Monat: Juli 2013

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    Acht tage war
    der rechner lahm
    totenstill
    totenkalt
    draussen blieb
    die welt
    unerreichbar
    das gedächtnis.

    Jetzt ist er
    auferweckt
    sein kleines herz
    schlägt für mich
    achthundert
    millionen mal
    in der sekunde
    fröhlich blinken
    die lämpchen
    behaglich schnurrt
    die platte
    der lüfter atmet frei
    wohlige wärme
    verströmend.

    Noch hangelt er
    unbeholfen
    durch bäume
    und programme
    viel zuwendung
    heischend und
    jeden tag geläufiger.
     

    Copyright Dr. Eberhard Grundmann

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    Der Krokus
    krokt hervor
    der Frost, der muss
    sich schütteln, armer Tor.

    Hokus, Krokus, Frühlibus,
    der Winter kauft den Schluss.

    Schneewittchen
    und Schneeglöckchen
    diese beiden Flittchen
    tragen grüne Röckchen.

    Hokus Krokus simsalim,
    war der Winter wieder schlimm.

    Die Kätzchen weiden
    unter Weidenkätzchen
    und wie diese beiden,
    auch du, mein Schätzchen.

    Hokus Krokus Mausepeck,
    der Frühling lugt ums Eck.

    Der Floh
    springt froh
    wie auch die anderen Flöhe
    lustvoll in die Höhe.

    Hokus Krokus Löffelstiel,
    viel zu wenig ist nicht viel.

    Es klappern die Zähne
    klipp klapp,
    und plappern die Schwäne
    papperlapp.

    Hokus Krokus weh und ach,
    was klappert da am Rauschebach?

    Mancher Apfel, lehrt das Pferd,
    ist bei Hunger ganz verkehrt.
    In solcher Lage eignet sich
    weitaus besser Bienenstich.

    Hokus Krokus Ringelreih,
    Kinder, kommt nur schnell herbei.

    Bei Hunger, sagt ein Märchen,
    frisst der Leipz’ger Lerchen,
    was wiederum den Schwan empört,
    wenn er es in Schlesien hört.

    Hokus Krokus lirium,
    das Lied, das ist bald um.

    Die Mücke sticht,
    der Vogel kackt
    idyllisch ist es nicht,
    wenn die Natur dich packt.

    Hokus Krokus ditschen datschen,
    dreimal hoch die Fliegenklatschen!

    Copyright Dr. Eberhard Grundmann

     

  • Dieser Vortrag wurde von Ute Reinhart-Kemm bei dem Jahreskongress des BDSÄ im Mai 2013 in Münster gehalten.

    Klicken Sie hier In der Verseschmiede, um den Vortrag anzuschauen.

  • Reinhart-Kemm-Bild zu Choral Bild von Ute Reinhart-Kemm

    Choral

    Heil’ge Sonne, unser Leben,
     Ursprung – Ende allen Seins.
     Tag und Nacht, die du gegeben,
     Unser Dasein – mit dir eins.


    Licht verglüht zu Finsternis,
    Das die Dunkelheit zerriss.
    Schreiten mit dir durch´s Tor der Zeiten,
    Teil von dir in Ewigkeiten.

    Aus: „Hell und Dunkel“, Privatdruck, Bremen 2012

    Copyright Dr. Wilfried Dinter

  • Frühe Flucht blüht und erstarrt – Terra incognita, Albwinter.
    Sehnsucht nach Eisgang – Weite Küste, Traumwirklichkeit.
    Lähmendes Daseinsjoch, erstickende Erdgebundenheit –
    Und dennoch:
    Stunde des Pan, Felsenwasser, Stauwehr und:
    Sieg der Natur!
    Lebensmittag in südlicher Sonne, Meeresweite und neue Fluchten.
    Reptilien durchbrechen den Panzer.
    Wiedergeborene Insekten in Steinen ohne Zeit,
    Ammoniten, glühende Katzenaugen, Höhlenbär.
    Herbstliches Ahnen und Hoffen.
    Reife und Ernte.
    Nordmeersturm ruft.
    Lohendes Herbstfeuer befreit.
    Winterabend im Hafen.
    Heimkehr ins Ungewisse.

