Schlagwort: Humor

  • Gedichte wie …

    (1.5.2019)

    Meine Gedichte! Ihr sollt farbenfroh sein
    wie die Tulpen und Veilchen im April
    die Menschen zum Frohsinn einladend
    Ihr sollt Zuversicht sprühen
    wie die kleine Gurke im Blumentopf
    die ich demnächst auspflanzen werde
    Ihr sollt der Erde verbunden sein
    wie fleißige Regenwürmer
    die den Boden geduldig
    für das Wurzelwerk vorbereiten
    Ihr sollt hell, klar und erquickend sein
    wie Tauperlen auf Grashalmen
    oder Regentropfen auf bunten Blättern
    tausend Sonnen in sich tragend
    Ihr sollt Botschafter meines Herzens sein
    frei wie Zugvögel Grenzen überschreiten
    und blühend Brücken bauen

    ֎֎֎

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    Sprecher ist Clemens Kerz.

     

    Aus dem Leben einer Kirchenmaus

    Das Leben ist wunderbar. Selbst für mich, der ich eine arme, graue Kirchenmaus, männlich, ein Mäuserich bin. Ich lebe versteckt in einem großen zum Himmel reichenden Haus mit wunderlichen Bildern unter dem Dach und bunten Fenstern, durch die morgens und abends die Sonne tanzende rot – blaue Schattenbilder malt. Das Haus ist so lang, dass ich den Weg vom Kopf zum Fußende selten wage. Er ist gefährlich. Eigentlich lebe ich nur nachts sicher, wenn die Menschen das Haus verlassen haben, der Besitzer den goldenen Becher, die goldene Schale und das Kreuz auf dem Tisch abgeräumt, das Licht ausgeschaltet, die Türen verschlossen und sich schlafen gelegt hat.

    Vor ihm und den Menschen, die mit Wassereimern, Besen und Wischtüchern nicht einmal einem kleinen Staubkorn erlauben, sich auszuruhen, muss ich mich verbergen und in Acht nehmen. Ich darf keine Spuren hinterlassen, die auf meine Existenz deuten könnten. Ich habe da meine Erfahrung.

    Es ist gar nicht so lange her und der Schrecken dringt mir immer noch in meine Träume, als ich aus einem Wasserrest getrunken hatte, der von den Reinigungsmenschen übersehen worden war. Einen Tag danach bekam ich fürchterliche Bauchkrämpfe und einen so heftigen Durchfall, dass ich meine Toilette nicht mehr erreichen konnte. Wie es das Schicksal will, wurden meine Hinterlassenschaften sofort entdeckt. Die Menschen suchten nach mir in den dunkelsten Verstecken, stellten Käsefallen auf, ja, beauftragten sogar eine Katze mich zu fangen und zu töten.

    Das war die schlimmste Zeit in meinem Leben. Ich musste hungern und darben. Ich flüchtete mich in die Einsamkeit hinter einem großen Bild im ersten Stock. Es zeigt einen abgemagerten Mann, der schwer an einem Kreuz trägt. Ich weiß nicht, ob er es war, der mir half, die verlockenden Käseversuchungen, den Hunger, Durst und all die Angst zu überstehen. Aber ich glaube es. Heute, da ich nach Tagen vorsichtig und voller Furcht in mein Zuhause zurückkehre, lächelt er mir zu.

    Zu meiner Überraschung begrüßt mich eine mir unbekannte, weiße, wahrscheinlich Einstein – intelligente Maus Madame. ‚Sie werde Madame Curie genannt. Sie sei eine Labormaus. Mit List und Verstand dem Verderben entronnen. Die Flucht sei extrem schwierig gewesen, da sie von der Welt außerhalb ihres Laborkäfigs nichts gewusst habe. Sie sei durch mehrere Abwasserkanäle geschwommen, habe sich erschöpft auf den stinkenden Abfällen der Menschen ausruhen können, und sei schließlich durch die offene Tür in die Kirche geschlüpft – denn das sei hier doch, so wie sie es auf ihrer langen Reise erfahren habe, ein Gotteshaus. Sie bitte um Aufnahme und Schutz. Um sorgfältige Betreuung. Hungrig sei sie und durstig dazu.‘

    Ich bin mit mir uneins. Da bittet um Aufnahme und Schutz eine Madame Curie, die wahrscheinlich welterfahren und intelligenter ist, als ich es bin. Ich habe von der Welt nichts, aber auch gar nichts, sie aber hat alles gesehen. Sie weiß sogar, dass mein großes Haus eine Kirche ist. Zweifelsfrei, sie ist schön, sexy, attraktiv. Aber ich? Bleibe ich Herr im Haus? Hat sie vielleicht einen Pakt mit der Katze oder mit dem Käsefallensteller geschlossen? Sagt ihnen, wann ich mein Versteck verlasse und zur leichten Beute werde?

    Kann ich ihr vertrauen? Wie kann Ich sie auf die Probe stellen? Vielleicht mit meinen Erinnerungen an die Vorträge über Wissen, Glauben, ferne Länder, die ich aus meinem Versteck verfolgen konnte?‘

    Ich bitte sie, sich zu mir an den Tisch zu setzen, mit mir zu essen und zu trinken. Ich nenne sie ‚Liebes‘ – ja, ich bin schon in der Stimmung sie ‚Liebes‘ zu nennen und sage zu ihr:

    „In der großen, weiten Welt war ich noch nie. Ich kenne nur die Menschen, die hier in das Gotteshaus kommen. Entweder sie fotografieren sich mit ihrem Smartphone, oder setzen sich andachtsvoll auf die Stühle.

    Die Menschen, die in den Vorträgen gezeigt werden, verhalten sich anders. Die tragen rote Schwimmwesten und sitzen eng aneinander gepresst auf kleinen Gummibooten, die über das Wasser schaukeln. Manchmal tobt das Meer. Dann fallen die Menschen hinein und ertrinken. Manchmal findet sie ein großes Schiff. Dann klettern die Menschen von dem kleinen Boot auf das Schiff.

    „Weißt du, warum die Menschen das tun? Haben sie keine Angst?“, frage ich sie. „Ich habe große Angst vor dem Wasser. Das Meer ist ein Teufel.“

    „Das Meer, sage ich dir, ist kein Teufel. Es folgt wie ein Mensch seinen Gefühlen. Mit Liebe und Hass, Mordlust und Mitleid, Neid und Gier. Das Gefühl des Wassers ist der Wind. Du musst den Wind begreifen, wenn du das Meer verstehen willst“, erwidert sie.

    „Und die Menschen? Hier in dem Gotteshaus sind sie friedlich. Reichen sich die Hände. Singen andachtsvolle Lieder. Knien und beten. Spenden sogar Geld“, erkläre ich.

    „In den Vorträgen aber erzählen die Menschen, „dass da draußen Kinder, Männer und Frauen gemartert und ermordet würden. Kinder und Frauen würden in einer Reihe aufgestellt. Ihnen dann die Köpfe abgeschlagen. Kleine Kinder würden auf alte Frauen schießen. Kampfjets Bomben abwerfen und ehrfurchtsvolle Häuser zertrümmern. Die Menschen würden hungern, sich hassen und Krieg führen. Die bösen Menschen würden die guten Menschen martern und vertreiben. Deshalb seien fliehende Menschen immer gute Menschen. Und guten Menschen müsse man helfen.“

    Sind diese Berichte Fake News? Besitzen böse Menschen kein Herz, keinen Verstand? Wissen böse Menschen, dass sie böse sind? Oder glauben sie, dass sie Gutes tun? Du kommst aus der Wissenschaft. Hast die weite Welt durchwandert. Bitte sage mir. Sagen die Vorträge die Wahrheit? Wenn ja, warum sind die Menschen dort so böse und hier so gut?“, frage ich sie.

