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Beiträge zur Lesung „Gärten“, BDSÄ-Kongress Mai 2016
Im Gras vor der alten
kleinen Kirche
blühen Schneeglöckchen
Kokitche werden sie
in Bulgarien genanntSie sind weiß wie
die Lilie die
der Engel
der Jungfrau reichteWeiß
wie Schnee
wie die Milch
der MutterDrei Blütenblätter
umfassen den Becher
der sich zur Erde neigtDrei
wie Vater Mutter und Kind
wie die Frau
die gleichzeitig auch
Mutter und Tochter istEine Dreiheit
wie Vater Sohn
und Heiliger GeistWo sind deine drei
anderen Blütenblätter
verborgen?Wohin sind sie verschwunden?
Oder wem
hast du sie geschenkt?Helga Thomas
20.2.2016
Nachtrag vom 2.3.16:
Ich schenkte sie dem Künstler
der sie zum Becher schuf
zum Abbild des
Heiligen Gral
versteckt
in der Mitte der DreiDas Schneeglöckchen dankt
der Wärme
dem Licht
indem es sich öffnend
sich nieder zur Erde neigtVielleicht
sagt es dem Schnee
dass er das Tauen
nicht fürchten muss
Freude wird ihn erfüllen
wenn Tropfen um Tropfen
er sich löstFreude wird auch die Erde erfüllen
denn das Schneeglöckchen versprach:
ich werde dir schenken
was jetzt in mir wächst13.2.2016
Als Kind sprach ich
als ich noch nicht sprechen konnte
mit den Blättern im Wind
mit dem im Baum verborgenen Gesicht
das dem Gesicht der Mutter glich
und in manchen Nächten
zum Mond heimgekehrt warAls Kind ging ich
spazieren im Garten
mit Wunderbäumen
und Zauberblumen
die ich mir selbst erschaffen habeAls Kind liebkoste ich
mein kleines Tier im Arm
das meinen Schlaf beschützte
und am Tage nur ein Bettzipfel schienAls Kind war das mein Alltag
und heute fühle ich mict glücklich
und meine es ei ein besonderer Tag
wenn es mir wieder gelingtCopyright Dr. Helga Thomas
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Wenn in herbstlichem Schweigen jedes Lachen stirbt
Und kein Schnee als gnädiges Leichentuch das Namenlose verdeckt –
Wird Passion zum Advent.
Dann wandeln sich gefrorene Rosen in Christusblüten.
Der Sturm trägt mit den toten Blättern
Die letzten Zweifel fort
Und gibt die neuen Knospen frei.
Bleierne Wolken künden den Märzschnee
Und im Feuer der steigenden Wasser
Glüht österliches Weiß. -
Diese Texte trug Eberhard Grundmann beim BDSÄ-Kongress 2015 in Bremen vor in der Lesung über Bremer Stadtmusikanten“ (Moderation Helga Thomas)
Tagfreier Tag
Herr Wennemann klappt den Kalender auf
und sieht, dass in des ganzen Jahres Lauf
sich ein Gedenktag an den andern drängt,
auf manche Tage eine Vielzahl zwängt.
Just siebenhundertfünfundvierzig Tage
fand Wennemann, und das sind schliesslich sage
und schreibe reichlich zwei pro Tag im Schnitt.
Zählt man jedoch nur die globalen mit,
so findet man zweihundertfünfzehn Treffer –
für eine Jahressuppe reichlich Pfeffer.
Es finden sich dabei ein Tag des Lachens
sowie ein Tag des Musik-selber-Machens,
ein Tag des Kusses und ein Tag der Huren
wie gleichfalls der Versöhnung mit den Buren,
die Deutschen retten einmal die Kastanien,
am zweiten Mai denkt an Madrid ganz Spanien,
die Toiletten ehrt man im November,
die Anti-Korruption dann im Dezember,
dann wieder widmet man sich dem Tourismus
beziehungsweise schließlich dem Autismus.
Gesundheit allgemein sowie der Zähne
entdeckt man alsbald neben Handhygiene,
am siebten März Gesundernährung steht,
am sechsten Mai dagegen Anti-Diät.
