7 cm – 1,2 cm, mit Relief 2,5 cm.
Abb. 10: T III-10
Aufnahme M. Recke/Gießen-Frankfurt am Main
Kommentar: Das horizontal gelagerte birnförmige Element setzt sich in Zick-Zack-Schlingen bis zum unteren Rand der Tafel fort. Damit sind offenbar Magen und Darm gemeint. Die paarigen nach innen konkaven Organe entsprechen den Nieren, von denen die rechte etwas höher positioniert ist als ihr schlankeres Gegenstück. Das pyramidale Gebilde links vor dem Ende des Darmes entspricht wohl der Harnblase. Für den spindelförmigen Wulst am rechten Rand kommt kaum etwas anderes in Frage als die Milz[26].
[25] Alexander 1905, 181 f. 184 Abb.18 Taf. 1/2; Fabbri 2019, 107 Abb. 60c..
[26] Bartoloni – Bendettini 2011, 577 Taf. 78 g; Stieda 1901, 101 f. Nr. 27. 28 Taf. IV/V; Alexander 1905, 182. 184 Taf. 1/2, 18.
Fragment einer stark verschliffenen Eingeweidetafel, Inv. T III-11
Lit.: Recke – Wamser-Krasznai 2008, 116 Kat. Nr. 22 b Abb. 43; Stieda 1901, 101 f. Taf. 4/5, 28.
Sandgemagerter glimmerhaltiger Ton, an der Oberfläche beige (10 YR 7/3), im Bruch mittelbraun (10 YR 6/4), im Kern grau (6/1).
H: 8,1 cm; B: 15,8 cm; Stärke der Platte 1,3 cm – 1,6 cm, mit Relief 2,3 cm. Kommentar: Hier sind lediglich einige vertikal angeordnete Schlingen zu erkennen (Darm). Davor deutet sich die Kegelform der ‚Blase‘ an. Links erscheint der untere Pol der rechten Niere, während die linke nur schemenhaft erhalten ist, ebenso wie der untere Abschnitt der ‚Milz‘.
Fragment einer verschollenen Eingeweidetafel (Abb. 11)
Lit. Recke – Wamser-Krasznai 2008, 117 Nr. 23 a Abb. 45; Stieda 1901, 102 Abb. 28 Taf. IV/V. Tabanelli 1962, 71 f.
H: 15,4 cm; B: 17,7 cm (nach Abbildung)
Abb.11: Nach Stieda 1901, Taf. 4/5, 28
Kommentar: Leicht variiert präsentieren sich die Abdominalorgane auf der nur als Abbildung vorhandenen Eingeweidetafel. An den runden ‚Magen‘ schließen sich die Darmschlingen an, Zick-zack-artig vertikal. Die paarigen ‚Nieren‘ sind auf gleicher Höhe positioniert. Unmittelbar oberhalb der linken Niere (auf der Abbildung rechts) folgt die fragmentierte spindelförmige ‚Milz‘. Der Abstand zwischen rechter Niere (auf der Abbildung links) und ‚Harnblase‘ ist geringer als bei T III-10.
Es zeigt sich, dass genügend Fragen offen bleiben.
Als die etruskisch-italischen Kunsthandwerker Körperteile und innere Organe formten, bedienten sie sich des Tones, eines billigen überall verfügbaren Werkstoffs, den sich auch ärmere Bevölkerungsschichten leisten konnten. Ihre Aufgabe bestand nicht darin, Werke von hoher wissenschaftlicher Präzision zu schaffen. Sie verfertigten Devotionalien, die ihre potentiellen Käufer erkennen konnten, da sie ungefähr, im Großen und Ganzen, die Bestandteile und das Innere eines vierfüßigen Wesens wiedergaben. Dabei waren die Wünsche der Kunden zu berücksichtigen, denen die Koroplasten die Qualität ihrer Arbeit und das günstige Preis-Leistungsverhältnis zu suggerieren versuchten.
Noch heute besteht keine Gewissheit darüber, ob und wann die antike Medizin auf dem Gebiet der Anatomie ein Niveau erreichte, das dem der Neuzeit annähernd entsprach. Die Kenntnis eines Handwerkers und das Verständnis des Käufers für die Verhältnisse im Inneren des Körpers gingen gewiss nicht so weit[27]. Der Koroplast musste vom Ertrag seiner Arbeit leben, der Offrant hingegen wollte seine Gottheit durch eine bescheidene Gabe erfreuen, wenn er sie um Hilfe bat oder für ihren Beistand dankte. Ob die Terrakotta-Organe den Ort des Leidens bezeichneten oder ähnlich wie Fußstapfen im Heiligtum die Anwesenheit des Gläubigen dokumentierten oder ob sie gar, wie Decouflé vermutete, den Anatomie-Schülern als Lehrmaterial dienten – werden wir das jemals wissen? Wenn wir der Bedeutung der nachgebildeten Organe so weit wie möglich näher kommen wollen, haben wir weiterhin mit derartigen Unsicherheiten zu rechnen.
