Schlagwort: Gesellschaft

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    Wenn jemand vom Vorstand des BDSÄ mich anruft, ein E-Mail sendet oder auch eine SMS, spüre ich jene Unruhe, von der ich meine, dass sie weder von Helga, Dietrich, Eberhard, Jürgen noch von mir kommt. Ich bewundere meine Vorstandskollegen. Sie melden sich, und alle, die ich kenne, spüren diese Unruhe, fühlen sich zu ihr hingezogen, als ob man in eine der vielen Dellen des Lebenslaufs fiele. Dennoch fühlen wir uns stark und lebenslustig.

    Es ist eine Weise, sich auf allen Schlachtfeldern der Gegenwart zu bewähren – in Familie, Beruf oder Ruhestand, im ungebremsten ökonomischen Wachstum und in der digitalen Reformwut, mit der die Politik die Abschaffung von Geist und Seele rechtfertigt. Alles geschieht ohne Freizeitgarantie, die nur der Individualisierung  dienen würde.

    Gleichwohl sind wir vom Vorstand nie die Besten, denn wir bessern uns stän-dig, ohne damit inne zu halten. Wir hängen uns hinein, richtig hinein, bearbeiten und überbieten uns, bis der BDSÄ in einer Talk Show zum besten Verein gekürt wird!

    Helga sagt dazu: „So gehört sich das, aber nicht für uns.“

    Ja, es gehört sich so, weil die Besseren es wollen und die ewig Guten eigentlich nicht. Erlebnissuche, Fortschritt und Abenteuer lassen die unbehagliche Unruhe von der Leine, erhöhen die Spannung zwischen dem Zwang und der Furcht, das Zusammenleben scheitern zu lassen und den BDSÄ dazu.

    Erinnern wir uns an die Zeit, in welcher der Verband in einen Lebensbund mit dem unruhigen Hojo geriet! Was wäre, wenn es diese Zeit nicht gegeben hätte? Gäbe es uns, den organisierten Medicus poeticus, die Geschäftsstelle und die Bibliothek überhaupt?

    Fragte man Dietrich, würde er sagen: „Unruhe ist die Norm; Punkt.“ Er meint damit nicht den normierten Power Point Punkt. Hätte ich die Ehre, dass mir Jürgen ein Interview gäbe, fragte ich ihn zuerst: „Ist Unruhe die selbstverständliche, nicht zu hinterfragende Lebensweise?“

    „Hingezogen fühlen“, würde er antworten, „gesteigerte Arbeitslust und Stark-sein tauchen überall auf, in der Welt der Arbeit, der Wirtschaft, ja sogar der Freizeit – nicht als das Beste, sondern als das Bessernde, als das Zugehen auf sich selbst überbietende Forderungen …“

    Würde ich Eberhard fragen „Was wäre, wenn es keine Unruhe gäbe?“, höbe er den Finger: „Wollen wir das überhaupt, keine Unruhe mehr? Wir leben doch eine hemmungslose Unruhe, das Unbehagen, den Zwang und die diffuse Angst, die Zukunft nicht mehr organisieren zu können. Nur sehr wenige würden eine Muße auf Dauer ertragen …“

    „Ist nun Unruhe eine Erfindung der Moderne, oder nicht?“, würde ich Helga an dieser Stelle fragen.

    „Der wesentliche Unterschied zwischen heute und früher liegt“, höre ich Helga sagen, „in der Haltung zur Unruhe. Sie beschränkte sich früher auf Krisen, Schicksalsschläge oder Katastrophen. In der Breite selbst gestaltend tätig zu werden, das eigene Leben in die Hand nehmen und etwas daraus machen, dazu kam es nach der Reformation. Erst im Lauf der letzten beiden Jahrhunderte nehmen Untertanen das eigene Leben in die Hand und machen eine eigene Geschichte daraus.“

    Da beschleicht mich die Frage: „Kam die Unruhe als unerwünschte Begleitwirkung des Glaubens an den Fortschritt auf?“ „Ja natürlich“, würde Eberhard sagen. „Schaut auf die technischen und die Naturwissenschaften, nein, auf alle Wissenschaften! Sie sind die Triebwerke der Unruhe, weil sie prinzipiell niemals bei dem stehen bleiben, was man schon weiß.“

    „Da hat Eberhard recht“, gäbe Dietrich zu bedenken, „es muss ständig etwas passieren. Ärzte und Psychologen codieren digital und wollen dann mit Algorithmen therapieren. Für mich sind solche Krankheitsbilder aber nur die Oberflächenstruktur eines Zeitgeistes, der viel tiefer wurzelt.“