Psoriasis und Leber, Niere, Herzen,
sowie auch Rheuma, Lepra, Krebs, Kopfschmerzen
erhalten einen eignen Tag als Bonus,
desgleichen Brailleschrift und Hypertonus.
Knapp fünfzig aller Denktermine hangen
allein an medizinischen Belangen.
Doch dann fand Wennemann noch unbenutzte
zweiundsechzig Tage, und er stutzte.
Er rief den Aberach, das Glück zu teilen.
Sie proklamierten ohne zu verweilen
den Tagefreien Welttag und fixierten
als Jahresdatum Monat März, den vierten.
(26.02.2013)Schweinerei
Verwunderlich, verwunderlich,
wie Menschen oft beschimpfen sich
mit den Namen ihrer besten und nützlichsten
Freunde aus dem Tierreich:
Schwein, Hund, Esel, Ochs.
Weit schlüssiger würde es sein,
beschimpfte ein Schwein ein anderes Schwein –
ein ganz besonders bösartiges Schwein:
Du Mensch!
Doch davon kenn ich keinen Bericht,
denn solche bösen Schweine gibt’s nicht.
(02.11.2014)Bremer Stadtmusikanten
Die Stadtmusikanten von Bremen,
getrieben von argen Problemen,
sie fassten den Plan und sie gingen
gen Bremen, um dorten zu singen.
Doch schon auf dem Wege nach Stunden
war ihre Misere verschwunden,
auch ohne die Stadt zu erreichen.
Was lehrt uns nun das und dergleichen?
Erlangen wir oft auch im Leben
nicht das, was wir eifrig erstreben
und lässt sich nicht alles erklimmen,
so gilt doch: die Richtung muss stimmen! -
Diese Texte hat Eberhard Grundmann beim BDSÄ-Kongress in Bremen 2015 vorgetragen in der Lesung „Schiff-Fisch“ (Moderation Jürgen Rogge)
Memorandum eines Wassertropfens
Halt!
Bevor du mich trinkst
oder wegspülst
sieh mich an
mich
den kleinen wassertropfen
Von weit komme ich her
aus einem fernen ozean
stieg ich empor
flog hoch über meere und inseln
und kontinente
regnete nieder auf berge
sickerte durch gestein
wusch höhlen
und trug das mineral
für tropfstein und sinterbecken
so schön dass maler nicht
aufhören sie zu bejubeln
auch üble gifte
lud man mir auf
die ich mühsam in
sandschichten ablegte
manches rad drehte ich
für dich auf meinem weg
manches schiff trug ich zu dir
brot liess ich dir wachsen
ich reinigte dich und dein haus
in adern floss ich und tränen
ich habe deinen zorn befriedet
im rauschen des baches und des meeres
im sommer gab ich dir kühlung am fluss
Sieh mich an
bevor du mich
trinkst oder wegschüttest!
(27.06.2010 Ždiar SK)phylogenese rückwärts
früher war es besser
sagte der primat
und stieg vom baum der erkenntnis
streckte sich wohlig in die waagerechte
auf der besten matratze der saison
und sprach
es ist fast wie früher
als ich ein fisch war
im warmen meer
(30.10.2012)Allein
Ein Haus hat Ritzen und Ratzen,
und oben, da flitzen die Spatzen,
unter jedem Silbertischchen
wohnt auch gleich ein Silberfischchen,
von Fliegen und Mücken zu schweigen,
die sirren und tanzen den Reigen.
Da klagt doch so mancher, wie kann es nur sein,
er wäre allein.
(25.07.2013)Wennemanns neue Himmelsmechanik
Wennemann erwacht
mitten in der Nacht.
Ein Gedankenblitz
reisst ihn aus dem Sitz.
Die Väter stritten grob,
ob die Erde, ob
sie eine Scheibe sei
oder Kugel oder Ei.
Alles eitler Tand,
wie Wennemann jetzt fand.
