Schlagwort: Familie

  • Auch in bedrückenden sternenlosen Nächten
    bei peitschenden, Kräfte zehrenden Regenstürmen
    reinigte ich sorgfältig
    meine Worte
    durchströmt von wärmender Zuversicht
    in liebevoller Erwartung
    der Ankunft der Morgendämmerung

  • Am 27. Juli 2022 bekam ich überraschend Post von Herrn Dr. Klaus Baier, dem Präsident der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg. Er gratulierte mir zum goldenen Promotionsjubiläum! Und er entschuldigte sich dafür, dass die Universität Heidelberg-Mannheim keine Urkunden mehr zu diesem Feiertag ausstellt, „auch nicht gegen Bezahlung!“
    Das hat mich verblüfft: Die Ärztekammer denkt an meine Doktorarbeit, und der Präsident schickt mir einen persönlichen Brief! Herzlichen Dank dafür! Diese Post kam auf den Tag richtig! Der 27. Juli 1972 war nämlich der genaue Tag meiner Promotionsprüfung. Da musste ich wieder einmal schmunzeln, als ich über meine Doktorarbeit nachdachte. Diese Geschichte wollte ich schon lange aufschreiben. Hier ist sie.

    Ich studierte im Wintersemester 1969 und Sommersemester 1970 im Klinikum Mannheim, das der Universität Heidelberg angeschlossen war. Nebenbei machte ich Nachtwachen in der Abteilung für Schwerverbrannte in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Ludwigshafen. Die beeindruckenden und manchmal tragischen Erlebnisse in dieser Klinik gehören nicht hierher, aber sie haben mich nachhaltig geprägt. Das will ich wenigstens erwähnen.

    Eines Morgens im Januar 1970 sagte ein Kollege im Hörsaal der Uni zu mir: „Du suchst doch nach einem Thema für eine Doktorarbeit. Bei Prof. Stoll in der Frauenklinik steht am Schwarzen Brett, dass er eine Arbeit zu vergeben hat! Interessiert dich das?“

    Also bat ich im Sekretariat von Herrn Prof. Stoll um einen Termin zu einem Gespräch. „Gut, der Termin ist jetzt!“, sagte die Sekretärin, „Er ist da und hat jetzt gerade Zeit, ich melde Sie an!“

    Prof. Stoll erklärte mir nach einer kurzen Begrüßung sein Anliegen: „Für 1968 habe ich von einer Doktorandin überprüfen lassen, mit welchen Indikationen die Neugeborenen in die Kinderklinik verlegt werden, welche Diagnosen sie dort erhalten und in welchem Zustand sie entlassen werden. Ich möchte wissen, inwiefern sich das verändert hat. Dazu habe ich zwei besondere Fragen: Haben wir alle Kinder rechtzeitig verlegt? Und eine andere Besonderheit sollten Sie genauer anschauen. Ich habe nämlich bemerkt, dass im Sommer 1969 eine Durchfallepidemie im Neugeborenenzimmer ausgebrochen ist und wir deshalb noch viel mehr Neugeborene verlegt haben als in den Vergleichsmonaten des Vorjahres. Ich will wissen, ob das etwas mit den hygienischen Zuständen des Neugeborenenzimmers zu tun hat. Wir verlegen sehr viele Kinder nur, weil wir keinen Platz haben, sie hier zu behandeln. Sie müssen sich das Zimmer mal anschauen und mit den Schwestern dort über die Situation sprechen. Interessiert Sie das Thema?“

    „Ja, das interessiert mich! Ich möchte nach dem Examen eine Kinderfacharztweiterbildung machen. Da passt dieses perinatologische Thema sehr gut! – Mir fällt spontan ein Vorschlag ein: Mein Vater ist niedergelassener Kinderarzt, und ich werde morgen zum Wochenende zu meinen Eltern fahren. Da kann ich mit meinem Vater zusammen eine Gliederung der Arbeit und eine Liste der Dinge erstellen, die ich brauche, um die Grundlagen für die Arbeit zu sammeln.“

    „Gut, dann kommen Sie am Montag wieder zu mir, damit wir das besprechen können. Ich möchte, dass wir immer wieder kurz während Ihrer Arbeit miteinander reden, damit Sie möglichst keine Umwege machen und zielgerichtet und rasch das Ergebnis erreichen. Einverstanden?“

    Ja natürlich war ich einverstanden, was konnte mir Besseres passieren? Andere Doktoranden warten monatelang, bis ihr Doktorvater mal Zeit für sie hat.

    Als ich am Wochenende meinen Eltern den Plan vorlegte, den ich mir schon teilweise gemacht hatte, war mein Vater voll Interesse, und wir wollten gleich mit der gemeinsamen Arbeit loslegen.

