Schlagwort: Familie

  • Kapitalistisch erzogen

    (11.12.2019)

     

    Getrieben, gereizt, gierig
    rastlos durch Zeit und Raum rasend
    verbrannten sie die geschenkte Gelegenheit
    ihre Umwelt  wahrhaftig zu berühren 

    Am Ende gab es eine gewaltige Grube
    gefüllt mit grimmigen Gestalten
    ohne wesentliche Wärme

    ֎֎֎

  • Der kleine Zusatz                   

     

    An vertrauten Hügeln
    hab ich die Sorgen
    mit Eindrücken besänftigt,
    dem unsteten Tanzen der Halme
    in purpurnem Licht
    dem Atmen der klumpigen Erde
    auf jedem Schritt
    Wie ein Stein
    in hungrigem Wasser
    wurde ich eins
    mit deinem wilden Treiben
    eins in deinem maßlosen Meer
    Weißt du´s?
    Weißt du es noch, Eglantine?

    Den kleinen
    vordergründig unbedeutenden Zusatz
    sollte man schätzen lernen,
    den Schlaf
    den möchte er uns so gerne nehmen
    sicherlich wird er ihn nehmen
    so wie die Nacht zum Tage wurde
    als ich dich vernahm
    stolzerfüllt die Leidenschaften schwingend
    auf festlichen Alleen

    Weit öffne ich das Fenster, weit
    ich schmecke
    ich lausche und begehre,
    der kleine Zusatz
    der lässt mir keine Ruh
    Oft waren es doch nur
    Clementinen in meiner Hand
    reich an sattem Fleisch
    und süßem Saft,
    liebevoll verklärte Zehrung
    auf später Heimkehr
    mit Vater und Mutter
    fernab der rumorenden Stadt
    … eine Weltbühne die Vaterstadt

    Bretter drei an der Zahl
    nur behelfsmäßiges Werk der Zaun
    ein Stamm am Rand
    hochgewachsenes Gras, wenige Blumen
    Gestern fiel er mir nicht auf
    heute sah ich ihn
    umrankt vom ersten Abendlicht
    dem ersten kühlen Hauch ergeben
    und da staune ich nur
    gebannt

    Ein Zwielicht ist´s,
    in ihm schmücken das Pflaster
    feine Fassaden
    dringen zu uns vielfach die Stimmen
    betörende Düfte und beste Musik
    Ein Zwielicht hat mich angelockt
    jenes Halbdunkel
    konnte mir so sehr gefallen
    Und weiß ich ja nur allzu gut,
    dass ich den Schlaf verlieren werde
    wenn du einst lächelnd runterkommst
    auf der geschmückten Straße
    und ich mich an dir erfreue

     

     

     

     

  • The DOORS

              

    It is an ancient truth that, after one small narrow door is closed for us, almost immediately a new huge entrance opens. We often hear people say, that happiness is like a butterfly; chasing, it escapes and if we stand still, it       leans on our shoulders. If we have listened to these veracities, we would conclude, that happiness and opportunities happen alone and almost by magic.

    However, in the reality, when one small narrow door is closed for us, we often spend a lot of time complaining about what happened, and the emptiness and noise of our sadness remained. No one reacts quickly enough to see the other entrance where it is assumed to be the better choice.

    Perhaps, at some point in our life’ cycle, we take the best choice, for a certain period. This is enough to make us believe, that it would be our final destiny. However, we should create the destiny with determination and courage by finding for us the proper exit.

    This alleged „emergency exit“, which offers new path towards the „true happiness». is not always open immediately. It is worth pondering over the issue to understand, that life, in reality, is a maze of doors to overstep.   Though, by the failures, we take advantage to acquire the experience and start over.

    The closed door does not work well. Neither, the sadness can go out, nor the happiness can come in.