Vom Traum her mit dem Tubus
erkennt er sie als Kubus
mit Gebirgen an den Kanten
vom Ural bis zu den Anden
und mit Ebenen dazwischen
und mit Seen drin zum Fischen,
und mit Mooren und mit Torfen
wird er täglich neu geworfen
von des Schicksals Übermächten,
von den guten wie den schlechten.
Wennemann erklärt penibel,
so erst würden uns plausibel
die Wechselfälle der Geschicke,
welche statt als Bahn als Knicke
imponieren und im Leben
wie auch sonst als Erdenbeben,
wenn wieder mal und über Nacht
der Würfel auf die Kante kracht.
Aberach ist hochentzückt,
endlich wird zurechtgerückt,
was ihm bisher als ein Rätsel
verschlungen schien wie eine Brezel. -
Diese Texte trug Eberhard Grundmann beim BDSÄ-Kongress 2015 in Bremen vor in der Lesung über Bremer Stadtmusikanten“ (Moderation Helga Thomas)
Tagfreier Tag
Herr Wennemann klappt den Kalender auf
und sieht, dass in des ganzen Jahres Lauf
sich ein Gedenktag an den andern drängt,
auf manche Tage eine Vielzahl zwängt.
Just siebenhundertfünfundvierzig Tage
fand Wennemann, und das sind schliesslich sage
und schreibe reichlich zwei pro Tag im Schnitt.
Zählt man jedoch nur die globalen mit,
so findet man zweihundertfünfzehn Treffer –
für eine Jahressuppe reichlich Pfeffer.
Es finden sich dabei ein Tag des Lachens
sowie ein Tag des Musik-selber-Machens,
ein Tag des Kusses und ein Tag der Huren
wie gleichfalls der Versöhnung mit den Buren,
die Deutschen retten einmal die Kastanien,
am zweiten Mai denkt an Madrid ganz Spanien,
die Toiletten ehrt man im November,
die Anti-Korruption dann im Dezember,
dann wieder widmet man sich dem Tourismus
beziehungsweise schließlich dem Autismus.
Gesundheit allgemein sowie der Zähne
entdeckt man alsbald neben Handhygiene,
am siebten März Gesundernährung steht,
am sechsten Mai dagegen Anti-Diät.
Psoriasis und Leber, Niere, Herzen,
sowie auch Rheuma, Lepra, Krebs, Kopfschmerzen
erhalten einen eignen Tag als Bonus,
desgleichen Brailleschrift und Hypertonus.
Knapp fünfzig aller Denktermine hangen
allein an medizinischen Belangen.
Doch dann fand Wennemann noch unbenutzte
zweiundsechzig Tage, und er stutzte.
Er rief den Aberach, das Glück zu teilen.
Sie proklamierten ohne zu verweilen
den Tagefreien Welttag und fixierten
als Jahresdatum Monat März, den vierten.
(26.02.2013)Schweinerei
Verwunderlich, verwunderlich,
wie Menschen oft beschimpfen sich
mit den Namen ihrer besten und nützlichsten
Freunde aus dem Tierreich:
Schwein, Hund, Esel, Ochs.
Weit schlüssiger würde es sein,
beschimpfte ein Schwein ein anderes Schwein –
ein ganz besonders bösartiges Schwein:
Du Mensch!
Doch davon kenn ich keinen Bericht,
denn solche bösen Schweine gibt’s nicht.
(02.11.2014)Bremer Stadtmusikanten
Die Stadtmusikanten von Bremen,
getrieben von argen Problemen,
sie fassten den Plan und sie gingen
gen Bremen, um dorten zu singen.
Doch schon auf dem Wege nach Stunden
war ihre Misere verschwunden,
auch ohne die Stadt zu erreichen.
Was lehrt uns nun das und dergleichen?
Erlangen wir oft auch im Leben
nicht das, was wir eifrig erstreben
und lässt sich nicht alles erklimmen,
so gilt doch: die Richtung muss stimmen! -
Diese Texte trug Eberhard Grundmann beim BDSÄ-Kongress 2015 in Bremen vor in der Lesung über „Fehler“ (Moderation Dietrich Weller)
Das Böse
ist nicht nur in der Welt,
weil Menschen das Gute
mit falschen Methoden und fehlerhaft
anstreben
oder
ihren Trieben unterliegen.