[27] Fabbri 2019, 34 f.; Tabanelli 1962, 87-89.
Literatur:
Alexander 1905: G. Alexander, Zur Kenntnis der etruskischen Weihgeschenke, Anatomische Hefte Wien 90, 1905, 157-198
Baggieri 1996: G. Baggieri (Hrsg.), Speranza e sofferenza nei votivi anatomici della antichità (Roma 1996)
Bartoloni 1970: G. Bartoloni, Alcune terrecotte votive delle Collezioni Medicee ora al Museo Archeologico di Firenze, StEtr 38, 1970, 257-270
Bartoloni – Benedettini 2011: G. Bartoloni – M. G. Benedettini, Veio (Roma 2011)
Cristofani 1985: M. Cristofani, Die Etrusker (Stuttgart und Zürich 1985)
Decouflé 1964: P. Decouflé, La notion d’ex-voto anatomique chez les Étrusco-Romains, Latomus 72, 1964, 15-42
Fabbri 2019: F. Fabbri, Votovi anatomici fittili (Bologna 2019)
Ferrea – Pinna 1986: L. Ferrea – A. Pinna, Il deposito votivo, in: F. Coarelli (Hrsg.), Fregellae 2. Il Santuario di Esculapio (Roma 1986) 89-144
Gatti Lo Guzzo 1978: L. Gatti Lo Guzzo, Il deposito votivo dall‘ Esquilino detto di Minerva Medica (Firenze 1978)
Holländer 1912: E. Holländer, Plastik und Medizin (Stuttgart 1912)
Korobili 2016/2017: G. Korobili, Ernährung Leben und Gesundheit des beseelten Körpers, in: Die Seele ist ein Oktopus. Antike Vorstellungen vom belebten Körper (Berlin/Ingolstadt 2016/2017) 127 Abb. S. 75
S. J. de Laet – M. Desittere, Ex voto anatomici di Palestrina del Museo Archeologico dell‘ Università di Gand, L’Antiquité classique 38, 1969, 16-25
Lewis 2017: O. Lewis, Gehirn und Herz als Organe der Seele, in: Die Seele ist ein Oktopus. Antike Vorstellungen vom belebten Körper (Berlin – Ingolstadt 2017) 37-45
MacIntosh Turfa 1994: J. MacIntosh Turfa, Anatomical Votives and Italian Medical Traditions in: R. D. de Puma – J. Penny Small, Murlo and the Etruscans. Art and Society in Ancient Etruria (Madison – London 1994) 224-240
C. Martini 1990: C. Martini, Il deposito votivo del Tempio di Minerva Medica (Roma 1990)
Pensabene 2001: P. Pensabene, Le terrecotte del Museo Nazionale Romano II. Materiale dai depositi votivi di Palestrina (Roma 2001) Anatomici 258-278
Recke 2008: M. Recke, Auf Herz und Niere, Spiegel der Forschung 25. 2, 2008, 3. 56-63
Recke 2013: M. Recke, Jahresbericht aus der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität Gießen 2012-2013, in: Mitteil. d. Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 98, 2013, 400-408, hier 402 Abb. 3
Recke – Wamser-Krasznai 2008: M. Recke – W. Wamser-Krasznai, Kultische Anatomie (Ingolstadt 2008)
Sambon 1895: L. Sambon, Donaria of Medical Interest, British Medical Journal II, 1895, 146-150. 216-219
Schauerte 2010: G. Schauerte, Archäologie des Krieges (Berlin 2010) 54
Stieda 1899: L. Stieda, Über alt-Italische Weihgeschenke, RM 14, 1899, 230-243
Stieda 1901: L. Stieda, Über die ältesten bildlichen Darstellungen der Leber. Anatomisch-Archäologische Studien I (Wiesbaden 1901) 1-48
Stieda 1901: L. Stieda, Anatomisches über Alt-Italische Weihgeschenke (Donaria) Anatomisch-Archäologische Studien I (Wiesbaden 1901) 51-131
Tabanelli 1962: M. Tabanelli, Gli ex-voto poliviscerali etruschi e romani (1962)
-
Goethe, Schiller – Kreativität trotz Krankheit
hesse-beitrag-Hesse_Goethe-Schil-ler-Kreativitaet-trotz-Krankheit-2-8-2022-mit_-1
Außerordentliche Persönlichkeiten werden häufig anhand ihrer Leistungen dargestellt und dabei wird oft vergessen, unter welch schwierigen Bedingungen diese, häufig im Kampf mit sich und gegen sich selbst, erbracht worden sind.
Dies trifft zu einem beachtlichen Teil auch auf die Darstellung unserer großen Dichter Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller zu. Anhand der Lebenslaufs beider Dichter soll aufgezeigt werden, was ein zielgerichteter starker Wille vermag, ein Wille, der auch in schweren körperlichen und seelischen Belastungssituationen eine hohe Kreativität trotz des gestörten gesundheitlichen Befinden ermöglicht.
