Schlagwort: Historie

  • Die Kunst des Belanglosen

    (2.7.2018)

     

    in Erinnerung an Hans Paasche (1881-1920)

     

    Kapital und Macht wurden vermehrt
    durch Herstellung und Vermarktung allerlei Gifte
    und durch Behandlung der Folgekrankheiten
    mit allem, was dazu gehörte 

    Unter diesen tragischen Umständen wurde
    die Kunst des Belanglosen bewusst
    von den Machthabern gefördert
    unter schäbiger Mitwirkung
    von Wissenschaftlern und Künstlern
    So verdunkelten vielschichtig
    hitzige Wortgefechte und irrwitzige Beschäftigungen
    die Ursachen der gesellschaftlichen Misere

    ֎֎֎

  • Seelenruhe

    (26.6.2018)

     

    Milliarden Jahre Lebewesen auf der Erde
    Millionen Jahre Menschenaffen
    Zehntausende Jahre menschliche Kultur
    Meine eindeutige Endgültigkeit
    betrachtet im Lichte anderer Zeitabschnitte
    ermöglicht eine gütige Gelassenheit
    bei der Pflege des Sinns für Gerechtigkeit

    ֎֎֎

  •  

    Dieser Artikel  wurde in dem GeNoMagazin für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klinikverbunds Gesundheit Nord, Ausgabe 20, im Juni 2018 veröffentlicht. Wir danken für die Abdruckgenehmigung. Autorin des Artikels ist Melanie Walter.

    Da der Artikel auf zwei DIN A4-Seiten erschien ist, die in diesem Format hier nicht lesbar sind, haben wir die Einzelteile separat abgedruckt.

     

    Der Gefäßchirurg ist seit 1996 Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie im Klinikum Bremen-Nord. Seit Mai 2018 ist er zudem Vorsitzender der Bremer  Krebsgesellschaft. Während des Studiums in Kiel hat sich der 61-Jährige in den Norden Deutschlands verliebt. Nach vielen Jahren Ruder-Pause hat er wieder mit dem Rudern angefangen.
    Heiner Wenk ist aktives Mitglied in zwei Rudervereinen. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. In seiner Freizeit spielt er auch Gitarre.

     

     

    „Beim Schreiben kann ich gut Gedanken ordnen“

    Gefäßchirurg Heiner Wenk ist Mitglied des Bundesverbandes Deutscher Schriftstellerärzte (BDSÄ). Sechs Tage vor der Zeitumstellung auf Sommerzeit ist Heiner Wenk guter Dinge. Der
    Frühling steht vor der Tür, Vogelgezwitscher und die wärmende Sonne lassen keine
    Zweifel an der neuen Jahreszeit. Kaum zu glauben, dass der Gefäßchirurgie-Chefarzt
    aus dem Klinikum Bremen-Nord dagegen ist, an der Uhr zu drehen.
    „Der Frühaufdreher oder: Gegen die Zeitumstellung“ lautet der Titel eines Textes,
    den der 61-Jährige veröffentlicht hat. Launig und leicht, dabei logisch gedacht,
    reiht er eigene Gedanken aneinander. Es geht um die Zeit. Zeit an sich und wie
    sich die Zeiten ändern. Und es geht ums Rudern und darum, dass auch das
    sich verändert mit der Zeit.
    Schreiben strukturiert das Denken, findet Heiner Wenk. Er gehört dem Bundesverband
    Deutscher Schriftstellerärzte (BDSÄ) an. Dort finden sich auch viele weitere, sehr
    unterschiedliche Texte vom Chefarzt der Gefäßchirurgie.
    Der Wassersport ist seine große Leidenschaft, dicht gefolgt von der Gefäßchirurgie.
    Wenn er nicht mit den Vereinskollegen von Bremen 1882 auf der Weser rudert, lebt
    Heiner Wenk seine sportliche Passion am liebsten auf der Hamme aus, die er als
    schönsten Fluss der Welt bezeichnet.
    „Unglaublich toll ist die Regatta Anfang März durch Amsterdam. Es ist kalt. Es ist eine
    lange Tour. Und jedes Mal frage ich mich in meinem Achter ‚Warum mache ich das?‘
    Aber die Stadt ist so schön und das in dieser Jahreszeit.“ Auch bei der drittgrößten
    Regatta der Welt auf der Außenalster ruderte er im Vierer mit.
    Prof. Wenk ist dagegen, dass zweimal im Jahr die Uhr verstellt wird. „Man kann
    die Zeit umstellen“, schreibt er. Aber muss man das, nur weil der Mensch es kann?
    „Ein Wahnsinn. Eine Riesenspökenkiekerei.“ heißt es in „Der Frühaufdreher“.
    Der Autor möchte die Winterzeit abschaffen.
    „Beim Schreiben kann ich gut Gedanken ordnen“, antwortet Prof. Wenk auf die Frage,
    warum er schreibt. Er tut das schon sehr lange. Gerne frühmorgens, mit dem Blick auf
    die Wiesen vor’m Fenster, die Vögel im Ohr. Es gibt Bücher von Heiner Wenk, „die werden
    auch gelesen“. „Jette in Weimar“ heißt eines, darin geht es um den Familienhund,
    der sich im Urlaub in Thüringen sehr wohl fühlt.
    Während er davon erzählt, klingelt das Handy des Chefarztes. „Hast du ’ne
    Mannschaft zusammen?“, wird der Anrufer gefragt. Wenige Worte werden
    gewechselt und alles ist klar. Demnächst läuft der Gefäßchirurg beim Organspende-
    Lauf in Berlin mit. Strahlend freut er sich darüber, auch seine dritte Leidenschaft –
    das Laufen – mit der Gefäßchirurgie verbinden zu können. „Das mache ich nur,
    weil ich da sowieso auf einem Kongress bin.“

    www.bdsae.org

     

  • Betriebsames Getue

    (1.6.2018)

     

    Der protzige Staatspräsident
    zeigte ohne Umschweife
    brutal, aufschlussreich
    das wahre Gesicht
    der elenden Gesellschaftsordnung
    die er vertrat 

     Betriebsam, entrüstet
    zeigte mancher Zeitgenosse seine Empörung
    dem Präsidenten gegenüber
    das System töricht verschweigend
    das im Hintergrund wirkte

    ֎֎֎

  • Berg und Tal

    oder: Meereshöhe

     

    Wenn man in etwa auf Meereshöhe lebt, wird jede kleine Erhebung bedeutsam. Wenn ich meinen Tiroler Freunden erzähle, daß unser wichtigster Berg der Weyerberg in Worpswede mit 54,4 Metern über dem Meeresspiegel ist, ernte ich ein mildes Lächeln. „Ihr seid’s scho arm dro“, heißt es im Angesicht des Wilden Kaisers.

    Auffällig viele Straßen enden in Meyenburg auf die Endung „Berg“. Schwanenberg, Brandberg, Fuchsberg, alles kleine Geesthügel. Hier ist die Kante zwischen Geest und Marsch.  Skilifte wären an diesen Bergen völlig überflüssig.

    Aber wo Berge sind, gibt es auch ein Tal.

    Das haben wir hier auch.

    Es heißt nicht Tal, sondern Grund.

    Sansibar oder der letzte Grund.

    Der Grund ist ein Dobben. Das ist eine feuchte Wiese.

    Da wohnt keiner. Aber das ganze Dorf hat sich drumrum entwickelt.

    Ursprünglich war Meyenburg ein Straßendorf, alle Bauernhäuser standen aufgereiht am Meyenburger Damm. Dann hat sich am einen Ende des Meyenburger Dammes nach draußen ein Arm entwickelt, darum heißt die Straße Butendoor.

    Und am anderen Ende liegt der Fuchsberg, und dazwischen liegen wir, am Geestrand.