    „Ich muss jetzt los,“ wirft Jürgen ein. „Du willst schon abhauen?“ Der tadelnde Blick Eberhards trifft ihn kompromisslos. „Lass mich ausreden“, fordert Jürgen, „und hör erst zu! Die Aussage ‚ich muss jetzt los‘ bedeutet heute nicht loslassen von der Arbeit oder Hektik, sondern bedeutet losrennen, weil man dringende Ter-mine hat. Sportsendungen und Casting Shows machen es uns täglich vor.“

    „Das hätte meine Großmutter als schlechtes Benehmen empfunden“, erklärt Dietrich, „heute halten es die meisten für gut: Klar, die Leute haben eben Wichtigeres zu tun. Wer beschäftigt ist, darf schnell verschwinden, darf ständig Wohnort und Partner wechseln: die Unruhe hat Priorität. Dahinter steckt die ganze Ethik eines neuen Zeitgeistes, eine Ethik des von vornherein flüchtigen Zusammenlebens mit Familie oder Firma.“

    Helga schüttelt den Kopf: „Wie ihr mit der Unruhe umgeht! Als Psychotherapeutin habe ich es da leichter. Das Aufschreiben von Erzähltem ermöglicht es mir, alle Dinge zu ordnen. Damit rücken die Dinge auf Distanz, verlieren das Dämonische und kommen unter Kontrolle. Darin liegt meiner Ansicht nach die Aufgabe der Schriftsteller: Die Dinge und die Fantasien  beschreiben, wie sie sind. Das hat, als gewünschte Nebenwirkung, etwas sehr Beruhigendes.“

    Die Stimme Eberhards erhebt sich, sein Finger deutet auf sein Smartphone: „Das habe ich alles aufgenommen, soll das alles ins Protokoll? Ich hätte schon gern etwas von der Tagesordnung aufgenommen, zum Beispiel, ob wir Schweizer Kollegen aufnehmen.“

    „Aber Eberhard“, entrüsten sich alle, „wir haben schon abgestimmt, das ist schon beschlossen! Wenn Schweizer eintreten wollen, sind sie willkommen, und wir nehmen sie wie jedes andere Mitglied auf.“

    „Hast Du es aufgenommen, Eberhard?“, fragt Dietrich vorsorglich nach.

    „Also deine letzte Frage, Dietrich“, trotzt Eberhard, „nehme ich nicht auf!“

    ( 2019 )

  • FKK im Internet
    Wollen wir uns gründen
    Intime Daten, Geld und Bett
    Und all die Steuersünden

    Die mühsam virtuell mit List
    Häcker sich erschleichen.
    Schicken wir als public Mist
    Zu den Datenleichen.

    Spanner in der Hackerwelt
    Mögen googeln,  twittern,
    Was das Netz Geheimes hält
    Bringt uns nicht zum Zittern.

    FKK entspannt, befreit
    Von Ängsten, Scham und Sorgen
    Spyware wandelt Bit und Byte
    In Me too von Morgen.

    Böse Hacker können sich
    Zu Avatars verwandeln.
    Journalisten fürsorglich
    Fake News als wahr behandeln.

    Also dann:
    Zeige jeder, was er kann!
    FKK im Netz macht frei!
    Und Datenklau ist auch vorbei!

    Schließt Euch uns, Ihr Leute an
    Frei sei Web und Master!
    Dann surfen weder Frau noch Mann
    Beim Date in ein Desaster!

     

     

  • Ihr wollt mich nicht, Ihr weist mich ab!
    Ich sage, das wird euer Grab!

    Habe gelitten, war in Not
    Und sicher auch ganz nah dem Tod.

    Mit Vaters Segen, letzter Kraft
    Und Geld hab ich mich aufgerafft

    Wie es mir Allah stets gebot
    Schaffe den Hungernden das Brot.

    Ich habe Euer Herz geglaubt.
    Mitleid, Verstand sind Euch geraubt

    Schreckt nur vor Macht der Diktatur
    Vergesst Gewalten der Natur.

    Wie, meint Ihr denn, kann ich zurück
    Als Bote für das Missgeschick?

    Kann töten meine Träumerein
    Der Einladung zum Glücklichsein?

    Ihr handelt wie ein Teufelsschwein!
    Ich komme wieder, ich allein

    Opfere mich für Allahs Macht.
    Ich sprenge Euch in seine Nacht

    Und lebe dort in seinem Reich
    Als treuer Diener, Herr zugleich.

    Dort sag ich Euch, wer bleibt, wer geht
    Wenn Ihr zertrümmert vor mir steht.

