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Manchmal zeigt es sich
an eiskalten Tagen bei klarer Luft
als weiße Kristallblumen mit feinem Saum
Grashalme grazil umschlingend
oder Hagebutten herrlich bekleidend
als belebender Blumenteppich
das Firmament federleicht erreichend
als glänzende, knorrige Finger
einsame Regenrinnen verzierend
Manchmal erscheint es
als bezaubernde Malereien
am hellblauen Himmelszeit
oder als ein zauberhafter Schleier
über an Gewässern gelegenen Ortschaften
Manchmal ist es das Zeichen
meiner tiefen Liebe
für freie Vögel und gehegte Pflanzen
in unserem kleinen Paradies
Manchmal ist es ein Spiegel
den Fluss des Lebens zeigend
ein tosendes, tiefes Meer
den Mut der Suchenden besingend
oder ein prächtiger Paukenschlag
zum Gehen befähigte Gelähmte aufrüttelnd
In welcher Erscheinung auch immer
bleibt es unser Lebenselixier -
(15.12.2022)
für meine Enkelkinder
Solltet ihr einst fragen
wie euer Großvater es erreichte
mit seiner Meinung in absoluter Minderheit zu sein
und trotzdem zuversichtlich aufrecht zu gehen
so bedenkt die vielfältig vermittelten Botschaften
dieser wunderbaren uralten Erde
Mit allen Sinnen wahrnehmbare Botschaften
manchmal mit Vogel-Gesängen überbracht
manchmal mit Schnee-Tünche gemalt
manchmal mit Krokus-Küssen ausgesprochen
manchmal in Symbol-Kleidern dargeboten
als Spinnweben vor verschlossenen Türen
Diese bildhaften Botschaften
waren meine klärenden Kraftquellen -
Die Zivilisationstünche
war schnell weggespült
das für unendlich gehaltene Licht
war leicht erloschen
inbrünstig vorgetragene hehre Werte
gerieten zügig in Vergessenheit
als die Grundlage des gepriesenen Wohlstands
die Ausbeutung von Natur und Menschen
instabil wurde
Das unübersehbar Aufgetretene
stank wahrhaftig zum Himmel
in diesem verfallenden Land -
Tanzend streichelnde Schneeflocken
selig lachende Schneerosen
geduldig suchende Sperlinge
stolz stehende Zypressen
fröhlich strahlende Hagebutten
gebt mir Kraft und Ausdauer
in dieser Zeit gewaltiger Geburten
bei dieser Gratwanderung voller Gefahren -
60 Jahre Abitur,
die Zeit verrann, wo bleibt sie nur,
die Lebenswege sind verschieden,
allein die Einsicht ist geblieben,
im Miteinander liegt die Kraft,
die Sinn geriert und Werte schafft. -
(30.9.2021)
In unserer zutiefst kranken Gesellschaft
kommt es auf die Behebung des Leides an
auf die Entschleierung seiner Ursachen
und nicht auf seine Linderung
oder das Verbrämen der Umstände
Mitfühlende, aufrechte Menschen sind vonnöten
und keine oberflächlichen Mitläufer֎֎֎
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Socrates (469-399 BC) was a Greek philosopher whose way of life, character and his thoughts exerted a profound influence on ancient and modern philosophy. One day someone came to see Socrates, and said to him: „Do you know, what I just heard about your friend?“
„One moment,“ Socrates replied, „Before you tell me, I’d like to inquire you with the test of the three sieves. Before telling everything about others, it is good to take the time to filter what you would like to say. The first sieve is the truth. Have you checked if what you tell me is true? “ „No, I’ve just heard of it.“ “So, you don’t know if it’s the truth” said Socrates. “The second sieve is that of goodness. What do you want to tell me about my friend, is it something good?“ „Ah no, in reverse!“
“So,“ Socrates continued, „You want to tell me bad things about him and you’re not even sure they are true. The third sieve remains, that of utility. Is it helpful for me to know what this friend would have done to me?“ „No, not at all.“
„So,“ concluded Socrates, „if, what you wanted to tell me is neither true, nor good, nor useful, I prefer not to know; and I advise you to forget it.“
Dr. med. André Simon © Copyright
P.S.
Never speak negatively of absent colleagues.
The philosopher Epictetus (c. 50-138 AC) would say humoristically:” So, if anyone should tell you that a particular person has spoken critically of you, just smile and reply: I guess that person doesn’t know all my other faults. Otherwise, he wouldn’t have mentioned only these.”
Übersetzung von Dietrich Weller
Die Lektion des Sokrates
Sokrates (469-399 vor Chr.) war ein griechischer Philosoph, dessen Lebensweise, Charakter und Gedanken einen tiefgreifenden Einfluss auf die altertümliche und moderne Philosophie ausübte.