    Beide Enden stehen über den Mühlendamm miteinander in Verbindung- klar: Mühlenberg, Mühlendamm, Mühlengrund. Der Mühlendamm hält den Mühlenteich auf Niveau, und der Niveauunterschied zwischen Damm und Grund hält das Mühlrad der Wassermühle in Betrieb.

    So hat sich das ganz gerade Straßendorf zu einem Rundling entwickelt. Das wird im Wendland als schönste Dorfform beschrieben und ist eigentlich slawischen Ursprungs.

    Bei uns ist der i-Punkt die grüne Wiese, der Dobben, als Nukleus, als Kern oder Herz dieses Dorfes. Zu allem Überfluss hat jemand eine Bienenzucht dort aufgebaut, die bunten Kästen sind markant und sagen Dir: Komm nicht zu nahe. Sonst wirst Du gestochen und von diesem Virus infiziert.

    Das ist Meereshöhe.

  • Im Düngel

     

    Früher, als Kind, musste ich samstags in die Badewanne. „Fichtennadel“ war der bevorzugte Badezusatz. Das sind Geruchswahrnehmungen, die sich ganz tief ins Langzeitgedächtnis eingraben.

    Ein zweites Nadelholz weckt bei mir noch angenehmere Assoziationen: Die Kiefer. Auch Föhre genannt, wie sympathisch: Sylt, Amrum, Föhr: Das passt.

    Der Duft der Kiefer, der Föhre erinnert mich an schönste Kindheitstage, wenn wir in den „großen Ferien“ unsere Großtante Trude in Barsinghausen am Deister besuchen durften: Durch den Kiefernwald laufen bis zum Schwimmbad der Sportschule des Niedersächsischen Fußballverbandes, baden, Staudämme bauen im Wald, Lagerfeuer machen und sich ewige Freundschaft beim Gotte Manitu schwören.

    Genau diesen Geruch habe ich im Düngel wiederentdeckt.

    Der Düngel: Ein Wald, ein Staatsforst zwischen Meyenburg, Lehnstedt und Garlstedt: Kennt man doch, oder?

    Da, wo in Meyenburg der Brandberg in den Bollmannberg übergeht, ist der Waldrand. Auf dem Seedorfer Weg geht es in den Kiefernwald, als erstes sieht man ein Erholungsheim der evangelischen Kirche, dann ein paar Ferienhäuser, und dann ist man alleine und mittendrin im Wald – so viele Pflanzen und Bäume, Gerüche, viel zu viele Mücken, und dann steht die Rute meines Hundes, und drei Meter vor uns flüchtet ein Reh, das mir in der Reizüberflutung komplett entgangen war, Jette aber nicht.

    Ich reihe mich ein in die große Zahl derer, die sich hier wohlfühlen, für die der Wald Rückzugs- und Regenerationsraum ist.

    Schon lange ist diese Gegend besiedelt.

    Hünengräber, hier Megalithengräber genannt, legen seit 5000 Jahren Zeugnis darüber ab. Eine andere Ruhestätte berührt mich besonders: Es ist eine Kriegsgräberstätte für serbische Soldaten, die hier im ersten Weltkrieg umgekommen sind. Das ist ein wohltuendes Pendant zu den Soldatengedenksteinen auf unseren Friedhöfen, die noch heute den Krieg verherrlichen, von einem „guten Kampf“ sprechen, den der Soldat gekämpft, bevor er „seinen Lauf“ vollendet hat.

    Und nun beende ich meinen Lauf mit dem Hund und steige aufs Rad. Über die Autobahn, die den Düngel durchquert, fahren wir zu den Heidhofer Teichen. Hier findet sich eine naturbelassene Moorlandschaft, unter den Bäumen dominieren Eichen und Birken.

    Wir tanken auf im Wald.

    Sauerstoff, Ruhe, Gerüche von Kiefern, Pilzen, Farnen und Blumen nehme ich mit nach Hause.

    Der Wald ist Schauplatz vieler Mythen. In der Literatur ist er mal idyllischer Schauplatz, mal Ort von Horrorszenarien. Das geht bis in die Kinderbücher hinein: Wegen Ronja Räubertochter mussten wir mehrfach Urlaub in Schweden machen. Weil nicht nur für mich, sondern auch für meine Kinder der Wald ein besonders schöner und geheimnisvoller Ort ist.

    Sooft es geht, bin ich mit Jette im Dügel. Irgendwann treffe ich sie, die Kobolde, Waldgeister oder die Wildruden von Astrid Lindgren. Jette spürt sie auf.

     

  • Lastenausgleich.

    Fragmentarisches aus Kindheit und Jugend

     

    In Darmstadt, nahe am Woog im „Tintenviertel“, hatten wir eine Wohnung im Erdgeschoss, dazu eine Vermieterin, die nicht wollte, dass das kleine Waltrudchen – drei Jahre alt mochte ich gewesen sein – auf ihrem Hof spielte und auf dem Mäuerchen herumhüpfte. Zum Trost wurde ich auf unseren großen Garten in Butzbach verwiesen, in dem ich spielen durfte, wo ich wollte. Die Tochter der Vermieterin heiratete einen Arzt und lebte in Berlin-Klein-Machnow, im späteren Grenzgebiet. Wir trafen sie mit ihrer Familie in Langeoog, wo sie regelmäßig die Sommerferien verbrachte. Eines Tages zog ich mir beim Wellenhüpfen eine ziemlich schwere rechtsseitige Sprunggelenksdistorsion zu. Der Herr Doktor behandelte mich im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten mit kaltem Wasser und einer Art Mullverband. Es wurde bald besser, nur die Schwäche im Sprunggelenk blieb mir erhalten.

    Zurück zu den Darmstädter Jahren, die ja nicht mehr lange währten. Anfangs hatten wir Pflichtjahrmädchen, Ria und Edelgard, die waren nett und sangen mit mir:

    „Hoch dro‘ m auf‘ m Berg
    dort unter den funkelnden Sternen
    Dort weiß ich ein Haus,
    das wartet auf dich, mein Schatz.“

    Einmal nahm mich eins der Mädchen mit auf eine Rutschbahn im Woog-Schwimmbad. Ich hatte Angst und kam viel schneller ins Rutschen, als ich denken konnte. Danach blieb ich für viele Jahre wasserscheu. Trotzdem bedauerte ich es sehr, als wir die Pflichtjahrmädchen verloren. Da Mutti nur ein Kind hatte, stand ihr kein Mädchen zu.

    Papa war Block-Walter bei der NSV und hatte z. B. für das Winterhilfswerk zu sammeln. Da der Dr. Wamser mit der Sammelbüchse jedem peinlich war und man ihn schleunigst ins Haus bat, zogen sich seine Sammelaktionen endlos hin und wir wurden ausgeschickt, ihn zum Abendessen nach Hause zu holen. Vertrat ihn eines der Mädchen beim Sammeln, so waren diese immer schnell fertig und kamen mit der vollen Büchse zurück.

    Ich erinnere mich, dass Papa, wenn er vom Unterricht in der nahen höheren Mädchenschule nach Hause kam, als erstes in die Küche ging, seine Frau begrüßte und sein Töchterchen hochhob. Vom Dampf beschlugen die Brillengläser, und er musste sie putzen. Mit dem so gewonnenen klaren Durchblick erspähte er dann sofort einen gewissen unverkennbaren Briefumschlag auf dem Küchentisch. Ohne ihn zu öffnen, wusste er, dass er zu einer abendlichen Sitzung, Parteiversammlung, geladen war. Der letzte kategorische Teil-Satz hieß immer: Erscheinen Pflicht! Schlagartig war die Stimmung hin. Mein Vater gewöhnte sich nie daran.

    Auf dem Haus schräg gegenüber saß eine Sirene, deren widerwärtiger Ton für mich den Krieg schlechthin bedeutete. Ich atmete auf, wenn das Dach mit der Sirene beim Einkaufen oder Spazierengehen aus meinem Blickfeld verschwand.

