Author: Andre Simon

  • Cuculus americanus (Wikipedia)

    Magic Whistle “TWEET-TWEET”   

    My beak is well built, my whistle is loud and my feathers are white-brownish.         I love my family with all my heart and devotion and all my dreams become reality. My family is most numerous in the whole wide world.

    Let me explain my secret. In my forest, not far from my nest, lives one of my neighbors who is a small green fellow *. ( Darwin’s finch  ?)

    From this neighbor ‘s nest I steal some of her eggs and replace them with my own. My neighbor then sits on all the eggs until they (the bird´s brood?)  hatch. Once they hatch, I, like any admirable mother, observe my chicks in my neighbor’s nest. My chicks are lovely and grow bigger than their foster brothers and sisters.

    Although different, they are treated and nourished just like those of the foster family. They chirp for food to stimulate the foster parents to give them more food than they would normally give to their own chicks. My chicks thrive well and grow quickly.

    They become bigger than the foster mother! In the meantime, the host chicks starve and my chicks push the weakened chicks out of the nest.  The foster mother finally takes notice that something is not right, but a mother’s love can really turn a blind eye and she changes nothing.

    My chicks just grown and grow and are now big brownish birds.  They leave the foster mother’s nest and build their own in other places.

    Like me, they steal and cheat fellow birds replacing their eggs in their neighbor’s nests. The small quiet green birds are deceived. Accordingly, their numbers severely diminish every breeding season.  We, the magic-whistle birds, have become numerous and our loud whistle “cu-coo” is heard everywhere throughout the land.

    In the near future, the numbers of my family members will surpass the number of all beings on earth.

    The planet earth will then be beset and plagued mainly with thieves and cheaters.

     

    Dr. med. Andre Simon © Copyright   

     

    Übersetzung Dietrich Weller

    Mein Schnabel ist sehr gut gebaut, mein Pfiff ist laut, und meine Federn leuchten weiß-bräunlich. Ich liebe meine Familie von ganzem Herzen und mit Hingabe, und alle meine Träume werden Wirklichkeit. Meine Familie ist überaus zahlreich auf der ganzen Welt verteilt.

    Lass mich mein Geheimnis erklären. In meinem Wald, nicht weit von meinem Nest, lebt eine meiner Nachbarinnen. Sie ist ein kleiner grüner Fink.

    Von diesem Nest der Nachbarin stehle ich einige ihrer Eier und ersetze sie durch meine eigenen.  Meine Nachbarin sitzt dann auf allen Eiern, bis die Kleinen schlüpfen. Wenn sie schlüpfen, beobachte ich meine Jungen im Nest der Nachbarin wie jede andere bewunderungswürdige Mutter. Meine Jungen sind reizend und werden größer als ihre Stiefbrüder oder –schwestern.

    Obwohl sie anders sind, werden sie gleich behandelt und ernährt wie die Jungen der Stieffamilie. Sie zwitschern nach Futter, um die Stiefeltern dazu zu bringen, ihnen mehr Futter zu geben als sie normalerweise ihren eigenen Kindern geben würden. Meine Küken gedeihen gut und wachsen schnell.

    Sie werden größer als die Stiefmutter. In der Zwischenzeit hungern die Küken der Gastgeber, und meine Küken werfen die geschwächten Küken aus dem Nest. Die Stiefmutter merkt schließlich, dass etwas nicht richtig läuft, aber Mutterliebe kann ein Auge zudrücken, und sie ändert nichts.

    Meine Küken wachsen und wachsen einfach weiter und sind jetzt richtig große bräunliche Vögel. Sie verlassen das Nest der Stiefmutter und bauen ihr eigenes an einem anderen Ort.

    Wie ich bestehlen und betrügen sie andere Vögel, indem sie die Eier in den Nachbarnestern durch eigene austauschen. Die kleinen ruhigen grünen Vögel werden getäuscht. Dementsprechend verringert sich ihre Zahl in jeder Brutzeit. Wir, die magischen Pfeifvögel, sind zahlreich geworden und unser lauter Kuckuck-Ruf wird überall in der ganzen Welt gehört.

    In der nahen Zukunft wird die Zahl meiner Familienmitglieder die Zahl aller Lebewesen auf der Erde übertreffen.

    Der Planet Erde wird dann hauptsächlich von Dieben und Betrügern befallen und drangsaliert.

     

     

     

     

     

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     Cuculus americanus (Wikipedia)

                                    

    MAGIC WHISTLE (Dr. med. André Simon)   

             (Die Übersetzung steht am Ende dieses Originaltextes)                      

    My beak is well built, my whistle is loud and my feathers are white-brownish. I love my family with all my heart and devotion and all my dreams become reality. My family is most numerous in the whole wide world.

    Let me explain my secret. In my forest, not far from my nest, lives one of my neighbors who is a small green fellow.

    From this neighbor ‘s nest I steal some of her eggs and replace them with my own. My neighbor then sits on all the eggs until the bird´s brood  hatches. Once they hatch, I, like any admirable mother, observe my chicks in my neighbor’s nest. My chicks are lovely and grow bigger than their foster brothers and sisters.

    Although different, they are treated and nourished just like those of the foster family. They chirp for food to stimulate the foster parents to give them more food than they would normally give to their own chicks. My chicks thrive well and grow quickly.

    They become bigger than the foster mother! In the meantime, the host chicks starve and my chicks push the weakened chicks out of the nest.  The foster mother finally takes notice that something is not right, but a mother’s love can really turn a blind eye and she changes nothing.

    My chicks just grown and grow and are now big brownish birds.  They leave the foster mother’s nest and build their own in other places.

    Like me, they steal and cheat fellow birds replacing their eggs in their neighbor’s nests. The small quiet green birds are deceived. Accordingly, their numbers severely diminish every breeding season.  We, the magic-whistle birds, have become numerous and our loud whistle “cu-coo” is heard everywhere throughout the land.

    In the near future, the numbers of my family members will surpass the number of all beings on earth.

    The planet earth will then be beset and plagued mainly with thieves and cheaters.

    Dr. med. Andre Simon © Copyright   

     

     

    Übersetzung von Dr. Dietrich Weller

    Mein Schnabel ist sehr gut gebaut, mein Pfiff ist laut, und meine Federn leuchten weiß-bräunlich. Ich liebe meine Familie von ganzem Herzen und mit Hingabe, und alle meine Träume werden Wirklichkeit. Meine Familie ist überaus zahlreich auf der ganzen Welt verteilt.

