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Sehnsucht zu fliegen
(22.9.2018)
Inspiriert durch die iranische Dichterin Jaleh Esfahanai (1921-2007) entstand der folgende Text.
Die große Sehnsucht zu fliegen
wallt auf in den Zugvögeln
in meiner Brust
und in den herbstlichen Blättern
diesen zierlichen bunten Booten
nach der Melodie des Windes tanzend
auf gelb-grünen Wellen der Wiesen֎֎֎
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Endlose Endlichkeit
(10.9.2018)
Flüchtig wie ein Traum
brüchig wie ein Hauch
kurz wie ein Atemzug
war mein Leben
im Kerker der SelbstsuchtVerbunden mit den Sehnsüchten
der Lebewesen vor und nach meiner Zeit
gelangte ich federleicht
zur endlosen Endlichkeit֎֎֎
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Herbst
(1.9.2018)
Auf der Fahrt nach Hause
zeigte mir gestern der Wald
stolz seine neuen bunten Kleider
Die Felder waren frisch bestellt
Die Luft roch nach Erde
Heute früh überbrachte der Nebel
bezaubernd über dem Fluss tanzend
dieselbe ergreifende BotschaftFrüher freute ich mich nicht so sehr
über die Ankunft des Herbstes
heute um so mehr
Das ist nicht nur eine Frage des Alters
Entscheidend sind die Wegbegleiter
und vor allem du֎֎֎
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COTTON -PLANT
Christopher Columbus describes that, by the discovery of Cuba,
he has seen, for the first time in his life, the cotton plants.
He observed an odd phenomenon of those cotton plants.
On the same stalk, there were contemporary and constantly
present the cotton-capsules closed, others in the stadium of ripening,
others in bloom.Oh, it would be enthralling, if in the similar way, like a cotton-plant,
the human beings could show up themselves, too.Dr. med. André Simon © Copyright
Übersetzung von Dietrich Weller
Die Baumwollpflanze
Christopher Columbus beschreibt, dass er bei der Entdeckung Cubas zum ersten Mal in seinem Leben eine Baumwollpflanze gesehen hat. Er beobachtete ein seltsames Phänomen dieser Pflanzen.Auf demselben Stängel befanden sich gleichzeitig und konstant geschlossene Baumwollkapseln, andere im Reifestadium, andere in der Blüte.
Oh, es wäre begeisternd, wenn die menschlichen Wesen sich genauso wie eine Baumwollpflanze zeigen würden.
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TIGER
It is difficult to imagine, almost impossible to describe,
the pain and the bitter surprise of a great born egoist,
when someone becomes disloyal to him, leaves him suddenly,
or manage him in the same way, he had always done to the others.
In the similar way responds usually the wounded tiger,
who has his whole life harmed, injured and killed
all beings around him.Dr. med. André Simon © Copyright
Translater´s Note:
Recently I read, that a tiger in a zoo had attacked and killed a visitor who had climbed into the tiger´s corral. The director of he zoo said: „The accident is very sad, but he tiger has just reacted like tigers use to behave.“
I want to stress that men can decide with full awareness to react in various ways – if they had learned to behave like humans and not exclusively as instinctively controlled beings.
Übersetzung von Dietrich Weller
TIGER
Es ist schwierig, sich vorzustellen, ja fast unmöglich zu beschreiben:
den Schmerz und die bittere Überraschung einen geborenen Egoisten,
wenn jemand unloyal ihm gegenüber wird, ihn plötzlich verlässt,
oder ihn gleich behandelt, wie er es mit den Anderen immer getan hat.
Auf ähnliche Weise reagiert gewöhnlich der verletzte Tiger,
der sein ganzes Leben lang alle Lebewesen
um sich herum beschädigt, verletzt oder getötet hat.Anmerkung des Übersetzers:
Neulich las ich, dass ein Tiger in einem Zoo einen Besucher anfiel und tötete, der in sein Gehege geklettert war. Der Zoodirektor sagte: „Der Unfall ist sehr traurig, aber der Tiger hat sich verhalten, wie Tiger das normalerweise tun.“
Ich möchte betonen, dass Menschen mit voller Achtsamkeit bewusst entscheiden können, sich auf unterschiedliche Weisen zu verhalten – wenn sie gelernt haben, sich als menschliche und nicht als instinktgetriebene Wesen zu benehmen.