    Sie lächelt mich an: „Wie der Wind die Stimmung des Meeres regelt, so bestimmt die Landschaft die Gefühle der Menschen. Ich war eine Versuchsmaus. Ich lag schon mit gespreizten Beinen auf dem Rücken. Eine weiß gekleidete Menschenfrau hielt mich fest und wollte mich töten, als sie einen Anruf erhielt. „Ich muss es dir sagen: Es ist aus mit uns. Endgültig!“, hörte ich die Telefonstimme. Die Menschenfrau wurde kreidebleich und ließ mich fallen. Ich benutzte ihre Verzweiflung. Floh sofort. Flitzte durch den Türspalt hinunter auf die Straße.  Suchte nach Schutz.

    Wenn du auf der Flucht bist, sind Katzen sehr gefährlich. Aber sie meiden Wasser wie die Pest. So rannte ich durch die Abwasserkanäle zum Flusshafen, schlich mich auf ein Containerschiff und fuhr als blinder Passagier um die Welt. Ich erlebte übersatte, aber auch magere Tage. An manchen fraß ich Menschenfleisch, das ich den Ratten stahl. Es schmeckt gar nicht so schlecht, sage ich dir.

    Ich verbarg mich in Kameltaschen und Schilfrohrhütten, klaute den hungernden Bauern das letzte Maiskorn. Dabei hatte ich kein schlechtes Gewissen, denn sie wurden sowieso erschossen. Auf weiße Mäuse aber schießt niemand. Zumindest nicht in Afrika. Schließlich brachte mich ein Kohleschiff wieder in den Hafen. Dort floh ich vor einer lauernden Katze in diese Kirche, zu dir.“

    „Du hast viel erlebt in deinem aufregenden Leben. Sind die Menschen wirklich so böse? So böse wie Katzen, die mit uns Mäusen Stierkampf spielen. Uns quälen, bevor sie uns ermorden?“

    „Ich kann dir nicht sagen, was bei den Menschen gut und böse ist. In der Mauswelt kann ich keinen Unterschied erkennen oder gar erklären. Bei den Menschen?

    Ich meine, dass viele Menschen gut sind und Böses tun. Andere sind böse und tun Gutes. Die Menschen glauben oft, sie täten Gutes und wissen selten, dass sie Böses tun. Umgekehrt gilt das aber nicht. Denn die Menschen glauben niemals, dass sie Böses tun und wissen selten, ob sie Gutes tun.

    Wir Mäuse haben wenige Probleme. Die Wichtigsten sind Katzen, Fressen, Trinken, Kinder aufziehen. Menschen haben viele Probleme. Zusammenleben, Eigentum, Arbeit, Freizeit,  Macht, Unterscheidung in Gut und Böse. Diese Aufgaben können sie heftig erzürnen. Dann demonstrieren sie. Fühlen sich stark. Werden gewalttätig. Legen Feuer. Vergewaltigen und Morden.

    Sie gründen eine ‚Heiligen Katze’, tanzen um sie herum. Verlangen von jedem Menschen, dass er sie anbetet. Tut er das nicht, dann töten sie ihn wie ein Schwein. Wie die Katze uns Mäuse. Sie sagen, dass nur die Katzenanbeter Gottes würdige Menschen seien. Die anderen höchstens Affen, Hunde, zumeist Schweine. Deshalb würden sie allenfalls Hunde, Affen oder Schweine, niemals Menschen morden. Weißt du, wenn sie Katzen töten würden, hätte ich eine gewisse Sympathie für sie.

    Wissen verachten die Katzenanbeter. Es interessiert sie nicht. Nur ihr Katzenglaube zählt. Deshalb könnten sie mit ihrem Glauben Berge versetzen. Mit Wissen wäre das weniger als ein Staubkorn.

    Ich bin eine Maus. Ich kenne keinen Glauben. Ich stelle mir vor, dass ein Glaube auf inneren Wunsch, Vorstellung und Gefühl beruht. Er Ist an die Seele gebunden und führt sie bis hin zum Tod. Bei Katzenanbetern möglichst mit Mord an fremden Affen, Hunden oder Schweinen.

    Wissen habe ich nur im Labor gesehen. Dort wird begründet und beobachtet. Katzenanbeter können das nicht verstehen.

    Dort habe ich beobachtet, wie sich die Menschen erregten, heftig stritten. Über Dinge, die sie weder verstanden noch selbst erfahren hatten. Sie glaubten an Demokratie, nur wenige an Katzen. Sie wussten auch, dass ihre Demokratie eine Fata Morgana ist. Ein falsches Spiel. Deshalb verstehe ich nicht, warum die Menschen nicht das tun, was sie wissen, sondern nur das, woran sie glauben.

    Die Menschen hier wollen Demokratie nach Afrika exportieren und wundern sich, dass die Afrika-Menschen von dieser heiligen Katze nichts wissen, sie nicht einmal als Gastgeschenk empfangen wollen. Für Essen, Trinken, oben schwimmen, den Tod vermeiden kämpfen sie dort, wo das Leben am Abgrund steht. Dummheit ist tödlich. Die intelligenten Menschen führen die Dummen zur Schlachtbank. Manchmal überlassen sie uns Mäusen das Menschenfleisch als Dessert.“

    Ich höre ihr gespannt zu. Blicke ihr tief in die Augen. Sie zwinkert. Ich fühle eine tiefe Zuneigung zu ihr. Schon möchte ich sie in meinen Arm nehmen, ihr einen Kuss geben, als eine tiefe Männerstimme ‚um Aufmerksamkeit’ bittet. ‚Er heiße die Anwesenden herzlich willkommen und freue sich, ihnen seine Erlebnisse aus dem Sudan und Jemen berichten und erklären zu können’.

    „Komm mit mir. Es gibt einen Vortrag über das Elend der Menschen. Vielleicht auch über die Katzenanbeter. Komm bitte! Lass uns zuhören!“, bitte ich sie spontan. Wir verlassen vorsichtig unser Versteck und schleichen entlang der Bodenspalten in meine dunkle Zuhörerecke. Ein schlanker hochgewachsener Mann mit ausschweifendem Bart und zerzausten Haaren steht am Rednerpult. Er spricht laut und zeigt erschreckend bunte Bilder.

    Im vertrauten Zuhörerversteck höre ich den Redner sagen‚ er wisse, dass die Bilder, die er jetzt zeigen werde, schwer zu ertragen seien. Die Aufnahmen seien authentisch. Die Wahrheit. Er selbst habe sie geschossen. Es seien die Dokumente eines fürchterlichen Krieges. Verstümmelte Leichen, um die sich niemand außer Ratten und Mäusen kümmere.

    „Hier, bitte beachten Sie, unter den grauen Ratten frisst sogar eine weiße Maus! Auch in dieser von Gott verlassenen, schwer bestraften Welt zeigt die Natur, wie stark sie ist. Dass seltsam auffällige Tiere jedem Tod zum Trotz überleben können!“

    Auf den sorgfältig in Reihen aufgestellten Bänken sitzen die Zuhörer. Unter ihnen ein junges Paar. Beide schmiegen sich eng aneinander, halten sich an den Händen. Sie trägt lange, schwarz gefärbte Haare und ein buntes Sommerkleid. Er hat die Kopfhaare abrasiert. Ist ein kräftig gebauter muskelstarker Mann. Sie ist erschreckt. Ihm macht nichts und niemand etwas vor!