NEIN.
Das Böse ist auch ganz wesenhaft
in der Welt
und besetzt gleich einem Dämon
einzelne Seelen,
die dann das Böse
gern tun,
planvoll,
mit Freude
und mit Lust.
(22.03.2008)Fahrradreparatur oder der wiedergefundene Glaube an die Menschheit
Wennemann hat einen Fahrradschaden.
Damit geht er in den Fahrradladen.
Dort wird er auf’s freundlichste empfangen
und der Fehler sofort angegangen
sowie weit’re drei gleich mit behoben.
Wennemann kann nur den Meister loben.
Auch die Rechnung fällt sehr milde aus,
und der Kunde zieht den Schluss daraus,
dass die Menschheit noch nicht aufgegeben,
wenn so gute Menschen in ihr leben.
Aberach jedoch, der will erst hoffen,
wenn er diese guten Leut’ getroffen
unter Direktoren und Regenten,
unter Bänkern und sonst Hochpotenten –
zwar gäb’s unten Menschen ohne Tadel,
oben aber fehle es am Adel.
(23.01.2013)trug
nichts ist wie es scheint
keiner sagt was er meint
falsch flagge gehisst
nichts scheint wie es ist
kaum einer wagt
zu meinen was er sagt
man redet gern klug
doch vieles ist trug
es gibt sich gern gross
was eigentlich bloss
ganz klein und gemein –
wird’s immer so sein?
(12.08.2013)Andere Welt
Wir hätten oft besser getan, was wir liessen
und hätten gelassen das, was wir getan.
Wir wären in manchen persönlichen Krisen
viel lieber der Nachbar von nebenan.
Wir lebten, wenn die Probleme sich breiten
und wenn schon wieder alles verfällt
doch lieber in gänzlich anderen Zeiten,
am besten in einer anderen Welt.
(10.10.2012 0400 Maillat F)Das Glück aller Völker
Gewaltsame Völkerbeglückung
heißt hinten immer –ismus.
Vorn heißt sie unterschiedlich
und belanglos.
Sie funktioniert stets zuverlässig
und auf die selbe Weise.
Sie erreicht immer
ihr Gegenteil.
(22.04.2007)Jein
Für die binäre Welt
des Null oder Eins,
Ja oder Nein,
Ent oder Weder
ist der Mensch nicht gemacht.
Er will
Sowohl als Auch,
Wäsche ohne Nässe,
Monogamie aber mit mehreren,
Wohlstand ohne Mühe,
alles essen und schlank bleiben,
langes Leben ohne Alter,
Überraschung, aber nur
durch das, was er schon kennt.
(25.06.2007)Koordinaten
Ein Netz von Koordinaten
werfen wir über die Welt,
den Weg zu finden.
Doch Netze sind Netze
und nicht der Inhalt.
Es gibt den ehrenhaften Ganoven
und den kriminellen Edelbürger,
den törichten Intellektuellen
und den Klugen ohne Bildung.
Den traurigen Clown gibt es
und den zufriedenen Hypochonder,
den Sieger, der alles verliert
und den Besiegten im Glück.
Nur ein kaltes Herz, das liebt, gibt es nicht.
(11.01.2008)Farbenblind
Manche sehn, und sei’s ein lichter Quarz,
alle Dinge auf der Welt nur schwarz.
Andre sehn, und dieses exklusiv,
nur schwarz / weiss ein jegliches Motiv,
wieder andere behaupten schlau,
letzten Endes sei doch alles grau.
Dieses können jene nicht verstehn,
die nur durch die rosa Brille sehn,
und auch der hat seine liebe Not,
der voll Zorn bekennt: Ich sehe ROT!
All den Vorgenannten hilft es nicht,
gibt mal einer ihnen grünes Licht,
selbst die blaue Blume bleibet fremd
so wie Veilchen und ein gelbes Hemd
oder alles, was orange erscheint
wird von ihnen einfach nur verneint.