So kann die Art der Krankheitsbewältigung durch Schiller und Goethe, beispielgebend für Menschen unserer Zeit sein, die sich selbst temporär oder auch länger dauernd in einer schwierigen physischen oder psychischen persönlichen Situation befinden. -
Auf die Bitte der Natur, Ihr Mächtigen, helft mir nur Die Welt so zu gestalten Um sie Euch zu erhalten. Antworten sie Wir arbeiten daran An dem großen Plan Die Welt aus den Klimaketten Zu befreien und zu retten. Wir arbeiten daran Schauen bereits die Pläne an Die wir erst morgen sehen Und uns im Wege stehen. Wir planen wie die Affen Mehr können wir nicht schaffen Die Experten stehen bereit. Sie brauchen ihre Zeit. So denn Beratet, wartet bis zum Tod Dann endet jede Not Dass Leben auf der Erde Erhalten werde.
-
Once upon a time in the realm towards the sunrise and far away, there lived a fisherman YI-SHITOU 宝石 (free translation in English signifies: a gemstone). The town, where he lived, was small and has finally fallen asleep. The towns- people, still practised ancient customs dating back many centuries, and they still wore traditional clothing. Their way of life was simple, and it was common place to see little old women washing their vegetables in the town well. The others were hard at work on their farms. YI-SHITOU was known for his special method of fishing, which was without a line and hook, but with a straight metal rod on which the fish would jump onto. After stroking the fish, he freed them back into the river. This remarkable way of fishing became well known, and the fame of the famous fisherman reached the ears of the Emperor of China himself.
One day YI-SHITOU was fishing with his straight rod. The river was flowing gently, the birds were singing sweetly, and the fish jumped voluntarily onto the straight metal rod. Suddenly, a horse drawn gold gilded carriage appeared. The coachman opened the door bowed with veneration, and the Emperor of China himself stepped down from the carriage. The Emperor of China realized that the old man possessed mystic powers and invited him to explain his astonishing method of fishing. YI-SHITOU told the Emperor that the magic rod is a piece of an old counting frame (abacus). With this rod, he was able to calculate the exact day and hour to visualize a rainbow. Thereby, the rod allowed him to follow the rainbow and to travel vast distances. However, when he returned from those travels, what he thought had been a day’s journey, had in fact taken many years. Afterwards, YI-SHITOU promised to the Emperor to visit his descendants on his return from his long journey. The Emperor thanked him and returned to his palace.
Many thousand years have elapsed since the odd fisherman described a strange happening, the travel that seemed a single day’s journey for him, but which in fact lasted many years for the villagers. Had the odd fisherman delivered his promise and visited the Emperor’s descendants after his long travels?
Polybahn known as Studenten-Express 1899
The answers came at the end of 19th century. During this period in the University-town of Zurich, there lived a poor student called Albert.
Connection between downtown Zurich and the University was a track for a wheeled vehicle. This connection formed a straight rod. The students jumped voluntarily onto this vehicle, as the fish jumped onto the fisherman’s magic rod. (As described in the legend) The time: taken up to the University was three minutes, to downtown, two minutes. This time difference, for such a same short distance, was for Albert peculiar. He postulated, that if we keep our speed accelerated while others stand still, our clock will go slower than the clock of others. He answered to the question: “What does the twin’s paradox tell us about time?” Relativity dictates that, when one of the twins comes back, he looks much younger than his identical twin brother. This so called «time dilation» is a part of his Theory of Relativity.
Albert, today known as Professor Albert Einstein was from his birth-date on closely linked to the mathematics. Born on March 14th which written numerically as 3.14 is the number π. Number π is one of the most important mathematical constants. Nowadays, the time dilatation applies to satellites that orbit the Earth, as they move forward in time. The satellites and advanced technology are part of the World Wide Web, we know today. Advanced technology is indistinguishable from the magic!
Dr. med. André Simon
Reprint Schweizerische Ärztezeitung 2011;92: 42
Translater´s note:
We know the effect of time-dilation also from the novel and film „Around the world in 80 days“, where Phileas Fogg bets that he will surround the world within 80 days. When arriving back in London where he had started the journey, he is depressed and disappointed, because he thinks, he is one day too late, because he had experienced 80 days. Then after looking at the date of a newspaper, he realizes that by traveling eastwards he had gained one day. So finally he won the bet.