    Da bremste meine Mutter: „Kennst du die Frau von Prof. Stoll?“ – „Nein, natürlich nicht, warum?“ – „Ich habe den Verdacht, dass das die Freundin ist, die ich seit vielen Jahren suche. Mit ihr habe ich viel Zeit im Reichsarbeitsdienst verbracht und seither den Kontakt verloren. Bei jedem Kongress, zu dem ich Vater begleitet habe, halte ich Ausschau nach ihr, weil ich gehört habe, dass sie einen Frauenarzt geheiratet hat. Ich hole mal mein Fotoalbum aus der RAD-Zeit!“

    Sie zeigte mir in dem Album einige leicht vergilbte Bilder und deutet immer wieder auf die Freundin, die sie suchte.
    „Ich möchte sie so gern wieder treffen!“

    „Mutter, dann mache ich dir einen Vorschlag. Ich nehme das Album am Montag mit zu Prof. Stoll und frage ihn, ob diese Frau seine Frau ist.“

    „Ja, das ist prima. Und ich schreibe jetzt einen Brief an diese Frau, den du ihm geben kannst, wenn er seine Frau auf diesen Bildern erkennt! Und jetzt könnt ihr beiden an die Arbeit gehen.“

    Vater und ich entwarfen unseren Plan, und es machte uns beiden richtig Spaß, dieses Projekt gemeinsam anzustoßen.

    Am Montag war ich bei Prof. Stoll, und er fragte sofort: „Na, was haben Sie mit Ihrem Vater erarbeitet?“ – „Das erkläre ich Ihnen gleich, aber ich möchte Ihnen vorher etwas anderes zeigen!“
    Ich zog das Album aus meiner Aktentasche. Er schaute erstaunt: „Wo haben Sie das Buch her? So eines haben wir auch zu Hause?“

    Ich legte das Album auf den Tisch und schlug es gezielt auf bei einer Seite, die meine Mutter mit einem kleinen Zettel markiert hatte. Dann deutete ich auf die Frau, die meine Mutter suchte:
    „Ist das Ihre Frau?“ –
    „Ja! Ja!“
    Er war ganz begeistert, als ich ihm berichtete, wie ich zu dem Buch gekommen war und dass ich jetzt auch noch einen Brief für seine Frau hatte:

    „Bitte nehmen Sie das Album und den Brief mit für Ihre Frau! Sie können mir das Album ja gelegentlich wieder geben.“
    Dann besprachen wir die Arbeitsliste, wegen der ich eigentlich gekommen war. Prof. Stoll war sehr angetan von dem Plan und schlug noch wenige kleine Änderungen vor, dann verabschiedete er mich: „Gehen Sie ins Archiv, lassen Sie sich alle Akten geben, die Sie brauchen, dann gehen Sie in die Kinderklinik und suchen dort alle Akten raus. Und dann gehen Sie noch in das Neugeborenenzimmer und schauen sich dort um! Meine Sekretärin meldet sie überall an. Wenn Sie die Unterlagen beieinander haben, melden Sie sich wieder. Sie bekommen dann kurzfristig wieder einen Termin!“

    Am Abend erfuhr ich telefonisch von meiner Mutter, dass Frau Stoll schon angerufen hatte! Sie hatten wohl eine lange Unterhaltung, und beide Frauen waren hoch erfreut über das späte Treffen.

    Ich erstellte in der Frauenklinik eine Liste der Kinder, die 1969 in der Frauenklinik geboren worden waren und füllte meine Fragebogen mit allen Daten aus, die ich brauchte. Dafür hatte ich mir einige Abkürzungen festgelegt, um die Liste übersichtlich zu halten. Dann ging ich mit der Liste in die Kinderklinik und ergänzte die Daten von dort.

    Der Besuch im Neugeborenzimmer war besonders interessant. Die Kinderkrankenschwester, die mir öffnete und der ich erklärte, warum ich komme, war schon informiert über meine Aufgabe. Sie war sehr bereit, mir zu helfen und kam gleich zum Punkt: „Schauen Sie, hier an dieser Wand ist der lange Wickeltisch, wo vier Kinder gleichzeitig gewickelt werden können. Und es ist sehr praktisch, dass ich mich nur umdrehen muss, um die volle Windel in diesen Papierkorb zu werfen. Aber dieser Korb hängt am ersten Bett der Reihe von Kinderbetten, die hier im Zimmer stehen! Und so haben wir vier Bettchenreihen, die alle am ersten Bett der Reihe einen Windelkorb tragen! Wir haben festgestellt, dass immer zuerst das Kind im ersten Bett den Durchfall bekam und dann das zweite, und das dritte. Kein Wunder! Merken Sie was? Das ist ein Planungsfehler! –  Und wir können keine Kinder isolieren  und wegen des geringen Platzes keine Kinder unter 2500 g Geburtsgewicht hier unterbringen, weil sonst die Station überläuft. Deshalb müssen wir so viele Kinder verlegen. Und deshalb will der Professor das unbedingt ändern, aber er sagt, er bekommt kein Geld dafür!“ –

    Jetzt war mir schlagartig klar, worum es ging. Das war eine zusätzliche Motivation, diese Arbeit zu schreiben. Keine wissenschaftlich anspruchsvolle Arbeit, aber immerhin mit der Aussicht, etwas Praktisches und Wichtiges in der Klinik verbessern zu helfen!

