Kategorie: Gedichte

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    Da sitz ich nun, ich armer Tor
    auf einem harten Steine.
    Ich bin so schlau als wie zuvor
    und denke Bein auf Beine:

    Was ich gewann, was ich verlor,
    was bleibt, was sei das meine.
    Was ich im Leben alles schwor,
    zu kennen, wissen um die kleine

    Ewigkeit, die mir jetzt sagt:
    Nichts ist gerade, nichts ist krumm.
    Der Alte so aus Weimar klagt,
    auch Vogelwalthers Lied bleibt stumm.

    Ich aber sage frech und frei:
    Gedanken können alles biegen.
    Da ist ein Nichts, und Nichts das sei
    nur in Gedanken zu besiegen.

    Copyright Prof. Dr. Dr. Kayser

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    Ich stieg zu den Gräbern am Nachmittag,
    Gräber geborgen in Fels und in Stein.
    Die sengende Sonne im Sterben lag,
    graurot und wärmend ihr sinkender Schein.

    Die Gräber so kühl, so sauber und leer
    nur Bänke und kein vergessener Sarg.
    Mein Blick streift weit über das ruhende Meer,
    die Felder vertrocknet, geerntet und karg,

    und windet sich dann die Felsen hinauf
    und klettert und klettert und findet nicht Halt
    und fällt tief im wilden verzweifelten Lauf –
    ihn rettet die Rose im lichtdunklen Spalt.

    Du Rose, Du rote, blühst Rose so rot
    über Gräbern aus heut vergessener Zeit.
    Mein Herz, meine Liebe, Du Rose so rot,
    so rettest Du mich in die Ewigkeit.

    Copyright Prof. Dr. Dr. Kayser

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    So eile ich nun mit quälendem Schritt
    zum Gipfel den Berg hinauf.
    Hunger und Sehnsüchte eilen mit,
    hemmen nicht den drängenden Lauf.

    Vergessen die sprudelnden Wasser im Tal,
    die leuchtenden Blüten zu Zweit,
    der trunkene Becher im nächtlichen Saal,
    der Eltern treues Geleit.

    Oben am Gipfel reckt sich ein Baum
    kahl und dürr in die Nacht.
    Um ihn Wiesen, glanzloser Schaum,
    wehrlos in graubrauner Pracht.

    Er aber trotzt im Tode noch starr
    dem Sturm und der Zeiten Lauf.
    Wie er im Leben gewachsen war,
    gestorben gibt er nicht auf.

     

    Copyright Prof. Dr. Dr. Klaus Kayser

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    Es regnet leise, eine stille Pause,
    im Regen hat sich Gold gelöst,
    als er so vor sich hin gedöst,
    veredelt gehe ich nach Hause.

    Auch hier hat alles einen güldnen Hauch:
    die Blumen, Bücher, sogar heißer Tee
    und jenes Bild vom goldnen See,
    mein großer Spiegel funkelt auch.

    Eins von den Wundern meiner Welt,
    die reich von Gold umflossen ist,
    in meinen Augen wohnt ein Alchimist,
    der das erschafft, was ihm gefällt.

     

    Copyright Barbara Kromphardt

     

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    Ich habe etwas ausgepackt
    (ich bin gerade am Umziehen)
    ich nahm es in die Hand
    eine erdbraune Muschel
    eine von denen
    aus unserer Kinderzeit
    wenn du sie ans Ohr hältst
    (auch fern von jeglicher Küste)
    kannst du das Rauschen des Meeres hören …
    Später erklärten mir kluge Menschen:
    du hörst das Rauschen
    deines eigenen Blutes
    sein Echo
    noch später dachte ich
    (inzwischen selber klug geworden):
    Ist das nicht dasselbe?
    zwei Bilder
    eines einzigen Geschehens

    Ich hielt die Muschel
    wie als Kind
    an mein Ohr
    ich hörte kein Rauschen
    aber da …
    ein Tropfen
    und wieder
    und wieder
    stetig fiel er nieder

    In welchen Brunnen
    oder See
    oder …
    fiel er?

    Da begriff ich:
    ich hörte mein Herz
    das Echo des eigenen Herzschlags

    Aber ist das nicht dasselbe:
    das Tropfen des Lebenswassers
    und der Schlag deines Herzens?

    Nun sah ich
    auf der glatten braunen Steinfläche
    eine Ritzzeichnung
    Tiere der Wüste
    der Savanne
    unter einem Baum
    (an einem Wasserloch?)
    sicher kannte keines ein Meer
    eine Muschel
    doch auch ihr Herz
    schlägt wie das Tropfen
    des Lebenswassers

    Die Sehnsucht des Künstlers
    vereinte
    die Tiere
    aus der Weite der Wüste
    und die Muschel
    aus der Tiefe des Meeres

    Nun spürte ich:
    der Schmerz des Umzugs
    (körperlich)
    war vergangen
    wenigstens für kurze Zeit

    Wer hat mir
    die Erkenntnis geschenkt:
    lausch auf das Lied deiner Sehnsucht
    hörbar werdend
    im tropfenden Wasser des Lebens
    im schlagenden Herzen

    Vertrau
    dem Strom des Lebens
    er trägt dich zum Ziel

    Copyright Dr. Helga Thomas

  • Ich habe heute Morgen
    meinen Hund gestreichelt
    er schaute mich so traurig an
    denn ich wollte
    jetzt noch nicht
    raus in den nassen Sommermorgen