Übersetzung von Dietrich Weller
Zeitreise
André Simon
Es war einmal im Reich des Sonnenaufgangs und weit entfernt, da lebte ein Fischer namens Yi-Shitou (frei übersetzt: Edelstein). Die Stadt, in der er lebte, war klein und schließlich eingeschlafen. Die Stadtleute übten immer noch Gewohnheiten aus, die Jahrhunderte alt waren, und sie trugen traditionelle Kleidung. Ihr Lebensstil war einfach, und es war üblich, eine Frau zu sehen, die ihr Gemüse im Dorfbrunnen wusch. Die anderen arbeiteten hart auf ihren Bauernhöfen. Yi-Shitou war bekannt für seine besondere Form des Angelns – ohne Schnur und Haken, sondern mit einem geraden Metallstab, auf den die Fische sprangen. Nachdem er den Fisch liebkost hatte, ließ er ihn wieder ins Wasser frei. Diese bemerkenswerte Art des Angelns wurde sehr bekannt, und der Ruf des berühmten Fischers drang bis zu den Ohren des Kaisers von China vor.
Eines Tages war Yi-Shitou gerade dabei, mit seinem geraden Stab zu angeln. De Fluss strömte sanft, die Vögel sangen lieblich, und der Fisch sprang freiwillig auf den Metallstab. Plötzlich erschien eine goldverzierte Pferdekutsche. Der Kutscher öffnete die Tür, verbeugte sich in Verehrung, und der Kaiser von China persönlich stieg aus der Kusche herunter. Der Kaiser von China erkannte, dass der alte Mann mystische Kräfte besaß und lud ihn ein, seine erstaunliche Methode des Angelns zu erklären.
Yi-Shitou erklärte dem Kaiser, dass der magische Stab ein Teil eines alten Rechenrahmens (Abakus) war. Mit seinem Stab war er in der Lage, den genauen Tag und die Stunde zu berechnen, um einen Regenbogen zu sehen. Dadurch erlaubte der Stab ihm, dem Regenbogen zu folgen und weite Entfernungen zu reisen. Wenn er jedoch von diesen Reisen zurückkam, von denen er dachte, sie haben nur einen Tage gedauert, hatten sie tatsächlich viele Jahre gedauert. Anschließend versprach Yi-Shitou dem Kaiser, auf dem Rückweg von seinen langen Reisen dessen Abkömmlinge zu besuchen. Der Kaiser dankte ihm und kehrte in den Palast zurück.
Viele tausend Jahr sind verstrichen, seit der seltsame Fischer eine befremdliche Erscheinung beschrieben hat: die Reise, die ihm wie eine Tagesreise erschienen war, aber tatsächlich für die Dorfbewohner viele Jahre gedauert hatte. Hat der seltsame Fischer sein Versprechen gehalten und die Abkömmlinge des Kaisers nach seinen langen Reisen besucht?
Die Antwort tauchte Ende des 19. Jahrhunderts auf. Während seiner Zeit in der Universitätsstadt Zürich, lebte dort ein armer Student namens Albert.
Eine Verbindung zwischen der Innenstadt von Zürich und der Universität war eine Schiene für ein Gefährt mit Rädern. Diese Schiene bildete einen geraden Stab. Die Studenten sprangen freiwillig auf das Gefährt wie der Fisch auf den magischen Stab des Fischers. (Wie in der Legende beschrieben.) Die Zeit bis zur Universität dauerte drei Minuten, zur Innenstadt zwei Minuten. Der Zeitunterschied für solch eine gleiche kurze Entfernung war für Albert besonders wichtig. Er behauptete, wenn wir unsere Geschwindigkeit beschleunigen, während andere still stehen, geht unsere Uhr langsamer als die Uhr der anderen. Er antwortete auf die Frage „Was sagt uns das Zwillings-Paradoxon über Zeit?“ Relativität legt fest, wenn einer der Zwillinge zurückkommt, sieht er viel jünger aus als sein identischer Bruder. – Diese sogenannte Zeitdehnung ist ein Teil seiner Relativitätstheorie.
Albert, heute bekannt als Professor Albert Einstein, war von seinem Geburtstag an eng mit der Mathematik verbunden. Geboren am 14. März, zahlenmäßig geschrieben 3,14, ist die Zahl π. Die Zahl π ist eine der wichtigsten mathematischen Konstanten. Heutzutage bezieht sich die Zeitdehnung auf Satelliten, die die Erde umkreisen, da sie sich in der Zeit vorwärts bewegen. Die Satelliten und die fortgeschrittene Technologie sind Teil des World Wide Web, das wissen wir heute. Fortgeschrittene Technologie ist nicht unterscheidbar von Magie!
Bemerkung des Übersetzers:
Wir kennen den Effekt der Zeitdehnung auch von dem Roman und Film „In 80 Tagen um die Welt“, in dem Phileas Fogg wettet, dass er die Erde in 80 Tagen umrunden könne. Als er nach London zurückkehrt, von wo er die Reise begonnen hatte, ist er deprimiert und enttäuscht, weil er glaubt, er sei einen Tag zu spät, weil er 80 Tage erlebt hatte. Dann erkennt er nach einem Blick auf das Datum einer Zeitung, dass er während der Reise Richtung Osten einen Tag gewonnen hatte. Also gewann er die Wette am Ende doch noch.
-
Ich möcht` so gerne einen Schlager schreiben –
Von Herz und Schmerz und Lust und Leid und so.