    Aus: „Hell und Dunkel“, Privatdruck, Bremen 2012

    Copyright Dr. Wilfried Dinter

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    Keltenschlange –
    Aus kalter Erde keimt dein Leben,
    Erst Drache,
    Dann himmelwärts, beflügelt.
    Zu nah der Sonne,
    Tödlich verbrannt,
    Kehrst du zur Erde zurück
    Und wirst auf`s Neue –
    Wiedergeboren.

    Aus: „Hell und Dunkel“, Privatdruck, Bremen 2012

    Copyright Dr. Wilfried Dinter

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    Die Paläographie, die Schriftgeschichte oder genauer Lehre von der alten Schrift, ist eine etablierte Wissenschaft, ebenso ein Zweig davon, die Inschriftenkunde oder Epigraphik. Dazu ein kurzer Beitrag.

    Inschriften wurden und werden mit unterschiedlichen Schreibwerkzeugen angefertigt, mit Meißel, Messer, Feder, Pinsel, Stift et cetera, und entstehen auf ganz verschiedenen Beschreibstoffen: auf Tontafeln, Steinen, Metall, Glas, Papyrus, Leder, Haut, Holz. Um das letztere Medium geht es, um Holz, aus dem die Hörsaalbänke gemacht sind.

    Er hatte, nicht zum ersten Mal, die ehrenvolle Aufgabe übernommen, den Mediziner-fasching mit einer Büttenrede zu bereichern, und suchte nach Ideen. Da las er in seiner Zeitung einen Artikel über Sprüche und Texte auf Hörsaalbänken, welcher mit einer groben Unwahrheit schloss: Nur Studenten der Geistes- und Naturwissenschaften würden Kleinkunst im Hörsaal produzieren, Medizinstudenten dagegen täten niemals ihre Hörsaalbänke beschmieren. Bloß einen einzigen Spruch habe der Autor in einem medizinischen Auditorium gefunden: „Lieber eine Vorlesung als gar keinen  Schlaf.“ –

    Es war ein schwerer Affront gegen die gesamte Medizin und ihre Studenten. Er beschloss, seine Büttenrede an dieser Infamie, an diesem Generalangriff auf die literarische Schöpferkraft des medizinisch-akademischen Nachwuchses aufzuhängen und für die Studenten eine Redeschlacht zu schlagen, sind umgekehrt doch auch schon Studenten für ihren Professor in den Krieg gezogen, zumindest in den Glaubenskrieg.

    Die Aufgabe war allemal interessant für einen, der sein halbes Leben mit Studenten zugebracht hat und der deshalb immer auf der Pirsch war nach Informationen, was diese im Innersten bewegt, wie sie ganz eigentlich ticken. Deshalb war er Gesprächen mit ihnen niemals ausgewichen, deshalb ließ er sich sogar von Vertreterinnen derselben auch schon mal verführen, nur deshalb, und nicht etwa aus niedereren Beweggründen, wie missgünstige Kollegen ihm angelastet haben. –

    Er tat das Verrückteste, was er je in seinem Berufsleben angestellt hat: Eines Mittags in den Semesterferien schlich er, mit Stift und Zettel bewaffnet, in den großen Hörsaal und schritt systematisch, eine nach der anderen, von oben nach unten die engen, in langen, durch zwei Treppen unterbrochenen Halbkreisen sich hinziehenden hölzernen Bankreihen ab. Er las, wie in einem offenen Buch, auf den schmalen Schreibpulten all das, was die Studenten in pointierter aphoristischer Kürze, in mitunter durch Piktogramme und Skizzen illustrierten Aperçus zu Holz gebracht, während seine Kollegen und er mit umgekehrt großer und ermüdender Weitschweifigkeit sich vor ihnen abgemüht hatten.

    Was er las, war eine Enzyklopädie, war der ganze Kosmos studentischer Befindlichkeiten, waren politische Losungen, Auf- und Hilfeschreie äußersten Gelangweiltseins, Liebesschwüre, Obszönitäten, tiefsinnige Weltentwürfe und philosophische Traktate, alles vereint und oft dicht nebeneinander, nicht auf Pergament geschrieben, in Gold gedruckt oder in Stein gehauen, sondern notiert zu müßigem Zeitvertreib auf Holz, mit Bleistift, Kugelschreiber, selten auch eingeschnitzt mit einem Taschenmesser.