Eines Tages kam jemand zu Sokrates und fragte ihn: „Weißt du, was ich gerade über deinen Freund gehört habe?“
„Moment mal,“ antwortete Sokrates, bevor du mir das erzählst, möchte ich dich mit den Fragen der drei Siebe prüfen. Bevor du alles über andere erzählst, ist es gut, dir Zeit zu nehmen, um zu filtern, was du erzählen möchtest. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du geprüft, ob das, was du erzählen willst, wahr ist?“
„Nein, ich habe davon gehört.“
„Also weißt du nicht, ob es die Wahrheit ist,“ sagte Sokrates. „Das zweite Sieb heißt Güte. Was du mir über meine Freund erzählen willst, ist das etwas Gutes?“
„Nein, ganz im Gegenteil!“
„Also,“ fuhr Sokrates fort, „du willst mir schlechte Dinge über ihn erzählen, und du bist noch nicht einmal sicher, ob sie wahr sind. Das dritte Sieb heißt Nützlichkeit. Ist es hilfreich für mich zu wissen, was dieser Freund mir angetan hätte?“
„Nein, überhaupt nicht!“
„Also,“ schloss Sokrates, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch nützlich ist, ziehe ich es vor, es nicht zu wissen, und ich rate dir, es zu vergessen.“
PS:
Sprich nie negativ über abwesende Kollegen und Kolleginnen. Wir sollten mit dem gleichen Ton und mit der gleichen Wortwahl sprechen, die wir in ihrer Anwesenheit benutzen würden.
Der Philosoph Epiktet (ca. 50-138 nach Chr.) sagt humorvoll: „Wenn jemand dir erzählen sollte, dass eine bestimmte Person kritisch über dich gesprochen hat, lächle einfach und antworte: Ich nehme an, dass diese Person meine anderen Fehler nicht kennt. Sonst hätte sie nur diese erwähnt!“
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(2.3.2021)
in Erinnerung an Mohammad-Reza Shajarian (1940-2020)
nspiriert durch den Sonnenschein und ein persisches Gedicht von Barzin Azarmehr entstand der folgende Text.
Reihe dich ein, geschätzter Freund
Schließe dich dem Zug der Freidenkenden an
Verweile nicht verlassen in tiefer Trauer
Dieses gemeinschaftliche Leid
ist nur gemeinsam zu behandeln
Solch eine schwere Lebensaufgabe
ist nur solidarisch zu lösen
Bedenke die vergangenen
aufrichtig suchenden Generationen
Schöpfe lebensfroh Kraft
aus ihren Fehlern und Erfolgen
Lass uns diesen drängenden Weg
gemeinsam bestreiten und beschreiten
Reihe dich ein, geschätzter Freund
Schließe dich dem Zug der Freidenkenden an֎֎֎
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(11.1.2021)
für meine Enkelkinder
Es gibt häufig helle und dunkle Zeiten
lasst euch von ihrem Wechsel nicht verleiten
Immer wenn die Kräfte des Tages versiegen
werden Lichtschmetterlinge in Brunnen fliegen
Solche wunderbaren Brunnen sollt ihr finden
Lichter suchen und sie fröhlich verbinden֎֎֎
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This story, reportedly from his childhood, was told by the first Indian PM Jawaharlal Nehru. Once his mother served him and his father burnt bread for lunch. And while he reluctantly looked at that bread and wondered whether to eat or not, his father took a piece and ate it in silence. After the lunch, the mother apologized for serving such bread, and the father just said, „Darling, it’s all right, I love it like that.“
That night, before going to bed Jawaharlal went to say good night to his father and asked him if he really liked burnt bread. „Burnt food is not the worst thing that can happen to us. Burnt bread can’t hurt anyone, and if I objected, I would hurt your mother. I would do a lot more damage. The words remain deeply etched in the mind and in the heart.”
We often neglect the way we do this when addressing to others. We don’t choose words and we don’t think too much about how they will affect that person. Sometimes it is more important to tolerate events and pay attention to vocabulary and tone because words are powerful and the problem can be made worse by poor choices.
Dr. med. André Simon © Copyright
Credits: The flower was photographed by Dr. Dietrich Weller, who has agreed to illustrate this story. The author is grateful for this permission.
Übersetzung von Dietrich Weller
Die Macht derWorte
Diese Geschichte, dem Bericht nach aus seiner Kindheit, wurde vom ersten Premierminister Indiens, Jawaharlal Nehru, erzählt.
Einmal gab seine Mutter ihm Essen, und sein Vater verbrannte das Brot zum Mittagessen. Und während er widerwillig dieses Brot ansah und überlegte, ob er es essen sollte oder nicht, nahm sein Vater ein Stück und aß es ganz still. Nach dem Essen entschuldigte sich seine Mutter dafür, dieses Brot aufgetischt zu haben, und der Vater sagte nur: „Liebling, es ist alles in Ordnung. Ich liebe es so, wie es ist!“
Am Abend ging Jawaharlal vor dem Zubettgehen zu seinem Vater und fragte ihn, ob er wirklich verbranntes Brot mochte. „Verbranntes Essen ist nicht die schlechteste Sache, die uns passieren kann. Verbranntes Brot kann niemandem wehtun, und wenn ich widersprochen hätte, hätte ich deiner Mutter Schmerzen zugefügt. Das würde viel mehr Schaden anrichten. Die Worte bleiben tief verwurzelt im Geist und im Herzen.“
Wir vernachlässigen oft die Art und Weise, mit der wir das tun, wenn wir andere ansprechen. Wir wählen Worte nicht,und wir denken nicht zu sehr darüber nach, wie sie diese Person beeinflussen. Manchmal ist es wichtiger, Ereignisse zu ertragen und auf unseren Wortschatz und Ton zu achten, weil Worte mächtig sind und das Problem durch die falsche Wahl verschlechtert werden kann.
Dank: Das Bild, eine Löwenzahnblüte, wurde von Dr. Dietrich Weller fotografiert, der zugestimmt hat, diesen Taxt damit zu illustrieren. Der Autor ist dankbar für die Erlaubnis.