Und anderen und mir die Zeit vertreiben,
Den Augenblick genießen, unbeschwert und froh.Wie oft hat man es schon versucht, dem Ernste zu entfleuchen,
Emporzusteigen aus dem engen Tal,
Die Grübeleien wegzuscheuchen,
Doch stand im Weg der intellektuelle Sündenfall.Dort auf dem Berge wohnt das Licht –
Hinaus aus tiefer, düstrer Enge
Der Aufstieg nimmt die letzten Kräfte nicht,
Dort oben tönen and`re Klänge.
Und neue Kräfte werden frei,
Sie schaffen uns das Einfach – Wahre.
Die Grübeleien sind vorbei.
Es gilt nur noch das Helle, Klare.Und also weitet sich der Sinn
Und heiter kann ich wieder abwärts steigen
Mit der Erkenntnis: Nicht der Welt entflieh`n –
Ihr ist nicht nur der Ernst zu eigen!
Denn ernst ist jede Heiterkeit.
Ohn` tief`re philosophische Gedanken,
Nur soviel: Alles kommt zu zweit –
Die Rose mit der Dornen Ranken.
Drum möcht` so gern ich einen Schlager schreiben,
Von Herz und Schmerz und Lust und Leid und so.
Das eine wie das andere nicht übertreiben –
So zwischen zappenduster – lichterloh. -
Frau Dr. Gross ist seit fast zwei Jahren Mitglied im BDSÄ und hat mich jetzt gefragt, wie sie bei den Corona-Einschränkungen und mehrfach abgesagten Jahreskongressen Kontakt zu anderen Mitgliedern aufnehmen kann. Deshalb veröffentliche ich hier ihre Vita und drei Bilder, die sie mir geschickt hat. Jetzt können die Mitglieder die Homepages der Kollegin lesen und mit ihr in Kontakt treten.
Mit freundlichem Gruß,
Dietrich WellerVita
Dr. med. Ruth Gisela Gross, gebürtiger Steinbock, aufgewachsen seit den späten Fünfzigern in den bayerischen Bergen und an den Seen, Freundin der Bohème in der bayerischen Hauptstadt.
Früh neugierig und in vieler Herren und Damen Länder unterwegs, stets den Menschen und dem Schreiben zugewandt. Internship in NYC. Als Internistin und als Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Psychoanalytikerin dem Inneren auf der Spur. In all den Jahren gab es Wendepunkte: Medizinjournalistische Tätigkeit, Reiseberichte, Dozentin für Psychosomatische Medizin, Balintgruppenleiterin, Leiterin einer psychotherapeutischen Beratungsstelle, eigene Praxis – neuerdings: Impfärztin.
Verheiratet, drei erwachsene wunderbare Kinder.
Die Ärztin: http://www.drgrossgisela.de
Die Autorin: http://www.ruthggross.de. –
2019 Debut des Familienromans „Elsas Tochter“ im Scholastika-Verlag.
Hier gibt es einen Link zu einer Lesung von Frau Dr. Gross über diesen Roman:Quelle: YouTube – https://www.youtube.com/watch?v=bRrDAAl-T0w
Diverse Beiträge zu Anthologien. Zweites Romanmanuskript „In meines Vaters Haus“ fertiggestellt, dritter Roman in Arbeit…
Mitglied im Verein deutscher Schriftsteller:innen, im Monteségur Autorenforum, im Freien deutschen Autorenverband (FDA Bayern)
-
(19.11.2021)
Um von der grenzenlosen Schönheit
dieser endlichen Unendlichkeit
tief ergriffen zu sein
reicht mir ein herbstliches
durchlöchertes buntes Blatt֎֎֎
-
25.08.2021
Belegstellen aus dem Gallischen Krieg (Caes. Gall.) sind im Text durch in Klammern gesetzte römische und arabische Ziffern gekennzeichnet. Auf die einschlägigen Passagen aus der Germania des P. Cornelius Tacitus (Tac. Germ.) wird mit Fußnoten hingewiesen. Wörtliche Zitate aus den Übersetzungen ins Deutsche stehen in Kursivschrift. Die Verfasserin hat versucht, sich möglichst eng an die lateinischen Quellen zu halten.
Gallien in seiner Gesamtheit gliedert sich in drei Teile; davon bewohnen einen die Belger, einen anderen die Aquitaner, den dritten diejenigen, die in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier genannt werden (I 1,1[1]). Sie unterscheiden sich in Sprache und Gebräuchen sowie in den staatlichen Einrichtungen. Zu jener Zeit nimmt Aquitanien nach Ausdehnung und Einwohnerzahl … ein Drittel ganz Galliens ein (III 20, 1). Die beiden Landesteile werden von der Garonne/Garunna getrennt.