    An zwei Reisen denke ich noch. Eine ging nach Baden-Baden zu den vielen Tanten aus der mütterlichen Familie. Dort ereilte uns die Nachricht vom Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges, es muss also im Juni 1941 gewesen sein. Mein Vater hörte es und sprach es aus: „Das ist der Untergang.“

    Er hat im Familienkreis nie einen Hehl aus seiner zutiefst pessimistischen Einstellung gemacht.

    Die zweite Reise führte nach Böhlen, Leipzig, Dresden, Eger, Karlsbad und Teplitz. In Böhlen lebte Muttis älterer Bruder mit seiner Familie. Es gibt eine Fotografie aus dem Leipziger Zoo von meiner Mutter und mir mit einem kleinen Löwen auf meinem Schoß. Ganz geheuer war mir die Sache nicht, ich gucke etwas ängstlich. Von Dresden sind mir nur die aus Luftschutzgründen dunkelblau angestrichenen Fenster im Hotel in Erinnerung. Um nach „Böhmen“ zu fahren, brauchten wir damals keinen Pass. In Karlsbad beeindruckten mich die bunten Ohrenkappen der Kutschpferde. Dort fielen auch keine Bomben.

    Dann wurde mein Vater auf seine alten Tage – er war 46 Jahre alt – noch eingezogen. Seine Schülerinnen, er war Klassenlehrer einer Obertertia, kamen mit großen Fliedersträußen. Der Flur und die ganze Wohnung dufteten. Alle weinten. Papa war zunächst in Raunheim und Rüsselsheim stationiert, wo er schulpflichtige „Flak[1] -Buben“ unterrichtete. Bei unseren Besuchen lernte ich ganz neue Sachen, „lightning“ und „thunderbolt“, und hörte nach den Geräuschen zu unterscheiden, ob die Geschwader eine Bedrohung darstellten oder ob sie weiterzogen. Dann wurde mein Vater nach Koblenz versetzt. Er hatte dort Präsenzpflicht, Ausgang nur bis nach Ehrenbreitstein. Wir wohnten im Hotel an der Schiffsbrücke, rannten nachts bei Alarm in den Keller, hörten nahe Einschläge und Tiefflieger und sahen eines Morgens die Schiffsbrücke zerstört, direkt vor unserem „Rheinhotel“, dessen Dach abgedeckt war. Glück im Unglück. Auf der Fahrt nach Koblenz heimste ich als kleiner Dopch, der Burgen und Schlösser wie die Pfalz bei Kaub, die „feindlichen Brüder“ Liebenstein und Sterrenberg, benennen konnte, Bewunderung ein. Mein Vater war halt ein engagierter Geographielehrer.

    Bald bestand er darauf, dass wir Darmstadt verließen und uns nach Butzbach zurückzogen. Er wusste um die Gefährdung des Rhein-Main-Gebiets.

    Am 23. September 1943 kam der Großangriff auf Darmstadt. Papas Mutter, die das Butzbacher Haus verwaltete, hat nicht mehr lange gelebt, sie ist noch während des Krieges, wohl an einer Herzinsuffizienz, gestorben. Muttis Mutter kam mit uns. Sie hatte in Darmstadt in einer eigenen Einzimmerwohnung residiert, wo mich vor allem die „Kochkiste“ beeindruckte, in der man ein halb gekochtes Gericht ohne weitere Wärmezufuhr über Stunden fertig garen und warmhalten konnte.

    Kurz vor Kriegsende versuchten wir wie viele andere noch weiter auf‘ s Land zu flüchten. Wir gingen nach Fauerbach, weil wir dort jemanden kannten. Beliebt waren wir nicht, schmarotzende Städter halt. Irgendeinen finanziellen Beitrag leisteten wir wohl, aber man bekam ja nichts für sein Geld. Gegen Ostern1945 hieß es: die Amerikaner kommen! Man hängte weiße Bett-Tücher ins Fenster. Gleich darauf wurde eine Gegenparole ausgegeben: De SS kommt zurück, die Hakenkreuzfahne raus! Es kamen auch Bollerwagen mit Würsten und Käse, das Volk fiel darüber her, wir waren natürlich zu dumm und zu zurückhaltend, um Beute zu machen. Es muss Karfreitag gewesen sein, als die Amis tatsächlich ins Haus kamen. Ich habe sie wirksam vertrieben, denn ich lag fieberglühend mit Masern im Bett. Sie sind gelaufen, was das Zeug hielt. Natürlich habe ich die Fauerbacher Kinder angesteckt. Nein, beliebt waren wir nicht.

    Als Verkehrsmittel hatten wir einen kleinen Leiterwagen. Meine Mutter, diese Rebellin zur Unzeit, schlich sich in unser Haus nach Butzbach und nahm sich heimlich ihr Fahrrad. Es gab damals abendliche Sperrstunde, Mutti war natürlich noch spät unterwegs, trifft auf drei Amerikaner, wird bedroht und steigt ab, spricht etwas Englisch, sie sind friedlich, nichts passiert. Glück.

    Unser Haus war wegen des mangelnden Komforts nicht lang besetzt, dafür aber anschließend völlig verdreckt. Langsam zogen wir wieder ein – von „unserem“ Haus konnte man gar nicht reden, denn unten war vermietet, und oben teilten wir es uns mit allen herbei- und zurückströmenden Familienmitgliedern. Es gab Matratzenlager, Brenn-Nesselspinat, Löwenzahnsalat und Kochkäse aus Hefe, die wir Kinder für 10 Pfennig beim Bäcker holten.

    Von Papa wussten wir nichts. Eines Tages kam als Lebenszeichen eine Karte aus der Champagne. Wir hatten auch Einquartierung, eine Mutter mit zwei halbwüchsigen Kindern, die eigentlich ganz umgänglich waren. Ab und zu gab es etwas Schokolade oder Kaffee, eines Nachts die Begegnung meiner Großmutter mit einem schwarzen Amerikaner auf der Toilette. Schreck. Passiert ist nichts.

    Dann lernte ich, was ein Migräne-Anfall bedeutet. Meine Mutter, deren derzeit abwesender Mann Parteigenosse gewesen war und zum Bürgertum gehörte, war in Berlin geboren und katholisch – alles ganz schlimm! Sie musste sich auf dem Rathaus mit den Rechtgläubigen der Nachkriegszeit herumschlagen. Anschließend lag sie im Bett im verdunkelten Zimmer, mit schrecklichen Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Das konnte bis zu drei Tagen dauern.

    An unserer Situation änderte sich nichts. Wir hatten ein nicht heizbares Schlafzimmer, ein kleines Eckzimmer mit einem eisernen, ewig rauchenden Kohlenofen und „Küchenbenutzung“, denn die Möbel in unserer eigenen Küche gehörten uns nicht. Dort gab es einen großen Kohlenherd, auf dem Mutti und Tante irgendwelche Mahlzeiten produzierten. Die einzige Toilette mussten wir mit der ganzen Familie, dem „Ami-Liebchen“, deren Kindern und ihren Verkehrsgästen teilen. Zum Waschen gab es „Waschlafors“ (von Lavoir!), das Wasser wurde auf dem Küchenherd heiß gemacht.

    Im Januar 1946 kam Papa aus der amerikanischen Gefangenschaft in Frankreich zurück. Ich machte die Tür auf und wurde von einem großen, dünnen, fremden Mann, vor dem ich aber keine Angst hatte, hoch gehoben. Wir holten vom Dachboden die Schaukelwanne aus Zink und machten so lange Wasser heiß, bis eine Badewanne gefüllt war. Er war völlig ausgehungert, irgendwie kriegten Mutti und Tante ihn satt. In der Champagne hatte er während müßiger Stunden im Lager aus den herumliegenden Kreidebrocken drei kleine Kunstwerke geschaffen, mit Rasierklingen und Stecknadeln als Werkzeug. Es waren zwei Reliefs mit Ansichten vom alten Butzbach und für mich ein kleiner Bär, dem Papa mittels einer Schachtel, die er mit Gips ausgoss, eine Standplatte anfertigte.