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Die Fuldawiesen
(5.8.2018)
für Bernhard Trautvetter*
So wie Wasser und Brot
brauche ich Begegnungen
mit den morgendlichen Sonnenstrahlen
dem erfrischenden Gegenwind
dem einsamen Raben im Spazierschritt
den weiten Feldern mit dem Wald im Horizont
den Frühaufstehern mit ihren Hunden
Aber vor allem ersehne ich
Menschen mit Weitblick und Rückgrat֎֎֎
*Der vorliegende Text entstand im Zusammenhang mit dem Artikels „Der große Krieg. Die globalen Kriegstreiber planen ihre letzte Schlacht.“ von Bernhard Trautvetter:
https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2018/08/der-groc39fe-krieg.pdf
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Sonntag, 5.August 2018
Ein Sonnentag
voll
Wärme und Licht …Menschen
Tiere
Pflanzen
leiden
sehnen sich
nach Regen …Lektion für uns
Einseitiges zu vermeiden
die Ganzheit zu
suchen? -
Die folgenden Gedichtsammlungen befinden sich auf der Homepage von Amir Mortasawi:
Verbunden mit der Erde
https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2016/09/gedichte-band-11.pdf
https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2018/06/gedichte-band-2.pdf
30 Gedichte für den Frieden
https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2017/04/30-gedichte-fc3bcr-den-frieden.pdf
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Lavendel
(4.8.2018)
Pflanzen, Düfte und Früchte
versetzen mich mitten im Alltag
in andere Sphären
So schwebe ich mit Hyazinthen
Stiefmütterchen und Mehlbeeren
durch den Teheraner Frühling meiner Kindheit
Geranien vermitteln mir den Gruß
des alten Gärtners der Schule
Maulbeeren spielen die Musik
des Werdegangs der Seidenspinner
Hand in Hand mit Rosenwasser
gehe ich gemächlich
durch Grabstätten und ihre Gärten
Löwenmäulchen, Basilikum und Pfefferminze
beten mit mir mitten in Beeten
Wassermelonen ziehen mich zärtlich
in den kalten Bach hinein
Neulich hat sich Lavendel
lieblich hinzugesellt
Er bringt mich in den Spiegelsaal
bewegender Begegnungen֎֎֎
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Ein kleines Beispiel für einseitige Betrachtungsweisen
Eigentlich weiß der moderne Mensch, dass er sich dem Bösen stellen muss, für seine eigene – nicht nur spirituelle – Entwicklung, wie auch für die Entwicklung der Menschheit ist es erforderlich. Er weiß auch, dass er seinen Egoismus überwinden muss. Überwinden, wandeln, nicht abspalten… Doch dazu muss er es wahrnehmen, sehen, erkennen … in sich und in der Welt. Doch was geschieht? Täuschung und Illusionierung werden aktiviert! Es entsteht die Tendenz, schnell (vorschnell) zu pathologisieren… natürlich vor allem seinen Mitmenschen (dass er sich vielleicht täuscht, kommt ihm nicht in den Sinn) und weil er seinen eigenen Anteil bagatellisiert, fehlinterpretiert, erliegt er Illusionen, die die Selbsterkenntnis schließlich stören beziehungsweise verunmöglichen. Die Fehlinterpretation, die an Verleumdung grenzt beziehungsweise die einseitige Übertreibung eines Aspektes des schönen Narziss-Mythos sind ein Beispiel für diese Haltung.
Mir ist jetzt ein kleines Beispiel eingefallen, das es verdeutlicht. Eine Erklärung zum besseren Verständnis: Ich beschäftige mich mit der Rose in all ihren Facetten, symbolischen Aspekt, ihre Bedeutung in der Menschheitsgeschichte, mit dem Namen der Rose, dem Wort, das in unzähligen Zusammenhängen existiert (Rosenwunder, Rosengarten, Rosarium, Rosenkreuz, Rosenkranz, Rosalien, Rosenmontag, die rosenfingrige Göttin). Ich habe die Rose in der Osterglocke verborgen entdeckt … alles Themen, mit denen ich mich beschäftige und über die ich – hoffentlich – noch schreiben werde. Heute früh dachte ich, die Verleumdung – oder objektiver gesagt: die einseitige Betrachtungsweise des Narziss betrifft z. T. auch seine Blume (die doch wunderschöne Sternenblume, Becherblume, Frühlingsbote, die an vielen Orten die Böschungen der großen Strassen verschönt). Die Rose ist – zum Glück – davon verschont geblieben. Da fiel mir ein Spruch ein, der in meiner frühen Schulzeit mir ins Poesiealbum geschrieben wurde:
Sei wie das Veilchen im Moose
bescheiden und still
und nicht wie die stolze Rose
die immer bewundert sein willMir tat die Rose leid, ich fand es ungerecht. Ich vermute, ich sah in ihrer entfalteten Blüte die sichtbare Hingabe an die Welt und die Freude, die sie durch ihr Blühen uns schenkt. Über das Veilchen dachte ich nicht nach, es war wie das Schneeglöckchen ein stiller Frühlingsbote, ich liebte seine Farbe, seinen Duft. In der Pubertät sah ich in diesem Poesiealbumspruch die Reste einer kleinbürgerlichen Erziehung.
Und heute? Bescheidenheit ist keine erstrebenswerte Tugend mehr – zumindest nicht im virtuellen Chatroom. Zum Glück hat noch keiner gesagt: das Veilchen sei feige und ein Duckmäuser!
Helga Thomas
25.7.2018