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Nun ist das Jahr 2023 zu Ende. In und um Bremen ist Hochwasser. Wochenlang hat es geregnet.
Dann kam eine Sturmflut.
Die Sperrwerke mussten zugemacht werden. Die Flüsse im Teufelsmoor, in der Wesermarsch und dem Umland hatten keinen Abfluss mehr.
Das Wasser stieg.
Noch halten die Deiche.
Aber viele von uns haben ganz realistische Ängste um ihr Hab und Gut, bei vielen stünde das Eigenheim bei einem Deichbruch unter Wasser.
Man kann nur hoffen, dass das nicht passiert.
Der Klimawandel schreitet voran. Seit über 30 Jahren weiß man das, aber es wird wenig getan, um die Klimakiller zu minimieren. Aktuell wird in Deutschland zu über 50% mit Kohle Energie erzeugt.
Das mag man kaum glauben, und das ist sehr traurig.
Anstatt sich um die CO2 Emissionen zu kümmern, lügen wir uns in die Tasche.
Als wir im November auf die Kanarischen Inseln flogen, las ich im TUI-Fly Prospekt, der Flug sei CO2 neutral.
Der Passagier liest das, und er lehnt sich entspannt zurück.
36 Tonnen Kerosin werden bei diesem Flug verbrannt. Natürlich zu CO2 und H2O. Das wissen wir doch, wir hatten doch Chemie. Klimaneutral ist das nicht.
CO2 neutral ist das angeblich deshalb, weil die Fluggesellschaften Ausgleichszahlungen leisten. Emissionshandel heißt das. Man könnte es auch Ablasshandel nennen. Den kennen wir aus der katholischen Kirche.
Wie absurd das ist, kann man sich am Beispiel des Zigarettenrauchens klar machen: Als der Flugverkehr zu boomen begann, machte man sich um Klima und CO2 genau so wenig Sorgen, wie um Lungenkrebs. Damals wusste man es noch nicht besser.
Heute dagegen ist der Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs bewiesen und so eindeutig, dass man es auf jeder Schachtel lesen kann. Wenn die Zigarettenindustrie genauso verfahren würde wie die Fluggesellschaften, stünde auf einer Zigarettenschachtel nicht: Rauchen macht Krebs, sondern vielleicht: Rauchen Sie tumorneutral und machen pro Woche eine Stunde Sport. Als Karzinogenkompensation gewissermaßen.
An diesem Beispiel wird deutlich: Beim Fliegen lügen wir uns in die Tasche, beim Rauchen hat das aufgehört.
Und solange wir in die Tasche lügen, wird das Klima immer wärmer, es verdunstet immer mehr Wasser und damit regnet es mehr.
Die Hochwasser werden immer schlimmer, und die Deiche immer weicher. Und irgendwann werden sie brechen. -
Die Zeit, das meinte schon Einstein,
soll Eigenschaft des Raumes sein.
Ich habe das erst jetzt verstanden,
als ich auf Wegen, altbekannten,
die wir einst zu zweit passiert,
erneut allein entlang spaziert.
Unverändert schien der Raum,
allein, er war derselbe kaum,
nein anders wirkt er jetzt, und trist,
seitdem du nicht mehr bei mir bist.
Gleicherweise ich, der Wanderer,
bin nach alledem ein anderer. -
(08.01.2024)
Alles, was besteht,
ist im Wandel und vergeht,
mal langsam, mal geschwind,
und weil wir selbst betroffen sind,
entstehen sozusagen
ganz verschiedene Lagen.
Falle eins: du warst schon lange fort
und kommst jetzt an den alten Ort,
doch du erkennst nichts wieder:
Häuser sanken nieder,
Neues wurde hingebaut,
nichts ist dir vertraut.
Im zweiten Fall dagegen
gehst du auf alten Wegen
den bekannten Berg empor,
der so blieb wie je zuvor,
doch du hast dich verändert
und wo früher du geschlendert,
musst du auf halber Höhe rasten,
dich nach der alten Bank hin tasten,
auf der ihr einst zu zweit gesessen –
die Bank hat es vergessen. -
„Das Wasser sucht sich seinen Weg“, sagte der Dachdecker, als er die Ursache für die Feuchtigkeit in der Küchenwand herausfinden sollte. Das lag Jahrzehnte zurück. Den Satz allerdings vergaß ich nie.
Es geht um in Kisten verpackte Bücher. Nicht alle Bücher benötigt man ständig. Die man gerade nicht liest, stellt man in Regale, damit sie jederzeit griffbereit sind. So ist es im Allgemeinen und so ist es auch bei mir.
Je mehr Bücher sich bei mir ansammelten, desto voller wurden auch die Regale im Haus. Das führte dazu, dass etliche Bücher, die, von denen ich mich nicht trennen mochte, die aber doch noch weiter für mich und im Allgemeinen von Bedeutung sind, oder sein können, oder vielleicht sein werden, wer trennt sich schon von Büchern, zumal sie so viel beinhalten, einen Verbleib haben mussten.