    Ich machte mich mit Freude und gewisser Neugier an die Auswertung meiner vielen Daten und stellte tatsächlich die vermehrte Überweisungsaktivität im Sommer fest und konnte sie genau mit der Diagnose Enteritis verbinden. Außerdem konnte ich als Begleitergebnis dokumentieren, dass kein einziges Kind zu spät verlegt worden war. Auch die schwerstkranken Neugeborenen, die später in der Kinderklinik verstarben, waren sofort nach der Geburt in die Kinderklinik verlegt worden. Aber von den 1853 Kindern, die 1969 in der Frauenklinik geboren waren, -das sind durchschnittlich fünf Kinder jeden Tag!-, mussten 472 verlegt werden. Das sind 25%! Diese sehr hohe Zahl lag ganz offensichtlich an den sehr schlechten hygienischen und beengten räumlichen Bedingungen im Kinderzimmer der Frauenklinik. So entschloss man sich zum Beispiel, alle Kinder unter 2500 g Geburtsgewicht auch gesund zu verlegen, weil eine angemessene Versorgung nicht möglich war. In einer gut ausgestatteten Frauenklinik wäre zum Beispiel ein gesundes Neugeborenes mit 2000 g nicht verlegt worden! Die Kinder mussten also von der Mutter getrennt werden, weil das Kinderzimmer zu klein war, nicht weil das Kind oder die Mutter krank waren.

    Als ich Prof. Stoll meine Ergebnisse erklärte und schriftlich zeigte, war er sehr zufrieden: „Das habe ich erwartet! Jetzt schreiben Sie das sehr genau und detailliert in einen flüssigen Text, berücksichtigen Sie die einzelnen Diagnosegruppen der Verlegungen, und bleiben Sie streng bei Ihrer Gliederung. Dann kommen Sie wieder.“

    So war ich immer, nachdem ich einen Teilschritt der Arbeit erledigt hatte, bei ihm zu einem kurzen Gespräch, das nie länger als zehn Minuten dauerte, aber mich sehr zielsicher auf meiner Arbeitsspur hielt. So machte ich nichts Überflüssiges und musste nichts Falsches korrigieren. Diese Bereitschaft von Prof. Stoll, mich so zu unterstützen, war eine echte und vorbildliche Hilfe, für die ich heute noch dankbar bin.

    Ich fand auch noch eine Sekretärin, die in enormer Fleißarbeit meine gesamte Datenliste abschrieb, die wir dann später verkleinert in die Arbeit hinten einfügten.

    Als ich sechs Wochen nach unserem ersten Gespräch Herrn Prof. Stoll an einem Freitag nach seiner Vorlesung meine fertige Arbeit abgab, die ich selbst in die Schreibmaschine getippt hatte, fragte ich ihn: „Wann darf ich wieder kommen, um das zu besprechen?“

    Er überlegte kurz: „Ich fahre morgen mit dem Zug nach Bremen, um einen Vortrag zu halten. Da lese ich die Arbeit während der Fahrt. Meine Frau hat mir verboten, mit meinem schnellen Auto selbst zu fahren. Kommen Sie am Montag nach meiner Vorlesung wieder!“

    Na, besser konnte es ja nicht laufen!

    Als ich am Montag die Arbeit abholen wollte, sagte Prof. Stoll: „Die Arbeit ist prima, ich habe nur ein einziges Adjektiv geändert, den Rest lassen Sie so. Ich habe die Arbeit heute Morgen schon unserem Perinatologen gegeben. Bis morgen hat er sie gelesen, dann gehen Sie zu ihm, holen sie ab und fragen nach seiner Meinung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er etwas auszusetzen hat.“

    Auch von diesem Kollegen bekam ich freundlich und knapp den Kommentar: „Ja. Sehr gut, nichts ändern!“

    Prof. Stoll schlug noch vor, Herrn Prof. Huth, das war der Direktor der Kinderklinik, und Herrn Prof. von Keiser, das war der Dekan der Medizinischen Fakultät und gleichzeitig Direktor der Radiologischen Klinik, als Prüfer der Arbeit zu benennen. Diesen beiden Professoren brachte ich die Arbeit auch, als ich sie in Reinschrift verfasst hatte, und sie waren ebenfalls einverstanden.

    So, könnte man denken, das war´s.

    Aber so einfach geht es natürlich nicht. Zu jeder Doktorarbeit gehört eine Prüfung! Rigorosum nennt man das oder in manchen Fakultäten sogar Verteidigung. Das hört sich sehr militärisch nach einem großen Widerstand an, dem sich der Kandidat stellen muss. In einigen Universitäten findet diese Prüfung öffentlich statt, und der Kandidat muss sich nach einem Vortrag, in dem er seine Arbeit vorstellt, nicht nur über sein Promotionsthema, sondern auch über alle anderen Themen seines Fachs prüfen lassen! Das bedeutet in meinem Fall über die gesamte Medizin! In dieser Prüfung kann man wirklich durchfallen, und ich kenne Menschen, die in dieser Prüfung regelrecht gegrillt wurde, weil auch Themen genau hinterfragt wurden, über die der Kandidat gar nicht gearbeitet hat. Solche Prüfungsmanöver sind oft nur Profilierungsversuche der Prüfer vor ihren Kollegen.