    Lass mich mein Geheimnis erklären. In meinem Wald, nicht weit von meinem Nest, lebt eine meiner Nachbarinnen. Sie ist ein kleiner grüner Fink.

    Von diesem Nest der Nachbarin stehle ich einige ihrer Eier und ersetze sie durch meine eigenen.  Meine Nachbarin sitzt dann auf allen Eiern, bis die Kleinen schlüpfen. Wenn sie schlüpfen, beobachte ich meine Jungen im Nest der Nachbarin wie jede andere bewunderungswürdige Mutter. Meine Jungen sind reizend und werden größer als ihre Stiefbrüder oder –schwestern.

    Obwohl sie anders sind, werden sie gleich behandelt und ernährt wie die Jungen der Stieffamilie. Sie zwitschern nach Futter, um die Stiefeltern dazu zu bringen, ihnen mehr Futter zu geben als sie normalerweise ihren eigenen Kindern geben würden. Meine Küken gedeihen gut und wachsen schnell.

    Sie werden größer als die Stiefmutter. In der Zwischenzeit hungern die Küken der Gastgeber, und meine Küken werfen die geschwächten Küken aus dem Nest. Die Stiefmutter merkt schließlich, dass etwas nicht richtig läuft, aber Mutterliebe kann ein Auge zudrücken, und sie ändert nichts.

    Meine Küken wachsen und wachsen einfach weiter und sind jetzt richtig große bräunliche Vögel. Sie verlassen das Nest der Stiefmutter und bauen ihr eigenes an einem anderen Ort.

    Wie ich bestehlen und betrügen sie andere Vögel, indem sie die Eier in den Nachbarnestern durch eigene austauschen. Die kleinen ruhigen grünen Vögel werden getäuscht. Dementsprechend verringert sich ihre Zahl in jeder Brutzeit. Wir, die magischen Pfeifvögel, sind zahlreich geworden und unser lauter Kuckuck-Ruf wird überall in der ganzen Welt gehört.

    In der nahen Zukunft wird die Zahl meiner Familienmitglieder die Zahl aller Lebewesen auf der Erde übertreffen.

    Der Planet Erde wird dann hauptsächlich von Dieben und Betrügern befallen und drangsaliert.

     

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    EMPTINESS    (Dr. André Simon )

    The Master Xi asked: “Does emptiness in this circle have any value?”

    “Empty is empty, and therefore has no value” responded the pupil.

    The Sage explained: “The experience of emptiness is a necessary precondition to spiritual transformation. Emptiness is defined as an experience of being without anything. The state of emptiness means to be blankness, worthless, purposeless or meaningless.

    In the state of emptiness one has no answers and no power of hope.

    Emptiness remains in silence. Being silent, peaceful and calm, one can resolve all failures in one’s life.

    Being empty one is without resentment of the past, or fears for the future. In one’s life one takes or gives, so one can lose one’s way by one’s self. Because of this, one needs to empty one’s soul. Only in this way, one is able to return to one’s spiritual home.

    However, the return is only possible, if one waits in silence. Silence has more eloquence than words, and is more powerful. In the silence one implores the Almighty to demonstrate to us the way.

    This enlightens the value of emptiness. 

     Dr. med. André Simon  ©  Copyright

     

    Leere

    Der Meister fragte: „Hat die Leere in diesem Kreis irgendeinen Wert?“

    „Leer ist leer, deshalb hat sie keinen Wert“, antwortete der Schüler.

    Der Weise erklärte: „Die Erfahrung der Leere ist eine notwendige Vorbedingung zur spirituellen Transformation. Leere ist definiert als die Erfahrung, ohne irgendetwas zu sein. Der Zustand der Leere bedeutet, leer, wertlos, absichtslos und bedeutungslos zu sein. Im Zustand der Leere hat man keine Antworten und keine Kraft für Hoffnung. Leer bleibt in der Stille. Indem man still ist, friedvoll und ruhig, kann man alle Fehler in seinem Leben auflösen. Wenn man leer ist, empfindet man keine Abneigung gegen die Vergangenheit oder Angst vor der Zukunft. Im Leben nimmt man oder gibt, dadurch kann man den eigenen Weg durch sich selbst verlieren. Deshalb muss man seine Seele leeren. Nur auf diesem Weg kann man zur eigenen spirituellen Heimat zurückkehren.

    Diese Rückkehr ist jedoch nur möglich, wenn man in der Stille abwartet. Die Stille hat mehr Beredsamkeit als Wörter und ist mächtiger. In der Stille beschwört man den Allmächtigen, uns den Weg zu zeigen. Das erleuchtet den Wert der Leere.“

    Übersetzung Dr. Dietrich Weller

     

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    SOFTNESS ( Dr. André Simon )                                                               

    Speaking on paradoxes Master Xi asked: “Does gentleness and softness have power?”

    “No, softness is weakness”: answered the pupil.

    Sage explained: “Gentleness is not a weakness, but a power and a force that can be used to bring about positive changes. With gentleness and a smooth temper one can achieve spiritual victory. Being hard or violent is the way to defeat.

    One can lose teeth, never the soft gums. A single large tree can grow on a mountain, between two delicate flowering shrubs. The tempest may bring all or part of a large tree down, but the shrubs bow and remain…

    In life one needs to bend like a bamboo, without becoming bent or broken, through flexible  resistance to a situation. Through nonresistance, the wind passes and one returns upright.

    Aggressive people may attack us, but with our kind behavior they are conquered. Softness of great power touches the hearts and minds of all wounded beings. One does not need to be violent or hard towards others, but gently nudge them in the right direction, towards gentle love. There will be an opportunity to express gentle love, which will open new doors for you.

    All you need to do is to allow some time and space and provide the power of softness.

    Like a flower that won’t blossom by force, but flourishes only in its own time.

    Dr. med. André Simon  ©  Copyright     

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Sanftmut 

    Als Meister Xi über Weichheit sprach, fragte er: „Haben Sanftmut und Weichheit Kraft?“

    „Nein, Sanftmut ist Schwachheit!“, antwortete der Schüler.