    Nicht alle Notate eigneten sich für die Bütt, etwa das Dozentenlob: „Sehr erbaulich, das Ganze.“ Schon eher das Gegenteil davon: „Professor N… ist doof.“ Da wird Kollege N… lange zu kratzen haben, bis er das wieder wegbekommt. Überhaupt waren demotivierende Äußerungen am häufigsten vertreten: „Es irrt der Mensch, so lang er strebt.“ „Die Weisheit läuft dem Menschen nach, der Mensch jedoch ist schneller.“ Vielleicht am hinterlassungswürdigsten die unwiderlegbaren, lapidaren, gewichtigen, bedeutungsschweren Worte: „Hier saß ich.“ Punkt.

    Die abschließende Gesamteinschätzung seiner Recherchen: „Närrinnen und Narren, ich kann ihnen versichern, sie beschmieren ihre Hörsaalbänke genau so, wie die Studenten der anderen Fachrichtungen es tun“, wurde als Ehrenrettung begriffen, begrüßt und mit Beifall quittiert.

     

    Copyright Prof. Dr. Paul Rother

  • Somatische Mutation = Veränderung der Erbsubstanz von Körperzellen,
    die z. B. Sommersprossen zugrunde liegt)

    Frau Dr. R. hat einen Mann,
    sie hat zwei kleine Kinder,
    die liebt sie sehr, so oft sie kann,
    und ihren Mann nicht minder.

    Letzterer kommt heut spät nach Haus,
    viel später als gewöhnlich,
    denn eine kleine weiße Maus
    hatte er höchstpersönlich

    Im Zoogeschäft der Stadt gekauft,
    statt Blumen – es ist Winter –
    und auf den Namen Max getauft,
    zur Freude für die Kinder.

    Die Freude ist auch riesengroß
    über das Tier im Kasten,
    doch plötzlich geht der Teufel los,
    beginnt ein wildes Hasten.

    Die Maus ist aus dem Bau gehupft,
    trotz Mohrrübe und Rettich,
    und der Papa, darob verschnupft,
    begibt sich auf den Teppich.

    Und als er sie hervorgelockt
    unter der Fernsehtruhe,
    und sie nun zitternd vor ihm hockt,
    wird endlich wieder Ruhe.

    Nur die Mama, die Frau Doktor,
    scheint noch wie aus dem Häuschen,
    weil just das Tier, das kurz zuvor
    weiß war, ein graues Mäuschen

    Geworden ist. Welch Sensation!
    Sie jubelt: „Das ist sicher
    eine plötzliche Mutation!“
    Der Mann macht: „Kicher, kicher“.

    „Ja eine Publikation
    für die ‚Versuchstierkunde’
    schreib ich!“ Sie sucht die Worte schon
    und blickt froh in die Runde.

    Der Mann, der nicht so sehr gelehrt,
    ihr jeden Gegenblick verwehrt
    und murrt: „Das kommt, wenn alle Ecken
    bei uns so fürchterlich verdrecken.“

    Frau Doktor hat wohl nichts entdeckt.
    Das Ganze war ein Dreckeffekt.

     

    Copyright Prof. Dr. Paul Rother

  • Ein Blick von dir, oh, meine Mutter, sagt,
    dass du erwünscht mich hast, du bist voll Glück.
    Ob  mein Gesicht gefällt – hab´s nicht erfragt,
    genieß ich doch Vertrauen durch den Blick.
    Wenn du mich anblickst, weiß ich deine Libe´;
    und ich gedeih und wachse mit Vertrau´n.
    Bis ich gereift, sag ich stets gibt, ach gib!
    Wenn du mich anblickst, mag ich dich nur schau´n.

    Wo wär ich nur, wenn töten könnt´ dein Blick?
    Was habe ich getan, dass du voll Zorn;
    hab ich dich krank gemacht, weil ich zurück?
    Weil ich von hinten schöner bin als vorn?
    Dein hasserfüllter Blick, ach, bleib mir fern!
    Verachtest stets ein Du. Hast du dich gern?

     

    Copyright Dr. Renate Myketiuk

  • Ach, Augenblick, wie nah bist du,
    schaffst Glück und Unglück ganz geschwind.
    Verschwindest heimlich dann im Nu
    und wehst umher, wie sonst der Wind.
    im Augenblick schürst du die Glut,
    voll Freude schneller schlägt das Herz,
    ein Augenblick bringt Sturmesflut,
    die Seel´erstarrt im Eisesschmerz.

     

    Copyright Dr. Renate Myketiuk