Für die fortgesetzte Aufbewahrung aller Bücher spricht auch, dass man denen Respekt zollen muss, die sie geschrieben haben, denen, die sie lektoriert haben und Respekt vor dem bedeutenden Inhalt der Werke haben muss, natürlich. Dem Inhalt, einem wesentlichen Bestandteil unseres gemeinsamen kulturellen Erbes, gilt dieser Respekt in erster Linie, das muss betont werden.
Wohin also mit diesen Büchern?
Mit schlechtem Gewissen entfernte ich sie aus meinem akuten Radius und legte sie in Kisten, in sehr gute, in sehr stabile Kisten, in Kisten aus wunderbar fester Pappe. Ich achtete darauf, dass nicht zu viele Bücher in den nicht zu großen Kisten Aufenthalt erhielten, wegen des Gewichtes und wegen der Möglichkeit des fortgesetzt einfachen Zugriffs. Die Kisten lagerte ich in dem gut belüfteten Keller, stapelte sie vorsichtig, so dass ich wusste, welche Inhalte wo waren.
Ich muss gestehen, dass während der Verbringung meiner ausgelagerten Schätze in Kisten mein Herz schwer wurde. Auf keines der Werke mochte ich verzichten. Durfte ich sie so behandeln? Besonders ans Herz waren mir die Enzyklopädien gewachsen. Enzyklopädien, die voluminös und platzgreifend waren und das gesammelte Wissen von Generationen beinhalteten. Da waren Enzyklopädien zum Allgemeinwissen, aber auch vielbändige Werke zu verschiedenen Spezialgebieten wie der Kunst und der Literatur. Ja, die zur Literatur konnte ich nur verkisten, nachdem ich noch einmal mit strengem Blick die Regalsituation in den Arbeitszimmern, in meinem und in dem meines Mannes studiert hatte und wirklich keinen Platz dafür entdeckte. Ich tröstete mich, denn die Auslagerung war ja nicht endgültig. Ich wusste ganz genau, wohin ich die Kisten verbracht hatte und würde einfach Zugriff bekommen, wenn ich das Bedürfnis danach haben würde.
Wir wollen hier keinen Exkurs über die ausufernden Recherchemöglichkeiten im worldwide web unternehmen, da die Kränkung für die wunderbar gedruckten Werke zu groß wäre und auch, weil meine Treulosigkeit zu den Enzyklopädien, indem ich diese elektronische Informationsquelle nutze, mir wirklich unangenehm ist.
Auf diese Weise hatte ich das Bücherproblem gelöst. Kein überwältigend großes Problem, aber immerhin eine Sache, die mich einige Zeit und die passende Aufmerksamkeit gekostet hatte.
Dass es lange regnete, war unübersehbar. Es regnete Tage und Wochen und Monate. So war es. Wir fuhren ein paar Tage fort und kamen erholt zurück, ein wenig durchgeregnet zwar, bis auf die Haut, um genau zu sein, aber daran hatten wir uns gewöhnt. Wir wollten unsere Sachen gerade ausziehen, um sie in die Waschmaschine zu legen, da bemerkten wir den Einbruch.
Es war ein Wassereinbruch. Es waren nicht nur die Flüsse der Stadt randvoll, sondern das Wasser hatte seinen Weg zusätzlich in unseren Keller, in unseren Bücherkeller gefunden.
Es stand da wortlos, klar und kühl und zentimeterhoch herum, still, unbewegt, mit großer Gelassenheit und, so kam es mir vor, sehr selbstbewusst.
Natürlich schöpften wir, bis das Wasser verschwunden war. Es war vom Boden verschwunden, und nun machten wir uns an die Kisten.
Sie waren zentnerschwer geworden und daher absolut unbeweglich, die Kisten. So hatte ich sie nicht hinterlassen. Auch mit ganzer Kraft waren sie nicht zu verrücken. Sie waren in ihrer unteren Hälfte dunkelbraun-schwarz verfärbt, mit Wasser vollgesogen. Bei näherer Betrachtung waren etliche an den Nähten zusätzlich geplatzt, diese ursprünglich so zuverlässigen Kisten.
Beim Öffnen der gerade noch beweglichen, weil einigermaßen trocken gebliebenen Deckel stieß ich auf meine Enzyklopädien. Etwas hatte sich in den Kisten zugetragen. Etwas war geschehen. Dieses Etwas hatte die Veränderung zu verantworten.