    Wilhelm Wamser
    Champagne 1945, Kreide

    Rasch kam dann das Spruchkammerverfahren. Mein Vater wurde zwar nur als „Mitläufer“ eingestuft, aber das genügte, um ihn aus Dienst und Beamtenstatus zu entfernen. Strafe musste auch noch gezahlt werden. Wir lebten aus dem Garten, hatten Hühner, Enten und Hasen, pflanzten und gossen Kartoffeln, Tomaten, Kraut, Salat und Petersilie, düngten mit Pferdeäpfeln. Die Pumpe im Hof funktionierte. Irgendwann waren wir die Einquartierung los, dafür hatten wir Wanzen und Läuse. Ein Kammerjäger musste kommen. Wir verkauften ein Grundstück nach dem anderen, sammelten Schafgarben und Bärenklau für die Firma Merck, außerdem Pilze, Bucheckern und Weizenähren. Für Kartoffelkäfer gab es ein paar Pfennige, für Zigarettenkippen Lob von den Rauchern.

    1948 bekam Papa gleichzeitig mit zwei ebenfalls betroffenen Kollegen eine halbe Anstellung am Weidig-Realgymnasium Butzbach, 1950 dann eine volle Stelle. Es sollte gerade langsam aufwärts gehen.

    Mutti, die Abitur gemacht hatte – eine Seltenheit für Mädchen zu dieser Zeit – wäre nicht mehr lange mit einem bloßen Hausfrauendasein zufrieden gewesen. Sie wollte ab April 1951 mit mir zusammen Latein lernen. Am 3. März aber kam sie bei einem Verkehrsunfall zu Tode, eine Katastrophe, die unser Leben Jahrzehnte lang überschattete. Ich vermeide heute noch, davon zu sprechen, ein rechtes Trauma.

    Ein jüngerer Kollege meines Vaters, der mit seiner Familie aus Ostpreußen gekommen war, unterstützte uns über viele Jahre mit seiner kameradschaftlichen Zuwendung. Seine älteste Tochter und ich wurden Freundinnen, hatten denselben Schulweg, musizierten zusammen und trieben gemeinsam Sport. In seiner Familie waren wir jederzeit willkommen. Er hatte inzwischen wieder ein kleines Haus, während wir Lastenausgleich zahlten und nicht in der Lage waren, unsere eigene Bruchbude, die seit dem Todesjahr meines Großvaters 1915 keine Renovierung mehr erfahren hatte, auch nur einigermaßen gebrauchsfähig herzurichten. Die altmodische Zentralheizung funktionierte schon lange nicht mehr. Abends wurde die Tür zwischen dem einzigen heizbaren Zimmer und dem Schlafzimmer geöffnet, damit das Wasser im „Waschlafor“ nicht einfror, was trotzdem oft genug geschah.

    Weitere Ostpreußen bestimmten meinen Schulalltag, ein Musiklehrer, der mit uns seine heimatlichen Lieder sang:

    Land der dunklen Wälder…
    Welch ein Wunder…
    O käm das Morgenrot herauf…
    Zogen einst fünf wilde Schwäne…

    Und mein Lateinlehrer, der sich zwar keiner großen Sympathien erfreute, mir aber die Sprache und deren Grammatik so nachhaltig vermittelte, dass ich heute noch herunter- deklinieren und- konjugieren kann. Ich sang im Chor, spielte Geige im Schulorchester und war eine gute Leichtathletin. In der Oberstufe errang ich mit drei Kameradinnen beim Weidig-Bergfest in der Pendelstaffel für Frauen- Jugend als Schlussläuferin den Albert-Wamser-Wanderpreis.

    Der Großherzog hatte meinem Großvater, dem „Landkarten-Wamser“, in Anerkennung seiner Verdienste um das Frauen-Turnen in Butzbach das Ritterkreuz verliehen. Handwerker haben das goldenen Kreuz 1980, als endlich umfassende Renovierungsarbeiten in Gang kamen, gestohlen. Die zugehörige Urkunde ist aber vorhanden: „Wir, Ernst Ludwig, von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein…“

    Etwa seit Quarta hatten wir an unserer Schule einen ehemaligen Professor der Karlsuniversität Prag als Lehrer für Geschichte und Deutsch. Er siezte uns, obwohl wir erst 13 oder 14 Jahre alt waren und rief auch die meisten Mädchen mit Nachnamen auf. Nur von zweien wusste und gebrauchte er die Vornamen; den meinen nicht, ich war das „Wamserle“. Er hat sich dann nach Gießen um-habilitiert und das sudetendeutsche Wörterbuch begründet. Zudem war er ein ausgesprochener Kenner der jiddischen Sprache, die ihm reine Wissenschaft bedeutete und nichts mit Weltanschauung zu tun hatte. In meinem Nachwort zu den „Quellen des west-östlichen Divans“ in: Fließende Grenzen (Budapest 2015) 112 f. Anm. 310, habe ich versucht, ihm ein kleines Denkmal zu setzen.

     

    [1] =Flugzeugabwehrkanone.

  • Artemis, eine Bärengöttin?  

     

    Über Artemis, die „Bärengöttin“ ist vielerlei geschrieben worden, z. B.:

    …meinte K. Glaser die „Bärengöttin“ (Αρκτ[ε]μις  zu  αρκτος) in ihr zu erkennen“, H. Gams, in: Artemis, Der kleine Pauly, 619.

    …die urtümliche Erscheinungsweise der πότνια ἅρκτων, ἲππων, ταὐρων“, ebenda, 622.

    …in Attika zeugt ein vom Staat anerkannter Brauch von der alten Bärennatur der Göttin,  Hoenn 1946, 19.

    …les petites ourses, qui exécutent, en l’honneur d’Artemis, la déesse Ourse, une danse où elles imitent l’animal sacré, Kahil 1977, 94.

    …In alten Geschichten hatte ja Artemis noch die Gestalt der Bärin, Kerényi 71984, Band I, 116 f.

    …im Kreis der Artemis, wo die große Göttin und ihre kleinen  Doppelgängerinnen als Bärinnen galten und Bärinnen hießen, Kerényi 71984, Band II, 98.

    …In einer Reihe von Sagen wird Artemis offensichtlich mit diesem Tier [dem Bären] assoziiert, und vielleicht hat man sie sich in älterer Zeit in Bärengestalt vorgestellt, Parke 1987, 214.

    … Kallisto wird in das alte Symbol der Göttin, die Bärin, verwandelt, RE II, 3 (1895) 1341.

    …Zahlreiche Arten von Tieren werden der Artemis heilig gehalten, von Raubtieren besonders die Bären (in Arkadien Artemis Kalliste oder ihre Hypostase Kallisto selbst als Bärin gedacht), RE II, 3 (1895) 1344.

    …Bärin, Symbol der Artemis in peloponnesischen (besonders arkadischen) und in attischen Kulten, RE II, 3 (1895) 1434.

    …Artemis…die  als Kallisto in Bärengestalt hoch verehrt wurde, v. Scheffer 1939, 32.

    …Artemis, die ursprünglich selbst eine Bärin war, Schefold 1981, 229.

    Aber halten diese Zitate auch Stand? Artemis, eine Bärengöttin?  So reizvoll es wäre, den Aussagen namhafter Autoren zu folgen, so problematisch ist es auch, denn um es gleich vorweg zu nehmen: für eine Bärengestalt der Artemis/Diana fehlen allem Anschein nach die antiken Belege, ob in Form literarischer Quellen und/oder als eindeutige, z. B. epigraphisch gesicherte bildliche Darstellungen. Kerényi, der sich häufig auf antike Texte berufen hat, lässt bei dieser Frage ebenfalls im Stich. In der „Helena“ des Euripides, die er als Quelle angibt, ist nur von der Verwandlung der Kallisto in einen zottigen Vierfuß [1] die Rede. Artemis wird weder als Bärin noch als Bärengöttin apostrophiert. Ähnliches gilt auch für die Hygin-Zitate des Autors[2]. Lediglich Lukian von Samosata[3], der unter den heiligen Tieren der syrischen Göttin, „welche zugleich der Rhea und der Artemis verglichen wird“, auch den Bären nennt, kommt der Thematik einigermaßen nahe.