    „Du, Martin! Das ist doch eine Labormaus! Kein Albino! Eine gewöhnliche Labormaus!“, flüstert sie. So laut, dass einige Zuschauer sich erstaunt nach ihr umdrehen. So laut, dass meine Freundin Madame Curie und auch ich es hören.

    Sie wisse das genau! Die weiße Maus gleiche genau der frechen Labormaus, die ihr vor einigen Monaten, als sie noch mit Peter befreundet war, entwischt sei. Die habe ihr damals bei ihrem Chef eine Menge Ärger eingebrockt.

    Dann blickt sie in unsere Richtung. Ich bin besorgt, ob sie mich oder meine Freundin in ihrem weißen Fell entdecken kann.

    „Du Martin, ob es hier Mäuse gibt?“, fährt sie fort.

    ‚Er glaube es nicht. Die würden in der Kirche nichts zu fressen finden. Hier könnten sie nicht überleben und seien gezwungen, wie die Flüchtlinge auf den Fotos auswandern.

    Allerdings … Er erinnere sich an einen Vorfall im letzten Jahr. Da habe man voller Abscheu Mäusekotspuren direkt neben dem Altar entdeckt. Man habe versucht, die Maus mit Käsemausfallen zu fangen. Ja, sogar ein Katze in der Kirche übernachten lassen. Die Maus sei nicht erwischt worden. Ihr Kot aber sei seitdem verschwunden. Man glaube, dass die Maus gestorben oder verhungert sei, jedenfalls nicht mehr in der Kirche lebe. Die Mausaktion sei somit erfolgreich gewesen.’

    „Ja, das bin ich“, bestätigt mir meine Liebe Madame Curie. „Ich war im Jemen. Nach einem Bombenangriff wurde fotografiert. Wir alle aßen Menschenfleisch. Es gab nichts anderes. Es schmeckt übrigens nach Mais und Zucker. Gar nicht so schlecht. Ich könnte mich daran gewöhnen.“

    „Liebes“, sage ich ihr. „Menschenfleisch kann ich dir leider nicht anbieten. Aber Oblaten aus der goldenen Schüssel oben auf dem Altar. Manchmal auch einige Tropfen Wein aus dem goldenen Becher. Sie sagen, das sei das Blut und das Fleisch Gottes, des Jesus von Nazareth.

    Man überlege, die Kirche in eine Moschee um zu gestalten. Es gäbe nur noch wenige Kirchenbesucher, hörte ich vor einigen Tagen den Pfarrer sagen. Wenn das geschieht, versiegt meine Nahrungsquelle. Ich kann dich dann nicht mehr mit dem Blut und Fleisch des Jesus von Nazareth ernähren. Dann müssen wir flüchten. Vielleicht dorthin, wo wir Menschenfleisch finden können.“

    Sie schmiegt sich an mich.

    Das gehe in Ordnung. Dort kenne sie sich aus. Dort würde sie schon für mich sorgen können, tröstet sie mich. Ich umarme und küsse sie. Dann sage zu ihr: „Wie wunderbar wird unser Leben!“

  • The muffin contract – le contrat de la baguette – der Keks Vertrag

    “Hello, my friends!”

    “Bon jour, Madame la Chanceliere et Monsieur le President!”

    “Guten Tag, meine Herren Präsidenten.“

    „Welcome to my cancellation of our joint muffin contract. You might have seen my Twitter message. It expresses in addition to my cancellation our deep interest in a revised new contract. I am convinced that you understand.”

    “Pa du tout! Nous allons nous assurer que nous baguettes seront vendre sur sa lancée. Come votre muffins noires.”

    “Verehrter, lieber Herr Präsident. Auch wenn wir Ihre Wahl auf das heftigste bekämpft haben, so steht doch unsere Freundschaft über allem! Besonders heute.  Ihre Landsleute schätzen unsere Kekse. Warum wollen Sie ihnen diesen köstlichen Genuss verwehren?“

    „I am afraid, that both of you do not understand my motivation. Let me explain. You seem to overrate your position and, unfortunately, I have to say, you also seem to poorly understand our commercial laws and my presidential mandatory actions.”

    “Monsieur le President! Je suis le President de la Grande Nation. Nous sommes les champions mondiales de la democratie et de la bonne cuisine! Notre baguettes ont unique. Nous sommes copains comme conchons. Je ne m’explique pas pourquoi ce probleme est apparu.”

    “Auch ich verstehe nicht, warum wir den für uns drei so erfolgreichen Keks Vertrag aufkündigen und neu verhandeln sollen. Er ist doch ein Zeichen unserer Freundschaft. Denken Sie nur an die vielen schlaflosen Nächte, die wir für das Aushandeln opfern müssten. Ich stehe für Kontinuität und nur selten für Aktivität. Es graut mir vor jeder neuen Aufgabe und kommenden, eigentlich vermeidbaren Aktionen.“

    „I am sorry, my dear friends! I am the master, and you are the servants. Please, do not misunderstand the situation! At present, we are buying your Baguettes and your Kekse, and, in reverse, we are selling our black muffins to you. Obviously, there is a great difference between our and your profit. Your profit exceeds ours by far. This is not fair, and, therefore, we have to do something.

    In a first step, we will change the color of our muffins from black to white. We are no longer interested in selling our profitless black muffins. We will change them into promising white muffins! Therefore, a new contract is unavoidable. ”

    “Voulez-vous change les muffins noires contre les muffins blanches? Je n’y crois pas! Pourquois? Il lest faire difficile de vendre muffins blanches. Au moins en la Grande Nation.”

    “Warum wollen Sie die schwarzen Muffins aufgeben und in weiße umwandeln? ‚Black war und ist doch immer beautiful‘, hier in Europa und auch in den USA.

    In unserer Sprache haben wir deshalb die negativen Schwarzbezeichnungen wie Negerküsse, Schwarzamerikaner, oder das Lied über die kleinen Negerlein verboten.

    Ich werde dafür sorgen, dass auch Bezeichnungen wie Schwarzwurzel, Schwarzwald, Schwarzwild oder Schwarzspecht aus unserer Sprache entfernt werden. ‚Schwarz sehen‘ ist schon verboten, ebenso wie ‚Schwarzarbeit’.

    Natürlich ist aus diesen Gründen der Import von schwarzen Muffins schwierig und der Appetit daran gering. Weiße Muffins werden aber daran nichts ändern. Sie würden uns in erhebliche Schwierigkeiten stürzen. Weiße Muffins würden sofort in Konkurrenz mit unserem Weißbrot und mit den Baguettes in diesem Vertrag stehen. Und, wie sollen wir unseren afrikanischen Mitbürgern erklären, daß schwarze Muffins nicht mehr zu kaufen sind?“

    „I do understand. However, unfortunately, you did not get the point. Please take into consideration the influence of the black or dark internet and, in addition, of the American Rifle Association on all our actions, especially on the muffin contract. One of my most faithful followers is the American Rifle Association. It urgently asked me to fight against the dark internet and to cancel the export of black muffins, in order to save the life of black pupils. It recognizes that the old ‘black’ contract is suspicious for our African Americans and especially promotes the fear of our black citizens to be mistaken for black muffins in Europe.”

    “On n’a pas idée! Il y a impossible de vendre muffins blanche en la Grande Nation. C’est un affront a l’encontre de notre citizens africains. Elles desirons manger muffins noires et aucun cas muffins blanches: Mais, il m’importe, que nous exportons notres baguettes.”