    Es ist Vorschrift, dass diese Prüfung erst nach bestandenem Staatsexamen stattfinden darf. In den meisten Fächern darf man erst nach einem sehr gut bestandenen Examen eine Doktorarbeit anfangen! Das ist dann eine zusätzliche Auszeichnung, bei der man weiß, dass dieser Mensch eine sehr gute Gesamtexamensnote geschafft hat. In der Medizin gibt es da die Ausnahme, dass man die Arbeit schon vor dem Examen schreiben darf. Aber man darf den Titel erst nach dem Rigorosum tragen.

    Das war also noch eine Weile hin. Denn ich musste noch drei Semester studieren, und ich wollte wieder zurück nach Tübingen zum Endspurt. Es gab da nämlich die drei Freunde, mit denen ich Physikum gemacht hatte. Dann hatten wir in Wien ein Semester lang offiziell Medizin studiert und inoffiziell den großen Theater – Oper – Konzert – Kino – Freizeit – Schein gemacht. Den haben wir mit Bravour bestanden, nachdem wir fast jeden Abend bei einer anderen großartigen Veranstaltung waren – oft auf den Stehplätzen, aber wir waren dabei! In diesem Sommer fiel in Wien das 100-jährige Ballettjubiläum mit den Wiener Festwochen zusammen. Das durfte ich mir als großer Klassikliebhaber nicht entgehen lassen.

    Im Klartext: Es gab Fächer, in denen man tatsächlich zwei Mal in einen Kurs kommen musste: zur Anmeldung und um den Schein abzuholen. Deshalb wollte ich ja nach Mannheim, um dort in zwei Semestern an einer kleinen Uni die neun Scheine nachzuholen und tatsächlich zu erarbeiten, die ich Wien „gewonnen“ hatte.

    Meine Freunde hatten so wie ich nach Wien auch andere Unis besucht: München und Innsbruck. Deshalb verabredeten wir uns für das Sommersemester 1970 in Tübingen, um miteinander auf das Staatsexamen zu lernen.

    Su diesem Grund fragte ich Prof. Stoll bei meinem Abschied, wie wir das mit dem Termin für das Rigorosum machen sollten.

    „Das ist einfach: Sie rufen meine Sekretärin an, und sie macht Ihnen die Termine bei mir und den Prüfern.“

    Also zog ich beruhigt wieder nach Tübingen.

    Einen Monat vor der letzten der 18 Prüfungen rief ich im Sekretariat der Frauenklinik an und bat um die Termine. „Ja klar, mache ich für Sie! Wann ist ihr letzter Prüfungstermin? 25. Juli? Gut, rufen Sie mich morgen wieder an, dann habe ich die Termine.“

    Am nächsten Tag sagte die Sekretärin: „Ich habe alle drei Termine auf den 27. Juli gelegt, dann haben Sie es an einem Tag hinter sich und müssen nur einmal hierher fahren!“

    Also fuhr ich am 27. Juli nach Mannheim.

    Erster Termin bei Prof. Stoll. Er begrüßte mich sehr freundlich, bot mir einen Platz vor seinem Schreibtisch an und setzte eine ungewöhnlich ernste Miene auf. Das kannte ich nicht von ihm.

    „Herr Weller, Sie sind zur Prüfung hier!“

    Er machte eine Pause, schaute mich mit unbeweglicher Miene an und wartete offensichtlich darauf, dass seine Worte Wirkung zeigen.
    In welchen Film bin ich denn jetzt geraten?, schoss mir durch den Kopf? So kenne ich den Professor gar nicht!

    Dann fuhr er fort: „Ich habe mir drei besondere Fragen für Sie ausgedacht, die müssen Sie alle sehr gut beantworten, sonst kann ich Sie nicht bestehen lassen! Sind Sie bereit?“

    „Ja natürlich“, sagte meine Stimme, mein Kopfkino stellte auf Alarm und begann mit Rauswurfszenen.

    „Also, erste Frage: Welche Gesamtnote haben Sie im Staatsexamen erreicht?!“

    Puh, das war leicht.

    „Eine Eins.“

    Aber wie geht es weiter?

    „Zweite Frage: Wie geht es Ihren Eltern?“

    Jetzt wurde ich viel lockerer, er spielte mit mir und machte sich einen Spaß daraus. Ich wurde lockerer.

    „Oh, denen geht es gut, ich war gestern bei ihnen und soll freundliche Grüße ausrichten, auch von meiner Mutter an Ihre Frau!“

    „Dritte Frage: Wohin fahren Sie jetzt in Urlaub?“

    Ja bitte, gern noch mehr solche Fragen! Jetzt war ich wieder ganz entspannt.