    Homer setzt Artemis mit der Herrin der Tiere, πότνια  θηρὦν[4], gleich. Die Abwandlung „πότνια ἅρκτὦν“, Herrin der Bären, taucht lediglich in einer Sekundärliteratur, ohne Angabe antiker Quellen, auf[5]. Als πότνια  θηρὦν hat die Göttin ihre Tiere, vor allem Löwe und Stier, Hirsch und Federvieh[6], fest im Griff. Die Bärin/Arktos ist nicht unter ihnen[7]. Dennoch bestehen enge direkte und indirekte Beziehungen zwischen Bären und Göttin. So hat Artemis die flinke Läuferin… Atalante… sehr gelobt,… die ebertötende Tochter des Arkassohnes [8], die als Neugeborene von einer Bärin gesäugt worden war[9]. Unter den vielen Tierstatuetten, die man den griechischen Göttern weihte, sind Bären ausgesprochen selten. Wenn sie dennoch als Votivgabe in Erscheinung treten, lassen sie sich in aller Regel einem Artemisheiligtum zuordnen, gerade als ob die Verehrer dieser Gottheit im Bären eine besonders willkommene Weihgabe sähen, bisweilen sogar ein angemessenes Tieropfer[10]. Pausanias nämlich berichtet, dass auf dem Altar der Artemis Laphría in Patrai/Patras lebende Tiere verbrannt wurden, darunter kleine und ausgewachsene Bären[11]. Im Heiligtum von Lusoi fand man Bärenzähne, ein Votiv, das ebenfalls auf eine jagende, tötende Gottheit hinweist[12]. Ursprünglich empfing Artemis auch Menschenopfer[13]. Nach dem Mythos von Aulis wurde die zum Opfertod bestimmte Königstochter Iphigenie von der Göttin verschont und durch eine Hirschkuh ersetzt[14]. In Brauron tritt eine Bärin an die Stelle des Opfers[15].

    Als junge Athener eine heilige Bärin töten, sendet Artemis der Stadt zur Strafe eine Pestepidemie, die erst dann enden soll, wenn die Bürger ihre kleinen Töchter als „arktoi /Bärinnen“ in den Dienst der Göttin stellen[16]. Das  „Einbären“, ̒αρκτεύειν, findet etwa im Alter von neun Jahren statt[17]. Die aus Brauron stammenden, in einer Privatsammlung aufbewahrten Fragmente sog. Krateriskoi haben die Kenntnisse von den eigentümlichen brauronischen Kultbräuchen der Arkteia erweitert[18]. Außer den laufenden Mädchen und der bogenschießenden Göttin sind u. a. zwei Gestalten mit menschlichen Körpern und Bärenköpfen dargestellt: ein Mann mit nacktem Oberkörper und übergestülptem Bärenkopf und eine Frau in Chiton und Mantel mit Bärenmaske[19]. Offenbar handelt es sich um Kultpersonen im Rahmen des festlichen Rituals zu Ehren der Artemis Brauronia. L. Kahil verweist auf eine Passage bei Hesych, in der die Bärin als heiliges Tier und zugleich als Priesterin der Artemis bezeichnet werde[20]. Antike Schriftsteller schildern also durchaus enge Beziehungen zwischen Bären und Göttin; doch wenn es gilt, dieser selbst die angeblich vorhandene Bärennatur nachzuweisen, dann versiegen die Quellen. Der Kult für die keltisch-römische Gottheit Dea Artio, die sowohl in Frauen- als auch in Bärengestalt verehrt wird, hat anscheinend nur lokale Bedeutung[21].

    So viele Beinamen man Artemis auch gegeben hat[22] – die Bärin gehört nicht dazu. Häufige Begleittiere sind nicht Bären, sondern Hirschkuh, Löwe und Panther, dann Ferkel und Greif, Hahn und Hase[23]. Auch im Umfeld der πότνια  θηρὦν /Herrin der Tiere fehlen die Bären[24]. Sie werden in den Quellen genannt, aber selten bildlich dargestellt. Ausnahmsweise erscheint auf einem der brauronischen Krateriskos-Fragmente ein Bär. Man erkennt seinen Rücken, ein Ohr und den oberen Teil der Schnauze[25]. Ein anderes Fragment zeigt die bogenschießende Artemis im kurzen Gewand.

    Die Metamorphose in eine Bärin ist in der antiken Literatur gut belegt, doch sie  bezieht sich auf Kallisto, eine schöne Nymphe aus dem Jagd-Gefolge der Artemis[26]. Ihr Name, Kallisto, führt zur Frage nach der Identität der Jägerin mit der Göttin, die selbst den Beinamen Kalliste trägt[27]. Pausanias schildert das Grab der Kallisto auf einer hohen Anschüttung …, auf deren Spitze das Heiligtum der Artemis liegt[28]. Dabei habe ich den Eindruck, fährt er fort, dass Pamphos, ein vorhomerischer Dichter, etwas von den Arkadern erfahren hat, da er als erster in seinem Gedicht Artemis Kalliste nennt. Außer an diesem Ort befinden sich in der Nähe der Akademie von Athen ein Bezirk der Artemis und Holzstatuen der Ariste und Kalliste. Wie ich meine, und womit auch die Epen des Pamphos übereinstimmen, sind das Beinamen der Artemis[29].

    Mit … Kallisto … kam Zeus als Liebhaber zusammen[30]. Er täuscht die Jungfrau auf üble Weise, nimmt Gestalt und Tracht der Diana/Artemis an[31] und umarmt sie. …sie wehrt sich, doch wen könnte ein Mädchen und wer könnte Iuppiter besiegen?[32] … Zeus … schickte Hermes, um das Kind zu retten, das Kallisto im Leibe trug. Sie selbst aber verwandelte er in ein Gestirn, den sogenannten Großen Bären, den auch Homer … erwähnt[33].

    Parallelmythen mit teilweise widersprechendem Inhalt variieren die Begebenheit. In Bärengestalt irrt Kallisto umher, bis sie eines Tages auf Arcas stößt, ihren Sohn, den späteren Lokal-Heros Arkadiens. Er ist inzwischen 15 Jahre alt und ein tüchtiger Jäger, der seine Mutter in ihrer verwandelten Gestalt nicht erkennt. Gerade als er die Brust des wilden Tieres mit seinem Geschoss durchbohren will, greift endlich der Verursacher von Leid und Verwirrung, Zeus/Jupiter, ein, versetzt die beiden an den Himmel und macht sie zu benachbarten Sternbildern[34]. Juno/Hera, seine eifersüchtige Gemahlin, gibt sich erst zufrieden, als die Meergötter dafür sorgen, dass die Große Bärin für immer um den Polarstern kreist[35], ohne jemals die Wohltat des Bades im Okeanos, dem reinen Meer, zu erfahren[36]. Eine andere Version des Mythos wurde mehrfach in Bildern dargestellt: die Göttin zielt mit Pfeil und Bogen auf die weibliche Gestalt, die durch den kleinen Knaben in ihrer Nähe als Kallisto ausgewiesen ist[37]. Pausanias lernte noch das heute verlorene Gemälde des Polignotos in Delphi kennen, auf dem Lykaons Tochter Kallistostatt einer Decke ein Bärenfell hat[38]. Apulische (Vasen-) Bilder geben den Augenblick der Metamorphose wieder: wild und zottig wachsen die Haare, Fell bedeckt die Arme, aus den Händen werden Tatzen und aus den Fingern Krallen. Die merkwürdig spitzen Ohren, die im Gegensatz zu den meist rundlichen Ohren der natürlich vorkommenden Bärenarten stehen[39], wurden zuweilen als bärentypisch beschrieben[40]. Auch die römische Bronzefigur einer Bärin im Aachener Dom ist mit „wölfisch“ spitzen Ohren wiedergegeben. Der fehlende Schwanz, ein üppiger Fellkragen und die weiblichen Brüste lassen keinen Zweifel an ihrer Bärennatur. Sie ist wie Künzl bemerkt, „ein Bär mit leichten zoologischen Ungenauigkeiten“[41]. Vielleicht hängt das mit der wundersamen Genealogie der Kallisto zusammen. Sie gilt bald als Nymphe, bald als Tochter des arkadischen Königs Lykaon[42]. … die Bärin schauderte, wenn sie im Gebirge Bären erblickte, und hatte Angst vor Wölfen, obwohl ihr Vater einer war[43]. Ovid verbindet also zwei verschiedene Arten von Säugetieren miteinander. Wenn es bei Euripides[44] heißt: …In des Raubtiers Gestalt verschwanden die Bürden des Kummers…, dann stellt sich die Frage, ob die Metamorphose der Kallisto überhaupt als Bestrafung zu werten ist, wie es so häufig geschieht. Schließlich handelt es sich bei der Bärin um ein heiliges Tier der Artemis[45].