     

     

     

     

     

     

     

  • Der aufrecht Gehende

    (1.7.2019)

     

    Im Hain meiner Träume tauchen tausend Leuchtkäfer auf
    wenn über dich ehrfürchtig gesprochen wird
    Der Garten meiner Gedichte gedeiht glanzvoll
    wenn über dich sehnsüchtig nachgedacht wird
    Dann werden die Straßen meiner lebendigen Stadt
    mit den schönsten Blumen der Zuversicht geschmückt
    Und die Menschen verhalten sich so
    als wäre es der erste Frühlingstag voller betörender Düfte
    Im Himmel ihrer Herzen funkeln frohlockende Sterne
    Ihre Worte schmecken nach frischem Quellwasser
    Wenn du erscheinst, fliegen die Vögel verzaubert
    die schönsten Gesänge im Sinn
    Und die mit trächtigen Träumen bewässerten Bäume
    zaubern ein Meer ihrer besten Früchte hervor
    Dort, wo du wirkst, lodert das Lebensfeuer

  • Wie geht es dir?

    Eine entsetzliche Frage! Wie sollte wohl die Antwort darauf lauten? Allemal: danke, gut. Und Dir? Auch gut. Na, dafür können sich jetzt beide etwas kaufen. Viel schlimmer treiben es die Amis auch nicht, mit ihrem how do you do – how do you do, die zeigen wenigstens gleich offen, dass sie es gar nicht wissen wollen, nämlich wie es dir wirklich geht. Eine banale, vollkommen überflüssige  Begrüßungsfloskel. Wehe, man nimmt die Frage ernst. Das ist mir einmal passiert, als mir das Wasser bis zum Hals stand und ich tatsächlich anfing davon zu erzählen. Diese Verständnislosigkeit und absolute Hilflosigkeit! Mein damaliger Gesprächspartner, der im Übrigen durchaus von mir geschätzte Ehemann meiner Cousine, hätte nur noch zu sagen brauchen: dann erzähl es doch einem Psychologen!

    Eine Freundin geht genauso leichtfertig und gedankenlos mit dieser Frage um. Ich weiß es schon vorher, jetzt kommt wieder: wie geht’s Dir denn? Trotzdem  ärgere ich mich schwarz, fange ein bisschen an zu erzählen und merke schnell, dass eigentlich sie es ist, die reden will, nicht einmal von schwerwiegenden Dingen, sondern Banalitäten. Umso schlimmer.

    Wie geht’s dir denn? Eine furchbare Frage!

     

     

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    Ich fühle mich gesund, und ich kann alles tun, was ich immer gemacht habe.

    Naja, ich bekomme schon mal eher etwas Luftnot, wenn ich zu schnell laufe. Und früher habe ich die Zähne gezählt, die mir so nach und nach ausfielen, heute zähle ich die, die noch meine eigenen sind.

    Aber Pillen jeden Tag, nein, die muss ich nicht nehmen. Habe ich gedacht, bis mir eines Tages meine Krankenkasse schrieb, die gar keine Krankenkasse ist, sondern eine Gesundheitskasse.

    Sie wollten wissen, ob ich denn schon zum Gesundheit-Check gewesen wäre. Na, ich kannte nur den Check von der Sparkasse. Dass das einen Check für die Gesundheit gab, wusste ich gar nicht. Ich habe dann angerufen bei der Gesundheitskasse und sie sagten, dass das alles in Ordnung wäre. Ich solle mir keine Gedanken machen, checken soll heißen, ich soll mich beim Arzt untersuchen lassen. Das hab ich dann meiner Edith zu erklären versucht und dass die Kasse und die Bank noch nicht fusioniert hätten, von wegen Check und so.

    Nun ja, ich bin also hin zum Doktor. Er sagte gleich, dass er 15 Minuten Zeit für die Untersuchung hätte. Ich solle mich oben herum ausziehen und mich dann hinlegen.

    Als ich fragte, ob ich die Schuhe ausziehen soll, rief er mit einem Grauen in der Stimme: „Nur das nicht!“

    Beim Ausziehen stellte er mir Fragen.

    Ob ich rauche. Nein, nur eine Zigarre in der Woche und mal eine Pfeife. Und wie viel ich trinke. So zwei Flaschen Bier am Abend, auch mal drei, wenn meine Edith eingeschlafen ist auf der Couch.

    Ob ich genug Wasser trinke. Nein, das ist ja wohl für Pferde und Rinder. Ob ich mich nur mit meiner eigenen Frau befasse oder auch mit anderen? Ich fragte: „Die letzten zehn Jahre oder überhaupt?“ Der Doktor kratzte sich am Kopf: „Sagen wir mal die letzten zehn Jahre“. Da nickte ich.