Am tapfersten sind die Belger. Sie wohnen nämlich am weitesten entfernt von der Kultur und Zivilisation der römischen Provinz, sind nicht durch eingeführte Luxusgegenstände verweichlicht und üben sich in ständiger Fehde mit ihren unmittelbaren Nachbarn, den rechtsrheinischen Germanen (I 1, 2.3). Ähnlich verhält es sich mit den keltischen Helvetiern, deren kleines Land, eingeengt zwischen dem breiten und tiefen Rhein/Rhenus, dem hoch ansteigenden Jura und der Rhone[2] (Rhodanus) sowie dem Genfer See/Lacus Lemannus sich fast täglich gegen die germanischen Nachbarn wehren muss (I 1, 4 und I 2, 3). Beim Eintreffen Caesars – er spricht von sich stets in der dritten Person – führten Haeduer und Sequaner die gallischen Stämme an (VI 12, 1.2). Durch ihr Gebiet fließt die Saône/Arar und zwar mit einer so geringen Strömung, dass man ihre Fließrichtung nicht wahrnimmt (I 12, 1[3]).
Geltung und Ansehen genießen in Gallien nur Druiden und Ritter; alle übrigen Bevölkerungsteile sind rechtlos (VI 13). Die Druiden versehen den Götterdienst, sorgen für die Opfer und legen die religiösen Satzungen aus. Als härteste Strafe gilt der Ausschluss vom Gottesdienst. Verlockt durch die großen Vorrechte der Druiden gehen viele junge Männer freiwillig bei ihnen in die Lehre. Es heißt, dass sie dort Verse in großer Zahl auswendig lernen, denn es gilt bei ihnen als Sünde, etwas schriftlich niederzulegen. Sie wollen nicht, dass ihre Lehre unter der Menge verbreitet werde noch dass die Schüler sich auf das Geschriebene verlassen und das Gedächtnis zu wenig üben. Vor allem wollen sie davon überzeugen, dass die Seelen nicht vergehen, sondern nach dem Tode von einem zum anderen wandern. In Staats- und Privatangelegenheiten benützen sie die griechische Schrift (VI 14).
Ritter haben keine andere Aufgabe als Kriege zu führen. Ihre Bedeutung wächst mit der Zahl der Gefolgsleute (VI 15).
Die Gallier sind sehr religiös. Gewöhnlich opfern sie ihren Göttern Tiere, bei schwerer Krankheit, Kampf und Gefahr aber auch Menschen. Wenn die Zahl der Verbrecher dazu nicht ausreicht, müssen auch Unschuldige herhalten (VI 16). Die Leichenbegängnisse sind aufwendig und prächtig. Was dem Verstorbenen im Leben teuer war, wird im Feuer mit verbrannt, kurz vor unserer Zeit sogar Sklaven und Hörige (VI 19, 4). Von den Göttern verehren sie besonders Merkur (keltisch Teutates). Dann folgen Apollo (Belenos), Mars (Esus), Jupiter (Taranis) und Minerva, deren keltischer Name nicht genannt wird. Ähnlich wie bei anderen Völkern gilt Apollo als heilkundig, Minerva kümmert sich um Handwerk und Künste, Mars ist Kriegsgott und Jupiter herrscht über die anderen Götter (VI 17). Auf den Vater Dis (lat. Pluto, Gott der Unterwelt) führen die Gallier ihre Abstammung zurück (VI 18).
Sie leben in Städten, Dörfern und Einzelgehöften (I 5, 2). Als ein von Natur aus hervorragend geeigneter Wohnsitz gilt ihnen eine Stadt mit steilen abschüssigen Felsabhängen ringsum, sowie mit einem sanft ansteigenden Zugang, den eine sehr hohe doppelte Mauer mit gewaltigen Steinen und Palisaden schützt (II 29, 3). Zum Haushalt steuern Mann und Frau gleich viel bei, aber der Mann hat Gewalt über Leben und Tod der Frauen, Kinder und Sklaven. Zutritt zum Vater erhalten in der Öffentlichkeit nur die erwachsenen Söhne (VI 19, 1-3).
Von Charakter sind die Gallier neugierig und unbeständig, in ihren Beschlüssen wankelmütig und auf Umsturz bedacht (II 1, 3; IV 5, 1. 2 und 13, 2.). Ihrer Neugierde tragen die Behörden Rechnung, indem sie Gerüchte, die den Staat betreffen, nur der Obrigkeit melden oder in der Volksversammlung berichten lassen und niemandem sonst (VI 20, 2).
Ganz anders ist die Lebensweise der Germanen (I 31, 11). Sie haben keine Druiden und halten auch nicht viel von Opferhandlungen. Als Götter gelten ihnen Sonne, Mond und Feuer, deren Eingreifen sie sichtbar wahrnehmen und augenscheinlich erfahren (VI 21, 2). Tacitus schildert ihren Glauben differenzierter. Wieder sei es Merkur, den sie am meisten verehren und dem sie an bestimmten Tagen auch Menschenopfer darbringen zu müssen glauben. Dann folgen Herkules und Mars. Ein Teil der Sueben opfert auch der Isis, deren heiliges Zeichen, eine Barke, auf die Einführung ihres Kultes auf dem Seewege hinweise. Im Übrigen glauben die Germanen, dass es mit der Hoheit der Himmlischen unvereinbar sei, sie mit menschlichen Zügen auszustatten; sie weihen Lichtungen und Haine [4].