    Das Verhalten der vielgestaltigen Göttin gegen Mensch und Tier ist merkwürdig ambivalent. Sie behütet Lebewesen, doch sie vernichtet sie auch: …hat dich die Schützin getötet, Artemis, die dich traf  mit ihren sanften Geschossen[46]schon beim dritten Mal hast du … auf ein Tier geschossen[47]. Ein Relief in Kassel zeigt die „Hirschtrefferin“/elaphebolos, die dem verwundeten Tier mit einem zweiten Speer den Todesstoß gibt. Entsprechend den Gepflogenheiten neolithischer Zeit ist für die Jägerin Artemis das waidgerechte Töten selbstverständlich[48].

     

    Artemis als Hirschtrefferin. Relief, Ende des 5. Jhs. v. Chr..

    Kassel. Aufnahme der Verfasserin

    Das vierte Mal hast du… dein Geschoss auf die Stadt der Ungerechten gelenkt, die…vielerlei Freveltaten verübten[49].                                 

    Da dich für die Weiber zur Löwin

    Zeus gemacht und dir gab zu töten, wen du nur möchtest[50].

    …die Frauen sterben… im Wochenbett, von einer Krankheit befallen[51]

    Wenn Artemis ihre Integrität verletzt sieht[52] oder Sterbliche sich der Hybris/Überheblichkeit schuldig machen, ist die Rache der Göttin furchtbar. Als Niobe sich ihrer vielen Söhne und Töchter rühmt und es wagt, sich über Leto, die nur zwei Kinder geboren hat, nämlich Artemis und Apollon, zu erheben, bricht das Unheil über die Niobiden herein.  Diese [die Knaben] hat Apollon getötet mit silbernem Bogen…die Töchter die Artemis pfeileverschüttend…[53].

                      Tötung der Niobiden, Kelchkrater, ca. 450 v. Chr., Paris

                                    Nach Simon 21981, 133-135 Abb 193[54]

     

    Doch Artemis ist auch Heilerin, die zusammen mit ihrer Mutter Leto den verwundeten Aenaeas behandelt[55]; sie ist Helferin, die für glückliche Geburten sorgt: Nur selten wird sie in eine Stadt hinabsteigen, wenn nämlich Frauen, von akuten Wehen gequält, mich als Nothelferin rufen[56]. Auf wen du… freundlich lächelnd und gnädig herniederblickst , gut trägt denen die Ackerfurche Ähren, gut geht die Zucht der Vierbeiner, gut vergrößert sich der Hausstand. Und nie gehen sie zu den Gräbern, es sei denn, sie bringen etwas Hochbetagtes[57].Als Kourotrophos[58] schützt und fördert sie kleine hilflose Wesen, ein Aspekt, der auch Bärinnen eigentümlich ist. Nach Aristoteles nämlich werden die neugeborenen Bärenkinder von ihrer Mutter nicht nur genährt[59], sondern durch beharrliches Lecken erst in Form gebracht[60].

    Wie ist es nun um die Bärengestalt der Göttin Artemis bestellt?

    Es gibt die Darstellungen und literarischen Zeugnisse zu den Arkteia, den Festen zu Ehren der Artemis Brauronia. Kleine Mädchen[61] führen rituelle Läufe aus, wobei sie von Priester/inne/n mit Bärenköpfen und- Masken beaufsichtigt werden. Sie tragen krokosfarbene Gewänder und werden Bärinnen, arktoi, genannt, aber als Menschenkinder wiedergegeben. Artemis nimmt als Jägerin, in weiblicher Gestalt, an den Festlichkeiten teil, ohne jeden Hinweis auf eine viel beschworene „Bärennatur“. Der Versuch, sie als Bärengöttin zu etablieren, basiert vor allem auf der Identifizierung mit Kallisto, deren Verwandlung in eine Bärin ja literarisch und bildlich belegt ist. Doch wenn man die unsterbliche Göttin derart eng mit einer Untergebenen verknüpft, so heißt das, sie einer Nymphe anzugleichen, die zwar langlebig, aber eben doch sterblich ist[62], die nicht nur verwandelt und verstirnt sondern auch getötet und begraben werden kann, Begebenheiten an denen die Göttin einigen mythologischen Strängen zufolge wiederum aktiv beteiligt ist.

    Eine andere Folge der Identifikation wäre die Verbindung einer Gottheit mit einem Grabmal – ein Widerspruch in sich, noch dazu, da sich dieses Grabmal auf dem Gelände des Heiligtums eben dieser Gottheit befindet.

    Im Übrigen verlöre die Göttin, indem man sie via Kallisto zur (Gattin und) Mutter macht, ihre notorische Jungfräulichkeit[63]. Für einen solchen  willkürlichen Eingriff in die mythologische Charakteristik der Artemis fehlt in Literatur und darstellender Kunst der Antike jede Grundlage[64]. Selbst wenn man ihre Aspekte als Geburtsgöttin und Kourotrophos, Potnia Theron, Ephesia und Pergaia berücksichtigt, ist es eine Sache, als große umfassende  Fruchtbarkeitsgottheit über Gedeihen und Vergehen der Natur zu wachen, aber eine andere, eingeengt auf einen lokalen Kult als Mutter des Individuums Arcas, eponymen Heros der Einwohner Arkadiens, zu gelten.

    Auf unsere Frage: Artemis, eine Bärengöttin? gibt es daher allem Anschein nach nur eine Antwort: Artemis. die Göttin mit den vielen Namen und Gestalten[65], ist in der Antike weder als Bärin dargestellt noch in den Schriften expressis verbis als solche bezeichnet worden.