    Der Weise erklärte: „Sanftmut ist keine Schwäche, sondern eine Kraft und Macht, die genützt werden kann, um positive Veränderungen zu vollbringen. Mit Sanftmut und sanftem Temperament kann man spirituellen Sieg erreichen. Hart und gewalttätig zu sein, ist der Weg zur Niederlage.

    Man kann Zähne  verlieren, aber nicht das weiche Zahnfleisch. Ein einzelner großer Baum kann auf einem Berg wachsen zwischen zwei zarten blühenden Büschen. Der Sturm mag den ganzen Baum oder Teile davon niederreißen, aber die Büsche beugen sich und bleiben stehen.

    Im Leben muss man sich wie ein Bambusstab biegen ohne verbogen oder gebrochen zu werden, indem man sich geschmeidig an eine Situation anpasst. Indem man sich nicht widersetzt, weht der Wind vorbei, und man kann sich wieder aufrecht stellen.

    Aggressive Leute können uns angreifen, aber mit unserem freundlichen Verhalten werden sie erobert. Weichheit mit großer Macht berührt das Herz und den Geist von allen verwundeten Lebewesen. Man muss nicht gewalttätig oder hart gegenüber anderen sein, sondern sie nur sanft in die richtige Richtung schubsen zur sanften Liebe hin. Es wird eine Gelegenheit geben, diese sanfte Liebe zum Ausdruck zu bringen, und das wird dir neue Türen öffnen.

    Alles, was du machen musst, ist, einige Zeit und Raum zuzulassen und die Macht der Weichheit zur Verfügung zu stellen.

    Wie eine Blume, die nicht durch Zwang blüht, sondern nur in ihrem eigenen Zeitmaß gedeiht.

     

     

     

     

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    Paradoxon

    (Die deutsche Übersetzung von Dietrich Weller  folgt nach dem englischen Text)

     

    USELESSNESS

    Many years ago, on a hot sunny day, in the shade of an old tree, Master Xi and his pupils were resting. There was silence in the air. Suddenly, one of his pupils remarked;

    “The leaves on this tree look as if they have blight, and the tree bears no fruit at all, and is useless.”

    The Sage replied: “This tree illustrates the importance of “uselessness”. Any large old tree has significance, and is a landmark in terms of spiritual pride. One should ask oneself the question; “Is this tree useful today for us, for protection from the continuous sunshine?”

    Throughout my life ,many have questioned the usefulness of all spiritual exercises of men. By natural reasoning alone, one can arrive at a broad philosophical perspective that recognizes the uselessness of all alleged human usefulness. The following example illustrates the importance of “uselessness”. The Earth surface is immense, but you make the use of only one small area of it under your feet. Let us imagine that only this small area remains, and the remainder of the Earth surface drops into a deep hole. Is this small area of ground now useful to you or not?”

    No”, replied the pupil. “In this instance, the whole Earth surface is superfluous and therefore, useless”

    The Sage concluded: “This example highlights the importance of uselessness. Only when one comprehends uselessness, then one is able to understand the meaning of usefulness.”

    Copyright Dr. André Simon

     

    Nutzlosigkeit

    Vor vielen Jahren ruhte sich Meister Xi mit seinen Schülern an einem heißen sonnigen Tag im Schatten eines alten Baums aus. Ruhe erfüllte die Luft. Plötzlich bemerkte einer seiner Schüler:

    Die Blätter an diesem Baum sehen aus, als hätten sie Mehltau, und der Baum trägt überhaupt keine Früchte, er ist nutzlos.“

    Der Weise antwortete: „Dieser Baum veranschaulicht uns die Wichtigkeit von Nutzlosigkeit. Jeder große alte Baum hat Bedeutung  und ist ein Denkmal für spirituellen Stolz (Hochmut). Man solle sich die Frage stellen: „Ist dieser Baum heute für uns nützlich zum Schutz vor andauerndem Sonnenschein?

    Während meines ganzen Lebens haben viele die Nützlichkeit aller spirituellen Übungen der Menschheit infrage gestellt. Allein durch natürliches Argumentieren kann man bei einer breiten philosophischen Sichtweise ankommen, die die Nutzlosigkeit aller unterstellten menschlichen Nützlichkeit erkennt.

    Das folgende Beispiel zeigt die Wichtigkeit von Nutzlosigkeit.

    Die Erdoberfläche ist unmessbar groß, aber du nutzt nur eine kleine Fläche davon unter deinen Füßen. Lasst uns annehmen, dass nur diese kleine Fläche bleibt und der Rest der Erdoberfläche in ein tiefes Loch fällt. Ist diese kleine Bodenfläche jetzt für dich nützlich oder nicht?“

    „Nein“, sagte der Schüler: „In diesem Fall ist die ganze Erdoberfläche überflüssig und deshalb nutzlos.“

    Der Weise schlussfolgerte: „Dieses Beispiel zeigt ganz klar die Wichtigkeit der Nutzlosigkeit. Nur wenn man Nutzlosigkeit versteht, ist man fähig, die Bedeutung von Nützlichkeit zu verstehen.“

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    I once had a dream, and in my dream I went begging door to door in a village, but then along a village path appeared in the distance a golden chariot. I began to wonder who the chariot owner was and why he had appeared!

    My hopes grew as I thought that the bad old days had passed and I would now receive unsolicited gifts and riches lavished from everywhere.

    The chariot stopped next to me, and the gentleman dressed in gold- embroidered silk stepped down and looked at me and smiled.  I felt at last luck had come into my life, but the man suddenly stretched out his hand to me and asked: “What have you got for me?” Was this his royal gesture! Stretching his hands to a beggar to beg from him!

    I was somewhat undecided and confused. Then I pulled out from my bag a pouch containing grains of wheat and offered this to him.

    To my surprise, at days’ end, when I emptied my bag a single grain of pure gold fell out onto the floor alongside my poor pile of odd things! 
 I wept bitterly for not having had the courage to give everything that I possessed.

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dr. Dietrich Weller

    Schenken

    Ich hatte einmal einen Traum, und in meinem Traum ging ich in einem Dorf bettelnd von Tür zu Tür. Aber dann erschien in der Verlängerung eines Dorfweges noch weit entfernt eine goldene Kutsche. Ich begann mir Gedanken zu machen, wer der Besitzer der Kutsche war und warum er erschienen war.