Bei den Sueben, dem bei Weitem größten und kriegerischsten Stamm, stehen die erwachsenen Männer ständig unter Waffen. Agri culturae non student. Nur ein Jahr lang bleiben sie an einem Ort, dann ziehen sie weiter. Während Caesar den Germanen eine Art Agrarkommunismus zuschreibe (VI 22, 1-3) berichtet Tacitus rund 150 Jahre später von einer Aufteilung des ackerbaufähigen Landes nach Rang und Würde[5]. Ungebundenes Leben, Abhärtung, tägliche körperliche Übung und Keuschheit wenigstens bis zum 20. Lebensjahr lassen ungeheuer große Menschen heranwachsen (IV 1, 9. VI 21, 4), deren Miene und stechenden Blick die Gallier kaum ertragen könnten (I 39, 1). Im kältesten Klima tragen die Germanen ausschließlich Felle, die einen großen Teil des Körpers unbedeckt lassen, und sie baden in den Flüssen. Ihre kleinen unansehnlichen Pferde reiten sie ohne Sattel.
Bei der Ernährung spielt Brot keine große Rolle. Sie leben von Milch, Kleinvieh und Jagdbeute. Wein lassen sie nicht einführen, da dieser die Widerstandskraft breche und die Männer so schwächlich wie Frauen mache (IV 1. 2). Wieder äußert sich Tacitus abweichend: Als Getränk dient ihnen eine Flüssigkeit aus vergorenem Getreide; die Anwohner des Rhein- und Donauufers kaufen sich auch richtigen Wein…Wenn man ihnen so viel zu trinken gäbe wie sie wollen, wird man sie ebenso leicht durch ihre eigenen Laster wie durch Waffengewalt bezwingen können[6].
In Friedenszeiten gibt es keine zentrale Führung, nur im Krieg werden militärische Oberbefehlshaber gewählt (VI 23, 5-8). Auch herrsche der Brauch, dass die Frauen (matres familiae) den Ausgang einer Schlacht vorhersagen. Vor dem Neumond zu kämpfen sei zu vermeiden, denn dann stehen die Zeichen schlecht (I 50, 4 f.[7]). Mit breiten Flächen unbebauten Landes versuchen die Germanen ihre Grenzen zu sichern (IV 3, 1-3). Daher liegt, wie es heißt, auf der einen Seite des Suebenlandes das Land ungefähr 600 Meilen breit brach. An der andern Seite schließen sich die Ubier an… Sie sind etwas zivilisierter als [die anderen Stämme], weil sie am Rhein wohnen … und sie sich wegen der Nachbarschaft an gallische Sitten gewöhnt haben…Die fruchtbarsten Gegenden Germaniens [liegen] um das Herzynische Waldgebirge, das sich vom Gebiet der Helvetier, Nemeter und Rauraker parallel mit dem Donaulauf bis zum Gebiet der Daker, also etwa bis an die Theiss, erstreckt (VI 25, 3). Die Schilderung der phantastischen Tierwelt, Arten, die man anderswo nicht sieht, traut man einem so nüchternen Staatsmann und Heerführer wie Caesar nicht zu. Insbesondere der Absatz über die Elche, die keine Knöchel und Gelenke haben und im Stehen an Bäume gelehnt schlafen, sodass sie durch Ansägen dieser Bäume leicht gefangen werden können, wird zumeist für Interpolation und Kolportage gehalten (VI 27, Anm. 256-258 und S. 521: Caesars Glaubwürdigkeit).
Ein anderes unermesslich großes Waldgebirge, der Bacenische Wald, umfasst das Hessische Bergland, den Harz, den Thüringer Wald und das Erzgebirge (VI 10, 5 Anm. 235). Der Rhein, Schicksalsstrom schon zur Zeit Caesars, entspringt im Gebiet der Lepontier, eines Alpenstammes, und fließt reißend in einer langen Strecke durch das Land der Nemeter, Helvetier, Sequaner… und Treverer, teilt sich in Meeresnähe in mehrere Arme, bildet zahlreiche große Inseln, von denen ein großer Teil von wilden Völkern bewohnt wird, darunter einigen, die von Fischen und Vogeleiern leben sollen, und fließt in vielen Armen in den Ozean (IV 10, 2-5).