    Antike literarische Quellen:

    Eur. Hel.: Euripides, Helena, in: Ausgewählte Tragödien I übers. E. Buschor (Darmstadt 1996)

    Eur. Iph. A: Euripides, Iphigenie in Aulis. Übers. von J. J. Donner (Stuttgart 1965)

    Hom. h.: Homerische Hymnen, griech. u. dt. (München – Zürich 61989)

    Hom. Il.: Homer, Ilias, übers. R. Hampe (Stuttgart 2007)

    Hom. Od.: Homer, Odyssee, übers. R. Hampe (Stuttgart 2007)

    Hyg. astr.: Hygini De astronomia (Stuttgart – Leipzig 1992)

    Hyg. fab.: Hygini fabulae (Stuttgart – Leipzig 1993)

    Kall. h.: Kallimachos, Werke . Griechisch und deutsch. Hymnen, Auf Artemis. Hrsg. und Übers. M. Asper (Darmstadt 2004) 402-417

    Ov. Met.: Ovid, Metamorphosen, Lateinisch-Deutsch, Übers. M. von Albrecht (Stuttgart 1994)

    Paus.: Pausanias, Reisen in Griechenland 8, Arkadien (Düsseldorf – Zürich 2001)

     

     

    Abgekürzt zitierte Sekundärliteratur:

    Bachofen 1863: J. J. Bachofen, Der Bär in den Religionen des Altertums  (Basel 1863)

    Bevan 1986: E. Bevan, Representations of Animals in Sanctuaries of Artemis and other Olympian Deities (Oxford 1986)

    Bevan 1987: E. Bevan, The Goddess Artemis, and the Dedication of Bears in Sanctuaries, BSA  82, 1987, 17-21

    Bruns 1929: G. Bruns, Die Jägerin Artemis (Diss. München1929)

    Christou 1968: Chr. Christou, Potnia Theron (Thessaloniki 1968)

    Hoenn 1946: K. Hoenn, Artemis. Gestaltwandel einer Göttin (Zürich 1946)

    Kahil 1977: L. Kahil, L’Artemis de Brauron: Rites et Mystère, AntK 20, 1977, 86-98

    Kahil 1984: LIMC II (1984) 624-628 Nr. 2-57 Taf. 442-447 s. v. Artemis (L. Kahil)

    Kaufmann-Heinimann 2002: A. Kaufmann-Heinimann, Dea Artio, die Bärengöttin von Muri: römische Bronzestatuetten aus einem ländlichen Heiligtum (Bern 2002)

    Kerényi 71984: K. Kerényi, Die Mythologie der Griechen I. Die Götter- und Menschheitsgeschichten (München 71984)

    Kerényi 71984: K. Kerényi, Die Mythologie der Griechen II. Die Heroengeschichten (München 71984)

    Künzl 2003: E. Künzl, Die antike Bärin im Dom zu Aachen (Mainz 2003)

    Parke 1987: H. W. Parke, Attische Feste (Mainz 1989)

    Maggiulli 1970: G. Maggiulli, Artemide – Callisto, in: Mythos. Scripta in honorem Marii Untersteiner (Genova 1970) 179-185

    Reeder 1995: E. D. Reeder, Pandora. Frauen im klassischen Griechenland (Mainz 1995)

    1. Scheffer 1939: Th. v. Scheffer, Die Legenden der Sterne im Umkreis der antiken Welt (Stuttgart – Berlin 1939)

    Schefold 1981: K. Schefold, Kallisto, in: Die Göttersage in der klassischen und hellenistischen Kunst (München 1981) 229-232

    Sale 1962: W. Sale, The Story of Callisto in Hesiod, RhM (Rheinisches Museum für Philologie) 105, 1962, 122-141

    Sale 1965: W. Sale, Callisto and the Virginity of Artemis,  RhM 1965, 11-35

    Simon 21981: E. Simon, Die griechischen Vasen (München 21981)

    Simon 1990: E. Simon, Die Götter der Römer (München 1990)

    Technau 1937: W. Technau, Die Göttin auf dem Stier, JdI 52, 1937, 76-103

    Trendall 1977: A. D. Trendall, Callisto in Apulian Vase-Painting, AntK 20, 1977, 99-101

    Vikela 2008: E. Vikela, The Worship of Artemis in Attica: Cult Places, Rites, Iconography, in: N. Kaltsas – A. Shapiro (Hrsg.), Worshiping Women. Ritual and Reality in Classical Athens (New York 2008)

    Vikela 2015: E. Vikela, Apollon, Artemis, Leto. Eine Untersuchung zur Typologie, Ikonographie und Hermeneutik der drei Gottheiten auf griechischen Weihreliefs (München 2015) 75-128

    Wamser-Krasznai 2007: W. Wamser-Krasznai, Metamorphosen der Haut im  antiken Mythos, Akt Dermatol 33/2007, 96 f.

    Wamser-Krasznai 22018: W. Wamser-Krasznai, Artemis Italica, die Göttin mit der Löwenfellkappe, in dies.: Scholien und Spolien (Filderstadt 2017) 39-56

     

    [1] Eur. Hel. 375-385; RE XV, 1 Merops, 1066; Kerényi I 71984, 117 Anm. 477.

    [2] Hyg. astr. 2, 1. 2; ders. fab. 177, 2. 3.

    [3] Lukian. De Dea Syria 41 f.; Bachofen 1863, 12.

    [4] Hom. Il. 21, 470.

    [5] H. Gams, Artemis, in: Der kleine Pauly I (München 1979) 622.

    [6] πότνια ταυρών, Der kleine Pauly ebenda; Technau 1937, 89 f. Abb. 10; Christou 1968, 78-101; Kahil 1984, Nr. 2-66.

    [7] Der Bär, die Arktos, ist im Griechischen weiblich.

    [8] Kall. h. 3, 215 f. Arkas: Anklang an Arktós [die Bärin] RE II, 3, 1159.

    [9] Apollod. III 9, 2, 2; Aelian. v. h. XIII 1,4; RE II, 3 (1895) 1434 s. v. Artemis. Bärin (Wernicke); Bachofen 1863, 11.

    [10] Als entsprechende Fundorte nennt Bevan die Akropolis von Athen, das argivische Heraion, das Artemision von Thasos, das Heiligtum der Artemis Orthia in Sparta und das der Athena Alea in Tegea, dies. 1987, 17. 20.

    [11] Paus. 7, 18, 12 f.

    [12] s. den Beinamen Elaphebolos, Hirschtrefferin, Hom. h. 27, 2; Kall. h. 3, 262.

    [13] Zur Beendigung der Menschenopfer für Artemis: Paus. 7, 19, 6.

    [14] Ehrwürdige, die der Menschenopfer sich erfreut…Eur. Iph. A.1525; Ov. met. 12, 30-35; Darstellung: Fresko im Haus des tragischen Dichters, Pompeji, St. De Caro (Hrsg.), Il Museo Nazionale di Napoli (Napoli 1994) 183 VI, 8, 5 Inv. 9112; …abgelehnt hattest du die Opferbräuche der Taurer..,.Kall. h. 3, 174 f.

    [15] Scholia Graeca in Lysistratam 645; Bevan 1987, 18 Anm. 7.

    [16] Arist. Lys. 148; Schol. Arist. Lys. 645; Kahil 1977, 87.

    [17] Bachofen 1863, 15; Kall. h. 3, 14.

    [18] Kahil 1977, 86-98.

    [19] Kahil 1977, Fig. A-C. 92 f. Abb. 6 f. Taf. 18 f., v. a. Taf. 20.

    [20] Kahil 1977, 93 und Anm. 33.

    [21] Anscheinend beschränkt sich der Kult auf die Gegenden um Bern und Trier (kleine Terrakottafiguren und Matrizen) Kaufmann-Heinimann 2002, 50; dazu der Hinweis auf eine Felsinschrift „Artioni“ bei Ernzen in Rheinland-Pfalz, dies. S. 52; Bachofen 1863, 35.

    [22] Vikela 2015, 79-87; RE II, 3, 1895, Artemis, 1378-1402. Zur Bedeutung des Löwen als Tier der Artemis: Wamser-Krasznai 2017, 46 f.

    [23] RE II, 3, 1895, Artemis, 1435-1439.

    [24] Andere große Vierfüßler packt sie an einer Extremität oder, wie auch die Wasservögel, am Hals, s. Christou 1968, 61-77.

    [25] Kahil 1977, 90 f. Abb. 4 Taf. 19, 2.

    [26] Hes. cat. fr. 163; Kall. fr. 632; Paus. 8, 3, 6; Ov. met. 2, 476-484; Apollod. 3, 101.

    [27] = die Allerschönste; Maggiulli 1970, 184 f. Anders Sale 1965, 12.

    [28] Paus. 8, 35, 8.

    [29] Paus. 1, 29, 2.

    [30] Paus. 8, 3, 6.