    „Ich werde am kommenden Montag mit einem Freund eine sechswöchige Rundreise durch die Balkanstaaten bis Istanbul und dann um das Marmarameer zurück über Griechenland nach Deutschland machen.“

    Jetzt lachte der Professor: „Na, sehen Sie, Sie haben doch alles sehr gut beantwortet. Ich unterschreibe das hier jetzt, und Sie grüßen Ihre Eltern sehr herzlich. Und alles Gute für Ihre nächsten Prüfungstermine!“

    „Die habe ich jetzt gleich im Anschluss. Aber ich habe noch eine Frage an Sie.“

    Er schaute verwundert, fragend.

    „Was habe Sie denn mit meiner Arbeit gemacht, hatte sie irgendwelche Konsequenzen?“

    „Das kann man wohl sagen! Ich bin damit zum Baubürgermeister gegangen und habe mir 200.000 DM geben lassen, um das Neugeborenenzimmer endlich umbauen und vergrößern zu lassen. Sie sollten sich das noch ansehen, bevor Sie das Haus verlassen. Ist richtig schön geworden!“

    Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, ging direkt dorthin, und man zeigte mir gern den schönen Umbau.

    Deshalb habe ich immer noch das gute Gefühl, eine sinnvolle Arbeit geschrieben zu haben. Nicht wissenschaftlich, aber dafür pragmatisch mit einem echten Vorteil für diese Klinik und die Neugeborenen! Keine Arbeit für die Schublade, sondern etwas Notwendiges, das die Not wendet! Dafür bekam ich die Note cum laude – mit Lob. Das ist die beste Note, die man für eine nicht experimentelle Arbeit erhalten kann. Es gibt ja noch magna cum laude und summa cum laude.

    Bei Prof. Huth in der Kinderklinik war die erste Frage: „Welche Arbeit haben Sie denn geschrieben, ich erinnere mich nicht mehr. Können Sie mir kurz das Wesentliche erklären?“

    Das war einfach, und ich konnte fließend berichten und einige beeindruckende Zahlen einstreuen, weil ich am Tag davor meine Arbeit noch einmal gelesen hatte. Außerdem hatte ich sicherheitshalber ein Exemplar der Arbeit in meiner Aktentasche dabei, aber das wollte er gar nicht sehen.

    „Das war eine gute Arbeit, jetzt erinnere ich mich wieder! Also kann ich hier unterschreiben, dass Sie die Prüfung bei mir bestanden haben! Alles Gute für Sie!“

    Bei Prof. von Keiser wurde ich freundlich und jovial begrüßt. Das war schon mal erfreulich, weil er als sehr strenger Prüfer bekannt war.

    „Herr Weller, zuerst will ich mal wissen, welche Note Sie im Staatexamen gemacht haben.“

    „Eine Eins.“

    „Also, Sie wissen ja, wenn ich Sie durchfallen lassen will, schaffe ich das!“ Das klang sehr streng.

    Ich nickte und ahnte Schlimmes. Er setzte sich bequem hin. Ich noch nicht.

    „Wenn Sie aber in 18 Einzelprüfungen bewiesen haben, dass Ihr medizinisches Wissen insgesamt eine Eins wert ist, muss ich jetzt nicht eine 19. Prüfung machen! Erzählen Sie mir einfach mal, was Sie für eine Arbeit geschrieben haben. Ich erinnere mich nicht mehr daran.“

    Nach meinem Bericht sagte er freundlich und schon im Aufstehen: „Also, mein Glückwunsch! Ich unterschreibe hier und wünsche Ihnen alles Gute!“

    Damit war ich draußen, erleichtert und mit verschwitztem Hemd, aber das kam natürlich nur von der Bullenhitze an diesem heißen Julitag und meinem dunklen Anzug und der korrekt geknoteten und hochgezogenen Krawatte!

    Anschließend ging ich –endlich ohne Sakko und Krawatte!- in einen Herrenkonfektionsladen und kaufte mir eine beige Hose. Ich hatte nämlich fast während der ganzen Prüfungsvorbereitung und der sechsmonatigen Prüfungszeit beim Lernen und Lesen am Schreibtisch immer dieselbe Hose an, weil sie so bequem war. Sie war jetzt durchgewetzt, und ich hatte mir vorgenommen, sie erst nach dem bestandenen Examen zu ersetzen. Die neue Hose behielt ich gleich an, weil sie so schön leicht war. Dazu passte ein helles Sommerhemd, das auch noch auf dem Ausstellungstisch lag. Auch das behielt ich gleich an. Die dunkle Anzughose und mein weißes Hemd ließ ich einpacken.

    Jetzt wurde mir die Symbolik richtig bewusst: Studium ade – Urlaub, ich komme!

    Die neue Hose und das Hemd bezahlte ich mit einem Scheck, und ich unterschrieb zum ersten Mal in meinem Leben und sehr aufmerksam mit Dr. Dietrich Weller. Darüber habe ich mich noch viel mehr gefreut als über die Hose und das Hemd.

    Das war mein ganz stiller Triumph in diesen Minuten des Einkaufs: In einer einzigen Woche hatte ich mein Studium nach sechs Jahren und die Promotion abgeschlossen und das mit 25 Jahren! Das fühlte sich sehr großartig an!