Für Caesar ist die Rheingrenze eine ständige – wie man heute bis zum Überdruss zu sagen liebt – Herausforderung. Germani qui trans Rhenum incolunt (I 1, 3). Während in Gallien die Haeduer und Averner um den Vorrang streiten, sei es dazu gekommen, dass von beiden Stämmen Germanen als Söldner angeworben wurden. Von diesen hätten anfangs nur ungefähr 15 000 den Rhein überschritten. Als aber diese wilden Barbaren am Lande, an der Kultur und Wohlhabenheit der Gallier Geschmack gefunden hätten, seien mehr übergesetzt. Jetzt seien in Gallien schon an die 120 000 Mann. Gegen diese …hätten sie eine schwere Niederlage erlitten…In wenigen Jahren werde es so weit sein, dass sie alle vom gallischen Boden vertrieben würden und alle Germanen den Rhein überschritten. (I 31, 3-6 und10 f.) Es sei nämlich so, dass „die Germanen sich allmählich daran gewöhnten, … in großen Massen nach Gallien zu kommen“. Darin sah auch Caesar eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das römische Volk, da die wilden Barbaren, wenn sie erst einmal ganz Gallien besetzt hätten, sich nicht zurückhalten würden … in die Provinz [Provence] einzudringen und von dort nach Italien zu ziehen, zumal nur die Rhône das Land der Sequaner von unserer Provinz trenne (I 33, 3.4). Nach Beendigung des Germanenkrieges beschloss Caesar … den Rhein zu überschreiten (IV 16, 1). Auf seine Forderung an die Sugambrer, einen germanischen Stamm zwischen Sieg, Lippe und Rhein, ihm die Gegner, die bei ihnen Schutz gesucht hatten, auszuliefern, erhielt er zur Antwort: Der Rhein sei die Grenze der Herrschaft des römischen Volkes…warum fordere er [Caesar] da überhaupt etwas an Macht und Herrschaft rechts des Rheines? (IV 16, 4). So entschließt sich der Feldherr, den Germanen Schrecken einzujagen, an den Sugambrern Rache zu nehmen und die Ubier von ihrer Bedrängnis zu befreien. Letztere hatten ihn darum gebeten, wenigstens ein Heer über den Rhein zu setzen. So ließ er in der Gegend von Köln eine Brücke über den reißenden Strom schlagen (IV 16, 7-8. 17, Anm. 160). Nach einem Aufenthalt von nur wenigen Tagen im Feindesland, wo er nach eigenen Aussagen hemmungslos gewütet hatte, erfuhr er, dass sich die Germanen im Gebiet der Sueben zusammenrotteten und sich zur Entscheidungsschlacht rüsteten. Er marschierte daraufhin nach Gallien zurück und ließ die Brücke wieder abbrechen, bestrebt seinen Misserfolg zu verschleiern (IV 19, Anm. 162). Als er aber ins Land der Treverer gekommen war, beschloss er neuerdings, den Rhein zu überschreiten …und ließ etwas oberhalb der Stelle, an der er schon einmal das Heer hinübergeführt hatte, eine Brücke schlagen (VI 9, 1-4, in der Nähe von Bonn, Anm. 234). Die Treverer, ein keltischer Stamm mit rechtsrheinischen Kontakten und germanischen Wurzeln[8], die sich ebenso wie die Ubier auf das Taktieren verstanden, baten Caesar um Schonung, damit nicht bei dem allgemeinen Hass gegen die Germanen Unschuldige statt Schuldiger büßten (VI 9, 7). Als Caesar nun durch die ubischen Spähtrupps erfuhr, dass die Sueben sich in die Wälder zurückgezogen hatten, beschloss er aus Furcht vor Proviantmangel – die Germanen kümmern sich allesamt, wie erwähnt, sehr wenig um Ackerbau – nicht weiter vorzurücken (VI 29, 1). Zwar blieb der Brückenbau als solcher erhalten, doch ihren letzten Teil… am ubischen [rechtsrheinischen] Ufer lässt er einreißen (VI 29, 3), den Brückenkopf am linken Rheinufer aber verstärken. Von nun an konzentriert Caesar alle militärischen Kräfte gegen die Gallier in Gallien (VI 29, 4-VIII).
Quellen:
1. Julius Caesar, Der Gallische Krieg, Lateinisch-Deutsch, Herausgeber: G. Dorminger. Artemis Verlag, Sammlung Tusculum (München – Zürich 81986)
2. Tacitus, Germania. Lateinisch- Deutsch (Leipzig, Lizenz Wiesbaden o. J.)
Dem Aufsatz liegt ein Referat im Mittel-Seminar Alte Geschichte 1989, „Caesar als Historiker“, Prof. Dr. Helga Gesche, JLU Gießen, zu Grunde.
[1] Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, alteram Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Keltae nostra Galli apellantur.
[2] Eigentlich: der Rhone, frz. le Rhône.
[3] Flumen est Arar, quod per fines Haeduorum et Sequanorum in Rhodanum influit incredibili lenitate, ita ut oculis, in utram partem fluat, iudicari non possit.
[4] Tac, Germania 9.
[5] Tac, Germania 26.
[6] Tac. Germ. 23.
[7] Tac. Germ. 8. 10.
[8] Tac. Germ. 28.