    [31] Ov. met. 2, 425-428.

    [32] Ov. met. 2, 439-441.

    [33] Paus. 8, 3, 6 f. Hom. Od. 5, 272-275.

    [34] Ov. met. 2, 509.

    [35] Als Zirkumpolarsterne ‚tauchen sie nicht ab‘, sondern sind ganzjährig für uns sichtbar, Hom. Od. 5, 271-277; dazu auch Wamser-Krasznai 2007, 96.

    [36] Hyg. fab. 177, 2. 3.

    [37] Kall. fr. 632; DNP a. O. Frühklassische Amphora und Bronzemünze aus Orchomenos, Schefold 1981, 229-232 Abb. 316-318; ferner LIMC II (1984) 609 Nr. 2 Taf. 438 s. v. Arkas (A. D. Trendall).

    [38] Paus. 10, 31, 10.

    [39] Reeder 1995, 301 Abb. 2; auf den Bildern der Krateriskos-Fragmente in der Sammlung Cahn sind die Ohren der bärenköpfigen Figuren zwischen  rund und spitz angegeben, ebenda 327 Abb. 100 b. c; Kahil 1977, 86 f. Fig. C. Taf. 20, 2. 3.

    [40] Trendall 1977, 100 Taf. 22, 2. 4. 5; Schefold 1981, 230 f.  Abb. 320. 322.

    [41] Künzl 2003, 16 Abb. 4 f. 42 f. .

    [42] Zwei verschiedene Versionen, Apollod. 3, 8, 2; Sale 1965, 14.

    [43] lupus = λύκος. Ov. Met. 2, 494 f.

    [44] Eur. Hel. 378-380.

    [45] Sale 1965, 26. 32 f.

    [46] Hom. Il. 11, 172 f.; Od. 11, 172. 198 f.; Laser 1983, S 91

    [47] Kall. h. 3, 119 f.

    [48] Simon 1990, 51.

    [49] Kall. h. 3, 120-122.

    [50] Hom. Il. 21, 483 f.

    [51] Kall. h. 3, 126 f.; Maggiulli vermutet in dieser Krankheit das Kindbettfieber (Puerperalfieber), an dem die Frauen in Kürze sterben, dies. 1970, 183 Anm. 24.

    [52] Der Jäger Aktaion belauert Artemis beim Bade. Sie verwandelt ihn in einen Hirsch und lässt ihn von seinen eigenen Hunden zerreißen, Ov. Met. 3, 164-252.

    [53] Hom. Il. 24, 602-609; Ov. Met. 6, 195-305; Paus. 1, 21, 3 u. a.

    [54] Die Abbildungserlaubnis erteilte mir Frau Prof. Dr. Erika Simon, Würzburg, der ich wie schon so oft hierfür und für viele Informationen zu danken habe.

    [55] Hom. Il. 5, 447 f.

    [56] Kall. h. 3, 20-23.

    [57] Kall. h. 3, 129-133.

    [58] Diod. 5, 73, 5; DNP 936 f. s. v. Kourotrophos (F. Graf).

    [59] Bärin mit „weiblichen“ Brüsten: römische Statue im Aachener Dom, Künzl 2003, 16.

    [60] Aristoteles h. a. VI 30; RE IV 1897, 2759. Danach Plin. n. VIII 126; Vergil, der das Lecken der Bärin an ihren Jungen mit dem Feilen an einem Gedicht vergleicht, Verg. vit. Suet. reliq. 59 R; Ov. Met. XV, 379-381; Plut. mor. 494; Bevan 1987, 19; Porph. Vita Pythagorae 41; Bachofen 1863, 4. 6; Hoenn 1946, 19.

    [61] …Nymphen suchte sie sich aus, allesamt neunjährig, Kall. h. 3, 42 f.

    [62]Die Nymphen sollen zwar eine lange Anzahl von Jahren leben, doch nicht gänzlich unsterblich sein, sagen die Dichter von ihnen.“ Paus. X, 31, 10.

    [63] Hom. h. 9. an Artemis: Jungfrau blieb sie…die jagdfrohe, treffliche Schützin…

    Hom. h. 27. an Artemis: züchtige Jungfrau, Meistrin der Hirschjagd, Kall. h. 1.5. 30:  Artemis besingen wir..Gib mir, ewig Jungfräulichkeit zu bewahren, Vater. Und  Zeus antwortet: nimm dir alles mein Kind, was du..forderst und anderes, größeres noch wird dein Vater dir geben. Maggiulli 1970, 180; anders Sale 1965, 12. 34 f.

    [64] Ähnlich Sale 1965, 33-35; dagegen: “ Zeus ist von alters her der Artemis als Gatte gesellt, in Arkadien als Vater des Arkas, in Lakonien als Vater des Lakedaimon; in dem später allgemein geltenden Göttersystem ist sie eine Tochter des Zeus…“ RE 3, 1895, 1369. Einzige Quellenangabe: Paus. II 9, 6 mit dem Hinweis auf eine Kultgenossenschaft von  Zeus und Artemis. .

    [65] Vikela 2008, 80.

  •  

     

    Principles

    Rain is generated from frequent drops, fire from frequent sparks, and principles are shaped through frequent reflections.

    Principles are the summit from which harmony of he world is perceived by our eyes and mind.

    Creating principles is the highest activity of the mind.  Pursuing the principles of simplicity, patience and compassion one can understand the real meaning of life.

    During life’s journey one can chase either one’s own advantages or live on moral principles. However, too soon the advantages fade and finally disappear. Consequently, who had constantly searched only one’s own advantages and self-interests and escaped the good moral principles, will be deprived of both.

    Author’s note:
    Sequoia giganteum (image above), as the oldest tree on the Earth is chosen to represent symbolically the principles. This tree had put the first leaves in the Year 469 B.C. when the Greek philosopher Socrates was born. Socrates preferred to die rather than betray his moral principles.

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Prinzipien / Grundsätze

     

    Regen wird aus verschiedenen Tropfen erzeugt, Feuer von häufigen Funken, und Grundsätze werden durch häufige Überlegungen geformt.

    Grundsätze sind das Höchste, aus dem Harmonie der Welt von den Augen gehört wird.

    Grundsätze sind der Gipfel, aus dem die Harmonie der Welt von unseren Augen und unserem Geist erfasst wird.

    Grundsätze stellen die höchste Aktivität des Geistes dar. Grundsätze  der Einfachheit, der Geduld und Hingabe zu verfolgen, kann man als die wirkliche Bedeutung des Lebens verstehen.

    Während der Lebensreise kann man entweder den eigenen Vorteilen nachjagen oder nach moralischen Grundsätzen leben. Aber zu bald schon schwinden die Vorteile und verschwinden schließlich.

    Folglich wird derjenige, der dauernd nur seinen eigenen Vorteile und seine Eigeninteressen verfolgt hat und den guten moralischen Grundsätzen entflohen ist, von beidem beraubt.

     

    Bemerkung des Autors:

    Sequoia giganteum (Bild oben) als ältester Baum der Erde wird gewählt, um symbolisch Grundsätze darzustellen. Dieser Baum hat seine ersten Blätter 469 nach Christus getrieben, als der griechische Philosoph Sokrates es vorzog, lieber zu sterben, als seine moralischen Grundsätze zu hintergehen.

     

     

     

     

  • Causes

    Understandably we are dealing  with the consequences
    rather than with the causes.

    Consequences are obvious and  evident  practically in the palm
    of  hand.
    The causes are unfathomable,
    difficult to understand and  demand the profound analysis.

     

    Dr. med. André Simon © Copyright

     

    Übersetzung von Dietrich Weller

    Ursachen 

    Verständlicherweise haben wir mehr mit den Folgen als mit den Ursachen zu tun.

    Folgen sind offensichtlich und einleuchtend und liegen praktisch auf der Hand.

    Die Ursachen sind unergründlich, schwierig zu verstehen und erfordern eine tiefgründige Erforschung.