    “Auch ich muss auf dem bis heute gültigen Vertrag bestehen. Zusammen mit dem Präsidenten der großen Nation werden wir die europäische Union beauftragen, den Import der weißen Muffins zu untersagen. Denn dieser Import wäre eine ungeheuerliche Beleidigung unserer Mitbürger mit afrikanischem Hintergrund und gleichzeitig eine gesetzeswidrige Bevorzugung der einheimischen konservativen, überaus national denkenden und populistischen Bevölkerung. Ich kann davor nur warnen!“

    „Dear friends, nobody is in the position to warn me! I am the elected, and because of my power the world’s President too! I do not forget that you have fought against me in the past, when I still was the candidate only.

    I am the one who has to warn you: Do not make this mistake again, and stop fighting against me! Please do not forget my unique aim, and follow my slogan, believe, and winning principle: America first!”

    “Monsieur le President. Mercy beaucoup pour votre explanation. J’ accept votre opinion. Je propose un compromise: Nous rembourson ‘America’ de ‘notre pais’ et enlevon ‘noire’ et ‘blanche’.”

    “Das ist ein guter Kompromiß. Damit können wir alle leben und unsere Freundschaft erhalten.“

    „I am not sure. However, as long the term ‘notre pais’ will be considered and approved to be identical with ‘America’, I will agree for, let us say, the next two months. After these two months I will present a new contract. It might follow your wish that we should not to use the color white and we might replace it by another color, for example yellow. Yellow, wonderful, brilliant: Yes, that would be the most exciting color!

    Thank you for promoting me to my innovative and excellent idea. We will meet again after two months.”

    “Dieu soit loue. Je n’expecte pas une couleur nouveau. Je pense que Monsieur le President est daltonien. C’est un message interessante. J’arrangerais bien quelque chose, peut-etre lunettes noires libres pour vous et notres citizens.  Au revoir.”

    “Vielen Dank und gute Nacht. Eine brillante Idee. Die schwarze Brille würde das Problem elegant lösen. Herr Präsident, würden Sie uns zustimmen, wenn wir die EU davon überzeugen könnten, Ihnen und unserer Bevölkerung kostenlos schwarze Brillen zur Verfügung zu stellen? Das wäre die beste aller Lösungen und würde das Problem der Muffin Farben für alle Zeiten lösen. Auf diese Weise werden Sie ein Kandidat für den Nobelpreis! Dann könnte ich wieder ruhig schlafen, zumindest für die nächsten zwei Monate.“

    „I will think about the complementary black glasses. You are very generous. I appreciate all your efforts to recommend my person for the Nobel price. Therefore, I accept the gift of the black glasses and will use it for the promotion of my slogan, ‘America first’”.

    “Excuse mois, Monsieur Le President. Nous avon accepter l’expression ‘notre pais first’ en fait de ‘America first’. ”

    “What does this mean: ‘notre pais first’?”

    “Zwischen uns drei guten Freunden und für Sie in Amerika: ‚America first’! Hier in Europa können wir es nicht übersetzen. Unsere Kultur und Geschichte lassen keine eindeutige und auf keinen Fall einstimmige Übersetzung zu. Wir Deutsche würden es sehr gern, aber dürfen es nicht so übersetzen: Deutschland über alles!“

    „Non. Notre traduction est: Nous sont on marche! Avec les autres pais de par le monde. Mais, sans les Nord-Americains.“

    „Very good. I am the most important man in going forward. I am glad, that you will follow, my dear friends. I will be your guide, and I am proud to use your black glasses. Thank you, take care and good night!”

    “Tres bien. Bon nuit.”

    “Monsieur le President, das war ein überaus erfolgreiches Treffen unter uns engen Freunden. So werden wir es schaffen, die Probleme in der Europäischen Union zu lösen. Vielen Dank, meine Herren Präsidenten“.

    „Bon nuit, Madame la Chanceliere. J’expecte votre support et je cherche d’animer un debat equivaente en front de Union europeenne en la semaine prochaine. Merci beaucoup. Au revoir. ”

    „Sehr gern. Gute Nacht und auf Wiedersehen.”

  • Fünfundsiebzig  und nicht weise,
    wohin führt die weit´re Reise.
    Vorbestimmt und schicksalshaft,
    oder doch durch eigne Kraft.

    Die Wahrheit ist wie immer schlicht,
    einfach ist das Leben nicht.
    Und Goethe hat schon festgestellt,
    verwirrtes Handeln waltet über uns´re Welt.

    Das soll uns aber nicht verdrießen,
    wir wollen leben, voll genießen.
    Nun fahren wir die Ernte in die Scheuer ein!
    Zusammen lasst uns fröhlich sein.

     

     

  • Einladung

    (29.9.2018)

     

    Enkelkinder im Sinne
    Sterne im Blick
    das Herz voller Sehnsucht zu gestalten
    dichte und kämpfe ich
    dem Fest des Lichtes entgegen
    Wer möchte mitkommen?

  • Mein Beitrag zum Kongress der Union Mondiale des Écrivains Médicines UMEM in Rheinfelden 2018 

    Offizielles Thema: Schreiben – Zaubertrank für Ärzte?

    Mein Zaubertrank heißt Schreiben.

    Ein Zaubertrank soll besondere Kräfte vermitteln, um die schwierigsten Aufgaben zu bewältigen. Die Wirkungen eines Zaubertrankes werden bei Asterix und Obelix im Jubiläumsheft zum 50. Geburtstag der Comic-Serie so beschrieben:

    Verschmitzt lächelnd macht sich der glückliche Konsument bereit. Er schließt die Lider und senkt das Kinn, um aus der Kelle des Druiden zu trinken. Unter der Wirkung des Zaubertranks hebt der Proband ab. Seine Füße flattern im Gleichtakt mit den Helmflügeln! Asterix besitzt übermenschliche Kraft und kann es mit der gesamten römischen Armee aufnehmen.

    Ich schreibe meistens, um mich aus der Betroffenheit herauszuholen, wenn mich der schlimme Anteil des Alltags in der Notfallpraxis packt. Das Schöne ist, dass ich schreibend auch die heiteren und ungewöhnlichen Begegnungen festhalte und immer wieder genieße. Deshalb will ich über beide Seiten des Schreibens sprechen.

    Ich will hier keine der sehr belastenden Situationen ausführlicher beschreiben. Sie verfolgen mich manchmal in meinen Träumen. Bei uns Ärzten genügen ein paar Stichwörter, um flammende Bilder in der Erinnerung lodern zu lassen: Leichenschau bei Verwahrlosten, schwerverletzte Unfallopfer, sterbende Kinder, verzweifelte Eltern, entstellende Erkrankungen und Operationsbilder. Es gibt aber auch Menschen, die unsere Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft ausnützen und als Pflichtdienstleistung zur Unzeit verlangen.

    Ich möchte meinen Beruf mit Herz und Verstand ausüben. Dafür bemühe mich um Empathie: Ich versuche nachzuempfinden, wie die Krankheit, das Problem den Patienten leiden lassen. Und ich bin mir gleichzeitig bewusst, dass es nicht mein Problem ist und dass ich es nicht lösen muss. Das ist heilende Nähe zum Betroffenen verbunden mit schützender Distanz für mich selbst.

    Wenn ich mir den Leidens-Rucksack des Patienten auflade, wird aus mir ein hilfloser Helfer! Hilfsbedürftige erwarten aber zumeist, dass Helfer stark sind oder sich wenigstens so verhalten. Helfer müssen aber auch aus Selbstschutz stark bleiben, um ihre beruflichen Aufgaben und Pflichten erfüllen zu können. Trotzdem muss jeder Helfer auch Momente haben, in denen er seine Schwäche, seine Verletzlichkeit und Erschöpfung äußern und leben kann. Deshalb brauchen wir alle jemanden, dem wir vertrauen können, dass er uns hilft.

