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Klaus Kayser, Verkauft mir den Mao nicht.
Lehmann media ISBN 978-3-96543-139-3Unter Globalisierung verstehen wir im Allgemeinen eine wirtschaftliche Verbindung und Verknüpfung der Länder und Menschen über Kontinente hinweg – mit allen guten und schlechten Folgen, von der raschen Verfügbarkeit der Güter in allen Bereichen der Welt bis zur stundenschnellen Verbreitung eines gefährlichen Virus zu allen Völkern. In dem vorliegenden Buch erlebt der Leser einen anderen weltweit aktuellen Gegensatz, nämlich wie drei Religionen und deren Anschauungen drei Personen auf die Probe stellen.
Ein wohlhabender chinesischer Autohändler bekommt die Diagnose eines fortgeschrittenen Lungenkrebses, und er bittet seinen in Heidelberg als Arzt arbeitenden Sohn, ihn „auf einer Reise zu den alten Stätten unseres Volkes“ zu begleiten – genau so, wie er einst mit Mao Zedong, dem Vorbild des Vaters, die große Reise unternommen hat. Der Vater weiß nicht, dass der Sohn eine muslimische Freundin hat, die als Wissenschaftlerin in Heidelberg arbeitet. Sie verheimlicht ihren Eltern ihre Beziehung zu dem Arzt, weil sie die Abneigung ihres Vaters den „Ungläubigen“ gegenüber kennt. So entschließt sich das Paar, die Reise durch China mit dem Kranken scheinbar zufällig gemeinsam anzutreten. Die Muslimin erhält eine von dem Arzt kunstvoll eingefädelte Einladung zu einem Vortrag in einer Universität in Shanghai und hat damit einen Grund, auch nach China zu reisen. Das Paar hofft, dass der fremdenfeindliche Kranke im Laufe der Reise die Beziehung der Liebenden erkennt und gutheißt. Sie treffen einander scheinbar zufällig immer wieder in denselben Hotels und unternehmen die geplanten Ausflüge miteinander. Dabei entwickeln sich tiefe Gespräche über alte und neue Kulturen, Bräuche und Lebensweisheiten. Die Reise von Ort zu Ort wird zu einer Reise von Thema zu Thema, von Gesundheit über Krankheit zum Tod. Und, wie könnte es anders sein, von Abneigung über Anerkennung zu Akzeptanz.
„Mein Sohn, du und deine langnasige kostbar glückliche Lichtfrau, bald meine Tochter, bist willkommen“ ist dafür das erlösende Wort des Kranken am Ende der Reise. Als sie durch das Große Tor der Vollendung zum Aprikosenaltar und dann zur Halle des Schlafs gelangen, erreicht der kranke Vater sein Ziel. Vorher prägt er seinem Sohn und dessen Freundin noch den Satz ein: „Verkauft mir den Mao nicht!“ und meint damit das von ihm verherrlichte Bild des Mao, das er in seinem Herzen trägt und das ihn als großes Foto auf seinem Sarg an der Seite von Mao Zedong zeigt.
Auffallend ist rein stilistisch, dass die handelnden Personen keine Namen haben. Der Vater, der Sohn und die Schöne sind die Protagonisten. Das klingt allgemeingültig, archetypisch und ist (fast) beliebig in andere Kulturen umzusetzen. Der Leser wird mit breitem kulturellem Wissen anhand von Fotografien und Zitaten, Legenden und Begegnungen durch die chinesische Geschichte und Philosophie geführt und profitiert somit von der langjährigen Reisefreude und Erfahrung des Autors. Das Buch enthält einen QR-Code, der den Leser zu einer App führt, die weiteres Wissen zu der chinesischen Kultur und Geschichte vermittelt.
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Bekenntnis
(7.10.2020)
Wenn du mich fragst
in diesen bedrückenden
und gleichzeitig hoffnungsträchtigen Tagen
in einer Zeit
in der die Mächtigen alles unternehmen
um menschliche Nähe und Berührung
mit schlechtem Gewissen zu beladen
und dass nicht nur bei unseren Kindern
ja, wenn du mich fragst
was das Leben ist
sage ich dir voller Inbrunst
Das Leben ist die Wärme
miteinander verbundener Herzen֎֎֎
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Dichtung und Liebe
(3.10.2020)
Im Bach der Morgendämmerung
wasche ich meine Augen
Mit dem Seidentuch des Regens
reinige ich meine Gedanken
Dem großzügigen Wind
überlasse ich meine Sorgen und Zweifel
Und dann
unbeschwert, verrückt
mit geläuterten Worten
schreibe ich dir
meine schönsten Liebesgedichte֎֎֎
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Lichtbogen
(19.9.2019)
Als ich im Lichte der Morgenröte
mit den Tauperlen
über meine Träume und Tränen sprach
tauchte am Horizont
ein heller Lichtbogen auf
Seinem Ursprung ging ich nach
und entdeckte dich
Seitdem trage ich behutsam
dein Licht in meinem Herzen֎֎֎
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Hand in Hand
(15.9.2020)
Mit dir baue ich blühende Brücken
auf dem bewegten Weg
zu den Herbergen der Geborgenheit
den Anwesen der Verbundenheit
den Stätten der Schönheit
den Häusern der Wahrhaftigkeit
Mit dir bau ich bleibende Brücken
der hellen Lebendigkeit֎֎֎
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I.