(06.11.2009) -
Diese Texte wurden beim BDSÄ-Kongress in Bremen 2015 in der Lesung über Erotik (Moderation Horst Ganz) vorgetragen
Wölländischer Spruch 3.1
Jeder will etwas anderes:
Der Mann die Frau.
Die Frau das Kind.
Das Kind das Leben.XY
Anfangs war das Leben prall und rund,
rund und prall und drall und ganz gesund,
bis es eines Abends sich besann:
„Scheinbar komme ich nicht recht voran.Ich will mich morgen dividieren
und besser so getrennt marschieren,
um endlich dann nach ein paar Tagen
mit mehr Fortüne zuzuschlagen.“Es tat sich nun, um Streit zu meiden,
zwei Lose aus den Rippen schneiden:
Das X, das bleibt daheim beim Feuer,
und Ypsilon sucht Abenteuer.Hin und wieder aber müssen
sie sich wiederseh’n und küssen.
Folgerecht im Lauf der Jahre
steigt die Zahl der Exemplare.Teilung hat jedoch auch ihren Preis,
mancher Rosenkrieg ist der Beweis.
So gesehen lebt sich’s auch zu zweit
zwischen Einigkeit und Widerstreit.(15.03.2008)
Wölländischer Spruch 3.9.
Jeder ist so stark wie sein schwächstes Glied.
Adam
Ach, wie hatte es doch Adam leicht!
Nur ein einzig Weib stand ihm zur Wahl,
und das hat ihm völlig ausgereicht.
Heut’ dagegen wird die Wahl zur Qual.Ja, die Auswahl ist fürwahr erdrückend,
dicke gibt es, dünne, kleine, grosse,
alle sind sie irgendwie entzückend –
wem jedoch gebührt am End die Rose?Gar kein Wunder, dass die Männer schwanken,
und wenn sie der einen sich verbunden,
nach der andern suchen in Gedanken:
Jäger können nur durch Jagd gesunden.Weh, doch wehe, wenn der Frauen eine
von dem Wahlrecht selber macht Gebrauch:
au, die Herren werfen sofort Steine
ganz wie manche von den Damen auch.(10.08.2001)
Wölländischer Spruch 3.10.1
Nicht jede Bluse verspricht, was sie hält.
Wer kennt Ernst?
Frauen
kennen ihn.
Nur Frauen.
Sie haben ihn
sich nicht
ausgesucht.
Er kommt über sie.
Der Ernst
des Lebens.
Männer
spielen.(08.03.2003 Wippra)
Wölländischer Spruch 3.10.2
Nicht jede Bluse hält, was sie verspricht.
Überbau und Unterbau
Dein Geist soll bis zu hohen Jahren
sein Licht und seine Kraft bewahren,
wie andrerseits dein Unterleib
auch immer froh und munter bleib!(21.12.2007)
Wölländischer Spruch 3.76.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie hübsch die Evolution Eizellen verpacken kann – und manchmal auch Spermien. (14.12.2014)
Biochemie
Zwar gibt es Lieb auch ohne
das Zutun der Hormone
– zum Beispiel die platone –
doch die Natur-Matrone
verlässt sich nicht die Bohne
auf diese Art Ikone.
Bei ihrem Drang zum Sohne,
zur Tochter gleicher Weise,
benutzt sie still und leise
Chemie zur sichren Reise,
fährt gut auf diesem Gleise –
fahr mit, dann bist du weise.(17.02.2007)
Wölländischer Spruch 3.51.
Nicht alles
hängt am Phalles.
Doch steht und fällt
mit ihm die Welt.(03.02.2007)
Dem Trieb
Dem Trieb
geht’s einzig um’s Prinzip.
Wisse drum, mein Sohn,
er acht‘ nicht der Person.
Bei Bedarf ist er zur Stell
und also universell.
Drum widme ihm dein Denken,
um manierlich ihn zu lenken.(16.03.2008)
Wölländischer Spruch 3.58.
Männer können Frauen nicht verstehen. Aber begreifen. (27.5.2007)
Im Nacktbad
Den Säugling in Manne begrüsste
die Vielzahl verschiedener Brüste.