    Um mir diesen Spagat immer wieder bewusst zu machen, schreibe ich meine Erlebnisse, Gefühle und Gedanken auf. Diese Gabe und Freude, mich gut ausdrücken und Konflikte in Worte fassen zu können, helfen mir seit vielen Jahren auch bei der Bewältigung meiner Belastungen. Ich habe regelmäßig beobachtet, dass sie nicht mehr in meinen Träumen erscheinen, wenn ich sie aufgeschrieben habe!

    Mein begeisternder Lateinlehrer war es, der mir über sechs Jahre die Liebe zur Sprache als Kulturgut und zur deutschen Sprache übertrug. Mein Dank für dieses sprachliche Geschenk wird andauern, solange ich lebe. Mein Lateinlehrer. war einer der wenigen Lehrer, von denen ich etwas für das ganze Leben gelernt habe und nicht nur über ihre Fächer.

    Sein Satz wird mir bis an das Ende meines Gedächtnisses gegenwärtig sein:
    Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn die Fakten vergessen sind.

    Noch ein wichtiges Zitat von Sir Francis Bacon Lesen macht vielseitig, verhandeln geistesgegenwärtig, schreiben genau.

    Schon als Schüler habe ich festgestellt, dass Schreiben meine flüchtigen Gedanken verlangsamt, bewusster macht, ordnet, wertet. So kann ich zu klareren logischen Folgerungen und Entscheidungen kommen. Wenn ich schreibe, schaue und fühle ich genauer hin, formuliere sorgfältiger und verstehe besser. Was ich verstanden habe, kann ich besser ertragen.

    Durch das Schreiben kann ich mich ändern. Das ist doch schon viel.

    Wen interessiert, was ich schreibe? Zuerst einmal mich. Der narzisstische Anteil in mir glaubt natürlich, dass alle wissen wollen und sollen, was ich wichtiges geschrieben habe. Mein vernünftiger und realistischer Anteil bringt den Narzissten zurück auf den Boden der Tatsachen! Keines meiner Bücher hat mehr als die erste Auflage erreicht.

    Aber ich veröffentliche nicht jeden Text! Wenn es zu grausig ist, was ich für mich notiert habe, um es loszuwerden und einzuordnen, teste ich manchmal bei meiner Frau oder interessierten Freunden, ob sie den Text ertragen können und mir raten, ihn zu veröffentlichen. Auf dieses Urteil höre ich. Dafür bin ich dankbar.

    Seit ich weiß, dass es sogar Verlage gibt, die meine Gedanken drucken, bin ich eitel genug, etwas zu veröffentlichen. Ich habe in einigen meiner Bücher selbst erlebte Patientenschicksale beschrieben. Ich veröffentliche meine Texte auch auf meiner Homepage.

    Ich will ein Beispiel geben, wie ein kurzer veröffentlichungsfähiger Text über eine bedrückende Szene meines Erachtens aussehen könnte. Das folgende Gedicht ist meine Verarbeitung von zwei Hausbesuchen an einem Tag bei demselben Patienten. Es besteht nur aus Stichwörtern, Tatsachen und direkter Rede. Gefühle werden nicht besprochen. Sie entstehen umso stärker im Kopfkino des Lesers.

    Letzte Stunden

    Bauch vom Krebs zerfressen,
    operiert und bestrahlt,
    welke Haut über Knochen,
    hohle Wangen,
    Bartwildwuchs,
    wirres Haar,
    leerer Blick,
    Schmerzen.

    Uringeruch.
    Nein, nicht waschen!
    Nur noch sterben!
    Nein, nicht ins Hospiz!
    Zu Hause bleiben!
    Lass mich los!

    Verzweifelter Bruder,
    weil ihm Hilfe verboten ist.

    Die Stimme schweigt,
    der Blick wird matt,
    die Atmung schnappt
    und stoppt.
    Endlich erfüllter Wunsch.

    Es gab und gibt  viele Ärzte, die sich ihr Leiden unter den besonderen Belastungen in diesem Beruf durch das Aufschreiben des Erlebten versuchen, erträglicher zu gestalten. Gottfried Benn, der berühmt geworden ist durch seine schonungslosen Gedichte aus dem Sektionssaal, schrieb 1921 in einem Brief:

    Es ist kein Leben dies tägliche Schmieren und Spritzen und Quacksalbern und abends so müde sein, dass man heulen könnte. (…) Ja, ich bin unbeschreiblich müde und abgelebt wieder mal augenblicklich, darüber ist nichts zu sagen, die Sinnlosigkeit des Daseins in Reinkultur und die Aussichtslosigkeit der privaten Existenz in Konzentration.

    Aber sehen wir auch die heitere Seite, die lohnt aufgeschrieben zu werden! Ein Beispiel:

    Schlaflos in Leonberg

    Die in der DRK-Leitstelle ankommenden Anrufe der Patienten werden an den Dienst habenden Rettungsassistenten in der Notfallpraxis weitergeleitet. Eine Rettungsassistentin erzählte mir folgendes Telefonat, das sie mitten in der vergangenen Nacht geführt hatte.

    Eine männliche und unsicher wirkende Stimme meldet sich: „Ich bin 83, und ich kann nicht schlafen. Kann jemand vorbeikommen und mir eine Schlaftablette bringen?“
    Die Rettungsassistentin sagt freundlich: „Da brauchen Sie mich nicht, Sie können ohne Rezept in der Apotheke Schlaftabletten kaufen!“
    Nach kurzer Überlegung fügt sie hinzu: „Warum können Sie denn nicht schlafen?“
    „Wissen Sie, ich bin Lehrer gewesen, und ich muss Fragen, die mir einfallen, einfach klären. Sonst kann ich nicht schlafen. Und da bin ich vorhin aufgewacht und dachte immer wieder an die SWR-Landesschau, die ich abends regelmäßig anschaue. Mir fällt aber der Name des Moderators nicht mehr ein. Ich grüble ständig darüber nach. Deshalb kann ich nicht schlafen.“
    Die Rettungsassistentin tippte rasch am PC „SWR-Fernsehen“ ein, suchte die Moderatoren und las dem Anrufer deren Namen langsam vor – bis zu der Frage: „Meinen Sie Michael Matting?“
    Erleichtert kam die Antwort: „Ja, genau den meinte ich! Danke, jetzt kann ich schlafen. Sie müssen mir keine Schlaftablette mehr bringen!“

    So kann die Verarbeitung durch Aufschreiben ebenso wie ein Zaubertrank im Märchen nicht nur anderen helfen, in Abgründe der menschlichen Existenz zu blicken, sondern auch neue Kräfte durch Humor und Freundlichkeit vermitteln. Schreiben ist ein Zaubertrank in guten  und in schlechten Tagen.

     

     

  • Tischlein deck dich! – Andere Sitten.

     

    August 2018: Ein eigenartiges Erlebnis mit zwei älteren Herren/Männern in Budapest. Der eine, nennen wir ihn Ádám, versteht und spricht nur wenig deutsch. Er war einst als Motorboot-Europameister unter anderem auf dem Masch-See unterwegs, zu einer Zeit als mein späterer Ehemann ebenfalls Hannover unsicher machte. Der andere, den wir Dezső nennen wollen, hatte 35 Jahre in Norddeutschland gelebt, nach einander mit drei deutschen (Ehe-) Frauen, beruflich erfolgreich. Noch heute verbringt er die Hälfte jeden Jahres in Deutschland. Zwischen Bremen und Budapest pendelt er mit dem Zug hin und her, erster Klasse.