Komm mir nun, Hübsche
blau sind die Augen,
hohe Bögen die Brauen
an deiner Gestalt
nüchterne Kurven,
komm mir
Ein Rätsel dein Blick
des eilenden Sommers Erfüllung
des ermatteten Sommers Balsam,
dass nicht weiter wird stören
dies eine Wörtchen nur
SchadeII.
Einen Augenblick
nur einen,
ein Schweigen
für so kurze Zeit
Sieh die Straße, schau!
Es brach sich seinen Pfad
durch allen Ast das Licht,
kein Blatt das sich grad regt
mein Blick der sich nicht regt
Nicht einer kam vorbei
um etwas Unrast hier zu lassen
mir ein Heim die Pflastergassen,
das Häuschen ein Palast im Glanz
wertvollste Blume jedes Gras
mein Ein und Alles der Moment
es blitzt wie Sonnenpracht das Glas
und alles hält’s verborgen -
Es ist hilfreich, einen Kompass zu nutzen, wenn wir unseren Weg suchen. Das setzt voraus, dass wir unser Ziel kennen und den Kompass richtig benützen. Dies gilt im übertragenen Sinn auch für die Orientierung in geistiger und sozialer Richtung.
Meine Geschichte zeigt, was geschieht, wenn jemand einen defekten Kompass nutzt und ihn für voll funktionsfähig hält.
Schon gleich zu Beginn der Abendsprechstunde um 18 h in der Notfallpraxis lag eine Anforderung von der DRK-Leitstelle vor, einen Hausbesuch zu machen bei einem Mann, der einen suprapubischen Blasenkatheter und Fieber habe. Der Patient war uns bekannt, weil er schon einmal mit Urosepsis stationär eingewiesen werden musste. Da ich der einzige Arzt in der Sprechstunde war, musste ich diese bis 22 Uhr abhalten. Deshalb hat ich den Praxishelfer, bei dem Patienten anzurufen, die Situation zu klären und unseren Besuch für kurz nach 22 Uhr zuzusagen. Die Ehefrau des Patienten klang alkoholisiert und machte den Besuch dringend, ihr Mann habe keine Schmerzen, und es gehe ihm gut, Fieber habe sie nicht gemessen, aber er habe wahrscheinlich Fieber, und wir sollten gleich kommen, sie könne nicht warten. Wir vertrösteten sie, auch nachdem sie in den folgenden Stunden mehrfach sehr ungeduldig und verärgert den Besuch anmahnte. Aber da es ihrem Mann angeblich gut ging, sah ich keinen Grund, einen Notarztwagen zu ihm zu schicken.
Als ich kurz nach 22 Uhr in die Wohnung des Patienten kam, lag der Mann im Bett und begrüßte mich freundlich, während im Nebenzimmer die alkoholisierte Ehefrau meine Fahrerin anschimpfte, weil wir so lange nicht gekommen seien. Sie müsse schließlich morgen früh wieder arbeiten und könne nicht so lange auf uns warten.
Der Patient sagte, er habe seit morgens Fieber gehabt, aber nicht gemessen, weil er kein Thermometer habe. Er machte auf mich keinen kranken Eindruck. Mein Fieberthermo-meter zeigte jetzt bei ihm 37,5°C. Aus dem Blasenkatheter floss klarer Urin. Der Urin-teststreifen ergab keine Zeichen für einen Harnwegsinfekt. Herz und Lunge waren normal. Der Tastbefund des Bauches war unauffällig. Der Patient klagte keine Beschwerden.
Ich sah keinen Grund für eine akute Therapie und fragte: „Haben Sie Ibuprofen da, falls Sie tatsächlich Fieber bekommen? Haben Sie ein Antibiotikum da?“ –
„Nein, ich habe gar keine Medikamente da!“, meinte der Patient.
Bei einem Blick auf ein Regal entdeckte ich Medikamentenschachteln, ging darauf zu und sagte: „Aber da haben Sie doch Ibuprofen!“
Ich nahm die Schachtel, sah, dass sie fast voll war, da riss mir die Ehefrau die Schachtel aus der Hand und keifte: „Das sind meine Tabletten!“
„Das ist prima,“, meinte ich, „da können Sie Ihrem Mann eine Tablette schenken, wenn er heute Nacht Fieber bekommt, und ich schreibe ihm jetzt ein Rezept, dann können Sie morgen für ihn die Tabletten holen.“
„Nein, der bekommt meine Tabletten nicht! Die brauche ich manchmal!“
Ihre Stimme wurde schärfer und lauter.