    Ich fuhr in bester Stimmung und gemütlich nach Leonberg zurück, wo meine Mutter schon Vorbereitungen getroffen hatte für das Fest am morgigen Samstag. Meine Eltern hatten nämlich schon vor Monaten, als die Prüfungstermine bekannt waren, die Idee gehabt, meine drei Studienfreunde mit ihren Eltern zu einem Grillfest in unserem Garten einzuladen. Ein meinen Eltern gut bekanntes Ehepaar, er war Koch, machte sich eine Freude daraus, uns am Grill leckere Speisen zuzubereiten. Es wurde ein richtig stimmungsvoller Abend an diesem wunderbaren Sommertag und ein denkwürdiger Abschluss unseres Studiums!

    Einen Nachklapp zur der Geschichte will ich der Vollständigkeit halber noch hinzufügen.

    Lange, nachdem ich schon meine eigene Praxis in Leonberg hatte, bekam ich von der Kreisärzteschaft eine Einladung zu einem Vortrag von Prof. Stoll in Leonberg.  So sah ich meinen Doktorvater wieder, und mein Vater brachte meine Mutter mit, die sich während des Vortrags im Restaurant des Hotels mit Frau Stoll zwei gute Stunden machte.

    Einige Jahre später, als ich in einem meiner Bücher eine kurze Geschichte aus einer Vorlesung bei Prof. Stoll veröffentlichte, suchte ich ihn, um ihm das Buch zu schicken. Ich erreichte telefonisch seine Frau, die mir erzählte, er sei an einer Lungenfibrose verstorben. Also schickte ich das Buch an Frau Stoll.

    Leonberg, am 08.08.2022


  • Für Jürgen

    Wieder ist ein Freund gestorben…
    Wieder sind Schmerz
    und Trauer gross
    Es ist kein Trost
    noch nicht
    dass er nicht mehr leidet
    denn es leiden
    seine Frau
    seine Kinder
    Enkelkinder
    alle Freunde
    und auch ich

    Er war seit vielen Jahren
    ein wirklich guter Freund
    seine Meinung war mir
    immer wichtig
    sein Lächeln
    Schulterklopfen
    Händedruck
    belebten mich

    Ich habe es ihm
    nie gesagt
    und daran leide ich
    Jetzt könnte er es wissen
    Aber…
    andere sind ihm
    wichtiger als ich

    Ich werde mich erinnern
    und ich werde
    wieder seine Worte lesen
    vielleicht bin ich dann
    getröstet

    5.10.21

  • zum vierhundertsten Todestag

    Hochgestimmt und offenherzig
    so traten wir nun an
    Empfinden und Folgern
    zu meistern
    der Altvorderen
    unsere Herkunft,
    wie es denn wurde,
    dass wir anders meinten
    dann
    erwachsen nach Hunderten von Jahren
    aus dem gewohnten Schoß
    der allerersten Märchen
    und aus Resten
    eines beschlagenen Gedenkens

    Galt es
    einsame Brüche zu erkennen
    im Lauf der gequälten Geschlechter 
    zu finden vielleicht nur
    die schleichende, kleinlaute Abkehr
    vom bisherigen Sinnen?

    Mein einstiges Stürmen
    wirkt mir
    zu mancher Stunde fremd
    so unerwartet toll
    will´s mir erscheinen
    Kaum mehr kann ich kennen
    erkennen, etwas Sicheres in mir
    nicht lässt sie sich wissen
    erwischen die großartige Welt

    Im Schleier der Zeiten
    verpuppt sich die unstete See
    zum haltlosen Strom
    meiden die längst gesättigten Blicke
    den Grund
    im trüb gewordenen Wasser,
    können nicht sagen
    warum es wurde was da ist
    und wie das wurde was es ist

    Zum ersten Aufbegehren gewandt
    vermag ich betagteres Empfinden
    nicht zu entwirren
    nicht in mir
    auch nicht im Kosmos,
    nicht die erwartete tiefe Zäsur
    in einem übermächtigen
    unwiderstehlich waltenden Gedanken,
    dass so entschieden, so vollkommen
    in der Abfolge unserer Epochen
    sein Gegenteil durchaus
    den weiteren Weg benennen konnte

    Parabelähnliches Verhalten fast,
    erst den einen
    dann den zweiten Schenkel hochziehen
    hoch hinauf, fast zu den Sternen
    und stetig, stetig muss sie                                                
    muss die Bewegung sein
    -so tippte es mir der Lehrer auf den Graphen-
    ohne ein Stocken in der Führung
    soll es geschehen