    Es war ausgemacht, dass ich in Budapest endlich einmal kosher essen sollte. Davon war seit zehn Jahren die Rede, ohne dass es bisher geklappt hatte. Die beiden alten Buben hatten sich angeboten, mich zu begleiten. Sie waren nett und höflich; nur packte Ádám mich beim Reden ständig am Arm, eine mediterrane Gewohnheit, die mein preußisches Gemüt wallen lässt, sodass ich schließlich meine Aktentasche als Barriere zwischen uns stellte. In der kosheren Gaststätte, sehr gepflegt und fast leer, waltete ein levantinischer Kellner, der mir gegenüber die erwartete Distanz an den Tag legte, vor allem weil Dezső, den ich eigens gebeten hatte, ungarisch mit mir zu sprechen, hartnäckig bei der deutschen Sprache blieb.

    Jetzt kommt endlich so etwas wie eine Pointe: Àdám bestellt lediglich ein Bier, aber  nichts zu essen. Er hatte schon zu Hause gegessen! Seine Frau lasse ihn nicht ohne Mittagessen auf die Straße. Ich versuche zu verstehen, was mir halbwegs gelingt als ich höre, dass seine Frau eine begnadete Sólet (Scholet)- Köchin ist. Mit meinem Essen, Lekváros csirke, einem in Pflaumenmus und Honig geschmorten Geflügel, bin ich sehr zufrieden. Es naht die Rechnung. Inzwischen ist mir schon klar, dass ich den Löwenanteil selbst werde bestreiten müssen, einschließlich des einsamen Bieres. Ein wenig peinlich scheint das dem guten Dezsőke im Nachhinein doch gewesen zu sein, denn er lädt uns anschließend noch zu einem Kaffee ein, in eine Rom-Kocsma, eine „Ruinen-Kneipe“, wie sie heute von unternehmungslustigen Bio-Anhängern betrieben werden, auf Grundstücken mit den Ruinen 100 Jahre alter Bauwerke. So hoffen die jungen Leute das stilvolle Ambiente zu retten. Diese Etablissements sind meist von schönen Höfen, Gärten und alten Bäumen umgeben. Man sitzt dort sehr angenehm. Ich fühle mich an eine ebenso gemütliche, längst aufgelassene Wirtschaft in der Straße neben der Wohnung meiner Schwiegereltern erinnert. Dieses Grundstück ist jetzt Personal-Parkplatz für das benachbarte Kinderkrankenhaus. Einige der hohen alten Bäume stehen noch.

    Nun – die beiden Herren zeigen mir anschließend noch manches Interessante in diesem Viertel, in dem wenigstens die glatt-kosheren Lokale geschlossen sind  wie es sich gehört – es ist nämlich Samstag, Schabbes. Als wir um die Ecke biegen, stehe ich plötzlich vor dem wohlbekannten Rókus-Kórház und der Semmelweis-Statue an der Rákóczi-út. Jetzt bin ich wieder orientiert.

    Bleibender Eindruck von dieser Mittagsstunde: Man kann jemanden zum Essen treffen, ohne selbst mit zu essen. Kurios.

    Etliche Jahre früher: Wir besuchen ein Arztehepaar – Freunde, die viel gereist und häufig „draußen“ sind, auch bei uns. Das Abendessen brutzelt auf dem  Herd. Die Möbel des angrenzenden sogenannten Wohnzimmers sind unter Schonbezügen verborgen. Wir trinken etwas. Mein Mann hält sich wie immer streng an die in Ungarn von jeher geltende Null-Promille-Regel für Autofahrer. Unsere Gastgeber legen uns reichlich vor, essen selbst aber nichts. Sie haben bereits gegessen, sagen sie. Das wiederholt sich bei späteren Gelegenheiten. Beide sind wohlbeleibt, irgendwann werden sie wohl essen. „Draußen“, bei uns, ist mir nichts aufgefallen. Ich erkenne: Man kann Gäste zum Abendessen einladen ohne mit ihnen zu essen.

    Weitere Jahre zurück, unsere Altvorderen konnten noch dabei sein, folgen wir der Einladung eines vor 20 Jahren aus Ungarn nach Paris ausgewanderten Paares. Auf dem Montmartre steigen wir mühsam in einen fünften Stock, mein armer Vater schafft es kaum. Dann werden wir üppig bewirtet. Aber die Hausfrau isst nicht mit uns, ja sie hat nicht einmal für sich selbst gedeckt, springt nur herum, trägt auf und ab, lächelt, nötigt und sorgt für eine ungemütliche Atmosphäre. Kurios.

    Ganz so merkwürdig ging es bei der Patentante meines Mannes nicht zu. Sie sprach nicht nur ausgezeichnet deutsch und russisch, sondern war überhaupt eine kluge, gebildete Frau mit ihren ganz eigenen Kategorien. Es gab deren zwei: A wie ardinär und B wie brima! In der Nachkriegszeit hatte Tante Ágnes auf Grund ihrer Sprachkenntnisse mehr zum Lebensunterhalt der Familie beigetragen als ihr Mann. Immerhin liegt ein Gedeck für sie bereit, auch wenn sie sich nicht hinsetzt, damit sie sich besser um das „Wohl“ der lieben Gäste kümmern kann.

    Auch dies kommt mir, einer biederen Europäerin aus dem mittleren Westen, kurios vor. Ich bin nur froh, dass meine Schwiegermutter bei ihren Einladungen zwar alles überblickte und im Griff hatte, im Übrigen aber verstand, Gast bei sich selbst zu sein.

    Das ist lange her. Heute sprechen und hören die jungen Leute in Ungarn ebenso Amerikanisch wie unsere, sind ebenso arbeitslos, tragen die gleichen zerrissenen Jeans, lassen sich tätowieren und piercen, starren und lauschen in den unphysiologischsten Haltungen ohne Unterlass auf das, was ihnen ihre Smartphones vermitteln und werfen, wenn man Glück hat, kurz ein Hallo hin, ein Hey, Hi, oder auch „Szía“ – mit ähnlicher Bedeutung, vielleicht ist es eine verstümmelte Form von „Grüß dich“!

    Andere Sitten? Nein, Globalisierung!

     

     

  • Mein Beitrag zum Kongress der Union Mondiale des Écrivains Médicines UMEM in Rheinfelden 2018 

    Offizielles Thema: Schreiben – Zaubertrank für Ärzte?

    Mein Zaubertrank heißt Schreiben.

    Ein Zaubertrank soll besondere Kräfte vermitteln, um die schwierigsten Aufgaben zu bewältigen. Die Wirkungen eines Zaubertrankes werden bei Asterix und Obelix im Jubiläumsheft zum 50. Geburtstag der Comic-Serie so beschrieben:

    Verschmitzt lächelnd macht sich der glückliche Konsument bereit. Er schließt die Lider und senkt das Kinn, um aus der Kelle des Druiden zu trinken. Unter der Wirkung des Zaubertranks hebt der Proband ab. Seine Füße flattern im Gleichtakt mit den Helmflügeln! Asterix besitzt übermenschliche Kraft und kann es mit der gesamten römischen Armee aufnehmen.

    Ich schreibe meistens, um mich aus der Betroffenheit herauszuholen, wenn mich der schlimme Anteil des Alltags in der Notfallpraxis packt. Das Schöne ist, dass ich schreibend auch die heiteren und ungewöhnlichen Begegnungen festhalte und immer wieder genieße. Deshalb will ich über beide Seiten des Schreibens sprechen.