    Und er wollte wissen, ob ich genug Bewegung hätte und ob ich etwas für mein Denken täte. Da nickte ich auch.

    Und ob ich beim Wasserlassen mehr als eine Minute brauchte, von wegen der Prostata. Ich nickte wieder.

    Inzwischen hatte ich mich hingelegt. Der Doktor nahm die Taschenlampe und hielt sie mir vor das Gesicht. Ich machte den Mund auf und er sagte zu mir: „Komisch, ich will zuerst in die Augen leuchten, aber jeder reißt gleich den Mund auf“.

    Dann wollte er wissen, wann ich das letzte Mal beim Augenarzt war, von wegen des Augendrucks. Ich war noch nie in meinem Leben beim Augenarzt. Aber einmal im Jahr soll man doch den Augendruck messen lassen. Na, er würde mir eine Überweisung geben. Das Messen müsste ich aber selbst bezahlen.

    Dann guckte mir der Doktor in die Ohren. Das Trommelfell war nicht zu sehen vor lauter Schmalz. Das sollte ich mir beim HNO-Doktor raus machen lassen, dann könne ich auch wieder besser hören.

    Nun war der Blutdruck an der Reihe und dann wurden Lunge und Herz abgehört. Beim Herzen guckte er so, fühlte meinen Puls, schrieb etwas auf, sagte aber nichts.

    Danach griff er mir auf den Bauch und auf die Leber. „Die Leber ist etwas zu groß, wahrscheinlich zu fett. Ist ja auch kein Wunder bei dem Bier und dem Übergewicht. Ihr BMI ist 27.“

    „Mein was?“

    „Ach so, BMI, Body-Maß-Index, heißt soviel wie: Für ihr Gewicht sind Sie zu klein.“

    Im Sitzen schlug er mir auf einmal mit der Faust in die Nieren. „Na, das hat wohl wehgetan, tja, das sind die Nieren. Das kriegt der Nephrologe raus,  vielleicht auch der Urologe. Da müssen Sie sowieso hin, wegen der Prostata. Ich gebe Ihnen für jeden eine Überweisung, auch gleich für den Orthopäden.“

    Dann konnte ich mich wieder anziehen und hinsetzen. So gründlich in so kurzer Zeit, dachte ich, hat mich ja noch nie im Leben jemand untersucht. Aber das wird daran liegen, dass ich nicht krank bin.

    Der Doktor guckte mich an: „Das mit dem Übergewicht kriegen wir rasch in den Griff. Sie essen keinen Kuchen mehr, trinken ein Bier weniger und machen ein wenig Sport.“

    Ich nickte und dachte, dass ich mich auf den Kuchen doch schon freue, wenn ich mich zum Mittagsschlaf hinlege.

    Der Doktor: „Was mir Sorgen macht, ist der Herzschlag. Der Puls ist mit 90 in einer Minute zu hoch. Jeder Mensch hat nur eine bestimmte Anzahl Pulsschläge für sein Leben mitbekommen. Wenn die Schläge verbraucht sind, ist der Mensch tot. Wenn wir nun den Pulsschlag auf, sagen wir mal 80, herunterbekommen, können Sie vielleicht fünf Jahre länger leben als jetzt. Sie müssten also eine Pille nehmen, damit das Herz langsamer schlägt, aber vorher schicke ich sie noch zu einem Spezialisten, zum Kardiologen.“

    Hm, dies war ja nun was. Ich soll eine Pille nehmen.

    „Hat die denn auch Nebenwirkungen?“

    „Meistens nicht. Aber es kann sein, dass Sie müde werden, jedenfalls mehr als sonst.“

    „Das heißt, ich schlafe dann mehr?“

    „Ja.“

    „Dann lebe ich also länger, aber schlafe mehr? Dann habe ich ja gar nichts von dem längeren Leben?“

    „Doch, Sie erleben doch länger etwas, wenn auch für kürzere Zeit. Denken Sie doch einmal darüber nach. Hier sind erstmal sechs Überweisungsscheine. Wenn Sie bei allen Ärzten gewesen sind, kommen Sie wieder her.“

    Clever ist der Doktor, dachte ich. Schickt mich zu seinen Kollegen, damit ich überall die Extras bezahlen kann, und die schicken wieder Patienten zu ihm, damit sie die Akupunktur, die er macht, bei ihm bezahlen.