    Meine Hoffnungen wuchsen, als ich dachte, dass die schlechten alten Tage vorbei waren und ich jetzt nicht erbetenen Geschenke und Reichtümer erhalten würde, die von überall her großzügig gespendet waren.

    Die Kutsche hielt neben mir an, und der mit Gold bestickter Seide bekleidete Herr stieg aus, schaute mich an und lächelte: Ich hatte das Gefühl, jetzt endlich sei das Glück in mein Leben getreten, aber der Mann streckte mir plötzlich seine Hand entgegen und fragte: „Was hast du für mich?“

    War das seine königliche Geste? Seine Hand einem Bettler entgegenzustrecken, um zu betteln?

    Ich war irgendwie unentschieden und verwirrt. Dann zog ich aus meiner Tasche ein Säckchen mit Weizenkörnern und bot es ihm an.

    Zu meiner Überraschung fiel am Ende des Tages, als ich meine Tasche leerte, ein einzelnes Körnchen reines Gold heraus auf den Boden neben meinem ärmlichen Haufen von sonderbaren Sachen. Da weinte ich bitterlich, weil ich nicht den Mut gehabt hatte, nicht alles zu verschenken, was ich hatte.

     

  • Am Ende des englischen Textes steht die deutsche Übersetzung von Dr. Dietrich Weller

                        

    This is an amazing story of an old turtle shell found in the secret Imperial collection in the Emperor´s palace of Xian many centuries ago. The old shell was supplemented with an explanation written on rice paper, which partially was illegible.  The free translation reads as follows:

     

    simon-the-turtle-shell-secret-bild

    In the small kingdom of N…… located as a part of a peninsula and in the vicinity of the great lands of Imperial China reined a young King  K. Having ambitions to enlarge his Territory, he established a state founded on severe military principles and like a rapacious bird; was always ready to attack neighboring states. His Palace was without any splendor, and lacked of any gold ornaments. All ornaments were sold, and the revenue was utilized for the acquisition of new weaponry. Being always in the state of war, the gardeners were sent to the military units and the Palace garden was deprived of scenting flowers, singing birds and joyful butterflies. This gloomy garden was full-fledged with grass, weeds, and old dry trees. After many useless wars and costly weaponry, the Kingdom’s treasury was empty.

    Rice fields were abandoned and the peasants were drilled to be warriors. Even teachers and herbalists (physicians) had to join the military units. Deprived of food and the through lack of herbalists the number of ill subjects in the Empire increased quickly, and even the Sovereign became ill.

    His health conditions deteriorated rapidly. Weak and exhausted, he still reclined upon his bed, awaiting his natural end. In these terrible moments The King remembered the last words of his father: “In difficult times, study the engravings on the ancient turtle’s shell, deposited in the treasury safe.”

    He opened the treasury safe, which was so empty that he could hear his own breathing. Under the dust an old turtle shell laid there inside. He brought it out into the daylight and stared at its engraving. Astonished and incredulous, he realized that he was not able to comprehend the odd engraved inscription.

    Much too late, he remembered all those slaughtered teachers and herbalists, that had perished as simple warriors on the battlefields.  In the entire   Territory nobody was able to decode this old inscription and nobody could heal him.

    Also too late, he realized that during all his life he had caused many wars and countless deaths. Approaching the end of his life, he understood what an eternal burden remains between him and the Gods. King K  died…….

    Without meeting any internal resistance, the imperial army occupied the small territory of N… The Sovereign, acknowledging the terrible situation in his now seized land, declared: All the soldiers may receive an amnestyand benevolence. They all disarm and hand-over their weapons and start to exercise their previous trade or occupations. The Peasants of them should start to cultivate the rice-fields to nourish both the existing and the now additional population”.

    The mystery of the ancient inscription on the old turtle’s shell remained unrevealed.                   However, hundreds of years later, the old turtle’s shell was given to a sage Xi who lived retired like eremite. After examining attentively, the old inscription on the turtle shell, he gave his interpretation:

    simon-the-turtle-shell-secret-bild

    “This shell shaped like a sky vault reveals three celestial gifts:

    Nature ( ): live in harmony with nature . Every rice-field becomes plentiful, after hard work. It’s the labor of the peasants that makes it precious.

    Peace: ( ): live in harmony with others. Honor the preciousmasters of the teaching arts; it is them that cultivate young men’s natural goodness.

    Health: ( ): live in harmony with yourself. To remain in good health, follow the advices of the precious masters of the healing arts (physicians).

    Dr. med. André Simon   ©Copyright

     

    Das Geheimnis des Schildkrötenpanzers
    (Übersetzung von Dr. Dietrich Weller) 

    Dies ist eine erstaunliche Geschichte eines alten Schildkrötenpanzers, der vor vielen Jahren in der geheimen Kaiserlichen Sammlung im Kaiserpalast von Xian gefunden wurde. Der alte Panzer wurde durch eine Erklärung ergänzt, die auf Reispapier geschrieben und teilweise unleserlich war. Hier folgt die freie Übersetzung.

    In dem kleinen Königreich N…, das als Teil einer Halbinsel in der Nähe der großen Ländereien des Kaiserreichs China lag, regierte ein junger König K… . Da er den Ehrgeiz hatte, sein Territorium zu vergrößern, errichtete er einen Staat, der auf strengen militärischen Prinzipien gegründet und wie ein Raubvogel ständig bereit war, die Nachbarstaaten anzugreifen. Sein Palast war ohne Glanz, und jegliche Goldverzierungen fehlten.

    Alle Verzierungen wurden verkauft, und der Erlös wurde für die Anschaffung von neuem Kriegsgerät verwendet. Da man ständig im Kriegszustand war, wurden die Gärtner zu den militärischen Einheiten geschickt, und dem Palastgarten wurden die duftenden Blumen, die singenden Vögel und die fröhlichen Schmetterlinge entrissen. Dieser bedrückende Garten war überwuchert von Gras, Unkraut und alten vertrockneten Bäumen. Nach vielen nutzlosen Kriegen und kostspieligen Waffenkäufen war die Schatzkammer des Königreichs leer.