Ich bekenne ganz ohne Geziere:
Männer sind Säugegetiere.(2009)
Wölländischer Spruch 3.66.
Den Hafen der Liebe findet man selten durch Liebe im Hafen. (01.02.2011)
Verführung
Einst vor vierzig Jahren,
als wir jung und lustig waren,
in jener milden Sommernacht,
haben heimlich wir gedacht,
was vielleicht jetzt noch passiert,
wenn eins das andere verführt.Nach einer Runde um das All
stellt sich heut ein andrer Fall.
Im Stillen denkt die Frau, der Mann,
was sie, was er nun nicht mehr kann,
doch dass sie richtig einst wie jetzt
die Tat durch die Option ersetzt.(04.10.2009)
Wölländischer Spruch 3.21.
Wo kämen all die schönen Homos her,
wenn jeder Mensch ein Homo wär. (20.05.1998)Fernkuss
Eben noch auf deinem Mund,
flog sie, und das, weil sie muss,
flog die Fliege hierher und
brachte zu mir deinen Kuss.(02.07.2010)
Wölländischer Spruch 3.54.
Gehn die Dinge gar zu glatt,
hat man sie recht bald schon satt.
Es gilt ohne Übertreibung:
Selbst Liebe braucht die Reibung. (17.02.2007) 7Antrag
Er halte, sagte er,
um ihre Hand an.
Dabei hatte er diese
am wenigsten im Sinn.(08.08.2011)
Wölländischer Spruch 3.42.
Verachte nicht die Früchte des Unterleibes. Du bist selber eine. (07.02.2007)
Wölländischer Spruch 3.40. Zugabe
Männer und Frauen werden zu Männern und Frauen erst durch Frauen und Männer. (10.06.2002)
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Diese Gedichte wurden vorgetragen bei der BDSÄ-Jahrestagung 2015 in Bremen in der Lesung mit dem Thema „Fehler“
Hymne an den Stacheldraht
Stacheltier, du ausgerolltes
Borstenvieh, du ungewolltes,
von Tyrannen festgenagelt,
dir sei jetzt ein Lied spektakelt!Von dem Volk, das du umfasst,
von dem Volke, das dich hasst,
von dem Land, das du umringst
und in deinen Kerker zwingst.Wer kann deine Stachel zählen,
die Millionen Menschen quälen,
die Millionen tiefe Wunden
in das Menschenherz geschunden?Magst du wie ein Tiger beißen
und die Welt in Stücke reißen.
Magst du deine Zähne wetzen
und uns das Gedärm zerfetzen.Wie bestialisch du auch bist!
Wie der Rost dein Eisen frisst,
frisst der Freiheitshunger auch
dich in seinen großen Bauch.Blumen um die Stirn der Braut,
Schellen um die Hand, die klaut,
und um den Tyrannenstaat
Stacheldraht, Stacheldraht. –Copyright Prof. Dr. Paul Rother, 1970
Heinrich Heine Herbst 1989 in Leipzig
- Der 9. Oktober
Im traurigen Monat Oktober war’s,
die Tage wurden trüber,
Paris hört’ grad mit Feiern auf,
da fuhr ich nach Leipzig hinüber.Was dort zweihundert Jahr’ vorbei,
hier war es aktueller.
Der eingelullte Weltenlauf
ging plötzlich wieder schneller.Zwar Tyrannei, vergreist und stur,
sprach noch mit schriller Stimme
von 40 Jahren DDR
voll Stolz, und auch im GrimmeÜber ein zweites deutsches Land,
durch das ich grad gereiset,
und wo ich mich sehr wohl befand
und auch recht gut gespeiset.Da spielten Siebzigtausend dann
am Abend Ringelreihn
und schlossen, wie im Kinderspiel,
die alte Staatsmacht ein.Viel schöne Sprüche hört’ ich sie
im Chore laut zitieren.
Auch auf Bettlaken standen sie.
