Kategorie: Gedichte

  • Mehrgenerationenhaus

    (3.5.2018)

     

    Vom betörenden Duft angezogen
    entdecke ich Blüten und Früchte
    dicht nebeneinander
    an einem Zitronenbaum
    Fröhlich fange ich an
    mögliche Wohnformen auszumalen

    ֎֎֎

  • Hebamme

    (2.5.2018)

     

    Ihnen vermittelte ich etwas
    wie ein leuchtendes Lavendelfeld:
    Ihr braucht keinen Anführer
    keinen Leiter
    höchstens eine Hebamme
    denn ein Stück Sonne
    trägt jeder von euch
    im Herzen

    ֎֎֎

  • Grundlage

    (3.5.2018)

     

    Die laufende menschliche Misere
    ist auch dadurch bedingt
    dass in vielen Menschen
    ein Stück vom Dritten Reich steckt:
    Nach oben ducken
    nach unten treten

    ֎֎֎

  • Kontraste

    (28.4.2018)

     Aus dem Zug betrachtend
    blauer Himmel
    schimmernde Bergspitzen
    bedeckt mit Schnee
    altes Grün neben Frühlingsgrün
    blau-grüner See
    In der Großstadt angekommen
    bedrückendes Grau
    Was haben wir Menschen
    dabei gedacht

    ֎֎֎

  •  

    Tradition

        (26.4.2018)

    Als die Vasallen
    einer nach dem anderen
    der eigenmächtig erscheinenden Marionette
    kriechend huldigten
    pochte sie großspurig
    auf ihr sonderbares Verständnis
    von der folgerichtigen Fortsetzung
    der abendländischen Tradition:
    Die weiße Herrenrasse
    als auserwählter Alleinherrscher
    der zu unterwerfenden Welt

    ֎֎֎

     

  • Beitrag zur Lesung „Wenn die Liebe ruft“ beim BDSÄ-Kongress in Wismar 2018

     

    Wenn die Liebe ruft

     

    Wenn die Liebe ruft…
    Wo ruft sie?
    Wann?
    Durch wessen Mund?

    Ist es die Liebe
    die niemals blühte?
    Niemals Früchte trug?

    Ist es dein Du
    immer gesucht
    niemals gefunden?

    Dein ungeborenes Kind?
    Dein unbekannter Bruder?
    Die Mutter
    die dich früh verlor
    oder du sie?

    Es ist gleich
    wer ruft
    und wo und wann –
    öffne dich dem Ruf
    und gib ihm Antwort

    21.4.2018

     

    Der Ruf
    der Liebe
    ist wie der Ruf
    des Kuckucks der
    im fernen Land
    die Frühlingsgöttin weckt
    Schnee Dunkel
    Und Kälte vergehen
    Keime dringen ans Licht

    Wenn die Knospe sich entfaltet
    die Liebe wie eine Blume erblüht
    ist vergessen
    wie alles begann

    10.5.2018

    Copyright Dr. Helga Thomas

  • Beitrag zur Lesung „Wenn die Liebe ruft“ beim BDSä-KOngress in Wismar 2018

     

    Waltrud Wamser-Krasznai: Die Liebe ruft

    Die Liebe ruft – was soll ich da nur machen?
    Was – bitte – habt Ihr Euch denn vorgestellt?
    Wir sind doch alte Leut‘, ist’s nicht zum Lachen,
    Wenn unsereins Verliebten sich gesellt?

    Ich bin, das habt Ihr schon erfahren,
    mehr von prosaischer Natur.
    Pack noch den „Fall“ beim Schopf in meinen Jahren,
    Asklepios hilft! Mit ihm gelingt es nur.

    Bisweilen aber regen sich die Triebe,
    Dann mein‘ ich grad, so schwer kann’s doch nicht sein.
    Dann reimt sich alles auf das Wörtchen Liebe,
    Juchhe! Ich bin im Alter nicht allein!

    Dann schmieg‘ ich mich an Deinen warmen Bauch,
    bis Sorgen und Probleme uns entflieh’n,
    bis ich verspür der Dichtung edlen Hauch,
    wenn freie Rhythmen durch die Seele zieh’n.

     

    Copyright Dr. Dr. Waltrud Wamser-Krasznai

     

  • In dieser Sackgasse

    (20.7.2012)

     

    Freie Übersetzung eines Gedichtes des iranischen Denkers Ahmad Shamloo (1925-2000) aus dem Jahr 1979.

     

    Sie riechen an deinem Mund,
    nicht dass du gesagt hättest, „ich liebe dich“,
    sie riechen an deinem Herzen,
    es ist eine seltsame Zeit, Liebling. 

    Und die Liebe
    peitschen sie aus
    an dem Balken der Straßensperre.
    Die Liebe sollte im Hinterzimmer des Hauses versteckt werden. 

    In dieser krummen Sackgasse,
    in diesen Windungen der Kälte
    entfachen sie das Feuer
    mit Gedichten und Liedern als Brennmaterial.
    Riskiere nicht das Nachdenken,
    es ist eine seltsame Zeit, Liebling. 

    Derjenige, der nachts an die Tür klopft,
    ist zum Auslöschen des Lichtes gekommen.
    Das Licht sollte im Hinterzimmer des Hauses versteckt werden. 

    Dort sind Schlächter
    am Straßenübergang platziert
    mit Blut beschmierten Schlagstöcken und Hackmessern.
    Es ist eine seltsame Zeit, Liebling. 

    Den Lippen schneiden sie das Lachen aus
    und dem Mund den Gesang.
    Die Freude sollte im Hinterzimmer des Hauses versteckt werden. 

    Kanarienvögel werden gebraten
    auf einem Feuer von Jasmin und Lilien.
    Es ist eine seltsame Zeit, Liebling. 

    Der Satan, des Sieges betrunken,
    feiert unser Begräbnis am Festtisch.
    Der Gott sollte im Hinterzimmer des Hauses versteckt werden.

  • Quellwasser

    (25.4.2018)

     

    Mitten im zart grünenden Wald
    an einer Wegscheide
    entdecke ich eine sprudelnde Quelle
    Mit Händen bilde ich eine Schüssel
    und trinke das erfrischende Wasser
    Es beschreibt mir kristallklar
    seinen ermutigenden Werdegang:
    Tiefen erlebt
    trete ich gereinigt, belebend hervor

    ֎֎֎

  • Baum Nummer 629

    (20.4.2018)

     

    Mancher empfiehlt mir wohlwollend
    gelegentlich auch eitel oder belehrend
    mächtige Verbrecher im Lande
    nicht beim Namen zu nennen
    beim Dichten allgemein zu bleiben
    Texte für die Ewigkeit zu schreiben 

    Wenn Suchende meinen Baum betrachten
    soll der Gesang meines Herzens
    im Friedwald frohlockend bezeugen
    dass Glück nicht in Gleichgültigkeit gedeiht
    sondern in Verbundenheit mit der Erde
    anschaulich als Gegebenes erlebbar

    ֎֎֎