    Die Reisfelder waren verlassen, und die Bauern wurden hart zu Kriegern ausgebildet. Sogar Lehrer und Kräuterkundige (Ärzte) mussten den Militäreinheiten beitreten. Da man ihnen die Nahrung weggenommen hatte und ein Mangel an Kräuterkundigen bestand, stieg die Zahl der kranken Untertanen im Kaiserreich rasch an, und sogar der Herrscher wurde krank.

    Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rasch. Schwach und erschöpft lag er noch auf seinem Bett und wartete auf sein natürliches Ende. In diesen schrecklichen Momenten erinnerte sich der König an die letzten Worte seines Vaters: „Studiere in schwierigen Zeiten die Gravuren auf dem alten Schildkrötenpanzer, der in der Schatzkammer aufbewahrt wird.“

    Der sterbende König öffnete die Schatzkammer, die so leer war, dass er seinen eigenen Atem hören konnte. Unter dem Staub lag drinnen ein alter Schildkrötenpanzer. Er brachte ihn ans Tageslicht und betrachtete die Gravuren. Erstaunt und ungläubig erkannte er, dass er nicht in der Lage war, die seltsamen Schriftzeichen zu verstehen.

    Viel zu spät erinnerte er sich an jene niedergeschlachteten Lehrer und Kräuterkundige, die als einfache Krieger auf den Schlachtfeldern umgekommen waren. Im gesamten Reich konnte keiner die alten Inschriften entziffern, und niemand konnte ihn heilen.

    Ebenso zu spät wurde ihm klar, dass er während seines ganzen Lebens viele Kriege ausgelöst und zahllose Todesfälle verursacht hatte. Während er sich seinem Lebensende näherte, verstand er, welche ewige Last zwischen ihm und den Göttern bestehen blieb. König K. starb.

    Ohne auf inneren Widerstand zu treffen, besetzte die kaiserliche Armee das kleine Gebiet N…

    Als der Herrscher sich bewusst war, in welch schrecklicher Lage sich sein erobertes Land befand, verkündete er:

    Alle Soldaten sollen eine Amnestie und Wohlwollen erhalten. Sie sollen sich entwaffnen, ihre Waffen übergeben und beginnen, ihre alten beruflichen Gewerbe oder Beschäftigungen auszuüben. Die Bauern unter ihnen sollten anfangen, ihre Reisfeder zu bestellen und sowohl die bereits hier lebende als auch die zusätzliche Bevölkerung ernähren.

    Das Geheimnis der alten Inschrift auf dem Schildkrötenpanzer blieb ungelüftet.

    Aber hunderte von Jahren später wurde der alte Schildkrötenpanzer dem Weisen Xi übergeben, der wie ein Eremit zurückgezogen lebte. Nachdem er die alte Inschrift aufmerksam untersucht hatte, erklärte er seine Deutung:

    Der Panzer in Form eines Himmelsgewölbes entschleiert drei himmlische Geschenke:

    Natur ( ): Lebe in Harmonie mit der Natur. Jedes Reisfeld wird nach harter Arbeit reichhaltig. Es ist die Arbeit der Bauern, die sie wertvoll macht.

    Friede ( ): Lebe in Harmonie mit den Anderen. Ehre die kostbaren Meister der Lehrenden Künste. Sie sind es, die die natürliche Güte der jungen Menschen pflegen.

    Gesundheit (健康 ): Lebe in Harmonie mit dir selbst. Um bei guter Gesundheit zu bleiben, folge den Ratschlägen der wertvollen Meister der Heilkünste (Ärzte).

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  • (Nach dem Originaltext folgt die Übersetzung von Dietrich Weller)

    Simon-Katze

    EXPERIENCE – ERFAHRUNG

    “Homo faber fortunae suae” Everyone is a blacksmith of his own making. However, destiny awards one with the hammer to forge red-hot iron, whereas  others must forge the ice-cold iron with a bare fist. Nevertheless, those less privileged during their life’s journey are forced to the bitterest path to achieve knowledge. This rough path of continually learning through mistakes is known as experience.

    The word “experience” originates from from the latin noun experientia which ist derived from experiens, participle of the Verb experiri = through the trying“.

    Moreover, I believe that the origin of the word experience is older. Let’s propose a new hypothesis.

    The Greek language uses the term “piro” πείρω) for the word experience which further develops into the expression “empirical”.

    Empirical denotes information gained by means of experience.

    The greek prefix pyr- ist derived from pyro = fire.

    The new hypothesis is that the double meaning of the term “piro / pyro” = experience and fire, alludes to an old tale.

    “This very old tale is about a monkey who persuaded a cat to pull chestnuts out of the fire, so as to avoid burning its own paws”.

    Almost certainly is that the cat gained experience through fire. This tale and versions of it is present in many languages, as in English Proverbs from the 17th century: “Burn not thy fingers to snuff out another’s candle“.

    Harm oneself, as in “I’ve burned my finger “could mean “I have learned from personal experience.“

    Experience fills a space between capacities of perception and memory on the one side, and the dispositions of art and science on the other side. 
Simplified experience is generated from perception and memory.

    Even Hippocrates describes the role of experience in formulating medical theories and in following medical treatments. (experienced doctors!)

    More developed forms of experience come from the tendency to grow. It grows horizontally as in the knowledge of new facts at the level of generality. Moreover, experience grows vertically to a higher level.

    The German word for experience is “Erfahrung”, and it expresses its meaning more precisely. Die Erfahrung describes the growth (both horizontally and vertically), and the aspect of the time,that indicates the coherency of life’s experiences.

    Dr. med. André Simon  ©Copyright

     

    André Simon: Erfahrung

    Übersetzung von Dietrich Weller

    „Homo faber fortunae suae.“[1] Jeder ist der Schmied seines Schicksals. Das Schicksal jedoch belohnt den, der mit dem Hammer das glühend rote Eisen schmiedet, wobei andere das eiskalte Eisen mit der bloßen Faust schmieden müssen. Nichtsdestotrotz werden die weniger Privilegierten im Laufe ihres Lebens auf die bittersten Wege geschickt, um zur Erkenntnis zu kommen. Diesen groben Pfad des andauernden Lernens durch Fehler nennt man Erfahrung.

    Das Wort „experience“ stammt aus dem lateinischen Hauptwort experientia = Versuch, dieses wieder von dem Verb experiri = versuchen, erproben, ausprobieren.

    Ich glaube jedoch, dass der Ursprung des Wortes Erfahrung älter ist. Lassen Sie mich eine neue Hypothese aufstellen.