    Leichtherzig haben wir
    bescheidene Einschnitte nicht gespürt
    sie nicht gesucht
    nicht der stillen Kehrtwende
    unterschwelligen Moment
    Was unmöglich in Gänze erschien
    ist in Summe wahrhaftig geworden,
    wurden sie
    die zahllosen Grenzwerte, mein Freund
    unerklärbar überschritten

    nicht säßen wir sonst hier
    wohl gezeugt, so sagen es die Schriften
    als bittersten Todesernst
    der Zweifel besiegte,
    grausame Überzeugung
    aus der Mühle unzähliger Jahre gespeist
    unserem Denken
    nur noch als bester Unfug galt
    überwunden zwar
    doch ohne die eine Erkenntnis
    wie dies geschah
    im eigensten Innern

    endgültig gekappt
    ist sie auch hier
    die heilende Nabelschnur
    zu den Dingen
    aus Bruchstücken der Überlieferung
    fügten wir es uns zurecht
    wie wir es zu verstehen meinten
    jenes Gesamtbildnis
    Doch passt es nicht,
    immer ein Steinchen noch so klein
    passt so richtig nicht
    ins ehrgeizige Mosaik
    Trotzdem erleichtert
    und so stolz
    deuten wir immer wieder gern
    aufs geltende Zeitalter
    und die verwandelten Gesichter   

  • (11.1.2021)

    für meine Enkelkinder

    Es gibt häufig helle und dunkle Zeiten
    lasst euch von ihrem Wechsel nicht verleiten
    Immer wenn die Kräfte des Tages versiegen
    werden Lichtschmetterlinge in Brunnen fliegen
    Solche wunderbaren Brunnen sollt ihr finden
    Lichter suchen und sie fröhlich verbinden

    ֎֎֎

  • Berechtigte Frage

    (23.8.2020)

    Ullrich Mies gewidmet*

    Hoffentlich werden meine Enkelkinder
    wenn sie älter sind
    mir die berechtigte Frage stellen
    was ich im Jahre 2020 gemacht habe

    Ich werde sie liebevoll umarmen und erzählen
    Das Leben ist der beste Lehrmeister
    Deshalb habe ich stets versucht
    aus der Geschichte zu lernen
    die entscheidenden Eigentumsverhältnisse zu erfassen
    und deren Wirkung auf die laufenden Geschehnisse
    Aufrichtig und sorgfältig habe ich hingeschaut
    wie die Entscheidungsträger in unserer Gesellschaft
    sich bei den früheren Ereignissen verhalten haben
    bei der BSE, Schweinegrippe oder Vogelgrippe
    bei Agende 2010 oder Hartz IV
    beim Umgang mit der Allmende
    bei der Privatisierung der öffentlichen Daseinsfürsorge
    bei den illegalen Kriegen gegen Jugoslawien
    Afghanistan, Irak, Libyen oder Syrien
    bei der Aufarbeitung der Vorfälle vom 11.9.2001
    bei dem sogenannten Krieg gegen den Terror
    bei Rüstungshaushalten und Waffenexporten
    bei Staatsstreichen in der Ukraine, Bolivien oder Venezuela
    bei den verheerenden weltweiten Wirtschaftssanktionen

    Diese Erkenntnisse und Erfahrungen
    habe ich versucht folgerichtig umzusetzen
    um die tiefgreifenden Umwälzungen im Jahre 2020
    zu begreifen und behandeln

    Dabei habe ich mich stets
    von der Überzeugung leiten lassen
    dass tief in den meisten Menschen
    die Sehnsucht nach Wärme und Nähe lodert
    und dass das umfassende Lieben der Erde
    die Grundlage unseres Lebens ist

    ֎֎֎

  • Es ist hilfreich, einen Kompass zu nutzen, wenn wir unseren Weg suchen. Das setzt voraus, dass wir unser Ziel kennen und den Kompass richtig benützen. Dies gilt im übertragenen Sinn auch für die Orientierung in geistiger und sozialer Richtung.

    Meine Geschichte zeigt, was geschieht, wenn jemand einen defekten Kompass nutzt und ihn für voll funktionsfähig hält.