    Ich will hier keine der sehr belastenden Situationen ausführlicher beschreiben. Sie verfolgen mich manchmal in meinen Träumen. Bei uns Ärzten genügen ein paar Stichwörter, um flammende Bilder in der Erinnerung lodern zu lassen: Leichenschau bei Verwahrlosten, schwerverletzte Unfallopfer, sterbende Kinder, verzweifelte Eltern, entstellende Erkrankungen und Operationsbilder. Es gibt aber auch Menschen, die unsere Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft ausnützen und als Pflichtdienstleistung zur Unzeit verlangen.

    Ich möchte meinen Beruf mit Herz und Verstand ausüben. Dafür bemühe mich um Empathie: Ich versuche nachzuempfinden, wie die Krankheit, das Problem den Patienten leiden lassen. Und ich bin mir gleichzeitig bewusst, dass es nicht mein Problem ist und dass ich es nicht lösen muss. Das ist heilende Nähe zum Betroffenen verbunden mit schützender Distanz für mich selbst.

    Wenn ich mir den Leidens-Rucksack des Patienten auflade, wird aus mir ein hilfloser Helfer! Hilfsbedürftige erwarten aber zumeist, dass Helfer stark sind oder sich wenigstens so verhalten. Helfer müssen aber auch aus Selbstschutz stark bleiben, um ihre beruflichen Aufgaben und Pflichten erfüllen zu können. Trotzdem muss jeder Helfer auch Momente haben, in denen er seine Schwäche, seine Verletzlichkeit und Erschöpfung äußern und leben kann. Deshalb brauchen wir alle jemanden, dem wir vertrauen können, dass er uns hilft.

    Um mir diesen Spagat immer wieder bewusst zu machen, schreibe ich meine Erlebnisse, Gefühle und Gedanken auf. Diese Gabe und Freude, mich gut ausdrücken und Konflikte in Worte fassen zu können, helfen mir seit vielen Jahren auch bei der Bewältigung meiner Belastungen. Ich habe regelmäßig beobachtet, dass sie nicht mehr in meinen Träumen erscheinen, wenn ich sie aufgeschrieben habe!

    Mein begeisternder Lateinlehrer war es, der mir über sechs Jahre die Liebe zur Sprache als Kulturgut und zur deutschen Sprache übertrug. Mein Dank für dieses sprachliche Geschenk wird andauern, solange ich lebe. Mein Lateinlehrer. war einer der wenigen Lehrer, von denen ich etwas für das ganze Leben gelernt habe und nicht nur über ihre Fächer.

    Sein Satz wird mir bis an das Ende meines Gedächtnisses gegenwärtig sein:
    Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn die Fakten vergessen sind.

    Noch ein wichtiges Zitat von Sir Francis Bacon Lesen macht vielseitig, verhandeln geistesgegenwärtig, schreiben genau.

    Schon als Schüler habe ich festgestellt, dass Schreiben meine flüchtigen Gedanken verlangsamt, bewusster macht, ordnet, wertet. So kann ich zu klareren logischen Folgerungen und Entscheidungen kommen. Wenn ich schreibe, schaue und fühle ich genauer hin, formuliere sorgfältiger und verstehe besser. Was ich verstanden habe, kann ich besser ertragen.

    Durch das Schreiben kann ich mich ändern. Das ist doch schon viel.

    Wen interessiert, was ich schreibe? Zuerst einmal mich. Der narzisstische Anteil in mir glaubt natürlich, dass alle wissen wollen und sollen, was ich wichtiges geschrieben habe. Mein vernünftiger und realistischer Anteil bringt den Narzissten zurück auf den Boden der Tatsachen! Keines meiner Bücher hat mehr als die erste Auflage erreicht.

    Aber ich veröffentliche nicht jeden Text! Wenn es zu grausig ist, was ich für mich notiert habe, um es loszuwerden und einzuordnen, teste ich manchmal bei meiner Frau oder interessierten Freunden, ob sie den Text ertragen können und mir raten, ihn zu veröffentlichen. Auf dieses Urteil höre ich. Dafür bin ich dankbar.

    Seit ich weiß, dass es sogar Verlage gibt, die meine Gedanken drucken, bin ich eitel genug, etwas zu veröffentlichen. Ich habe in einigen meiner Bücher selbst erlebte Patientenschicksale beschrieben. Ich veröffentliche meine Texte auch auf meiner Homepage.

    Ich will ein Beispiel geben, wie ein kurzer veröffentlichungsfähiger Text über eine bedrückende Szene meines Erachtens aussehen könnte. Das folgende Gedicht ist meine Verarbeitung von zwei Hausbesuchen an einem Tag bei demselben Patienten. Es besteht nur aus Stichwörtern, Tatsachen und direkter Rede. Gefühle werden nicht besprochen. Sie entstehen umso stärker im Kopfkino des Lesers.

    Letzte Stunden

    Bauch vom Krebs zerfressen,
    operiert und bestrahlt,
    welke Haut über Knochen,
    hohle Wangen,
    Bartwildwuchs,
    wirres Haar,
    leerer Blick,
    Schmerzen.

    Uringeruch.
    Nein, nicht waschen!
    Nur noch sterben!
    Nein, nicht ins Hospiz!
    Zu Hause bleiben!
    Lass mich los!

    Verzweifelter Bruder,
    weil ihm Hilfe verboten ist.

    Die Stimme schweigt,
    der Blick wird matt,
    die Atmung schnappt
    und stoppt.

    Endlich erfüllter Wunsch.

     

    Es gab und gibt  viele Ärzte, die sich ihr Leiden unter den besonderen Belastungen in diesem Beruf durch das Aufschreiben des Erlebten versuchen, erträglicher zu gestalten. Gottfried Benn, der berühmt geworden ist durch seine schonungslosen Gedichte aus dem Sektionssaal, schrieb 1921 in einem Brief:

    Es ist kein Leben dies tägliche Schmieren und Spritzen und Quacksalbern und abends so müde sein, dass man heulen könnte. (…) Ja, ich bin unbeschreiblich müde und abgelebt wieder mal augenblicklich, darüber ist nichts zu sagen, die Sinnlosigkeit des Daseins in Reinkultur und die Aussichtslosigkeit der privaten Existenz in Konzentration.

    Aber sehen wir auch die heitere Seite, die lohnt aufgeschrieben zu werden! Ein Beispiel:

    Schlaflos in Leonberg

    Die in der DRK-Leitstelle ankommenden Anrufe der Patienten werden an den Dienst habenden Rettungsassistenten in der Notfallpraxis weitergeleitet. Eine Rettungsassistentin erzählte mir folgendes Telefonat, das sie mitten in der vergangenen Nacht geführt hatte. Eine männliche und unsicher wirkende Stimme meldet sich:

    „Ich bin 83, und ich kann nicht schlafen. Kann jemand vorbeikommen und mir eine Schlaftablette bringen?“

    Die Rettungsassistentin sagt freundlich:

    „Da brauchen Sie mich nicht, Sie können ohne Rezept in der Apotheke Schlaftabletten kaufen!“

    Nach kurzer Überlegung fügt sie hinzu:

    „Warum können Sie denn nicht schlafen?“

    „Wissen Sie, ich bin Lehrer gewesen, und ich muss Fragen, die mir einfallen, einfach klären. Sonst kann ich nicht schlafen. Und da bin ich vorhin aufgewacht und dachte immer wieder an die SWR-Landesschau, die ich abends regelmäßig anschaue. Mir fällt aber der Name des Moderators nicht mehr ein. Ich grüble ständig darüber nach. Deshalb kann ich nicht schlafen..“

    Die Rettungsassistentin tippte rasch am PC „SWR-Fernsehen“ ein, suchte die Moderatoren und las dem Anrufer deren Namen langsam vor – bis zu der Frage:

    „Meinen Sie Michael Matting?“

    Erleichtert kam die Antwort:

    „Ja, genau den meinte ich! Danke, jetzt kann ich schlafen. Sie müssen mir keine Schlaftablette mehr bringen!“

     

    So kann die Verarbeitung durch Aufschreiben ebenso wie ein Zaubertrank im Märchen nicht nur anderen helfen, in Abgründe der menschlichen Existenz zu blicken, sondern auch neue Kräfte durch Humor und Freundlichkeit vermitteln. Schreiben ist ein Zaubertrank in guten  und in schlechten Tagen.