    Die griechische Sprache benützt den Begriff piro (πείρω)für das Wort Erfahrung, das sich weiter entwickelt zu dem Ausdruck empirisch.

    Empirisch bezeichnet Informationen, die durch Erfahrung gewonnen werden. Etymologisch bezeichnet die Vorsilbe pyro– Feuer[2].

    Die neue Hypothese besagt, dass die Doppelbedeutung des Begriffes piro = Erfahrung und Feuer sich auf eine alte Sage bezieht.

    Diese sehr alte Sage handelt von einem Affen, der eine Katze überredet hat, Kastanien aus dem Feuer zu holen, damit er sich seine eigenen Pfoten nicht verbrennt.

    Beinahe sicher ist, dass die Katze die Erfahrung durch das Feuer gewonnen hat. Die Sage und Versionen davon sind in vielen Sprachen vorhanden, so auch im englischen Sprichwort: Verbrenn deine Finger nicht, wenn du die Kerze eines anderen ausdrückst.

    Sich selbst schaden wie in „Ich habe meinen Finger verbrannt“ kann bedeuteten: Ich habe aus meiner persönlichen Erfahrung gelernt.

    Erfahrung füllt einen Raum zwischen den Fähigkeiten der Wahrnehmung und des Gedächtnisses einerseits und den Möglichkeiten des Kunst und Wissenschaft andererseits. Vereinfacht: Erfahrung wird durch Wahrnehmung und Gedächtnis erzeugt.

    Sogar Hippokrates beschreibt die Rolle der Erfahrung beim Formulieren medizinischer Theorien und der daraus folgenden Behandlungen (erfahrene Ärzte!).

    Weiter entwickelte Formen der Erfahrung entstehen durch die Tendenz zu wachsen. Sie wächst horizontal wie in der Kenntnis neuer Tatsachen auf allgemeiner Ebene. Außerdem wächst Erfahrung vertikal auf ein höheres Niveau.

    Das deutsche Wort für Erfahrung beschreibt die Bedeutung noch genauer. Erfahrung beschreibt das Wachstum (sowohl horizontal als auch vertikal) und den Gesichtspunkt der Zeit, die den Zusammenhang der Erfahrungen in einem Leben anzeigt.

     

    [1] Bemerkung des Übersetzers: Wörtlich übersetzt: „Jeder ist der Handwerker seines Schicksals.“ Im Deutschen benützen wir das Sprichwort „Jeder ist seines Glückes Schmied.“

    [2] Bemerkung des Übersetzers: Pyromanie ist eine psychische Störung: der zwanghafte Trieb, Brände zu legen und sich beim Anblick des Feuers sexuell zu erregen. Pyrotechnik ist die Feuerwerkerei (Herstellung und Gebrauch von Feuerwerkskörpern).

    Copyright für die Übersetzung Dr. Dietrich Weller

     

  • ART OF TEACHING

    (Übersetzung von Dr. Dietrich Weller am Ende des Textes)

     Simon-Art of teaching-Bild

                                                                  

    Many, many years ago, in the shade of an old tree, Master Ximéng gave a lesson. He focused his teaching on the importance of living in harmony with nature. Subsequently he spoke very gently of how human beings might accomplish this task.

    Afterwards he asked his students, in a whisper: “Have you any questions?”

    A student answered by asking; “Most honorable, what makes your method of teaching so outstanding?”

    He replied: “My method is based on the rules described in XUEJI. The essential rules are: gradual teaching, timing, prevention and imitation.

    Gradual teaching (SUN) means to consider the differences between the students. Its aim is to instruct them at diverse levels and give them particular teachings.

    The teaching is administered step by step and within the student’s level of knowledge. Learning can be effective only if the students can comprehend – within their ability.

    Timing (SHIH): Timing is teaching at an appropriate time. Without timing, twice as much effort as normal is needed to achieve success. Missing the timing by the time a student has reached a certain age, the student starts to engage himself in everyday’s ordinary tasks. The more personal engagements the student has, the less time he has left to study.

    Prevention (YUH): Prevention bears success. Failure happens due to insufficient prevention and lack of preparation. It is better to avert the problems instead of searching reasons for them afterwards. Prevention and preparation result in tough research and homework for the students. By preventing errors, the student is prepared for every possible life’s situations.

    When trouble occurs; it is usually already too late to make any substantive changes.

    Imitation (MO) is learning from others. Life is too short to make mistakes, or to find the best solutions all by oneself. By imitating what wise people have done successfully, one can decrease the chance of making mistakes or making the same mistake twice. After all, everyone has limited learning abilities. Collecting other people’s wisdom and adopting their methods is known to be successful.” 

     

    ANNOTATION:

    A standard textbook of education XUEJI was written during the ZHOU dynasty (1050 -256 BC), and it served as such until 1912. This book was adopted exclusively for teachers and was extraneous in the traditional Chinese medicine. It was especially frowned upon in the latter case, as traditional Chinese medicine had the rule MO (imitation), that the masters of healing arts kept their methods in secrecy and never exchanged their experiences.

    It is curious and remarkable that the ancient art of teaching XUEJI was adopted in classical medicine. Hippocrates taught their pupils the importance of proceeding step by step in the cure (SUN), the treatment without any delay (SHIH) and in the application of the cure to take preventive measures such as taking a proper diet, adequate exercise and getting enough rest (YUH).

    Our  21st century physicians, scientists, researchers and medical personnel worldwide put in the practice the gradual treatment (SUN), timing (SHIH) prevention (YUH).They implement imitation (MO), which means learning from others by collecting other people’s wisdom and adopting their methods. Thanks to the worldwide web the physicians are connected globally and permanently. In this way, they exchange their experiences online and update their medical knowledge. 

    Dr. med. André  Simon   © Copyright

     

    Übersetzung von Dr. Dietrich Weller

    Simon: Die Kunst des Lehrens

    Vor vielen, vielen Jahren hielt Meister Ximéng eine Vorlesung im Schatten eines alten Baumes. Er konzentrierte seinen Unterricht darauf, wie wichtig es ist, in Gleichklang mit der Natur zu leben. Deshalb sprach er sehr sanft darüber, wie Menschen diese Aufgabe erfüllen könnten.