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Translator´s addition

    A wise chinese saying points out the background of our destiny:

    „By trying to avoid mistakes in choosing our way of life at forks of our paths we are led to our real destiny. Our assumed detour is the true path.“

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Die Türen

    Es ist eine alte Wahrheit: Wenn eine kleine enge Tür sich für uns schließt, öffnet sich fast sofort ein riesiger Eingang. Wir hören oft, dass die Leute sagen, Glück sei wie ein Schmetterling: Wenn wir ihn jagen, flieht er, und wenn wir verharren, lehnt er sich an unseren Schultern an.

    Wenn wir diesen Wahrhaftigkeiten zuhören, schließen wir daraus, dass Glücklichsein und Gelegenheiten von allein und fast wie Zauber geschehen.

    Aber in der Wirklichkeit verbringen wir viel Zeit damit, nachdem sich eine Tür geschlossen hat, über das Geschehene und über die verbleibende Leere und die Störgeräusche unserer Seele zu klagen. Keiner reagiert rasch genug, um den anderen Eingang zu erkennen, von dem wir die bessere Wahlmöglichkeit vermuten.

    Vielleicht ergreifen wir die beste Wahl an einem Punkt unseres Lebenszyklus für eine bestimmte Phase. Das genügt, um uns glauben zu machen, es sei für unser endgültiges Schicksal. Allerdings sollten wir das Schicksal mit Bestimmung und Mut erschaffen, indem wir für uns den passenden Ausgang suchen.

    Dieser angebliche „Notausgang“, der uns den neuen Pfad zur „wahren Glückseligkeit“ anbietet, ist nicht immer sofort offen. Es lohnt sich, über die Angelegenheit nachzudenken, um zu verstehen, dass das Leben in Wirklichkeit ein Labyrinth von Türen darstellt, die man verpassen kann.

    Doch durch die Fehlversuche haben wir den Vorteil, Erfahrungen zu sammeln und von vorn anzufangen.

    Die geschlossene Tür funktioniert nicht gut. Weder die Traurigkeit kann entweichen noch kann das  Glück hereinkommen. 

    Zusatz des Übersetzers:

    Durch den Versuch, Fehler an Weggabelungen auf unserem Lebensweg zu vermeiden, werden wir zu unserem wirklichen Schicksal geführt. Unser vemeintlicher Umweg ist der richtig Weg.“

     

  • Momente

    (17.11.2019)

     

    Wie kleine Kinder mit funkelnden Augen
    in Erwartung eines besonderen Ereignisses
    warte ich auf unser Wiedersehen
    um dich wieder auf meinen Armen zu tragen
    mit dir unbeschwert herumzualbern
    und mit Bewunderung herauszufinden
    was alles bei dir zu entdecken ist
    gerade in dieser Phase schneller Entwicklung
    In dein Gesicht zu schauen
    ist so schön und rührend
    wie der Sonnenaufgang in den hohen Bergen
    wie das Abendrot am offenen Meer

    ֎֎֎

  • Fliegende Botschafter

    (16.11.2019)

     

    Meine Gedichte!
    Seid Vögel mit kräftigen Flügeln
    wenn hohe Amtsträger der Republik
    öffentlich für illegale Kriege werben
    wenn Parlamentsmitglieder unverhohlen
    zur Neugestaltungen des Landes
    wohl temperierte Grausamkeiten empfehlen 

    Seid Vögel mit kräftigen Flügeln
    emsige Pfleger der Zuversicht und Hoffnung
    kämpferische Botschafter der Barmherzigkeit
    aufrechte Verteidiger des gedeihlichen Lebens

    ֎֎֎

     