Die Bücher waren eine Beziehung mit dem neu erschienenen Wasser eingegangen. Sie hatten sich auf das besonnen, was sie ihrer Natur nach waren. Sie hatten unter Missachtung aller Autoren und Verleger und mit Gleichgültigkeit für die Arbeit der Buchdrucker und Buchbinder im Kontakt mit dem Wasser zu dem zurückgefunden, was sie ihrer Natur nach waren. Sie waren nämlich Zellstoff, sie waren Holz. In der Verbindung mit dem überraschend anrollenden Wasser hatten sie sich auf das glücklichste damit vermischt, eine Hochzeit gefeiert und das neu Hinzugekommene eingesogen, die Druckerschwärze missachtet und ihr Volumen auf das vorteilhafteste vermehrt, sich in eine schwere, ausufernde Papiermasse verwandelt. Mit solcher Begeisterung hatten die Bücher das Wasser aufgesogen, dass sie dabei ihr Volumen vermehrt, stark vermehrt, sehr stark vermehrt hatten, so dass die nun weich gewordenen Kisten dieser enormen Kraft der Masse nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Sie waren geborsten. Die Enzyklopädien, deren ehemaliger Inhalt noch auf den gewölbten Buchrücken zu lesen war, konnten von mir höchstens als in sich fest verbackene, blattlose Einzelstücke, als Einzelpakete, als Einzelmassen mit einiger Kraftanstrengung entnommen werden. Nicht weiter verwertbares Wasser entließen sie beim Anheben, damit es andere Bücher beglücken konnte.
Mit den Büchern war es vorbei. Alle Forschungsergebnisse waren unlesbar geworden, das Lektorat war obsolet und auch vom Druck oder gar der Buchbinderei war nichts, aber auch gar nichts übriggeblieben.
Das Wasser hatte die Regie übernommen. Sie war irreversibel. -
(26.12.2023)
Der Sumpf stinkt nach Verwesung
verschlingt gierig jeden Lichtstrahl
Und in demselben Moment
bringt er den besten Schlamm
zum Gedeihen neuen Lebens hervor -
Ja, es ist mein Leichnam
Aber nicht meine Leiche.
Von mir weiß ich nicht
Ihr wisst vielleicht von mir
Von meiner Welt in euch
Von meinem Grab.Ich bin euch entrückt
Versteht ihr mein Gestern
In eurem heutigen Tun?
Ist nicht euer Verstand
Das Werkzeug unseres Schöpfers,
Die Fehler des Allmächtigen
Auf Erden zu korrigieren?
Seid ihr nicht seine Kinder
Ich seine erlöste Geburt?
Warum zwingt ihr seine Kinder
Eure Geburten, zappelnde Frösche
Zu kühlenden Bädern
In überfüllten Sardinenbüchsen?
Ist nicht zu viel
Der Leichnam des zu gut?
Der Frosch die Freiheit
in der Sardinenbüchse?
Höre, Herr, du Allmächtiger
Sage mir vom Heute,
der ich nicht einmal mich weiß
Warum züchtest du
Hirnlose Hammel
Die im Gedenken
An das Böse von Gestern
Den Sinn ihres Lebens
Im Chaos des Morgen
Verschlafen?
Warum lässt du
Das Werkzeug deiner Fehler
In dümmlich geifernden
Mächtigen deiner Kinder
Sinnlos verrosten?
Sind Angst quakende Frösche
Nicht auch deine Leichen
Im Sardinenteich? -
für meine Enkelkinder
(23.10.2023)
Seid im Herbst heiter-hellhörig
wenn die Brise sich sachte
die bunten Blätter streichelnd
durch die Bäume tanzend bewegt
Sie erzählt den Bäumen genüsslich
geheimnisvolle Geschichten
gehört oder selbst erlebt
auf ihrer langen Reise
durch Berge, Wälder, Wüsten
und manches wunderbare Land
Hört euch diese schönen Geschichten
gut mit euren Herzensohren an
Dann habt ihr einen riesigen Schatz
für eure eigenen Erzählungen
auch in den langen Winternächten -
Der Samen sang
das Lied des Lebens
und verwandelte sich
in Äste, Blätter und Blüten
Die Feder feierte
das Lied des Lebens
und verwandelte sich
in Zugvögel lichter Botschaften
Die Erde entdeckte
das Lied des Lebens
und verwandelte sich
in bezaubernde Landschaften
Mein Herz beherbergte
das Lied des Lebens
und verwandelte sich
in ein Meer des Edelmuts -
Für Heidi
Die Hortensie Annabelle
braucht deine Unterstützung
wenn sie die Schönheit trägt
Die anmutige Kletterrose
braucht deine Unterstützung
wenn sie die Wand verziert
Die Lampionblume
braucht deine Unterstützung
wenn sie das Beet beleuchtet
Und auch ich
brauche deine Unterstützung
wenn ich dem Leben huldige -
Der Jangtsekiang, der Jangtsekiang
Ist elend und entsetzlich lang
Gehen Kinder quellnah auf die Reise
Sehn sie das Meer als Tattergreise
Der Huang Ho, der Huang Ho
Heißt Gelber Fluss, doch tut nur so
Den Gelben, so sie an ihm hausen
Beschert er gelbes Augensausen
Der Perlfluss fragt im Delta
Nicht nach dem Damm: mal hält er
Mal hält er nicht – dann läuft er
Und Mensch und Vieh ersäuft er
Zwei Obern sagt der Oberrhein:
Jetzt lasst doch den Zinnober sein!
Doch voller Not und grober Pein
Springen beide Ober rein
Plitsch! sagt Dieter, Platsch! Karl-Heinz
Beschwert mit Hilfe eines Steins
Der nicht ertrank, der schwimmt bis Mainz
Und wird dort Chef des Schwimmvereins