    Danach fragte er seinen Schüler flüsternd: „Habt ihr irgendwelche Fragen?“

    Ein Schüler antwortete mit einer Frage: „Ehrenwerter, was macht deine Lehrmethode so außergewöhnlich?“

    Der Meister antwortete: „Meine Methode gründet sich auf die Regeln, die im XUEJI beschrieben sind. Die wichtigsten Regeln sind: schrittweise lehren, den richtigen Zeitpunkt erfassen, vorbeugen und nachmachen.

    Schrittweise lehren (SUN) bedeutet, den Unterschied zwischen den Schülern zu beachten. Das Ziel ist, sie auf unterschiedlichen Ebenen zu lehren und ihnen individuelle Schulung zu geben. Der Unterricht wird Schritt für Schritt erteilt und auf der Wissensebene des Schülers. Lernen kann nur wirkungsvoll sein, wenn die Schüler es erfassen können – mit ihren Fähigkeiten.

    Den richtigen Zeitpunkt erfassen (SHIH): Das bedeutet zum angemessenen Zeitpunkt zu lehren. Ohne den richtigen Zeitpunkt ist doppelt so viel Anstrengung erforderlich, um einen Erfolg zu erreichen. Wenn man den Zeitpunkt verpasst, wo der Schüler ein bestimmtes Alter erreicht hat, fängt er an, sich mit Alltagsaufgaben zu beschäftigen. Je mehr solche persönliche Beschäftigungen der Schüler hat, umso weniger Zeit hat er fürs Lernen.

    Vorsorge (YUH): Vorsorge trägt den Erfolg. Versagen geschieht durch ungenügende Vorsorge und Mangel an Vorbereitung. Es ist besser, Probleme abzuwehren statt hinterher nach Ursachen für sie zu suchen. Vorsorge und Vorbereitung führen zu genauer Nachfrage und Hausarbeit für die Schüler. Indem er Irrtümern vorbeugt, wird der Schüler auf jede mögliche Lebenslage vorbereitet. Wenn es Probleme gibt, ist es meist schon zu spät, irgendwelche grundsätzliche Veränderungen zu machen.

    Nachahmen (MO) bedeutet von anderen zu lernen. Das Leben ist zu kurz, um Fehler zu machen oder die besten Lösungen ganz allein zu finden. Wenn man nachahmt, was weise Leute erfolgreich gemacht haben, kann man die Chance verkleinern, Fehler oder einen Fehler zweimal zu machen. Immerhin hat jeder begrenzte Lernfähigkeiten. Die Weisheit anderer Menschen zusammenzutragen und ihre Methoden zu übernehmen ist bekanntermaßen erfolgreich.

    Anmerkung:

    Ein Standard-Lehrbuch der Erziehung XUEJI wurde während der Zhou-Dynastie (1050-256 vor Christus) geschrieben, und es diente als Lehrbuch bis 1912. Dieses Buch wurde ausschließlich für Lehrer angewendet und war unerheblich in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Besonders in diesem Gebiet hat man es missbilligt, weil Traditionelle Chinesische Medizin die Regel des Nachahmens pflegte und die Meister der Heilkünste ihre Methoden geheim hielten und ihre Erfahrungen nie untereinander austauschten.

    Es ist seltsam und bemerkenswert, dass die alte Kunst des Lehrens XUEJI in der klassischen Medizin aufgenommen wurde. Hippokrates lehrte seinen Studenten, wie wichtig es ist, beim Heilen Schritt für Schritt vorzugehen (SUN), ohne Verzug zu behandeln(SHIH) und Vorsorgemaßnahmen wie passende Diät anzuwenden und angemessene Übungen und genügend Ruhepausen einzuhalten (YUH).

    Unsere Ärzte, Wissenschaftler, Forscher und medizinisches Personal des 21. Jahrhunderts führten die Praxis der abgestuften Behandlung (SUN), den richtigen Zeitpunkt (SHIH) und Vorsorge (YUH) ein. Sie verwirklichen die Nachahmung (MO), was bedeutet, von anderen zu lernen durch Sammlung der Weisheit anderer und Anwendung ihrer Methoden. Dank des weltweiten Netzes sind die Ärzte global und dauerhaft verbunden. Dadurch tauschen sie ihre Erfahrungen im Netz aus und frischen ihr medizinisches Wissen auf.

    © Dr. med. André Simon, copyright für die Übersetzung Dr. Dietrich Weller

     

    Nachtrag des Übersetzers:

    Dieser Aufsatz ist sehr interessant für mich. Er erinnert mich sehr an meinen Mathematiklehrer, Herrn Wolfgang Lechler, der einer der wenigen Lehrer in meinem Leben war, von denen ich wirklich etwas für die Kunst des Lebens gelernt habe.

    Einer seiner Lieblingssätze war: „Sie müssen die Aufgaben vor der Klassenarbeit, vor dem Test lösen. Wenn Sie erst in der Prüfung damit anfangen, über Lösungsmöglichkeiten nachzudenken, ist es schon zu spät, und Sie haben keine innere Ruhe dazu.“

    In der Woche vor dem schriftlichen Abitur sagte er: „Wenn Sie es bis jetzt nicht verstanden haben, lernen Sie es in dieser Woche auch nicht mehr. Deshalb machen wir jetzt eine Woche lang Mathematik anders.“ Und dann hielt er uns jeden Tag einen Vortrag über Leben und Werk eines anderen berühmten Mathematikers.

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  • Simon-Patience-Bild

    Am Ende dieser Geschichte steht die Übersetzung von Dietrich Weller

    PATIENCE                                         

    Many, many years ago, an old wise man was asked if patience gives one power. His answer was a tale about patience.

    “Once upon a time by the banks of a small tributary of the Yellow river 河蒙西) a well known Sage was fishing. As in every refined tale it is the case, that a Sage is able to communicate with animals .Nearby the fisherman rested a large turtle. The turtle asked the fisherman again and again, the explanation of the patterns of its shell……..Your home – a shell – is your protection against all injuries. It has a pattern on it that describes your virtues. Your greatest virtue is the virtue of patience. This shell is a symbol of patience.