  • Grand Tour 1958

    Beim Wieder-Lesen von D. Richters „Goethe in Neapel“[1] bin ich diesmal an dem Begriff „Grand Tour“ hängengeblieben. Damit ist die Kavaliersreise gemeint. die Aristokraten-Sprösslinge, später auch Söhne von wohlhabenden Bürgern, im 18. und 19. Jahrhundert nach Italien, und dort vor allem nach Venedig, Rom und Neapel unternahmen. In Begleitung der hoffnungsvollen jungen Männer waren oft Kunstgelehrte und Literaten, meist Dienerschaft und immer reichlich Gepäck, denn die Reise ging über viele Wochen und Monate. Nicht alle hatten einen so generösen fürstlichen Mäzen wie Goethe, den der Herzog von Sachsen – Weimar – Eisenach bei vollen Bezügen für weit länger als ein Jahr beurlaubte. Man bewegte sich mit der Postkutsche gemächlich vorwärts.

    Als mir mein Vater zum Abitur 1958 eine Italienreise schenkte, nahmen wir natürlich den Zug, und die erste Station war nicht Venedig sondern Florenz. Außerdem mussten die Osterferien, an die Papa als aktiver „Oberstudienrat“  noch gebunden war, ausreichen. Dennoch lässt sich das Unternehmen viele Jahre vor Beginn des Massentourismus, exakt geplant und wohl vorbereitet durch Lektüre und Kartenmaterial, als unvergessliches Erlebnis durchaus mit einer „Grand Tour“ vergleichen.

    Wir brachen gegen Abend aus unserer kleinen Stadt auf und hatten dann  stundenlang Aufenthalt in Frankfurt, bis unser „D-Zug“ abfahren sollte. Es gab ein Kino, und ich erinnere mich, angesteckt von meinem ‚geologischen‘ Vater, an einen faszinierenden Schwarz-Weiß-Film über das Nördlinger Ries. Dorthin machten wir später einen Ausflug, mit Photoapparat und Geologen-Hammer in der Tasche.

    Ende der 50-er Jahre verfügten die „Schnellzüge“ noch über richtige Speisewagen mit eigener Küche. Ein Kellner ging herum und legte einem Bratkartoffeln nach, toll! Auf dem Brenner standen wir mehr als eine Stunde lang im verschlossenen Zug, Höhepunkt der Südtirol-Krise. Kurz zuvor war ein halbes Postamt mit Bediensteten und Bombenpaket in die Luft geflogen. Polizei und Zöllner durchsuchten alles gründlich, sogar die Seifenschachteln mussten geöffnet werden.

    Gegen 17.00 Uhr waren wir in Florenz und pilgerten zu Fuß, die Koffer in der Hand, auf unsere Pension zu. Einmal fragte mein Vater in seinem besten Italienisch ein altes Mütterchen nach dem Weg. Es antwortete: „I bin do a frimd, aber i hob a Kartn in dera Taschn“, das half uns doch! In der Pension gab es „Table d‘ Hȏte, in Anwesenheit der Padrona di Casa. Man wartete mit dem Essen, bis sie „Buon Appetito“ gewünscht hatte. Das Wasser und der ausgezeichnete Wein waren inclusive. Abends wurden die Schuhe vor die Tür gestellt, und morgens holte man sie geputzt herein.

    Am meisten beeindruckte mich der Ausflug nach Fiesole. Die Uffizien haben mich gelangweilt. Palazzo und Ponte Vecchio waren und sind natürlich wunderschön.

    In Rom hatten wir die Empfehlung der Florentiner Pension an ein vergleichbares Etablissement. Es lag im Vatikan-Viertel. Am Gründonnerstag fand eine allgemeine Papst-Audienz in der Peterskirche statt. Pius der XII, sehr gebrechlich – er starb noch in demselben Jahr – wurde hoch an uns vorüber getragen. Zum ersten Mal erlebte ich in einer Kirche Applaus und lautstarke Begeisterung, Evviva!!! Man reichte ihm weiße Mützen hinauf, die er kurz aufsetzte und nach dieser rituellen Geste zurückgab. An Ostern hielt er seine Rede in fünf Sprachen; sein Deutsch war besser als sein Französisch. In der Pension gab es Schokoladeneier und Biskuit.