    Ich stand auf und fragte: „Abgesehen von der Müdigkeit, haben die Pillen noch andere Nebenwirkungen?“

    „Na ja, es kommt schon mal vor, dass die Potenz beeinträchtigt ist?“ „Und was mache ich dann?“

    „Dann nehmen Sie ein Potenzmittel. Viagra oder etwas anderes.“ „Dreimal eine?“

    „Um Gottes Willen. Nur eine Einzige und auch nur bei Bedarf.“

    „Warum muss man denn damit so vorsichtig sein?“

    „Weil man die überhaupt nur nehmen darf, wenn das Herz in Ordnung ist und der Pulsschlag nicht zu hoch!“

    Als ich an diesem Tag nach Hause kam, fühlte ich mich irgendwie ein wenig krank. Ich ging in die Küche und trank erst einmal ein Bier. Dann aß ich das Stück Kuchen von nachmittags auf, steckte mir eine Pfeife an und holte den Eierlikör, den meine Frau so gerne trinkt, aus der Kammer. Danach goss ich mir einen Kognak ein und sagte zu meiner Edith: „Heute machen wir uns einen richtig schönen Abend.“ Und das haben wir auch getan.

    Nachts habe ich dann geträumt, dass der Doktor mir mit den Akupunkturnadeln in die Prostata gestochen hat. Und meine Edith hielt dabei die Taschenlampe, während die Frau von der Gesundheitskasse einen Check für den Augenarzt ausschrieb, der meinen Kuchen aß.

    Und ich habe die dreieckige Pille, ganz blau war sie, in den Eierlikör geworfen, der dann grün geworden ist. Mein Puls war auf sechzig Schläge pro Minute herunter, und ich war so müde, dass ich länger schlief als ich gelebt habe.

     

     

  • Törichte Teilhabe

    (3.5.2019)

     

    Nun, Machthaber der Zeit!
    Für mich ist es nicht entscheidend
    wie euer Reichtum zustande kommt
    Hauptsache ich bin daran beteiligt
    auch wenn im Sinne von Brosamen 

     So denken im trügerischen Paradies
    erhobenen Hauptes und guten Gewissens
    nicht wenige Menschen
    die angeblich für eine bessere Welt eintreten
     dabei geduldet-gefördert
    festgelegte Fragen aufwerfen
    sich in zugewiesenen Gewässern bewegen
    und täuschend Teilaspekte eines Systems angehen
    das auf Verelendung gebaut ist  

  • Maskerade

    (30.6.2019)

     

    Friede, Freude, Eierkuchen
    Den Kapitalismus keinesfalls gefährden
    Geräuschvoll nach Nebenschauplätzen suchen
    Über Klimawandel vollmundig  reden
    Dabei Kriege und Rüstung gefügig verschweigen
    Geschäftig nach dröhnenden Nebelkerzen suchen
    Sich über Trump und Konsorten aufregen
     Zum dahinter stehenden System beharrlich schweigen
    Stets nach Ungefährlichem suchen

    ֎֎֎

  • Morgenröte

     (30.6.2019)

    für meine Enkelkinder

     

    Kikeriki, ruft der Hahn
    Geschwind geht die müde Nacht
    Mit ihrem sanften Gespann
    Öffne deine Augen, gib gut Acht!
    Längst haben die Elfen die Sterne gepflückt
    Sorgfältig die Augen der Kinder geschmückt
    Die Feen sammeln Körbe voller Tauperlen
    An fröhlichen Gesichtern sollen sie abperlen
    Lass uns zu den Weizenfeldern gehen
    Ähren und Kornblumen zärtlich berühren
    Uns Bienen, Bäume und Blüten ansehen
    Im Bach einen Lebenstrunk anrühren
    Kikeriki, ruft der Hahn
    Geschwind geht die müde Nacht
    Mit ihrem sanften Gespann
    Öffne deine Augen, gib gut Acht!

  • Farbkasten

    (8.6.2019)

     

    Selten setzen
    die Verwüster der Erde
    alles auf eine Karte
    Die Farbschälchen werden
    mal bevorzugt benutzt
    mal bewusst gemieden
    Nun ist Grün an der Reihe
    Als Beimischung zum Rot
    das Völkerrecht gebrochen
    den Abbau des Sozialstaates durchgepeitscht
    illegale Kriege unterstützt
    die Friedensbewegung untergraben
    hat es sich nun
    im Sinne der Machthaber
    prahlend, gewaltig entwickelt
    Für die kommenden Jahre
    hat es die Aufgabe übernommen
    die Grundpfeiler des Systems
    säuberlich zu festigen
    Wie viele Farbschälchen
    sind noch aufzubrauchen
    bis die Ursachen des Elends
    allgemein begriffen werden

    ֎֎֎