    Schon gleich zu Beginn der Abendsprechstunde um 18 h in der Notfallpraxis lag eine Anforderung von der DRK-Leitstelle vor, einen Hausbesuch zu machen bei einem Mann, der einen suprapubischen Blasenkatheter und Fieber habe. Der Patient war uns bekannt, weil er schon einmal mit Urosepsis stationär eingewiesen werden musste. Da ich der einzige Arzt in der Sprechstunde war, musste ich diese bis 22 Uhr abhalten. Deshalb hat ich den Praxishelfer, bei dem Patienten anzurufen, die Situation zu klären und unseren Besuch für kurz nach 22 Uhr zuzusagen. Die Ehefrau des Patienten klang alkoholisiert und machte den Besuch dringend, ihr Mann habe keine Schmerzen, und es gehe ihm gut, Fieber habe sie nicht gemessen, aber er habe wahrscheinlich Fieber, und wir sollten gleich kommen, sie könne nicht warten.  Wir vertrösteten sie, auch nachdem sie in den folgenden Stunden mehrfach sehr ungeduldig und verärgert den Besuch anmahnte. Aber da es ihrem Mann angeblich gut ging, sah ich keinen Grund, einen Notarztwagen zu ihm zu schicken.
    Als ich kurz nach 22 Uhr in die Wohnung des Patienten kam, lag der Mann im Bett und begrüßte mich freundlich, während im Nebenzimmer die alkoholisierte Ehefrau meine Fahrerin anschimpfte, weil wir so lange nicht gekommen seien. Sie müsse schließlich morgen früh wieder arbeiten und könne nicht so lange auf uns warten.
    Der Patient sagte, er habe seit morgens Fieber gehabt, aber nicht gemessen, weil er kein Thermometer habe. Er machte auf mich keinen kranken Eindruck. Mein Fieberthermo-meter zeigte jetzt bei ihm 37,5°C. Aus dem Blasenkatheter floss klarer Urin. Der Urin-teststreifen ergab keine Zeichen für einen Harnwegsinfekt. Herz und Lunge waren normal. Der Tastbefund des Bauches war unauffällig. Der Patient klagte keine Beschwerden.
    Ich sah keinen Grund für eine akute Therapie und fragte: „Haben Sie Ibuprofen da, falls Sie tatsächlich Fieber bekommen? Haben Sie ein Antibiotikum da?“ –
    „Nein, ich habe gar keine Medikamente da!“, meinte der Patient.
    Bei einem Blick auf ein Regal entdeckte ich Medikamentenschachteln, ging darauf zu und sagte: „Aber da haben Sie doch Ibuprofen!“
    Ich nahm die Schachtel, sah, dass sie fast voll war, da riss mir die Ehefrau die Schachtel aus der Hand und keifte: „Das sind meine Tabletten!“
    „Das ist prima,“, meinte ich, „da können Sie Ihrem Mann eine Tablette schenken, wenn er heute Nacht Fieber bekommt, und ich schreibe ihm jetzt ein Rezept, dann können Sie morgen für ihn die Tabletten holen.“
    „Nein, der bekommt meine Tabletten nicht! Die brauche ich manchmal!“
    Ihre Stimme wurde schärfer und lauter.
    Ich versuchte freundlich, sie umzustimmen:
    „Mir geht es doch nur darum, dass Sie in Ihrem Zustand jetzt nicht mehr Auto fahren sollten, um in der Nachtapotheke für Ihren Mann Tabletten zu holen!“
    „Nein, der bekommt meine Tabletten nicht!“ –
    Ich setzte mich hin und schrieb ein Rezept über Ibuprofen für den Mann und einen kurzen Informationsbrief für den Hausarzt.
    Eine weitere Diskussion erschien mir bei der angespannten Lage und dem nicht bedrohlichen Gesundheitszustand des Ehemannes nicht angebracht.
    Ich wandte mich zu ihm und sagte: „Also, da läuft gerade eine völlig bescheuerte Situation ab. Es wäre so einfach, Ihnen bei Bedarf heute Nacht die Tabletten zu geben, aber das sollten Sie besser allein mit Ihrer Frau abmachen. In dem Zustand kann sie jedenfalls nicht in die Apotheke nach M. fahren.“
    Ich verabschiedete mich freundlich bei dem Patienten und knapp bei der Frau und verließ das Haus.

    Im Auto dachte ich an meinen Vater, der einmal ein Ehepaar mit dem schwäbischen Satz beschrieben hat: „Er wär´ ja scho´ recht, aber sie isch a Aufgab´!“

  • Salam

    (14.2.2020)

    für meine Enkelkinder

    S wie „salam“, mit tiefer Sehnsucht nach Frieden leben
    A wie „andischeh“, immer eigenständig denken
    L wie „lab“, Lippen beim Sprechen und Küssen unersetzlich
    A wie „asadeh“, stets aufrichtig blicken und handeln
    M wie „mehraban“, liebevoll und warmherzig sein

    ֎֎֎

  •  

    Finde ich meine Richtung
    auf dem alten Kompass
    so würde ich mich
    sehr gern dorthin begeben
    doch weiß ich nicht
    wie viele Tagesnächte es kosten soll
    Verkünden werden es vielleicht
    die goldenen Herden
    mit fröhlichem Gebrüll
    von Sonne umflutet
    jeden Tag
    die satten,
    auf dunklen Schiffen einst,
    da drängten wir
    von Kythira nach Rhodos

    Der Speer zuerst
    er neigt seinen Schaft,
    der Bogen
    eine Mulde weit die Arme
    Nicht Thermopylens letztes
    trauriges Kapitel
    auch nicht Bruder den Bruder, nein
    nur beieinander verweilen sie still
    So möchte die Hand
    Früchte berühren, sie pflücken
    kann ihr doch nur ein Leichtes sein
    bei solch geringer Entfernung
    Meinte man,
    unsre göttliche Insel zu erspähen,
    zu vernehmen
    das laute Geschrei unruhiger Tiere
    so wird
    mein ewig transzendierender Wille
    den noch so kleinen Abstand
    überwinden
    werde ich mir die Früchte nehmen

     

  • Endlichkeit

    (20.12.2019)

     

    Der wesentliche Unterschied
    zwischen dir und vielen Zeitgenossen
    ist der bewusste Umgang
    mit der natürlichen Gegebenheit
    unserer Endlichkeit
    und daraus folgend
    die Dankbarkeit
    bei der gezielten Gestaltung
    der verbleibenden Zeit

    ֎֎֎