Ich versuchte freundlich, sie umzustimmen:
„Mir geht es doch nur darum, dass Sie in Ihrem Zustand jetzt nicht mehr Auto fahren sollten, um in der Nachtapotheke für Ihren Mann Tabletten zu holen!“
„Nein, der bekommt meine Tabletten nicht!“ –
Ich setzte mich hin und schrieb ein Rezept über Ibuprofen für den Mann und einen kurzen Informationsbrief für den Hausarzt.
Eine weitere Diskussion erschien mir bei der angespannten Lage und dem nicht bedrohlichen Gesundheitszustand des Ehemannes nicht angebracht.
Ich wandte mich zu ihm und sagte: „Also, da läuft gerade eine völlig bescheuerte Situation ab. Es wäre so einfach, Ihnen bei Bedarf heute Nacht die Tabletten zu geben, aber das sollten Sie besser allein mit Ihrer Frau abmachen. In dem Zustand kann sie jedenfalls nicht in die Apotheke nach M. fahren.“
Ich verabschiedete mich freundlich bei dem Patienten und knapp bei der Frau und verließ das Haus.Im Auto dachte ich an meinen Vater, der einmal ein Ehepaar mit dem schwäbischen Satz beschrieben hat: „Er wär´ ja scho´ recht, aber sie isch a Aufgab´!“
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Ein Augenblick
(21.2.2020)
Nachts führen die bisherigen Erlebnisse
ein reges Leben in meinem Gehirn
Manch eine im Vorübergehen gesehene Blume
verlangt nach ihrer wirkungsvollen Würdigung
Manch ein geschwind aufgezeichneter Gedankengang
gestaltet sprudelnd ein buntes Bilderbuch
So verzichte ich morgendlich für eine kurze Weile
auf deine heilsame Körperwärme
um vergängliche Gedichte zu fotografieren֎֎֎
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Der kleine Zusatz
An vertrauten Hügeln
hab ich die Sorgen
mit Eindrücken besänftigt,
dem unsteten Tanzen der Halme
in purpurnem Licht
dem Atmen der klumpigen Erde
auf jedem Schritt
Wie ein Stein
in hungrigem Wasser
wurde ich eins
mit deinem wilden Treiben
eins in deinem maßlosen Meer
Weißt du´s?
Weißt du es noch, Eglantine?Den kleinen
vordergründig unbedeutenden Zusatz
sollte man schätzen lernen,
den Schlaf
den möchte er uns so gerne nehmen
sicherlich wird er ihn nehmen
so wie die Nacht zum Tage wurde
als ich dich vernahm
stolzerfüllt die Leidenschaften schwingend
auf festlichen AlleenWeit öffne ich das Fenster, weit
ich schmecke
ich lausche und begehre,
der kleine Zusatz
der lässt mir keine Ruh
Oft waren es doch nur
Clementinen in meiner Hand
reich an sattem Fleisch
und süßem Saft,
liebevoll verklärte Zehrung
auf später Heimkehr
mit Vater und Mutter
fernab der rumorenden Stadt
… eine Weltbühne die VaterstadtBretter drei an der Zahl
nur behelfsmäßiges Werk der Zaun
ein Stamm am Rand
hochgewachsenes Gras, wenige Blumen
Gestern fiel er mir nicht auf
heute sah ich ihn
umrankt vom ersten Abendlicht
dem ersten kühlen Hauch ergeben
und da staune ich nur
gebanntEin Zwielicht ist´s,
in ihm schmücken das Pflaster
feine Fassaden
dringen zu uns vielfach die Stimmen
betörende Düfte und beste Musik
Ein Zwielicht hat mich angelockt
jenes Halbdunkel
konnte mir so sehr gefallen
Und weiß ich ja nur allzu gut,
dass ich den Schlaf verlieren werde
wenn du einst lächelnd runterkommst
auf der geschmückten Straße
und ich mich an dir erfreue -
Momente
(17.11.2019)
Wie kleine Kinder mit funkelnden Augen
in Erwartung eines besonderen Ereignisses
warte ich auf unser Wiedersehen
um dich wieder auf meinen Armen zu tragen
mit dir unbeschwert herumzualbern
und mit Bewunderung herauszufinden
was alles bei dir zu entdecken ist
gerade in dieser Phase schneller Entwicklung
In dein Gesicht zu schauen
ist so schön und rührend
wie der Sonnenaufgang in den hohen Bergen
wie das Abendrot am offenen Meer֎֎֎