    Ich habe durstig
    gierig fast
    die erste Tasse Tee getrunken
    und dann
    erfreute mich
    der Apfel
    mit Farbe Form
    Geruch Geschmack

    Ich freute mich
    dass ich
    immer noch
    in den Apfel beißen kann
    Obwohl mein Körper
    mit aller Schwere
    mich niederzog
    schwer und unbeweglich
    freute ich mich dann
    als langsam
    alle Glieder wieder
    beweglich wurden

    Noch immer bin ich müde
    doch auch dankbar
    und ich frage mich
    ob meine- Freude
    nicht viel mehr bewirkt
    als das
    was ich vielleicht
    noch so zu tun gedenke
    natürlich Nützliches
    an diesem Tag

     

    Copyright Dr. Helga Thomas

     

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    Alle Welt
    berichtet schreibt
    und forscht
    übers Wasser

    Warum nicht ich?

    Alle Welt
    wirklich alles
    nicht nur Leben
    braucht das Wasser
    so wie auch ich

    Doch welches Wasser
    meinen sie
    welches Wasser
    meine ich?

    Das Wasser
    das vom Himmel fällt
    aus der tiefen Erde dringt?
    Die Welt umarmend
    sie durchfließt?

    Als Brunnen
    Mensch und Tiere tränkt
    als See
    dem Himmel
    Berg und Baum
    als Spiegel dient?

    Das in seinem
    Auf und Ab
    und Hin und Her
    der Seele gleicht?

    Das Wasser
    das in meinem Auge
    von vergangener Liebe spricht?

    Das Wasser
    das in jedem Körper
    kreist?

    Unsichtbar kurz vor Herbstbeginn
    als Nebel
    sich über alle Dinge legt?

    Genauso unsichtbar
    verlässt es als leichter Hauch
    meine Haut
    und verbindet mich
    atemgleich
    mit aller Welt

    Welches Wasser
    es auch immer ist
    es gibt sich hin
    es passt sich an
    formlos
    füllt es jede Form
    und sucht doch immer
    seine eigne Mitte
    und ist doch immer
    ganz sich selbst
     

    Copyright Dr. Helga Thomas

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    Schwäne sah ich auf dem Wasser
    sie schwammen nicht
    sie tauchten nicht
    sie waren einfach da
    wie das Wasser
    das in sich ruhend
    unbemerkt
    stetig weiter floss

    Nur das Spiegelbild
    von Baum und Haus
    vibrierte sanft
    als wollte es
    mit dem Wasser weiter fließen

    Schwäne sah ich auf dem Wasser
    Sie waren einfach da

    Ob ich es wohl von ihnen lerne
    wenn ich von nun an
    jeden Tag
    mich an sie erinnere?

     

    Copyright Dr. Helga Thomas

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    Acht tage war
    der rechner lahm
    totenstill
    totenkalt
    draussen blieb
    die welt
    unerreichbar
    das gedächtnis.

    Jetzt ist er
    auferweckt
    sein kleines herz
    schlägt für mich
    achthundert
    millionen mal
    in der sekunde
    fröhlich blinken
    die lämpchen
    behaglich schnurrt
    die platte
    der lüfter atmet frei
    wohlige wärme
    verströmend.

    Noch hangelt er
    unbeholfen
    durch bäume
    und programme
    viel zuwendung
    heischend und
    jeden tag geläufiger.
     

    Copyright Dr. Eberhard Grundmann

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    Der Krokus
    krokt hervor
    der Frost, der muss
    sich schütteln, armer Tor.

    Hokus, Krokus, Frühlibus,
    der Winter kauft den Schluss.

    Schneewittchen
    und Schneeglöckchen
    diese beiden Flittchen
    tragen grüne Röckchen.

    Hokus Krokus simsalim,
    war der Winter wieder schlimm.

    Die Kätzchen weiden
    unter Weidenkätzchen
    und wie diese beiden,
    auch du, mein Schätzchen.

    Hokus Krokus Mausepeck,
    der Frühling lugt ums Eck.

    Der Floh
    springt froh
    wie auch die anderen Flöhe
    lustvoll in die Höhe.

    Hokus Krokus Löffelstiel,
    viel zu wenig ist nicht viel.

    Es klappern die Zähne
    klipp klapp,
    und plappern die Schwäne
    papperlapp.

    Hokus Krokus weh und ach,
    was klappert da am Rauschebach?

    Mancher Apfel, lehrt das Pferd,
    ist bei Hunger ganz verkehrt.
    In solcher Lage eignet sich
    weitaus besser Bienenstich.

    Hokus Krokus Ringelreih,
    Kinder, kommt nur schnell herbei.

    Bei Hunger, sagt ein Märchen,
    frisst der Leipz’ger Lerchen,
    was wiederum den Schwan empört,
    wenn er es in Schlesien hört.

    Hokus Krokus lirium,
    das Lied, das ist bald um.

    Die Mücke sticht,
    der Vogel kackt
    idyllisch ist es nicht,
    wenn die Natur dich packt.

    Hokus Krokus ditschen datschen,
    dreimal hoch die Fliegenklatschen!

    Copyright Dr. Eberhard Grundmann