    Humans protect themselves with clothes against the cold. If one puts on more clothes as the cold increases, then the cold will not be able to harm us. However, clothes do not protect us against wrongs, insults, or anger. In these instances when one encounters great wrongs, one should learn to be more patient .One puts on an imaginary shell thereby the insults will be unable to irritate our minds. By being patient a turtle, for example, overcomes storms. By being patient, man can master stormy times and adversities.

    Clearly, patience is power.

    Being patient is the ability to calmly see the accomplishment of one’s goals, not hastily or impertinently. Being patient doesn’t mean sitting around waiting for things to happen.     Instead, it means to work hard as long as necessary without giving up until one attains ones goals. It is to be remembered that if one persist in one’s personal objectives, while enduring the necessary wait, one shall finally succeed. Silkworms make silk cocoons after getting their fill of mulberry leaves. Man, on the other hand, use the silk to weave gowns. In time and with patience the mulberry leaf eventually becomes a silk gown.

    With patience, one learns to enjoy the process and the journey, rather than just keeping ones sights on the end result. By practicing fishing I grow to be patient”, concluded the Sage.

     

    Author’s note                                                                                                                                         

    Patience is an English word meaning “the quality of being patient in suffering,“ originating from Latin “patientia” (bearing hardship; endurance). The word “patience” has a double meaning as in suffering and  endurance. It can apply to both patients and doctors alike.
    A patient-patient bears hardship – with fortitude and calm and without complaint.

    A patient- physician practices – with patience, steady perseverance and even-tempered care.

    A patient-physician has a virtue to listen to his   patients and the willingness to suppress restlessness or annoyance when confronted with delays in protracted treatments.

    Dr. med. André Simon   © Copyright   

     

    Geduld

    Von André Simon, übersetzt von Dietrich Weller

    Vor vielen, vielen Jahren wurde ein weiser Mann gefragt, ob Geduld Kraft spende. Seine Antwort bestand in einer Fabel über Geduld.

    „Es war einmal am Ufer eines Nebenflusses des Gelben Flusses ein sehr bekannter Weiser beim Angeln. Wie in jeder veredelten Fabel kann ein Weiser mit den Tieren sprechen. Neben dem Fischer ruhte sich eine Schildkröte aus. Die Schildkröte fragte den Fischer immer und immer wieder nach den Erklärungen für die Muster ihres Hauses.

    Dein Haus – eine Muschel – ist dein Schutz gegen alle Verletzungen. Es trägt ein Muster, das deine Tugenden beschreibt. Deine größte Tugend ist Geduld. Dieses Haus ist ein Symbol für Geduld.

    Menschen schützen sich mit Kleidern gegen die Kälte. Wenn man bei zunehmender Kälte mehr Kleider anzieht, kann uns die Kälte nichts anhaben. Gegen Verfehlungen, Beleidigungen und Wut schützen sie uns jedoch nicht. In diesen Fällen, wenn man große Verfehlungen erlebt, sollte man lernen geduldiger zu sein. Man zieht eine scheinbare Hülle an, wobei die Beleidigungen unseren Geist nicht mehr stören können. Durch Geduld übersteht eine Schildkröte Stürme. Durch Geduldigsein kann der Mensch stürmische Zeiten und Widrigkeiten meistern.

    Ganz klar: Geduld bedeutet Kraft.

    Geduldigsein ist die Fähigkeit, die Vollendung der eigenen Ziele zu beobachten, nicht hastig oder hartnäckig. Geduldigsein bedeutet nicht herumzusitzen und darauf zu warten, dass irgendwelche Dinge geschehen. Stattdessen bedeutet es, hart so lange zu arbeiten wie nötig, ohne aufzugeben, bis man seine Ziele erreicht hat.

    Man muss sich klarmachen, dass man letztlich siegen wird, wenn man auf seine persönlichen Zielvorgaben besteht, während man die notwendige Wartezeit aushält. Seidenwürmer produzieren Seidenkokons, nachdem sie sich an Maulbeerblättern sattgegessen haben. Der Mensch andererseits nutzt die Seide, um Kleider zu weben. Mit der Zeit und mit Geduld wird das Maulbeerblatt schließlich zu einem Seidenkleid.

    Mit Geduld lernt man den Vorgang und die Reise zu genießen statt die Blicke nur auf das Endresultat zu richten. Indem ich angle, wachse ich in die Geduld hinein!`“, schloss der Weise.

    Bemerkung des Autors

    Patience ist ein englisches Wort, das die Eigenschaft bezeichnet, geduldig im Leiden zu sein. Das stammt aus dem Lateinischen patientia: Ertragen von Not, Ausdauer. Es kann sich sowohl auf Patienten als auch auf Ärzte beziehen.

    Ein geduldiger Patient erträgt Not – mit Stärke, Tapferkeit und Ruhe und ohne Klagen.

    Ein geduldiger Arzt praktiziert mit Geduld, gleichmäßigem Beharrungsvermögen und ausgeglichener Stimmung.

    Ein geduldiger Arzt hat die Tugend, seinem Patient zuzuhören und den Willen, Unruhe oder Verärgerung zu unterdrücken, wenn er mit Verzögerungen bei langwierigen Behandlungen konfrontiert wird.

    Bemerkung des Übersetzers

    Das lateinische Wort patientia ist abgeleitet vom Verb pati. Das bedeutet zulassen, dulden und erdulden, leiden und erleiden.  Hier ist bereits die Doppelbedeutung enthalten, die aus dem (primären) passiven Leid die (sekundäre) aktive Eigenschaft des Verhaltens im Leid, nämlich das Erdulden, die Geduld, entwickelt. –

    Das Verb pati ist transitiv/passiv, es gibt im Latein keine aktive Form des Leidens. Das zeigt, dass Leid als etwas Auferlegtes ertragen werden muss. Das verwandte Verb patere (mit langem e gesprochen) bedeutet offenstehen, offen sein, zulassen, offenbar sein. Daraus leitet sich der südländische Patio (= der offene Innenhof) ab.

    Passus sum bedeutet wörtlich übersetzt: „Ich werde geleidet = mir wird Leid auferlegt“.

    Diesen passiven Begriff kennen wir im Deutschen nicht, wir übersetzen ihn in das aktive „ich leide“.

    Aus dem Wortstamm pati/passus hat sich auch der Begriff Passiv entwickelt: „es passiert mit mir“, dem das Aktive „ich mache etwas“ gegenübersteht.

    Copyright Dr. Dietrich Weller