     

     

     

     

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  • Die folgenden Gedichtsammlungen befinden sich auf der Homepage von Amir Mortasawi:

     

    Verbunden mit der Erde

     

    https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2016/09/gedichte-band-11.pdf

    https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2018/06/gedichte-band-2.pdf

     

    30 Gedichte für den Frieden

    https://amirmortasawi.files.wordpress.com/2017/04/30-gedichte-fc3bcr-den-frieden.pdf

  • Der Wurm im Kopf

     

    Hugo dachte immer komplizierter. Morgens beim Zähneputzen überlegte er lange, warum er die Zahnbürste für die Zähne und die Handbürste für die Hände verwenden sollte. Beides waren Bürsten. So nahm er die Handbürste und putzte damit Zähne und mit der Zahnbürste reinigte er die Fingernägel. Beim Zähneputzen störte in, dass es auf den Lippen kratzte, auch wenn er die Lippen weit auseinander riss. Als er versuchte, die Backenzähne zu reinigen, verkrampfte sich der Kiefer, so dass er über einige Minuten den Mund nicht mehr schließen konnte. Ich habe noch nicht die richtige Technik, dachte er und setzte sich an den Schreibtisch, um auf einem Blatt Papier die richtige Bürstentechnik zu entwerfen. Nach einer Stunde angestrengtem Nachdenken kam er zu dem Schluss, dass es an seinen Rotationsbewegungen liegen müsse.

    „Hugo, musst Du heute nicht zur Arbeit?“ rief seine Frau ungeduldig.

    „Doch, doch,“ brummte Hugo und stieg die Treppe nur langsam hinunter, da er seitlich über Kreuz abwärts stieg. Er schaffte es ohne zu stürzen. Eine Tasse Kaffee wollte er noch trinken, bevor er zur Arbeit ging. Er stülpte die Tasse verkehrt auf seinen Frühstücksteller und versuchte, Kaffee aus der Kanne einzuschütten. Verwundert sah er zu, wie das braune Wasser vom Tassenboden über den Rand, die Wand der Tasse hinunter auf den Teller floss. Es erinnerte ihn an die Wand in der Toilette eines teuren Restaurants, die durch das herabfließende Wasser faszinierend in ständiger Bewegung schien.

    „Hugo! Halt!“ Seine Frau riss ihm die Kanne aus der Hand, gerade so rechtzeitig, dass der Kaffee nicht mehr über den Rand des Frühstückstellers auf das Tischtuch schwappte. Etwas verärgert darüber, dass das Schauspiel so abrupt beendet wurde, wandte sich Hugo mit einer eckigen Bewegung ab, stolperte zur Garderobe und zog den Mantel mit der Innenseite nach außen an. „Es ist so praktischer,“ dachte er, da er nun leichter seine Papiere aus der Innentasche nehmen konnte. Was er schon immer erproben wollte, realisierte er jetzt. Er setzte sich in den Fond seines Automatikwagens, um von dort aus das Fahrzeug zu steuern. Wenn er mit dem Müllgreifer um die Lehne des Vordersitzes griff, konnte er das Steuer fassen und mit dem langen Stockschirm ließen sich Gaspedal und Bremse bedienen. Den Automatikhebel auf der Mittelkonsole erreichte er ohne Probleme. So setzte er das Fahrzeug in Gang und fuhr etwas unsicher langsam los. Die überholenden Fahrer blickten sich überrascht um nach dem Auto ohne Fahrer mit dem scheinbar entspannten Gast im Font. Heute im Zeitalter der Digitalisierung war ja alles möglich. So war niemand wirklich beunruhigt. Die Verwicklungen am Arbeitsplatz übergehe ich. Es war zu absurd.

    Als Hugo nach Hause kam, teilte ihm seine Frau mit, sie habe schon für morgen früh einen Termin beim Hausarzt gemacht.

    „Warum?“, rief Hugo fröhlich, „Wir sind doch alle gesund!“

    „Vorsorge!“, antwortete seine Frau ernst, „Das ist dringend notwendig.“

    Wenn es so dringend war, konnte Hugo nichts dagegen einwenden. Dem Hausarzt berichtete die Ehefrau die Verhaltensauffälligkeiten Hugos.

    Nach einigem Nachdenken sagte Hausarzt: „Es ist ein komplizierter Fall. Als Erstes schlage ich eine Kernspintomographie des Kopfes vor.“ Nach einigem Telefonieren hatte er einen Termin schon für den nächsten Tag organisiert.

    „Warum die Hektik?,“ fragte Hugo verunsichert.

    „Es ist dringend notwendig,“ antwortete seine Frau ernst.

    Wenn es so dringend war, konnte Hugo nichts dagegen einwenden. Hugo lauschte intensiv dem Klopfen des Kernspintomographen, das ihn an den Besuch in einem Bergwerk erinnerte. Er gewann jedoch keine neuen Erkenntnisse. Der Radiologe drückte Ihnen eine CD in die Hand und einen fast unleserlich beschrifteten Zettel.

    „Gehen sie damit zu Hausarzt und besprechen sie das weitere Vorgehen.“ Er schob sie zur Tür hinaus und schloss diese rasch.

    „Hugo hat die sogenannte Politikerkrankheit, die eigentümlicherweise bevorzugt Politiker befällt,“ klärte der Hausarzt das Ehepaar auf, nachdem er sich die Bilder der CD im Computer angesehen hatte.

    „Und was bedeutet das? Hugo ist doch kein Politiker.“

    „Ein großer Wurm frisst sich durch das Gehirn.“ Er drehte den Bildschirm des Computers ein wenig, so dass sie auf den Bildern eine wurmförmige Struktur sehen konnten, die das Gehirn durchzog. „Dies erklärt das auffällige Verhalten. Ich wollte es zuerst nicht glauben, da typische Symptome, wie Lügen und intrigantes Verhalten fehlen. Die Bildgebung ist jedoch eindeutig.“

    „Kann man dagegen etwas machen?“

    „Es gibt eine medikamentöse Behandlung, die jedoch nur eine langsame Besserung ermöglicht, da der absterbende Wurm weiter Symptome machen kann. Alternativ ist eine neurochirurgische Entfernung möglich, die zwar rasch wirkt, aber dafür muss man den Kopf aufbohren.“

    „Wir überlegen uns das,“ sagte Hugo schnell, der sich nicht wirklich krank fühlte und das mit dem Wurm nicht glauben wollte. Er zog  seine Frau am Arm aus dem Arztzimmer und ließ sich schweigend von ihr nach Hause fahren.

    Dort setzte er sich in sein Arbeitszimmer und dachte intensiv nach. Später habe ich gerüchteweise gehört, das er sich weder medikamentös noch neurochirurgisch behandeln ließ. Der Hinweis des Hausarztes auf das Lügen und Intrigieren hatte ihm gefallen. Er entschloss sich, in die Politik zu gehen und soll heute Staatssekretär in dem kürzlich geschaffenen Heimatministerium sein.

    Copyright Dr. Walter-Uwe Weitbrecht