Ich werde sie notierenUnd wenn ich wieder in Paris,
daraus ein Epos machen,
worüber hoffentlich sodann
allhier die Leute lachen.- Stasi
Ja, sie sind unverkennbar froh,
auch wenn sie noch im Drecke,
doch ihre Fröhlichkeit verfliegt
an jener „runden Ecke“,An Leipzigs Reichskanzlei, in der
sich jene tief verschanzten,
die als Staatssicherheit frech auf
des Volkes Nase tanzten.Hier, schwer bewaffnet, lagen sie
der Freiheit auf der Lauer,
rund vierzig Jahre war ihr Bau
ein Monument der Trauer.Dann kam das Wunder: Tausendfach
Kerzen in bloßen Händen
räucherten die Tschekisten aus,
konnten den Spuk beenden.- Die Elster
Die Weiße Elster ist ein Fluss,
einst Leipzigs Wasserstraße.
Ihr Wasser ist jedoch ganz schwarz
und fährt mir in die Nase.Hätte sie 1813 schon
so mörderisch gestunken,
Napoleons Heer wär’ schnell gefloh’n
und nicht in ihr ertrunken.Aus Schaum war Venus einst gebor’n,
die Muse meiner Lieder.
In diesem Chemikalienflaum,
ich glaub, da stirbt sie wieder.Im Munde knirscht’s, ich spucke aus,
die Spucke schwimmt zur Elbe
und schwimmt durch Ost- und Westdeutschland,
als wär’ es schon dasselbe.Ja, sicher wird es das, sie zanken
nicht mehr um eine Grenze
im Elbelauf bei Magdeburg,
nein, sie wird deutsch zur Gänze.4. St. Nikolai
Den Spott über den Kölner Dom,
den muss ich schnell vergessen,
seit ich am Montagabend in
Sankt Nikolai gesessen.Was mir zu Köln noch Zwingburg schien,
des Geists Bastille und Kerker –
hier macht die Kirche Menschen frei,
gewitzt, furchtlos und stärker.Nach dem Gebet begann sie hier,
die große Prozession,
und nahm von hier den Siegeslauf,
die Revolution.Dank unsern Glaubensbrüdern, die
Sowjetbürger beglückten,
indem sie Bibeln tonnenweis’
ins Erbreich Stalins schickten!Ihr ließet euern Opfermut
im Westen nie erkalten
und habet auch den Menschen hier
manch Kirchenbau erhalten.Erschreckt nicht vor der neuen Pflicht,
sie noch zu unterstützen.
Die Leute hier bedanken sich
mit Kommunistenwitzen.Copyright Prof. Dr. Paul Rother
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Wach auf und habe schlecht geträumt.
Steh auf und denk doch positiv.
Der Tag ist trüb. Ich werde schneller,
doch besser wird die Laune nicht.
Trotz Kaffeeduft und einer Dusche,
die Lebensgeister bleiben schwach.
Ich werde so nicht richtig wach.
Das Telefon, ich ahn es schon,
im Briefkasten ist Ärger drin.
Der Pegel ist jetzt besser.
Zum Kampf bereit,
mal wieder Streit.
Ich möchte heute einfach Frieden,
nur auf dem Sofa liegen.
Mein Selbstmitleid, es fließt dahin.
Ich frage nach des Lebens Sinn.
Wie war das Leben schlecht zu mir.
Heut weiß ich es genau.
Bin auch nur eine Frau.
Ich fühl und heul so vor mich hin.
Wo komm ich her, wo geh ich hin?
Steh einfach auf dem Kopf.Copyright Dr. Uta-Christine Breitenstein
aus dem Buch Alles hat seine Zeit, deutscher lyrik verlag
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Ich möchte gern ein Engel sein,
aus hellem, reinem Licht,
der leicht und klug
und duftend zart
alle Körperlichkeit durchbricht
und schweben kann durch Raum
und Zeit.Des Menschen Schmerz, die Scham,
das Leid, des Alters wahre Grausamkeit,
das hat er überwunden
und weint mit uns,
denn wir lernen nicht,
uns besser bei zu stehen.Copyright Dr. Uta-Christine Breitenstein
aus dem Buch Alles hat seine Zeit, deutscher lyrik verlag