    Ich sah Tivoli, die Glanzlichter des Nationalmuseums mit dem  Diskuswerfer, damals noch in den Thermen des Diokletian, das Forum und den Palatin, die Caracalla-Thermen und die Michelangelo-Skulpturen, für die ich allerdings rennen musste, weil unser Zug nach Neapel nicht warten würde und die Heiligen ja erst am Ostersonntag wieder enthüllt wurden.

    Neapel und sterben? Na ja. Es war dort etwa 10 Grad kälter als erwartet. Wieder Fußmärsche zu unserem neuen Hotel, das einsam und allein auf einer öden Fläche lag. In jedem Zimmer gab es zwei Heizrippen, die sich sogar mehrmals am Tag erwärmten. Das war dringend nötig! Ich lehnte mich mit dem Rücken daran, wenn ich Postkarten schrieb.

    Papa lief zur Hochform auf: die Flegräischen Felder, Pozzuoli, der Bradyseismos, Monte Nuovo, Vesuv; aber natürlich auch Paestum, Pompeji, Herkulaneum, Capri. Wir wurden überall angestarrt, wohlwollend eigentlich, padre e figlia! Nicht alltäglich. Meine Schuhe – weiße vorn gerundete Ballerina-Slippers – erregten Aufsehen und Heiterkeit. Die Neapolitanerin trug schwarze spitze, hochhackige Schuhe. Was für ein Kontrast! In Rock und Pumps balancierte sie im Damensitz als Sozia auf der Vespa ihres Kavaliers. Helm? Das war noch sehr fern.

    Gefährdet fühlten wir uns nie. Das kam später. 1991 wurden meine Freundin und ich von Halbwüchsigen mit Steinen beworfen, als wir uns zu weit auf ihr Territorium vorgewagt hatten. 1998 traute ich mich in Neapel nur auf die Straße, wenn ich wie eine Athena Promachos gerüstet war, in der Hand nicht einmal eine Plastiktüte.

    Bei unserer Grand Tour hatte auch Ischia auf dem Programm gestanden, war aber buchstäblich ins Wasser gefallen. Ich bin seither noch nicht dort gewesen, habe es aber für den kommenden März gebucht, bei Leben und Gesundheit und wenn die Welt noch steht.

    Ich freu‘ mich ja so!

    [1] Berlin 22013, 9.

  • Aufstehen

    (10.11.2019)

    Julian Assange gewidmet

     

    Bei Morgendämmerung
    reinige ich meinen Blick mit Tauperlen
    schärfe mein Gehör mit Vogelgesängen
    und rede mit meinen Urahnen
    über die in Vergessenheit Geratenen
    Dankbar besinne ich mich meiner Fähigkeit
    begreifen und gestalten zu können
    So gehen in mir tausend Sonnen auf
    erhellend, belebend
    zum gelassenen Kampf aufrufend

    ֎֎֎

  • Schlachtbank

    (10.11.2019)

     

    Es ist wahrhaftig
    eine verbrecherische Höchstleistung
    der Großbanditen unserer Zeit
    die Menschen so zu blenden
    dass sie aufgebracht
    ihre eigene Entmündigung fordern

    ֎֎֎

  • Einheit

    (1.11.2019)

     

    Über Freude kann ich berührend schreiben
    da ich durch tiefe Trauer gewandert bin
    Das gilt auch für weitere
    allgemein als Gegensätze geltende Begriffe
    Ich habe sie in ihrer erhellenden Einheit erlebt

    ֎֎֎

  • Taufspruch

    (26.10.2019)

     

    Lasst uns auch sie wahrnehmen
    die Sprachlosen ohne würdige Fürsprecher
    Kinder auf der Flucht
    vor Krieg und Zerstörung
    Straßenkinder, Kinder in Not
    Lasst uns sie wahrnehmen
    und für sie würdige Fürsprecher sein

    ֎֎֎